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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.11.1998
Aktenzeichen: C-370/96
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1591/92


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1591/92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die mit der Verordnung Nr. 1591/92 zur Einführung einer Ausgleichsabgabe auf die Einfuhr von Kirschen mit Ursprung in Bulgarien festgesetzte Ausgleichsabgabe findet nicht nur auf frische Tafelkirschen Anwendung, sondern auch auf solche Kirschen, die zur industriellen Verarbeitung bestimmt sind.

2 Ein im Ein- und Ausfuhrhandel erfahrenes Unternehmen, dem namentlich die unmittelbare drohende Gefahr der Einführung einer Ausgleichsabgabe bekannt ist, kann sich, wenn diese Ausgleichsabgabe tatsächlich eingeführt wird, weder auf Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, noch auf Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben berufen, wenn es sich über die tatsächliche Einführung der Abgabe durch Einblick in das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften unterrichten konnte und dies unterlassen hat.

Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79, wonach die Nacherhebung unterbleiben kann, wenn der Irrtum der zuständigen Behörden von einem gutgläubigen Abgabenschuldner trotz seiner Berufserfahrung und der erforderlichen Sorgfalt nicht erkannt werden konnte, bedeutet, daß ein Einfuhrhändler, dem die drohende Gefahr der Einführung eine Ausgleichsabgabe auf bestimmte Waren bekannt ist, sich durch Einblick in die einschlägigen Amtsblätter des auf sein Geschäft anwendbaren Gemeinschaftsrechts vergewissern muß. Ihm dies aufzuerlegen, steht unter Berücksichtigung dessen, daß das Gemeinschaftsrecht einheitlich anzuwenden ist, nicht ausser Verhältnis zu dem mit der Einführung der Ausgleichsabgabe verfolgten Ziel, Störungen des Gemeinschaftsmarkts zu verhindern.

Zudem handelt ein Unternehmen, das sich trotz Kenntnis der unmittelbaren Gefahr der Einführung einer Ausgleichsabgabe nicht durch Einblick in die einschlägigen Amtsblätter des auf sein Geschäft anwendbaren Gemeinschaftsrechts vergewissert, offensichtlich fahrlässig im Sinne des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 und erfuellt damit nicht die Voraussetzungen, von denen nach dieser Bestimmung die Erstattung oder der Erlaß von Eingangsabgaben abhängt.

3 Es berührt das Recht der Zollbehörden auf Nacherhebung der Ausgleichsabgabe nicht, wenn sie die Fristen der Artikel 3 und 5 der Verordnung Nr. 1854/89 über die buchmässige Erfassung und die Voraussetzungen für die Entrichtung der Eingangs- oder Ausfuhrabgaben bei Bestehen einer Zollschuld nicht beachten, sofern die Nacherhebung innerhalb der Frist des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 erfolgt.


Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 26. November 1998. - Covita AVE gegen Elliniko Dimosio (Griechenland). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Dioikitiko Efeteio Thessalonikis - Griechenland. - Verordnung (EWG) Nr. 1591/92 - Ausgleichsabgaben für die Einfuhr von Kirschen mit Ursprung in Bulgarien - Buchmäßige Erfassung - Nacherhebung. - Rechtssache C-370/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Dioikitiko Efeteio Saloniki hat mit Urteil vom 24. Oktober 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175, S. 1), des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), der Artikel 3 und 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1854/89 des Rates vom 14. Juni 1989 über die buchmässige Erfassung und die Voraussetzungen für die Entrichtung der Eingangs- oder Ausfuhrabgaben bei Bestehen einer Zollschuld (ABl. L 186, S. 1) sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1591/92 der Kommission vom 22. Juni 1992 zur Einführung einer Ausgleichsabgabe auf die Einfuhr von Kirschen mit Ursprung in Bulgarien (ABl. L 168, S. 18) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der griechischen Aktiengesellschaft Covita AVE (Klägerin), die seit Anfang 1991 Kirschen und Trauben industriell verarbeitet, und der Griechischen Republik über die Nacherhebung von Ausgleichsabgaben für die Einfuhr von Kirschen aus Bulgarien.

