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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: C-371/03
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1432/92


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1432/92
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Handelspolitik

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

9. März 2006

"Außen- und Sicherheitspolitik - Gemeinsame Handelspolitik - Embargo gegen die Republiken Serbien und Montenegro - Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 - Personenbeförderung"

Parteien:

In der Rechtssache C-371/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. August 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 1. September 2003, in dem Verfahren

Siegfried Aulinger

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), S. von Bahr und U. Lõhmus,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Aulinger, vertreten durch Rechtsanwalt R. Karpenstein,

- der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt A. Frieser,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W. D. Plessing, A. Tiemann und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Frieser,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. zur Hausen und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. November 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 des Rates vom 1. Juni 1992 zur Untersagung des Handels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Republiken Serbien und Montenegro (ABl. L 151, S. 4).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Aulinger (Kläger des Ausgangsverfahrens, im Folgenden: Kläger) und der Bundesrepublik Deutschland (Beklagte des Ausgangsverfahrens, im Folgenden: Beklagte), die ihn auf der Grundlage einer von ihm für falsch gehaltenen Auslegung der Verordnung Nr. 1432/92 verpflichtet hat, seine Tätigkeit als Busbeförderungsunternehmer für Reisende nach Serbien und Montenegro einzustellen.

Rechtlicher Rahmen

3 Im Kontext der Konflikte, die den Übergang mehrerer Republiken der ehemaligen Föderativen Republik Jugoslawien zur Unabhängigkeit begleiteten, insbesondere der Konflikte, die sich 1992 in Bosnien und Herzegowina ereigneten, erließ der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen am 30. Mai 1992 die Resolution 757 (1992), mit der ein Wirtschaftsembargo gegen die Föderative Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) verhängt wurde. Dieses Embargo umfasste in erster Linie den Handel mit Rohstoffen und Erzeugnissen.

4 Die Nummern 5 und 7 der Resolution 757 (1992) bestimmten:

"5. ... [K]ein Staat [wird] den Behörden in der Föderativen Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) oder einem gewerblichen, industriellen oder der öffentlichen Versorgung dienenden Unternehmen in der Föderativen Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) Gelder oder andere finanzielle oder wirtschaftliche Mittel zur Verfügung stellen ...[,] und ... die Staaten [werden] ihre Staatsangehörigen und alle in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Personen daran hindern ..., solche Gelder oder Mittel aus ihrem Hoheitsgebiet zu verbringen oder solchen Behörden oder Unternehmen auf andere Weise zur Verfügung zu stellen und sonstige Gelder an natürliche oder juristische Personen in der Föderativen Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) zu überweisen, ausgenommen Zahlungen, die ausschließlich für rein medizinische oder humanitäre Zwecke und Nahrungsmittel bestimmt sind;

...

7. ... alle Staaten

a) [werden] jedem Luftfahrzeug die Genehmigung zum Start oder zur Landung in ihrem Hoheitsgebiet beziehungsweise zum Überflug ihres Hoheitsgebiets verweigern ..., wenn es im Hoheitsgebiet der Föderativen Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) landen soll oder dort gestartet ist, es sei denn, der fragliche Flug ist von dem Ausschuss nach der Resolution 724 (1991) zu humanitären oder anderen Zwecken, die im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des Rates stehen, genehmigt worden;

..."

5 Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten bedienten sich eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, u. a. um innerhalb der Gemeinschaft die einheitliche Durchführung einiger der durch die Resolution 757 (1992) vorgeschriebenen Maßnahmen zu gewährleisten. Demgemäß hat der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Verordnung Nr. 1432/92 erlassen.

