Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: C-36/04
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 1954/2003, Verordnung (EWG) Nr. 2847/93, Verordnung (EG) Nr. 685/95, Verordnung (EG) Nr. 2027/95


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 1954/2003 Art. 3
Verordnung (EG) Nr. 1954/2003 Art. 4
Verordnung (EG) Nr. 1954/2003 Art. 6
Verordnung (EWG) Nr. 2847/93
Verordnung (EG) Nr. 685/95
Verordnung (EG) Nr. 2027/95
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

30. März 2006

"Verordnung (EG) Nr. 1954/2003 - Artikel 3, 4 und 6 - Steuerung des Fischereiaufwands - Gemeinschaftliche Fanggebiete und Fischereiressourcen - Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften und die Anpassungen der Verträge - Untrennbarkeit - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache C-36/04

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 29 Januar 2004,

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Monteiro und F. Florindo Gijón als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. van Rijn und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters J. Makarczyk, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kuris (Berichterstatter) und G. Arestis,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Januar 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 In seiner Klageschrift beantragt das Königreich Spanien die Nichtigerklärung der Artikel 3, 4 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1954/2003 des Rates vom 4. November 2003 zur Steuerung des Fischereiaufwands für bestimmte Fanggebiete und Fischereiressourcen der Gemeinschaft, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 685/95 und (EG) Nr. 2027/95 (ABl. L 289, S. 1, im Folgenden: streitige Verordnung).

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 3 der streitigen Verordnung bestimmt:

"(1) Außer bei dem in Artikel 6 Absatz 1 beschriebenen Gebiet verfahren die Mitgliedstaaten wie folgt:

a) Sie ermitteln den Fischereiaufwand, der von Fischereifahrzeugen mit 15 m Länge über alles oder mehr im Zeitraum 1998 bis 2002 jährlich durchschnittlich in jedem der in Artikel 1 genannten ICES-Gebiete und COPACE-Bereiche betrieben wurde, für die Fischerei auf Grundfischarten - mit Ausnahme von Grundfischarten, die in der Verordnung (EG) Nr. 2347/2002 des Rates vom 16. Dezember 2002 mit spezifischen Zugangsbedingungen und einschlägigen Bestimmungen für die Fischerei auf Tiefseebestände genannt sind - sowie für die Kammmuschel-, Taschenkrebs- und Seespinnenfischerei gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung. Für die Berechnung des Fischereiaufwands wird die Fangkapazität eines Fischereifahrzeugs, als installierte Maschinenleistung, ausgedrückt in Kilowatt (kW), gemessen.

b) Sie nehmen die Aufteilung des gemäß Buchstabe a in jedem ICES-Gebiet oder COPACE-Bereich ermittelten Fischereiaufwands für jede der in Buchstabe a genannten Fischereien vor.

..."

3 Artikel 4 dieser Verordnung lautet:

"(1) Der Fischereiaufwand von Fischereifahrzeugen bis 15 m Länge über alles wird für jede Fischerei und jedes Gebiet oder jeden Bereich gemäß Artikel 3 Absatz 1 im Zeitraum 1998 bis 2002 in seiner Gesamtheit bewertet.

(2) Der Fischereiaufwand von Fischereifahrzeugen bis 10 m Länge über alles wird für jede Fischerei und jedes Gebiet oder jeden Bereich gemäß Artikel 6 Absatz 1 im Zeitraum 1998 bis 2002 in seiner Gesamtheit bewertet.

(3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der von diesen Fischereifahrzeugen betriebene Fischereiaufwand auf den gemäß Absatz 1 und 2 ermittelten Fischereiaufwand beschränkt bleibt."