Gemeinschaftsrecht

3 Zur entscheidungserheblichen Zeit sah die Verordnung (EWG) Nr. 2587/91 der Kommission vom 26. Juli 1991 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 259, S. 1) folgende Tarifierung von Kirschen vor:

"0809 Aprikosen, Kirschen, Pfirsische (einschließlich Pruniolen und Nektarinen), Pflaumen und Schlehen, frisch:

... 0809 20 - Kirschen: 0809 20 10 - - vom 1. Mai bis 15. Juli 0809 20 90 - - vom 16. Juli bis 30. April".

4 Artikel 2 Absatz 1 der wiederholt geänderten Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse (ABl. L 118, S. 1) sieht die Festsetzung von Qualitätsnormen für bestimmte Erzeugnisse - darunter Kirschen - vor, die in frischem Zustand an den Verbraucher abgegeben werden sollen. Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 899/87 der Kommission vom 30. März 1987 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Kirschen und Erdbeeren (ABl. L 88, S. 17) legt eine Qualitätsnorm für Kirschen "der aus "Prunus Avium L.", "Prunus Cerasus L." oder ihren Hybriden hervorgegangenen Anbausorten zur Lieferung in frischem Zustand an den Verbraucher" fest; "Kirschen für die industrielle Verarbeitung fallen nicht darunter." Vier Klassen werden definiert: "Extra" sowie die Klassen I, II und III.

5 Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1035/72 sieht, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, eine Ausgleichsabgabe der fraglichen Einfuhren vor, wenn der Einfuhrpreis bei der Einfuhr eines Erzeugnisses aus einem Drittland an zwei aufeinanderfolgenden Markttagen um mindestens 0,6 ECU unter dem Referenzpreis liegt.

6 In der Verordnung (EWG) Nr. 956/92 der Kommission vom 15. April 1992 zur Festsetzung der Referenzpreise für Kirschen für das Wirtschaftsjahr 1992 (ABl. L 102, S. 27) wurde der Referenzpreis für die genannten Erzeugnisse der Güteklasse I für Juni 1992 auf 125,70 ECU je 100 kg Eigengewicht festgesetzt.

7 Am 22. Juni 1992 erließ die Kommission die Verordnung Nr. 1591/92, deren Artikel 1 wie folgt lautet:

"Auf die Einfuhr von Kirschen (KN Code ex 0809 20) mit Ursprung in Bulgarien wird eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 37,86 ECU je 100 kg Eigengewicht angewandt."

Diese Verordnung wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Juni 1992 veröffentlicht. Nach ihrem Artikel 2 trat sie am 24. Juni 1992 in Kraft.

8 Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 lautet:

"Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben absehen, deren Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen ist, sofern dieser Irrtum vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und letzterer gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat."

9 Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/79 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3069/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 (ABl. L 286, S. 1) lautet:

"Die Eingangsabgaben können ausser in den in den Abschnitten A bis D genannten Fällen bei Vorliegen besonderer Umstände erstattet oder erlassen werden, sofern der Beteiligte nicht in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt hat.

Die Voraussetzungen und die Modalitäten für die Anwendung von Unterabsatz 1 werden nach dem Verfahren des Artikels 25 festgelegt. Für die Erstattung und den Erlaß können besondere Voraussetzungen gelten."

10 Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3799/86 der Kommission vom 12. Dezember 1986 zur Durchführung der Artikel 4a, 6a, 11a und 13 der Verordnung Nr. 1430/79 (ABl. L 352, S. 19) führt die Sonderfälle auf, die sich aus Umständen ergeben, die weder auf eine betrügerische Absicht noch auf eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten hinweisen.

11 In Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1854/89 heisst es:

"Für die Zwecke dieser Verordnung gelten als

...

c) buchmässige Erfassung: von der Zollbehörde vorgenommene Eintragung der einer Zollschuld entsprechenden Eingangs- oder Ausfuhrabgaben in die Bücher oder in sonstige statt dessen verwendete Unterlagen;

..."

12 Artikel 5 der Verordnung Nr. 1854/89 lautet:

"Wenn der sich aus einer Zollschuld ergebende Abgabenbetrag nicht gemäß den Artikeln 3 oder 4 oder zu einem niedrigeren Betrag als gesetzlich vorgesehen buchmässig erfasst wurde, muß die buchmässige Erfassung des zu erhebenden Betrages bzw. des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Zollbehörde davon Kenntnis erhalten hat und den gesetzlich vorgesehenen Betrag berechnen und die zur Zahlung verpflichtete Person bestimmen kann. Diese Frist kann nach Maßgabe von Artikel 4 verlängert werden."