6 Artikel 1 dieser Verordnung bestimmt:

"Ab 31. Mai 1992 sind verboten:

a) die Verbringung aller Erzeugnisse aus oder mit Ursprung in den Republiken Serbien und Montenegro in das Hoheitsgebiet der Gemeinschaft;

b) die Ausfuhr aller Erzeugnisse aus oder mit Ursprung in der Gemeinschaft nach den Republiken Serbien und Montenegro;

c) alle Tätigkeiten, die eine unmittelbare oder mittelbare Förderung der unter den Buchstaben a) und b) genannten Transaktionen bezwecken oder bewirken;

d) Dienstleistungen - ausgenommen Finanzdienstleistungen -, die eine unmittelbare oder mittelbare Förderung der Wirtschaft der Republiken Serbien und Montenegro bezwecken oder bewirken, d. h., die erbracht werden

i) zum Zwecke jeglicher in den Republiken Serbien und Montenegro bzw. von diesen Republiken aus betriebenen Wirtschaftstätigkeit oder

ii) an eine der folgenden Personen:

- jedwede natürliche Person in den Republiken Serbien und Montenegro;

- jedwede nach den Rechtsvorschriften der Republiken Serbien und Montenegro gebildete oder eingetragene juristische Person;

- jedwede Einrichtung, die (innerhalb oder außerhalb der Republiken Serbien und Montenegro) eine Wirtschaftstätigkeit ausübt und von Personen oder Einrichtungen kontrolliert wird, die in den Republiken Serbien und Montenegro ansässig sind oder nach den Rechtsvorschriften dieser Republiken gebildet oder eingetragen wurden.

Die Bedingungen für die Anwendung dieses Verbots auf den Luftverkehr sind im Anhang festgelegt."

7 Artikel 5 der Verordnung lautet:

"Diese Verordnung gilt im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft einschließlich ihres Luftraums, in allen der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterstehenden Luftfahrzeugen und Schiffen sowie für alle sich anderweitig befindenden Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats und alle anderweitig nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften oder Einheiten."

Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und Vorlagefragen

8 Der Kläger ist ein in Deutschland ansässiger Busunternehmer. In der Zeit, in der das gegen die Republiken Serbien und Montenegro verhängte Embargo in Kraft war, beförderte er insbesondere serbische und montenegrinische Gastarbeiter, die nach Serbien oder Montenegro reisten oder von dort zurückkehrten, bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets oder von dort aus in die Gegenrichtung. Meist wurde er als Subunternehmer eines ebenfalls in Deutschland ansässigen Reiseunternehmens tätig, das die gesamte Reise zwischen dem Ausgangsort in Deutschland und dem Zielort in den dem Embargo unterliegenden Republiken oder umgekehrt organisierte, wobei es sich für den Teil der Strecke, der im Gebiet der erwähnten Republiken zurückzulegen war, dort niedergelassener Unternehmen bediente. Das Reiseunternehmen stellte den Fahrgästen einheitliche Fahrscheine für diesen so genannten "gebrochenen Verkehr" (so im Folgenden) aus.

9 Nachdem gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Verordnung Nr. 1432/92 eingeleitet worden war, stellte der Kläger seine Beteiligung an diesem gebrochenen Verkehr 1993 praktisch vollständig ein.

10 Das Strafverfahren gegen den Kläger wurde allerdings eingestellt, nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21. April 1995 entschieden hatte, dass die Resolution 757 (1992) die Beförderung von Privatpersonen in das und im Embargogebiet nicht verbiete, und eine Entscheidung darüber, ob die Verordnung Nr. 1432/92 ein solches Verbot aufstelle, für entbehrlich gehalten hatte, da die nationalen Verfahren, die für eine strafrechtliche Verfolgung wegen des Verstoßes gegen diese Verordnung erforderlich gewesen wären, nicht eingehalten worden seien.

