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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.01.1993
Aktenzeichen: C-361/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
EWG-Vertrag Art. 37 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte 1985 über die schrittweise Umformung staatlicher portugiesischer Handelsmonopole räumt Portugal ein weites Ermessen bei der Wahl der Mittel zur schrittweisen Umformung der fraglichen Monopole in der Weise ein, daß spätestens bei Ablauf der Übergangszeit der in dieser Vorschrift vorgesehene Ausschluß jeder Diskriminierung sichergestellt ist. Allerdings muß der Umformungsprozeß tatsächlich in der Weise eingeleitet werden, daß die Verpflichtung zum Ausschluß jeder Diskriminierung im festgelegten Zeitpunkt vollständig erfuellt werden kann. Hierzu genügt der Erlaß konkreter Maßnahmen, die geeignet sind, die Erreichung des vorgegebenen Ziels zu fördern, ohne daß Kontingente für die freie Einfuhr gemäß der Zeitfolge eröffnet werden müssten, die die Kommission in einer aufgrund von Artikel 208 Absatz 1 abgegebenen Empfehlung vorgesehen hatte.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 19. JANUAR 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN PORTUGIESISCHE REPUBLIK. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATES - SCHRITTWEISE UMFORMUNG DER MONOPOLE - BEDINGUNGEN DES BEITRITTS DER PORTUGIESISCHEN REPUBLIK - UEBERGANGSMASSNAHMEN. - RECHTSSACHE C-361/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 10. Dezember 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 208 Absatz 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23, im folgenden Beitrittsakte) verstossen hat, daß sie keine schrittweise Umformung der Monopole für Äthylalkohole landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs und für den Erwerb und den Vertrieb von Branntweinen aus Wein, die zur Herstellung von Portwein bestimmten sind, vorgenommen hat.

2 In Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte heisst es:

"Unbeschadet des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels formt die Portugiesische Republik vom 1. Januar 1986 an ihre staatlichen Handelsmonopole im Sinne des Artikels 37 Absatz 1 des EWG-Vertrags schrittweise derart um, daß vor dem 1. Januar 1993 jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.

Die derzeitigen Mitgliedstaaten übernehmen gegenüber der Portugiesischen Republik gleichwertige Verpflichtungen.

Die Kommission gibt Empfehlungen für die Art und Weise und den Zeitplan der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Umformung, wobei diese Art und Weise und dieser Zeitplan für die Portugiesische Republik und für die derzeitigen Mitgliedstaaten gleich sein müssen."

3 Am 8. Oktober 1987 hat die Kommission gemäß Artikel 208 der Beitrittsakte eine Empfehlung an die Portugiesische Republik zur Umformung des staatlichen Handelsmonopols für Alkohol gegenüber den übrigen Mitgliedstaaten gerichtet (ABl. L 306, S. 32, im folgenden: Empfehlung). Darin ist der Portugiesischen Republik empfohlen worden, für Äthylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, für Äthylalkohol nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs sowie für Branntweine aus Weinen, die zur Herstellung von Portwein bestimmt sind, Kontingente zu eröffnen. Die Empfehlung enthält auch sehr genaue Bestimmungen zu den Prozentsätzen und zur Erhöhung der Kontingente bis zum 31. Dezember 1992.

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs sowie des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils es erfordert.

5 Zur Begründung ihrer Klage führt die Kommission aus, die portugiesische Regierung habe zu dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt keine der in der Empfehlung genannten Maßnahmen ergriffen, und sie habe die Monopole für Äthylalkohol und für Branntweine aus Wein nicht so umgeformt, daß sie mit Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte vereinbar seien.

6 Für die Prüfung, ob diese Rüge begründet ist, ist von Bedeutung, welche Tragweite die in Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte festgelegte Verpflichtung der Portugiesischen Republik in bezug auf die schrittweise Umformung dieser Monopole in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 1. Januar 1993 (im folgenden: Übergangszeit) hat.

7 Der Ausschluß jeder Diskriminierung zum Ende der Übergangszeit stellt eine klare Verpflichtung dar, deren Erfuellung dadurch, daß die vorgesehene Umformung schrittweise erfolgen sollte, zwar erleichtert, nicht aber bedingt werden soll. Dies hat der Gerichtshof im Urteil vom 17. Februar 1976 in der Rechtssache 45/75 (Rewe/Hauptzollamt Landau, Slg. 1976, 181, Randnr. 24) zu Artikel 37 Absatz 1 EWG-Vertrag entschieden, der dem Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte inhaltsgleiche Verpflichtungen enthält.