Der Ausgangsrechtsstreit

13 Die Klägerin führte seit 28. Mai 1992 frische Kirschen mit Ursprung in Bulgarien zur industriellen Verarbeitung nach Griechenland ein.

14 Um der Gefahr der Erhebung einer Ausgleichsabgabe zu begegnen, stand die Klägerin täglich mit dem Zollamt Skydra in Verbindung, wo die Kirschen angemeldet wurden. Am 3. Juli 1992 wurde sie vom Erlaß der Verordnung Nr. 1591/92 unterrichtet; sie stellte daraufhin die Einfuhren ein. Die Kommission hatte diese Verordnung dem griechischen Landwirtschaftsministerium mit Fernschreiben vom 29. Juni 1992 zugestellt. Das Ministerium übermittelte die Verordnung dem Zollamt Skydra mit Fernschreiben vom 2. Juli, das am 3. Juli einging. Die Kommission hatte nach ihrem Vorbringen dem griechischen Ministerium am 23. Juni 1992 ein erstes Fax zur Unterrichtung über den Erlaß der Verordnung geschickt.

15 Am 21. Dezember 1992 erhob das Zollamt Skydra in Anwendung der Verordnung Nr. 1591/92 eine Ausgleichsabgabe in Höhe von insgesamt 83 580 760 DR wegen der Einfuhr von Kirschen mit Ursprung in Bulgarien in der Zeit vom 24. Juni bis 1. Juli 1992 nach.

16 Gegen diese Abgabenbescheide erhob die Klägerin Anfechtungsklage, in der sie geltend machte, die Ausgleichsabgabe nach der Verordnung Nr. 1591/92 sei nur für Tafelkirschen vorgesehen, die frisch verzehrt werden sollten, da nur diese den Qualitätsnormen unterlägen; auch verletze die Nacherhebung ihr geschütztes Vertrauen. Das Ausgangsverfahren ist vor dem Dioikitiko Efeteio Saloniki anhängig, das das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1. Können die Begriffe "besondere Umstände" und "Irrtum der zuständigen Behörden" in Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates bzw. Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates dahin ausgelegt werden, daß sie jeder für sich oder beide gemeinsam und in Verbindung mit anderen für die zu prüfende Frage relevanten Vorschriften oder Grundsätzen auch den Fall erfassen, daß ein gutgläubiger Importeur mit Genehmigung der Zollbehörde aus einem Drittstaat stammende Waren in Empfang nahm und in den Verkehr brachte, ohne die durch die Verordnung (EWG) Nr. 1591/92 der Kommission eingeführte Ausgleichsabgabe zu entrichten, wenn dies darauf, daß der zuständigen Zollbehörde die Existenz dieser letztgenannten Verordnung aufgrund eines fehlenden Mechanismus für ihre rechtzeitige Unterrichtung über den Erlaß einer unmittelbar anwendbaren Vorschrift des Gemeinschaftsrechts unbekannt war, oder auf die mangelhafte Koordinierung zwischen den beteiligten Gemeinschafts- und nationalen Behörden oder auf irgendeinen anderen Grund zurückzuführen ist, der nicht mit einer Handlung des Importeurs zusammenhängt, oder genügt für die Nacherhebung der Ausgleichsabgabe allein der Erlaß der Verordnung?

2. Sind die in den Artikeln 3 und 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1854/85 des Rates gesetzten Fristen für die buchmässige Erfassung der Zollschuld Ausschlußfristen in dem Sinne, daß bei ihrem fruchtlosen Ablauf das Recht der Zollbehörden zur buchmässigen Erfassung und Erhebung der Ausgleichsabgabe verwirkt ist? Kann darüber hinaus bei Nichtvorliegen aussergewöhnlicher Umstände oder eines Falles höherer Gewalt das Verstreichen eines Zeitraums von mehr als 5 Monaten seit dem Zeitpunkt, zu dem die Zollbehörde Kenntnis von der Situation erlangte und in der Lage war, den geschuldeten Betrag zu berechnen, als Zeitraum betrachtet werden, der den Zeitraum überschreitet, innerhalb dessen sie angemessenerweise hätte tätig werden müssen?

3. Ist die streitige Ausgleichsabgabe nur auf frische Tafelkirschen zu erheben oder auch auf Kirschen für die industrielle Verarbeitung?