11 Der Kläger begehrte daraufhin Ersatz des ihm seiner Ansicht nach entstandenen Schadens. Er erhielt zum einen eine Entschädigung für die Strafverfolgung, der er ausgesetzt gewesen war. Zum anderen beanspruchte er von der Beklagten 500 000 DM als Schadensersatz dafür, dass er infolge der praktisch vollständigen Einstellung seiner Beförderungstätigkeit im gebrochenen Verkehr bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets und von dort aus seine Haupteinnahmequelle verloren habe. Seinen Anspruch stützte er auf das Vorbringen, dass seine Tätigkeit nach der Verordnung Nr. 1432/92 nicht verboten gewesen sei. Dazu verweist er darauf, dass selbst die Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen solchen Verkehr nicht als verboten angesehen habe und dass die deutschen Behörden die anderen Mitgliedstaaten hätten konsultieren müssen, bevor sie sich in dieser für viele Busunternehmer existenziellen Frage auf einen Standpunkt festlegten. Die anderen Mitgliedstaaten hätten damals die Ansicht der Kommission geteilt. 12 Die Beklagte machte geltend, dass der gebrochene Verkehr eine Umgehung des Verbotes der unmittelbaren Beförderung von Personen in das Embargogebiet bezweckt habe und daher nach der Verordnung Nr. 1432/92 ebenfalls verboten gewesen sei. Jedenfalls sei ihre Auslegung der Verordnung vertretbar, weshalb es an dem nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für die Auslösung der Haftung des Staates erforderlichen Verschulden fehle. Zu einer Konsultation anderer Mitgliedstaaten und/oder der Kommission sei sie nicht verpflichtet gewesen, da die Auslegung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten sei. Gleichwohl habe eine Abstimmung unter den Mitgliedstaaten im Rahmen von Gremien (oder an deren Rand) anlässlich von Zusammenkünften mit der Kommission stattgefunden.

13 Das mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht entschied zugunsten der Beklagten. Es stützte seine Entscheidung u. a. auf deren Argumentation, dass es an dem für die Auslösung ihrer Haftung nach § 839 BGB erforderlichen Verschulden fehle.

14 Das Oberlandesgericht Köln, bei dem der Kläger Berufung eingelegt hat, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. War Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 so auszulegen, dass der gewerbliche Transport von Personen in das bzw. aus dem Embargogebiet im so genannten gebrochenen Verkehr erlaubt oder verboten war?

Unter gebrochenem Verkehr ist zu verstehen:

Der Transport von Personen in das bzw. aus dem Embargogebiet im Wege einer Kooperation zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft und einem Unternehmen mit Sitz im Embargogebiet, wobei Ersteres die Beförderung bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets übernahm, Letzteres die Beförderung von dort in das Embargogebiet (mit Umsteigen der Fahrgäste).

2. Falls der Gerichtshof die Zulässigkeit des gebrochenen Verkehrs bejaht:

Ergab sich aus Artikel 10 EG oder 297 EG oder aus anderen Normen des Gemeinschaftsrechts die Pflicht eines Mitgliedstaats, andere Mitgliedstaaten und/oder die Kommission zu konsultieren, bevor er durch nationale Maßnahmen gegen die angebliche Unzulässigkeit des gebrochenen Verkehrs einschritt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Erklärungen gegenüber dem Gerichtshof

15 Der Kläger ist der Ansicht, dass unterschieden werden müsse zwischen der Frage, ob der gebrochene Verkehr vom oder zum Embargogebiet verboten gewesen sei, und der Frage, ob auch eine Teilleistung wie die von ihm erbrachte, mit der ein Beitrag zu diesem Verkehr geleistet worden sei, verboten gewesen sei. Er habe den gebrochenen Verkehr nicht organisiert, sondern nur eine Leistung für ein Reiseunternehmen in vom Embargo nicht betroffenen Gebieten erbracht.

16 Er führt hierfür Beispiele an, die belegen sollen, dass die Verordnung Nr. 1432/92 eine Leistung wie die von ihm erbrachte nicht habe verbieten können, ohne zu dem absurden Ergebnis zu führen, dass jede Handlung, die zur Durchführung eines gebrochenen Verkehrs beigetragen habe, verboten gewesen wäre. So hätte die Person, die den Reisenden die einheitlichen Fahrkarten verkauft habe, gegen das Embargo verstoßen, die Reisenden selber hätten durch die Zahlung des Reisepreises eine Beihilfe geleistet, und der Tankwart, der den Bus betankt habe, hätte ebenfalls einen Verstoß begangen. Er ergänzt, dass das Embargo wirtschaftlicher Natur gewesen sei, aber kein Reise- oder Personenbeförderungsverbot vorgesehen habe.

