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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.03.1991
Aktenzeichen: C-377/89
Rechtsgebiete: EWGV, RL Nr. 79/7/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
RL Nr. 79/7/EWG Art. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, daß verheiratete Frauen ohne tatsächlich von ihnen abhängige Angehörige, falls verheiratete Männer nach Ablauf der Frist für die Durchführung der Richtlinie für ihre Ehefrau und ihre Kinder, die als unterhaltsberechtigte Angehörige galten, ohne weiteres Zuschläge zu Sozialleistungen erhalten haben, ohne eine tatsächliche Abhängigkeit dieser Personen nachweisen zu müssen, selbst dann Anspruch auf die gleichen Zuschläge haben, wenn dies unter bestimmten Umständen zu einer Doppelzahlung dieser Zuschläge für ein und dieselbe Familie führt.

2. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 ist dahin auszulegen, daß dann, wenn ein Mitgliedstaat in die nach Ablauf der durch die Richtlinie gesetzten Frist erlassene Regelung zur Durchführung dieser Vorschrift eine Übergangsbestimmung eingefügt hat, die Ausgleichszahlungen an verheiratete Männer vorsieht, die ihren Anspruch, für ihre als unterhaltsberechtigt geltende Ehefrau einen Zuschlag zu von ihnen bezogenen Sozialleistungen zu erhalten, verloren haben, weil eine tatsächliche Abhängigkeit nicht nachgewiesen werden kann, verheiratete Frauen in den gleichen Familienverhältnissen selbst dann Anspruch auf die gleichen Zahlungen haben, wenn dies gegen ein im nationalen Recht niedergelegtes Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung verstösst.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 13. MAERZ 1991. - ANN COTTER UND NORAH MCDERMOTT GEGEN MINISTER FOR SOCIAL WELFARE UND ATTORNEY GENERAL. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SUPREME COURT - IRLAND. - GLEICHBEHANDLUNG IM BEREICH DER SOZIALEN SICHERHEIT - NATIONALER RECHTSGRUNDSATZ, DER DIE UNGERECHTFERTIGTE BEREICHERUNG VERBIETET. - RECHTSSACHE C-377/89.

Entscheidungsgründe:

1 Der irische Supreme Court hat mit Beschluß vom 27. Juli 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Dezember 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979 L 6, S. 24; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits wegen Feststellung, daß Frau Cotter und Frau McDermott (im folgenden: Klägerinnen) für die Zeit nach dem 23. Dezember 1984, dem Tag, bis zu dem die Richtlinie in den Mitgliedstaaten durchzuführen war, Anspruch auf verschiedene Sozialleistungen haben, auf die verheiratete Männer in ihrer Lage Anspruch hätten.

3 Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

"Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend:

- den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen;

- die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge;

- die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen."

4 Es ist unstreitig, daß der Social Welfare (Consolidation) Act (Gesetz zur Zusammenfassung von Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit) von 1981 (im folgenden: Gesetz von 1981) vorsah, daß verheirateten Männern für ihre Ehefrau und für ihre Kinder ohne Nachweis darüber, daß diese von ihnen abhängig sind, Zuschläge zu Sozialleistungen zustehen, während verheiratete Frauen zusätzliche Voraussetzungen erfuellen mussten. Ausserdem sah dieses Gesetz für verheiratete Frauen eine sowohl der Höhe als auch der Leistungsdauer nach geringere Arbeitslosenunterstützung vor als für verheiratete Männer oder für Alleinstehende.

5 Diese Situation wurde durch die Social Welfare (No. 2) Act 1985 (Commencement) Order (Verordnung über den Beginn der Geltung des Zweiten Gesetzes über die soziale Sicherheit von 1985) von 1986 (Statutory Instrument Nr. 173/1986) verändert, durch die die Sections 3 und 4 des Social Welfare (No. 2) Act 1985 (im folgenden: nationales Durchführungsgesetz) zum 20. November 1986 in Kraft gesetzt wurde. Nach den genannten Vorschriften ist der Zuschlag für einen erwachsenen unterhaltsberechtigten Angehörigen unabhängig vom Geschlecht des Antragstellers nur noch dann zu zahlen, wenn eine tatsächliche Abhängigkeit nachgewiesen ist; ausserdem sehen sie die Gleichbehandlung von Berechtigten beiderlei Geschlechts in bezug auf Zuschläge für unterhaltsberechtigte Kinder vor.