Zur dritten Frage

17 Die dritte Frage ist zuerst zu erörtern, da die erste und die zweite Frage nur beantwortet zu werden brauchen, wenn die Verordnung Nr. 1591/92 auch auf Kirschen Anwendung findet, die zur industriellen Verarbeitung eingeführt wurden.

18 Die Klägerin bringt vor, die von ihr eingeführten Kirschen, die zur industriellen Verarbeitung bestimmt seien, unterlägen nicht den Qualitätsnormen. Die Verordnung Nr. 1591/92 beziehe sich in ihren Begründungserwägungen auf Kirschen der Klasse I. Also sei die Ausgleichsabgabe mit dieser Verordnung nur für Erzeugnisse angeordnet worden, die den Qualitätsnormen für die Klasse I gerecht würden. Artikel 1 der Verordnung Nr. 1591/92 nehme die Position 0809 20 der Kombinierten Nomenklatur mit der Bezeichnung "Kirschen" in Bezug, gebrauche aber vor der Codenummer den Zusatz "ex". Diese Angabe bedeute, daß die Ausgleichsabgabe nur einen Teil der Waren erfasse, die unter diese Position falle, nämlich diejenigen der Klasse I.

19 Dem ist nicht zu folgen. Richtig ist zwar, daß die Verordnung Nr. 956/92 den Referenzpreis von Kirschen für das Wirtschaftsjahr 1992 für Erzeugnisse der Klasse I festsetzt und daß die dritte Begründungserwägung dieser Verordnung den Referenzpreis für Kirschen dieser Klasse betrifft.

20 Wie aber der Generalanwalt in Nummer 18 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden der Referenzpreis und der Eingangspreis für Erzeugnisse einer einzigen Klasse festgesetzt, damit Gleichartiges verglichen wird. Diese Art der Festsetzung hat daher nicht zur Folge, daß die Ausgleichsabgabe, die nach Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1035/72 auf der Grundlage der Differenz zwischen dem Referenzpreis und dem mittleren Eingangspreis berechnet wird, nur Erzeugnisse der fraglichen Klasse betrifft.

21 Eine solche Auslegung widerspräche vielmehr dem Zweck der Einführung einer Ausgleichsabgabe, Störungen auf dem Gemeinschaftsmarkt zu vermeiden, die auf Billigverkäufen von Waren aus Drittländern beruhen (vgl. Beschluß vom 5. Februar 1997 in der Rechtssache C-51/95 P, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1997, I-727, Randnr. 21). Dieses Ziel lässt sich regelmässig nur erreichen, wenn alle betroffenen Warenklassen der Ausgleichsabgabe unterliegen. Auszugehen ist somit davon, daß die kraft Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1035/72 eingeführte Ausgleichsabgabe, um ihr Ziel zu erreichen, sämtliche erwähnten Erzeugnisse erfasst, sofern eine Ausnahme nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

22 Der Wortlaut des Artikels 1 der Verordnung Nr. 1591/92 bezieht sich auf Kirschen mit Ursprung in Bulgarien, ohne nach der Klasse zu unterscheiden. Der Zusatz "ex" vor der Codenummer in Artikel 1 der Verordnung Nr. 1591/92 stellt damit keine solche Ausnahme dar, die den Anwendungsbereich der Ausgleichsabgabe auf Kirschen der Klasse I beschränkte.

23 Auf die dritte Frage ist somit zu antworten, daß die mit der Verordnung Nr. 1591/92 festgesetzte Ausgleichsabgabe auch auf Kirschen Anwendung findet, die zur industriellen Verarbeitung bestimmt sind.

Die erste Frage

24 Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 den Behörden das Absehen von einer Nacherhebung nur, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfuellt sind (vgl. insbesondere die Urteile vom 1. April 1993 in der Rechtssache C-250/91, Hewlett Packard France, Slg. 1993, I-1819, Randnrn. 12 und 13, und vom 12. Dezember 1996 in den Rechtssachen Nrn. C-47/95 bis C-50/95, C-60/95, C-81/95, C-92/95 und C-148/95, Olasagasti u. a., Slg. 1996, I-6579, Randnr. 32).