17 Das Gleiche gelte für den gebrochenen Verkehr insgesamt. Für die Frage, ob dieser nach Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 verboten gewesen sei, sei von der Resolution 757 (1992) auszugehen. Nach deren Nummer 5 sei es nur verboten gewesen, den Behörden oder Unternehmen in der Föderativen Republik Jugoslawien Gelder oder andere "wirtschaftliche Mittel" zur Verfügung zu stellen. Unter dem Begriff "wirtschaftliche Mittel" seien zwar auch Dienstleistungen für die genannten Einrichtungen zu verstehen, doch könne die Beförderung von Fahrgästen an einen Ort, an dem sie von serbischen oder montenegrinischen Beförderungsunternehmen übernommen worden seien, nicht als eine Dienstleistung an die entsprechenden Unternehmen und damit nicht dahin gewertet werden, dass diesen wirtschaftliche Mittel zur Verfügung gestellt worden seien. Die Empfänger der fraglichen Dienstleistungen seien allein die Fahrgäste gewesen.

18 Durch die Verordnung Nr. 1432/92 hätten keine zusätzlichen Sanktionen zu den in der Resolution 757 (1992) vorgesehenen eingeführt werden sollen. Die Verordnung habe nur gewährleisten sollen, dass die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen innerhalb der Gemeinschaft einheitlich durchgeführt würden. Der Kläger stützt seine Argumentation auf die zehnte Begründungserwägung dieser Verordnung und auf das Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-124/95 (Centro-Com, Slg. 1997, I-81). Daher habe die Verordnung kein eigenständiges Verbot der Beförderung von Fahrgästen im Rahmen des gebrochenen Verkehrs an den Ort ihrer Weiterbeförderung durch serbische oder montenegrinische Busunternehmen verfügen können.

19 Die Beklagte, die deutsche Regierung und die Kommission berufen sich zunächst auf den Wortlaut des Artikels 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92. Sie machen geltend, dass die gewerbliche Personenbeförderung eine "Dienstleistung" im Sinne dieser Bestimmung sei. Ob eine derartige Dienstleistung im unmittelbaren oder im gebrochenen Verkehr erbracht worden sei, spiele keine Rolle. Die Beklagte betont, dass der Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung den weiten Anwendungsbereich des damit aufgestellten Verbotes belege. Durch die Transporte im gebrochenen Verkehr sei eine zumindest mittelbare Förderung der Wirtschaft der Republiken Serbien und Montenegro bewirkt worden.

20 Die Beklagte und die Kommission gehen dabei von dem Grundsatz aus, dass der Direktverkehr von und nach dem Embargogebiet eine Verletzung des Embargos dargestellt habe, da der Wirtschaft der Embargoländer bei diesem Verkehr Transportmittel aus der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden seien und die Einfuhr von Devisen in diese Länder durch die beförderten Personen ermöglicht worden sei. Das Gleiche müsse für den gebrochenen Verkehr gelten. Nach Ansicht der deutschen Regierung und der Kommission galt eine Ausnahme allein für nicht gewerbliche Reisen in privaten Personenkraftfahrzeugen, die aus humanitären Gründen und auch deshalb akzeptabel seien, weil es sich in diesem Fall nicht um eine "Dienstleistung" im Sinne des Artikels 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 handele.

21 Die Beklagte und die deutsche Regierung ergänzen, dass Sinn und Zweck der Verordnung Nr. 1432/92 die vorstehend zusammengefasste wörtliche Auslegung bestätigten.

22 Die deutsche Regierung bezieht sich zudem auf die Verordnung (EWG) Nr. 990/93 des Rates vom 26. April 1993 über den Handel zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) (ABl. L 102, S. 14), die an die Stelle der Verordnung Nr. 1432/92 getreten ist.

23 Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 990/93 habe ein Verbot der Erbringung nicht finanzieller Dienstleistungen vorgesehen, von dem Artikel 2 dieser Verordnung Ausnahmen u. a. für die Durchfuhr durch das Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien und das Befahren ihres Küstenmeeres zugelassen habe. Diese Ausnahmen wären sinnlos gewesen, wenn Transporte aus dem Embargogebiet oder in dieses nicht verboten gewesen seien. Diese Verordnung bestätige somit die von der deutschen Regierung vorgenommene Auslegung der Verordnung Nr. 1432/92.