4 Artikel 6 der erwähnten Verordnung stellt eine Sonderregelung für die Steuerung des Fischereiaufwands für ein genau abgegrenztes biologisch empfindliches Gebiet vor der Küste Irlands auf, in dem die "Mitgliedstaaten ... den im Zeitraum 1998 bis 2002 jährlichen durchschnittlichen Fischereiaufwand bei Fischereifahrzeugen mit 10 m Länge über alles oder mehr für die Fischerei auf Grundfischarten - mit Ausnahme der Arten, die in der Verordnung (EG) Nr. 2347/2002 erfasst sind - sowie für die Kammmuschel-, Taschenkrebs- und Seespinnenfischerei [ermitteln] und ... die Aufteilung des so ermittelten Fischereiaufwands für jede dieser Fischereien [vornehmen]".

Anträge der Parteien

5 Das Königreich Spanien beantragt,

- die Artikel 3, 4 und 6 der streitigen Verordnung (im Folgenden: angefochtene Bestimmungen) für nichtig zu erklären;

- dem Rat der Europäischen Union die Kosten aufzuerlegen.

6 Der Rat beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen.

7 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Mai 2004 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden. Sie beantragt, die Klage abzuweisen und dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen. Ferner beantragt sie für die Fall, dass der Klage stattgegeben wird, die Aufrechterhaltung der zeitlichen Wirkungen der angefochtenen Bestimmungen gemäß Artikel 231 Absatz 2 EG.

Zur Klage

8 Das Königreich Spanien beruft sich zur Stützung seiner Klage im Kern auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt es eine Verletzung des Diskriminierungsverbots. Der Rat habe die besondere Lage der spanischen Flotte aufgrund der Bestimmungen des Beitrittsvertrags bei der Festlegung des Referenzzeitraums für die Berechnung des Fischereiaufwands nicht berücksichtigt und eine Sonderregelung für die Steuerung des Fischereiaufwands in einem südwestlich von Irland gelegenen Gebiet angewandt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Ermessensmissbrauch gerügt, den der Rat durch den Erlass von Artikel 6 der streitigen Verordnung begangen habe, da das wirkliche Ziel der Begrenzung des biologisch empfindlichen Gebiets nicht die Erhaltung des Jung-Seehechts sei, sondern die Verlängerung der Beschränkungen, denen die spanische Flotte bereits unterlegen habe.

9 Der Gerichtshof hat die Beteiligten aufgefordert, zur Frage der Zulässigkeit der Klage in Anbetracht der Rechtsprechung Stellung zu nehmen, wonach die teilweise Nichtigerklärung eines Gemeinschaftsrechtsakts nur möglich ist, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen (vgl. u. a. Urteil vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C-29/99, Kommission/Rat, Slg. 2002, I-11221, Randnrn. 45 und 46, vom 21. Januar 2003 in der Rechtssache C-378/00, Kommission/Parlament und Rat, Slg. 2003, I-937, Randnr. 30, vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-239/01, Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I-10333, Randnr. 33, und vom 24. Mai 2005 in der Rechtssache C-244/03, Frankreich/Parlament und Rat, Slg. 2005, I-4021, Randnr. 12).

10 Der Rat hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass zwar die angefochtenen Bestimmungen voneinander trennbar seien, doch gelte dies nicht für das Verhältnis zwischen ihnen und anderen Bestimmungen der streitigen Verordnung; daher hätten die Letztgenannten bei einer Nichtigerklärung der angefochtenen Bestimmungen keinen Sinn mehr. Die Wirkungen einer solchen Nichtigerklärung seien in Bezug auf Artikel 15 dieser Verordnung besonders heikel, der die Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 685/95 des Rates vom 27. März 1995 zur Steuerung des Fischereiaufwands in bestimmten Fanggebieten und in Bezug auf bestimmte Fischereiressourcen der Gemeinschaft (ABl. L 71, S. 5) und der Verordnung (EG) Nr. 2027/95 des Rates vom 15. Juni 1995 zur Einführung einer Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands in bestimmten Fanggebieten und für bestimmte Fischereiressourcen der Gemeinschaft (ABl. L 199, S. 1) betreffe. Infolgedessen hat der Rat Zweifel an der Zulässigkeit der Klage.