25 Voraussetzung ist zunächst, daß die Abgaben wegen eines Irrtums der zuständigen Behörden nicht erhoben wurden. Das Vertrauen des Abgabepflichtigen verdient nur dann den Schutz des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79, wenn diese Behörden selbst die Grundlage geschaffen haben, auf der das Vertrauen des Abgabepflichtigen beruht (vgl. Urteil vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-348/89, Mecanarte, Slg. 1991, I-3277, Randnrn. 22 f.). Ein Irrtum der zuständigen Behörden liegt vor, wenn diese, wie die Klägerin behauptet, irrige Auskünfte erteilt haben, auf deren Richtigkeit sie habe vertrauen dürfen.

26 Voraussetzung ist weiter, daß der Irrtum der zuständigen Behörden von einem gutgläubigen Abgabenschuldner trotz seiner Berufserfahrung und der erforderlichen Sorgfalt nicht erkannt werden konnte. Gemeinschaftsvorschriften, mit denen eine Ausgleichsabgabe eingeführt wird, werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Nach dieser Veröffentlichung ist davon auszugehen, daß jedermann diese Abgabe kennt (in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 161/88, Binder, Slg. 1989, 2415, Randnr. 19). Das gilt namentlich dann, wenn ein Unternehmen, das Waren importiert, von der unmittelbar drohenden Gefahr der Einführung einer Ausgleichsabgabe auf diese Waren Kenntnis hat. Ein solches Unternehmen kann nicht davon ausgehen, daß jedes Zollamt sofort von der Einführung der Abgabe unterrichtet wird; vielmehr obliegt es ihm, sich durch Einblick in die einschlägigen Amtsblätter des Gemeinschaftsrechts zu vergewissern, das auf seine Geschäftsvorgänge Anwendung findet. Ihm dies aufzuerlegen, steht unter Berücksichtigung dessen, daß das Gemeinschaftsrecht einheitlich anzuwenden ist, nicht ausser Verhältnis zu dem mit der Einführung der Ausgleichsabgabe verfolgten Ziel, Störungen des Gemeinschaftsmarktes zu verhindern.

27 Wie der Generalanwalt in Nummer 31 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre Kenntnis eines Unternehmens wie der Klägerin vom Erlaß der Verordnung Nr. 1591/92 nur dann nicht anzunehmen, wenn es den Beweis erbrächte, daß das Amtsblatt vom 23. Juni 1992 in seiner griechischen Fassung an diesem Tag im Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg nicht verfügbar gewesen wäre. Würde der Beweis einer verspäteten tatsächlichen Veröffentlichung des Amtsblattes erbracht, so wäre auf den Tag abzustellen, an dem die Nummer tatsächlich verfügbar war (siehe Urteil vom 25. Januar 1979 in der Rechtssache 98/78, Racke, Slg. 1979, 69, Randnr. 15).

28 Voraussetzung ist schließlich, daß alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet wurden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die drei Voraussetzungen des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 im Einzelfall erfuellt sind (vgl. Urteil Olasagasti u. a., Randnr. 36).

29 Aus dem Wortlaut des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 folgt, daß die Erstattung oder der Erlaß von Eingangsabgaben die Erfuellung zweier kumulativer Voraussetzungen erfordert, nämlich das Vorliegen besonderer Umstände und das Nichtvorliegen einer betrügerischen Absicht und einer offensichtlichen Fahrlässigkeit des Unternehmers.

30 Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 verfolgen dasselbe Ziel, die Nachzahlung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben auf Fälle zu beschränken, in denen eine solche Zahlung gerechtfertigt und mit einem wesentlichen Grundsatz wie dem des Vertrauensschutzes vereinbar ist (Urteil Hewlett Packard France, Randnr. 46).

31 So gesehen, kann die Tatsache, daß ein Unternehmen auf eine irrige Auskunft der zuständigen Behörde vertraut, zwar unter bestimmten Voraussetzungen als "besonderer Umstand" im Sinne des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 angesehen werden, auch wenn dieser Umstand in der Verordnung Nr. 3799/86 nicht angeführt ist; die Liste besonderer Umstände im Sinne des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 in Artikel 4 der Verordnung Nr. 3799/86 ist nämlich nicht erschöpfend (vgl. Urteil Hewlett Packard France, Randnrn. 39 und 43).

32 Was die zweite in Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 aufgestellte Voraussetzung betrifft, entspricht jedoch die Erkennbarkeit des Irrtums im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 der offensichtlichen Fahrlässigkeit im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 (siehe Urteil Hewlett Packard France, Randnr. 46).