24 Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Frage, ob die Resolution 757 (1992) selbst den gebrochenen Verkehr verboten habe, unergiebig sei, da der Gemeinschaftsgesetzgeber wegen der geografischen Nähe der Gemeinschaft zum Embargogebiet gegebenenfalls ein strengeres Embargo habe verfügen können. Die Verordnung Nr. 1432/92 sei daher autonom auszulegen, eine Ansicht, die - im Wesentlichen aus denselben Gründen - auch von der Kommission vertreten wird.

25 Die Beklagte und die deutsche Regierung machen ferner geltend, dass die Pflicht, die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1432/92 zu gewährleisten, impliziere, von einem Verbot des gebrochenen Verkehrs auszugehen. Andernfalls hätten sich nach Ansicht der Beklagten die Bestimmungen dieser Verordnung leicht umgehen lassen, und zugleich wären Kooperationen mit (Bus-)Unternehmen in Serbien und Montenegro gefördert worden. Die deutsche Regierung verweist insbesondere auf das Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juli 1996 in der Rechtssache C-84/95 (Bosphorus, Slg. 1996, I-3953, Randnrn. 3 und 18).

26 Schließlich betont die Beklagte unter Berufung auf dieses Urteil, dass das Verbot des gebrochenen Verkehrs nicht gegen die Grundrechte der betroffenen Unternehmen verstoßen habe.

27 Demgegenüber ist die Kommission der Ansicht, dass, wenn die Beförderung nur bis zur Grenze des Embargogebiets gewährleistet worden wäre, ohne dass Vorkehrungen für die Weiterreise der Fahrgäste in dieses Gebiet getroffen worden wären, nicht hätte nachgewiesen werden können, dass dadurch die serbische und die montenegrinische Wirtschaft gefördert worden wären. In diesem Fall wäre die Wirtschaft dort nicht in den Genuss eines Transportmittels aus der Gemeinschaft gelangt, und die betroffenen Personen wären nicht durch diese Operation als solche nach Serbien und Montenegro befördert worden.

28 Die Kommission räumt ein, dass die Beförderung der Personen bis an die Grenze ihnen die Möglichkeit verschaffe, anschließend eigenständig in das Embargogebiet einzureisen, und dass durch die mitgeführten Devisen die Wirtschaft dieses Gebietes gestärkt werde, ist jedoch der Ansicht, dass ein derartiges Verständnis des Embargos zu weit gehe. Die Dienstleistung des Beförderungsunternehmers aus der Gemeinschaft sei eine bloße Vorbereitungshandlung, und die Wirtschaft der dem Embargo unterliegenden Republiken sei durch die Reisenden selbst gefördert worden und nicht durch die Beförderungsunternehmer, die sie bis in die Nähe des Embargogebiets befördert hätten.

29 Die Kommission ergänzt, dass es bei einem wirklichen gebrochenen Verkehr wie im Ausgangsverfahren Sache des vorlegenden Gerichts sei, festzustellen, wer die verbotene Dienstleistung erbracht habe. Es habe nämlich zu klären, ob und inwieweit ein Subunternehmer wie der Kläger, der an der Durchführung eines gebrochenen Verkehrs mitgewirkt habe, ohne möglicherweise für seine Ausgestaltung und Abwicklung direkt Verantwortung zu tragen, gegen Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 verstoßen habe.

Antwort des Gerichtshofes

30 In der zehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1432/92 heißt es, dass mit dieser Verordnung u. a. bezweckt werde, die einheitliche Durchführung einiger der Maßnahmen der Resolution 757 (1992) innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten. Folglich sind bei der Auslegung der Verordnung der Wortlaut und das Ziel dieser Resolution zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Bosphorus, Randnrn. 13 und 14). Die Verordnung Nr. 1432/92 darf daher nicht so ausgelegt werden, dass sie im Widerspruch zu den Bestimmungen der Resolution 757 (1992) steht.