11 Die Kommission macht sich das Vorbringen des Rates zu Eigen und führt aus, dass die angefochtenen Bestimmungen den Kernpunkt der neuen Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands darstellten und dass im Fall ihrer Nichtigerklärung für die Steuerung dieses Aufwands keine Regelung mehr für die westlichen Gewässer gelten würde.

12 Wie in Randnummer 9 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, ist nach ständiger Rechtsprechung die teilweise Nichtigerklärung eines Gemeinschaftsakts nur möglich, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen.

13 Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, ist dieses Erfordernis der Abtrennbarkeit nicht erfüllt, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt dieses Aktes verändert würde (Urteile vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 257, Kommission/Rat, Randnr. 46, Deutschland/Kommission, Randnr. 34, sowie Frankreich/Parlament und Rat, Randnr. 13).

14 Wie der Gerichtshof im Übrigen auch entschieden hat, stellt die Frage, ob eine teilweise Nichtigerklärung den Wesensgehalt des angefochtenen Rechtsakts verändern würde, ein objektives, nicht aber ein subjektives Kriterium dar, das vom politischen Willen des jeweiligen Organs abhängig wäre, das den streitigen Rechtsakt erlassen hat (Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 37).

15 In der vorliegenden Rechtssache ist zu prüfen, ob die Nichtigkeit der angefochtenen Bestimmungen bei Fortbestehen der übrigen Bestimmungen objektiv den Wesensgehalt dieser Verordnung ändern würde.

16 Die angefochtenen Bestimmungen bilden den Kern der Verordnung.

17 Die streitige Verordnung soll nämlich nach ihrer Begründungserwägung 4 eine neue Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands in den aufgeführten Gebieten und Bereichen einführen, "[u]m sicherzustellen, dass der derzeitige Gesamtfischereiaufwand nicht ansteigt".

18 Zudem stehen die angefochtenen Bestimmungen in Kapitel II der streitigen Verordnung über die Regelung zur Steuerung des Fischereiaufwands. So legt Artikel 3 der Verordnung die Maßnahmen für den Fang von Grundfischarten sowie bestimmten Weichtieren und Krustentieren fest, Artikel 4 regelt den Fischeraufwand von Fischereifahrzeugen bis 15 m Länge, und Artikel 6 legt die Bedingungen für die Steuerung des Aufwands in den biologisch empfindlichen Gebieten fest.

19 Die angefochtenen Bestimmungen legen somit die maßgeblichen Einzelheiten der Steuerung des Fischereiaufwands fest, während die übrigen Bestimmungen des Kapitels II der streitigen Verordnung technischen Charakter haben, da ihre Anwendung mit den Artikeln 3, 4 und 6 der Verordnung verknüpft ist. Kapitel III der Verordnung legt eine Regelung für die Überwachung der Einhaltung der Steuerung des Fischereiaufwands fest und hat daher nur dann Sinn, wenn die angefochtenen Bestimmungen bestehen.

20 Schließlich wurden durch Artikel 15 der streitigen Verordnung die Verordnungen Nrn. 685/95 und 2027/95 spätestens mit Wirkung vom 1. August 2004 aufgehoben. Diese beiden Verordnungen dienten der Festlegung der Regelung der Steuerung des Fischereiaufwands für bestimmte gemeinschaftliche Fanggebiete und Fischereiressourcen und deren Durchführung. Eine Nichtigerklärung der angefochtenen Bestimmungen würde ein rechtliches Vakuum schaffen, da in ihrer Folge keine Regelung für die Steuerung des Fischereiaufwands mehr gelten würde.

21 Nach allem sind die angefochtenen Bestimmungen vom Rest der streitigen Verordnung untrennbar. Somit ist der Antrag des Königreichs Spanien auf teilweise Nichtigerklärung dieser Verordnung unzulässig, und die Klage ist daher abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

22 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat die Verurteilung des Königreichs Spanien beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Artikel 69 § 4 trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ihre eigenen Kosten.



Ende der Entscheidung

Zurück