8 Nach diesem Urteil soll die Frist, die den Mitgliedstaaten gesetzt ist, um ihre staatlichen Monopole schrittweise umzuformen, die Schaffung neuer, mit dem Verbot jeder Diskriminierung bei Ablauf der Übergangszeit zu vereinbarender Verhältnisse erleichtern.

9 Im Lichte dieser Zielrichtung ist die der Kommission in Artikel 208 Absatz 1 Unterabsatz 3 zugewiesene Aufgabe zu verstehen, an die betreffenden Mitgliedstaaten in Form von Empfehlungen nicht verbindliche Akte über die Art und Weise und den Zeitplan der in diesem Artikel vorgesehenen Umformung zu richten.

10 Aufgrund von Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte hat die Portugiesische Republik demnach ein weites Ermessen bei der Wahl der Mittel zur schrittweisen Umformung der fraglichen Monopole in der Weise, daß spätestens bei Ablauf der Übergangszeit der in dieser Vorschrift vorgesehene Ausschluß jeder Diskriminierung sichergestellt ist.

11 Wenn somit auch feststeht, daß es Sache der portugiesischen Regierung ist, die für diesen Zweck geeigneten Maßnahmen und ihre Zeitfolge festzulegen, muß der Umformungsprozeß aufgrund des Umstands, daß in Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte eine schrittweise Umformung vorgeschrieben ist, während der Übergangszeit tatsächlich in der Weise eingeleitet werden, daß die Verpflichtung zum Ausschluß jeder Diskriminierung bei Ablauf der Übergangszeit erfuellt werden kann.

12 Es ist also, ohne daß im einzelnen auf das Vorbringen der Parteien einzugehen wäre, zu untersuchen, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß die portugiesische Regierung zu dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt nicht alle Maßnahmen ergriffen hatte, um vor dem Ende der Übergangszeit jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten auszuschließen.

13 Die Kommission ist der Ansicht, in den von der portugiesischen Regierung vor diesem Zeitpunkt ergriffenen Maßnahmen könne entgegen Artikel 208 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Beitrittsakte keine Umformung der fraglichen Monopole gesehen werden. Sie stellten lediglich Maßnahmen dar, die eine künftige Umformung dieser Monopole vorbereiten sollten.

14 Die Kommission hat jedoch in keiner Weise klar gemacht, wie zwischen Maßnahmen der Umformung und Maßnahmen zur Vorbereitung einer künftigen Umformung zu unterscheiden sei, und es ist ihr auch nicht gelungen, darzutun, daß die von der portugiesischen Regierung ergriffenen Maßnahmen eher zu der zweiten als zu der ersten Gruppe gehören.

15 Vielmehr hat die portugiesische Regierung, wie der Generalanwalt in Punkt 4 seiner Schlussanträge hervorhebt, sowohl in bezug auf das Monopol für Äthylalkohol landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Ursprungs als auch in bezug auf das Monopol für den Ankauf und die Lieferung von Branntweinen aus Wein, die zur Herstellung von Portwein bestimmt sind, zu dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt konkrete Maßnahmen getroffen, deren Existenz von der Kommission nicht bestritten wird und für die die Kommission nicht dargetan hat, daß sie nicht geeignet wären, die Erreichung des Ziels, jede Diskriminierung vor dem Ende der Übergangszeit auszuschließen, zu fördern.

16 Die portugiesische Regierung hatte somit zu dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt ein Verfahren zur schrittweisen Umformung der fraglichen Monopole eingeleitet, wie es Artikel 208 Absatz 1 der Beitrittsakte von ihr verlangt.

17 Dieser Feststellung steht nicht entgegen, daß die portugiesische Regierung zu diesem Zeitpunkt für Äthylalkohol und Branntweine aus Wein keine Kontingente für die Einfuhr und die freie Vermarktung eingeführter Erzeugnisse gemäß der Zeitfolge eröffnet hatte, die die Kommission in ihrer Empfehlung vom 8. Oktober 1987 vorgesehen hatte.

18 Während nämlich Artikel 208 Absatz 2 der Beitrittsakte für das Monopol für Erdölerzeugnisse eingehende Vorschriften zur Liberalisierung der Märkte enthält, bezeichnet Artikel 208 Absatz 1 in keiner Weise die Mittel näher, mit denen die schrittweise Umformung der streitigen Monopole vorzunehmen ist. Wie oben unter Randnummer 10 ausgeführt, war die Portugiesische Republik folglich insofern bei der Wahl der Mittel frei.

19 Nach alledem ist die auf Feststellung einer Vertragsverletzung gerichtete Klage unbegründet und somit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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