31 Keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1432/92 - und im Übrigen auch nicht der Resolution 757 (1992) - verbietet den Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und den Republiken Serbien und Montenegro.

32 Doch vertreten die deutsche Regierung und die Kommission zu Recht die Auffassung, dass Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 die unmittelbare gewerbliche Personenbeförderung zwischen einem Ort im Gebiet der Mitgliedstaaten und einem Ort in Serbien oder Montenegro durch Beförderungsunternehmer verbietet, die in einem der Mitgliedstaaten ansässig sind. Eine solche nicht finanzielle Dienstleistung wird nämlich von der genannten Bestimmung erfasst, da es sich zum Teil um eine "in den Republiken Serbien und Montenegro ... betriebene Wirtschaftstätigkeit" und zum Teil um eine "natürliche[n] Person[en] in den Republiken Serbien und Montenegro" erbrachte Dienstleistung handelt, die beide in Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 ausdrücklich als Beispiele für verbotene nicht finanzielle Dienstleistungen angeführt werden.

33 Das Gleiche muss für eine Beförderungsleistung zwischen denselben Ausgangs- und Zielorten gelten, die im Wege einer Kooperation zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einem Unternehmen mit Sitz im Embargogebiet erbracht wurde, wobei Ersteres die Beförderung bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets und in die Gegenrichtung übernahm, Letzteres die Beförderung von dort in das Embargogebiet und in die Gegenrichtung (mit Umsteigen der Fahrgäste). Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Leistung von verschiedenen aufeinander folgenden Beförderungsunternehmern erbracht wird oder an verschiedene aufeinander folgende Beförderungsunternehmer als Subunternehmer vergeben wird.

34 Bei einer anderen Auslegung könnte zudem die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1432/92 leicht im Wege von Kooperationsverträgen zwischen Unternehmen aus der Gemeinschaft und serbischen oder montenegrinischen Unternehmen ausgehebelt werden.

35 Wenn sich somit ein Busunternehmer zu der Zeit, in der die Verordnung Nr. 1432/92 in Kraft war, an einer im gebrochenen Verkehr durchgeführten Personenbeförderung zwischen dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft und dem der Republiken Serbien und Montenegro beteiligte - und sei es nur als Subunternehmer -, so verstieß er gegen die Bestimmungen dieser Verordnung. Dagegen konnte er weiterhin eine gewerbliche Personenbeförderungsleistung bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets anbieten, sofern sich diese Leistung nicht in den Rahmen eines gebrochenen Verkehrs einfügte.

36 Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1432/92 so auszulegen ist, dass der gewerbliche Transport von Personen in die und aus den Republiken Serbien und Montenegro im so genannten gebrochenen Verkehr verboten war. Unter "gebrochenem Verkehr" ist dabei der Transport von Personen in das und aus dem Embargogebiet im Wege einer Kooperation zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einem Unternehmen mit Sitz im Embargogebiet zu verstehen, wobei Ersteres die Beförderung bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets und in die Gegenrichtung übernahm, Letzteres die Beförderung von dort in das Embargogebiet und in die Gegenrichtung (mit Umsteigen der Fahrgäste).

Zur zweiten Frage

37 Angesichts der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 1 Buchstabe d der Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 des Rates vom 1. Juni 1992 zur Untersagung des Handels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Republiken Serbien und Montenegro ist so auszulegen, dass der gewerbliche Transport von Personen in die und aus den Republiken Serbien und Montenegro im so genannten gebrochenen Verkehr verboten war.

Unter "gebrochenem Verkehr" ist dabei der Transport von Personen in das und aus dem Embargogebiet im Wege einer Kooperation zwischen einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft und einem Unternehmen mit Sitz im Embargogebiet zu verstehen, wobei Ersteres die Beförderung bis in die Nähe der Grenze des Embargogebiets und in die Gegenrichtung übernahm, Letzteres die Beförderung von dort in das Embargogebiet und in die Gegenrichtung (mit Umsteigen der Fahrgäste).



Ende der Entscheidung

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