33 Folglich ergibt sich bereits aus den Randnummern 25 f., daß ein Unternehmer in einer Lage wie derjenigen der Klägerin, der sich nicht durch Einblick in die einschlägigen Amtsblätter des auf seine Einfuhren anwendbaren Gemeinschaftsrechts vergewissert hat, fahrlässig gehandelt hat, sofern nicht nachzuweisen ist, daß die griechische Fassung der Verordnung Nr. 1591/92 im fraglichen Zeitraum nicht verfügbar war.

34 Auf die erste Frage ist somit zu antworten, daß sich ein im Import- und Exportgeschäft erfahrener Unternehmer namentlich dann, wenn ihm die unmittelbar drohende Gefahr der Einführung einer Ausgleichsabgabe bekannt ist, weder auf Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 noch auf Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 berufen kann, wenn diese Abgabe tatsächlich eingeführt wird und er sich darüber durch Einblick in das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften hätte unterrichten können, dies aber unterlassen hat.

Die zweite Frage

35 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob ein Unternehmer geltend machen kann, die Zollbehörden hätten bei der Nacherhebung von Zöllen die Fristen der Artikel 3 und 5 der Verordnung Nr. 1854/89 nicht eingehalten, und ob die Zollbehörden das Recht auf eine Nacherhebung von Zöllen verlieren, wenn seit dem Zeitpunkt, in dem die Zollbehörde die geschuldete Abgabe berechnen konnte, mehr als fünf Monate vergangen sind.

36 Die Fristen der Artikel 3 und 5 der Verordnung Nr. 1854/89 sollen nur sicherstellen, daß die zuständigen Zollbehörden die buchmässige Erfassung der Eingangs- und Ausfuhrabgaben schnell und einheitlich vollziehen. Die Nichtbeachtung dieser Fristen durch die Zollbehörden kann nach den Artikeln 10 f. der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1) im Rahmen der Überlassung der Eigenmittel zur Zahlung von Verzugszinsen durch den betroffenen Mitgliedstaat an die Gemeinschaften führen. Diese Fristen beeinflussen somit das Recht der Zollbehörden zur Nacherhebung gemäß der Verordnung Nr. 1697/79 nicht; Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung sieht für die Nacherhebung nicht erhobener Zölle vielmehr eine Frist von drei Jahren vor, wobei diese Frist von der buchmässigen Erfassung des ursprünglich vom Abgabenschuldner angeforderten Betrages oder, sofern eine buchmässige Erfassung unterblieben ist, von dem Tag an läuft, an dem die Zollschuld für die betreffende Ware entstanden ist.

37 Damit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß es das Recht der Zollbehörden auf Nacherhebung der Ausgleichsabgabe nicht berührt, wenn sie die Fristen der Artikel 3 und 5 der Verordnung Nr. 1854/89 nicht beachten, sofern die Nacherhebung innerhalb der Frist des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 erfolgt.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Die Auslagen der griechischen Regierung, der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem vor dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Zweite Kammer)

auf die ihm vom Dioikitiko Efeteio Saloniki vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die mit der Verordnung (EWG) Nr. 1591/92 der Kommission vom 22. Juni 1992 zur Einführung eines Ausgleichsabgabe auf die Einfuhr von Kirschen mit Ursprung in Bulgarien festgesetzte Ausgleichsabgabe findet auch auf Kirschen Anwendung, die zur industriellen Verarbeitung bestimmt sind.

2. Ein im Import- und Exportgeschäft erfahrener Unternehmer kann sich namentlich dann, wenn ihm die unmittelbar drohende Gefahr der Einführung einer Ausgleichsabgabe bekannt ist, weder auf Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet noch auf Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben berufen, wenn diese Abgabe tatsächlich eingeführt wird und er sich darüber durch Einblick in das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften unterrichten hätte können, dies aber unterlassen hat.

3. Es berührt das Recht der Zollbehörden auf Nacherhebung der Ausgleichsabgabe nicht, wenn sie die Fristen der Artikel 3 und 5 der Verordnung Nr. (EWG) Nr. 1854/89 des Rates vom 14. Juni 1989 über die buchmässige Erfassung und die Voraussetzungen für die Entrichtung der Eingangs- oder Ausfuhrabgaben bei Bestehen einer Zollschuld nicht beachten, sofern die Nacherhebung innerhalb der Frist des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 erfolgt.

Ende der Entscheidung

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