6 Die Social Welfare (Preservation of Rights) (No. 2) Regulations (Verordnung über die Wahrung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Zweiten Gesetz über die soziale Sicherheit) von 1986 (Statutory Instrument Nr. 422/1986) enthalten eine Übergangsregelung, wonach Antragsteller, die keinen tatsächlich von ihnen abhängigen Ehegatten hatten und deren Anspruch auf einen Zuschlag für einen erwachsenen unterhaltsberechtigten Angehörigen daher nach dem Inkrafttreten des Social Welfare (No. 2) Act (Zweites Gesetz über die soziale Sicherheit) von 1985 erloschen war, eine Ausgleichszulage erhalten können. Es ist unstreitig, daß diese Regelung, deren Geltungsdauer mehrfach verlängert wurde, nur verheiratete Männer erfasste, die zuvor selbst dann ohne weiteres Zuschläge erhalten hatten, wenn sie keine tatsächlich von ihnen abhängigen Angehörigen hatten.

7 Am 4. Februar 1985 beantragten die Klägerinnen beim High Court die Aufhebung der vom oder für den Minister for Social Welfare (Minister für soziale Angelegenheiten) nach dem Gesetz von 1981 getroffenen Entscheidungen, die Zahlung von Arbeitslosengeld an sie mit Ablauf eines Zeitraums von 312 Tagen einzustellen und - im Fall von Frau Cotter - die Gewährung der entgeltbezogenen Leistung automatisch einzustellen. Die Klägerinnen machten geltend, daß sie vom 23. Dezember 1984 an nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie Anspruch darauf hätten, Arbeitslosengeld zum gleichen Satz und während des gleichen Zeitraums wie ein verheirateter Mann zu erhalten und - im Fall von Frau Cotter - daß sie für diesen Zeitraum Anspruch auf die entgeltbezogene Leistung habe.

8 Der High Court ersuchte den Gerichtshof um Vorabentscheidung darüber,

a) ob die Richtlinie 79/7/EWG, insbesondere ihr Artikel 4, ab dem 23. Dezember 1984 in Irland unmittelbare Wirkung hat und

b) ob dem nationalen Recht unterliegende Frauen vom 23. Dezember 1984 an unter denselben Voraussetzungen wie Männer Leistungsansprüche haben, wenn keine Maßnahme zur Durchführung von Artikel 4 der Richtlinie getroffen worden ist.

9 Mit Urteil vom 24. März 1987 in der Rechtssache 286/85 (Slg. 1987, 1453) hat der Gerichtshof auf dieses Vorabentscheidungsersuchen folgendes für Recht erkannt:

"1) Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 über das Verbot jeglicher Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Bereich der sozialen Sicherheit konnte, solange die Richtlinie nicht durchgeführt war, seit dem 23. Dezember 1984 in Anspruch genommen werden, um die Anwendung aller mit dieser Bestimmung unvereinbaren innerstaatlichen Vorschriften auszuschließen.

2) Bei Fehlen von Maßnahmen zur Durchführung des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie haben Frauen Anspruch auf Anwendung der gleichen Regelung wie Männer, die sich in der gleichen Lage befinden, wobei diese Regelung, solange die Richtlinie nicht durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt."

10 Noch vor Erlaß des Urteils des Gerichtshofes machten die Klägerinnen neue Verfahren beim High Court anhängig, um unter anderem feststellen zu lassen, daß sie Anspruch darauf hatten, die gleichen Zuschläge zu ihren Sozialleistungen zu erhalten, wie sie verheirateten Männern in ihrer Lage vor Inkrafttreten des Social Welfare (No. 2) Act von 1985 gewährt wurden, und die in der Übergangsregelung vorgesehenen Ausgleichszahlungen zu erhalten, die verheirateten Männern nach diesem Zeitpunkt gewährt wurden.

11 Der High Court behandelte diese neuen Klagen gleichzeitig mit dem am 4. Februar 1985 eingeleiteten Verfahren. Er gab den Klagen der Klägerinnen nur zum Teil statt und wies unter anderem ihre Anträge auf Zuschläge für erwachsene unterhaltsberechtigte Angehörige und für unterhaltsberechtigte Kinder sowie auf Ausgleichszahlungen nach der Übergangsregelung zurück. Er vertrat die Ansicht, es sei ungerecht und unbillig, den Klägerinnen diese Beträge zu zahlen, obwohl ihre Ehemänner nicht finanziell von ihnen abhängig gewesen seien. Im Rechtsmittelverfahren vor dem Supreme Court machten die Beklagten geltend, wenn den Anträgen der Klägerinnen stattgegeben würde, so verstieße dies gegen den Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung, der im irischen Recht als Begründung dafür anerkannt sei, den Rechtsschutz in bestimmten Fällen einzuschränken oder zu versagen.

12 Da der Supreme Court im Zweifel darüber ist, ob dieser Grundsatz des nationalen Rechts mit der unmittelbaren Wirkung von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vereinbar ist, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist die Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache 286/85 (McDermott und Cotter/Minister for Social Welfare und Attorney General, Slg. 1987, 1453), mit der der Gerichtshof auf die zweite ihm vom High Court nach Artikel 177 EWG-Vertrag vorgelegte Frage im Rahmen seiner Auslegung des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 geantwortet hat, daß

"bei Fehlen von Maßnahmen zur Durchführung des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie... Frauen Anspruch auf Anwendung der gleichen Regelung wie Männer [haben], die sich in der gleichen Lage befinden, wobei diese Regelung, solange die Richtlinie nicht durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt",

dahin zu verstehen, daß verheiratete Frauen Anspruch auf Zuschläge zu Sozialleistungen für

a) einen unterhaltsberechtigten Ehemann und

b) ein unterhaltsberechtigtes Kind

haben, selbst wenn nachgewiesen ist, daß keine tatsächliche Abhängigkeit bestand, oder selbst wenn es im Ergebnis zu Doppelzahlungen solcher Zuschläge für unterhaltsberechtigte Angehörige kommen würde?

2) Ist die Richtlinie 79/7/EWG des Rates in einem Fall, in dem Frauen Entschädigungsleistungen für eine Diskriminierung verlangen, deren Opfer sie angeblich durch die Nichtanwendung der für Männer in der gleichen Lage geltenden Vorschriften auf sie geworden sind, dahin auszulegen, daß ein nationales Gericht Regeln des nationalen Rechts nicht anwenden darf, durch die eine solche Entschädigung eingeschränkt oder versagt wird, wenn die Gewährung einer solchen Entschädigung gegen den Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung verstieße?

13 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

14 Die erste Frage des Supreme Court ist darauf gerichtet, ob Artikel 4 Absatz 1 dahin auszulegen ist, daß verheiratete Frauen ohne tatsächlich von ihnen abhängige Angehörige, falls verheiratete Männer nach Ablauf der Frist für die Durchführung der Richtlinie für ihre Ehefrau und ihre Kinder, die als unterhaltsberechtigte Angehörige galten, ohne weiteres Zuschläge zu Sozialleistungen erhalten haben, ohne eine tatsächliche Abhängigkeit dieser Personen nachweisen zu müssen, selbst dann Anspruch auf die gleichen Zuschläge haben, wenn dies unter bestimmten Umständen zu einer Doppelzahlung dieser Zuschläge führt.

15 In der mündlichen Verhandlung hat die irische Regierung einleitend geltend gemacht, das in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie niedergelegte Diskriminierungsverbot gelte nur dann, wenn die Person, für die ein Zuschlag gewährt worden sei, finanziell abhängig sei.

16 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie gilt diese Vorschrift unter anderem für "die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen". Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sind eventuelle Zuschläge für nicht unterhaltsberechtigte Ehegatten eingeschlossen. In bezug auf andere Personen, insbesondere auf Kinder, verlangt die Richtlinie keinen Beweis für ihre tatsächliche Abhängigkeit als Voraussetzung für die Geltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung für die Zahlung der fraglichen Zuschläge.

17 Demnach können die Mitgliedstaaten zwar die Modalitäten für Ansprüche auf Zuschläge zu Sozialleistungen nach ihrem Ermessen festlegen, müssen aber den in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung uneingeschränkt beachten.

18 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in seinem oben angeführten Urteil vom 24. März 1987 für Recht erkannt hat, daß Frauen bei Fehlen von Maßnahmen zur Durchführung des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie Anspruch darauf haben, daß auf sie die gleiche Regelung wie auf Männer angewandt wird, die sich in der gleichen Lage befinden, wobei die auf Männer angewandte Regelung, solange die Richtlinie nicht durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt.

19 Maßgebliches Bezugssystem im vorliegenden Fall ist die Regelung für verheiratete Männer, die im streitigen Zeitraum Arbeitslosenunterstützung oder andere Leistungen erhalten haben und deren Ehefrauen nicht tatsächlich von ihnen abhängig waren. Dies bedeutet, daß dann, wenn ein verheirateter Mann ab dem 23. Dezember 1984 ohne weiteres Leistungszuschläge für als unterhaltsberechtigte Angehörige geltende Personen erhielt, ohne deren tatsächliche Abhängigkeit von ihm nachweisen zu müssen, eine verheiratete Frau, die sich in der gleichen Lage wie ein solcher Mann befand, ebenfalls Anspruch auf diese Zuschläge hatte, ohne daß für sie irgendeine zusätzliche, nur für verheiratete Frauen geltende Voraussetzung festgelegt werden durfte.

20 Nach Ansicht der irischen Regierung könnte die Anerkennung eines solchen Anspruchs verheirateter Frauen unter bestimmten Umständen zu einer Doppelzahlung der gleichen Zuschläge für ein und dieselbe Familie führen, insbesondere wenn beide Ehegatten im streitigen Zeitraum Sozialleistungen erhalten haben. Solche Zahlungen wären

nach Ansicht der irischen Regierung offensichtlich widersinnig und verstießen gegen das im nationalen Recht niedergelegte Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung.

21 Würde man die Berufung auf dieses Verbot als zulässig ansehen, so könnten die nationalen Behörden - gestützt auf ihr eigenes rechtswidriges Verhalten - dem Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie seine volle Wirkung nehmen.

22 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, daß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß verheiratete Frauen ohne tatsächlich von ihnen abhängige Angehörige, falls verheiratete Männer nach Ablauf der Frist für die Durchführung der Richtlinie für ihre Ehefrau und ihre Kinder, die als unterhaltsberechtigte Angehörige galten, ohne weiteres Zuschläge zu Sozialleistungen erhalten haben, ohne eine tatsächliche Abhängigkeit dieser Personen nachweisen zu müssen, selbst dann Anspruch auf die gleichen Zuschläge haben, wenn dies unter bestimmten Umständen zu einer Doppelzahlung dieser Zuschläge führt.

Zur zweiten Frage

23 Mit der zweiten Frage des Supreme Court soll, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, im wesentlichen geklärt werden, ob Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß dann, wenn ein Mitgliedstaat in die nach Ablauf der durch die Richtlinie festgelegten Frist erlassene Regelung zur Durchführung dieser Vorschrift eine Übergangsbestimmung eingefügt hat, die Ausgleichszahlungen an verheiratete Männer vorsieht, die ihren Anspruch, für ihre als unterhaltsberechtigt geltende Ehefrau einen Zuschlag zu von ihnen bezogenen Sozialleistungen zu erhalten, verloren haben, weil eine tatsächliche Abhängigkeit nicht nachgewiesen werden kann, verheiratete Frauen in gleichen

Familienverhältnissen selbst dann Anspruch auf die gleichen Zahlungen haben, wenn dies gegen ein im nationalen Recht niedergelegtes Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung verstösst.

24 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Richtlinie von dem in Artikel 4 Absatz 1 niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung keine Ausnahme vorsieht, die die Verlängerung der diskriminierenden Wirkungen früherer nationaler Vorschriften erlauben würde. Hieraus folgt, daß ein Mitgliedstaat nach dem 23. Dezember 1984 keine Ungleichbehandlungen fortbestehen lassen darf, die darauf zurückzuführen sind, daß die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs auf Ausgleichszahlungen bereits vor diesem Tag galten. Dabei ist es unerheblich, daß sich diese Ungleichbehandlungen aus Übergangsbestimmungen ergeben (siehe Urteil vom 8. März 1988 in der Rechtssache 80/87, Dik, Slg. 1988, 1601).

25 Ausserdem ist festzustellen, daß verspätet getroffene nationale Durchführungsmaßnahmen in vollem Umfang die Rechte der einzelnen beachten müssen, die in einem Mitgliedstaat aufgrund von Artikel 4 Absatz 1 mit dem Ablauf der den Mitgliedstaaten für die Anpassung ihrer Vorschriften an die Richtlinie gesetzten Frist entstanden sind (siehe Urteil vom 8. März 1988, a. a. O.).

26 Wie schon in der Antwort auf die erste Frage hervorgehoben worden ist, würde es den nationalen Behörden, wenn sie sich auf das im nationalen Recht niedergelegte Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung berufen könnten, ermöglicht, Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie - gestützt auf ihr eigenes rechtswidriges Verhalten - seine volle Wirkung zu nehmen.

27 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 dahin auszulegen ist, daß dann, wenn ein Mitgliedstaat in die nach Ablauf der durch die Richtlinie gesetzten Frist erlassene Regelung zur Durchführung dieser Vorschrift eine Übergangsbestimmung eingefügt hat, die Ausgleichszahlungen an verheiratete Männer vorsieht, die ihren Anspruch, für ihre als unterhaltsberechtigt geltende Ehefrau einen Zuschlag zu von ihnen bezogenen Sozialleistungen zu erhalten, verloren haben, weil eine tatsächliche Abhängigkeit nicht nachgewiesen werden kann, verheiratete Frauen in den gleichen Familienverhältnissen selbst dann Anspruch auf die gleichen Zahlungen haben, wenn dies gegen ein im nationalen Recht niedergelegtes Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung verstösst.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Die Auslagen der irischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom irischen Supreme Court mit Beschluß vom 27. Juli 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 ist dahin auszulegen, daß verheiratete Frauen ohne tatsächlich von ihnen abhängige Angehörige, falls verheiratete Männer nach Ablauf der Frist für die Durchführung der Richtlinie für ihre Ehefrau und ihre Kinder, die als unterhaltsberechtigte Angehörige galten, ohne weiteres Zuschläge zu Sozialleistungen erhalten haben, ohne eine tatsächliche Abhängigkeit dieser Personen nachweisen zu müssen, selbst dann Anspruch auf die gleichen Zuschläge haben, wenn dies unter bestimmten Umständen zu einer Doppelzahlung dieser Zuschläge führt.

2) Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 ist dahin auszulegen, daß dann, wenn ein Mitgliedstaat in die nach Ablauf der durch die Richtlinie gesetzten Frist erlassene Regelung zur Durchführung dieser Vorschrift eine Übergangsbestimmung eingefügt hat, die Ausgleichszahlungen an verheiratete Männer vorsieht, die ihren Anspruch, für ihre als unterhaltsberechtigt geltende Ehefrau einen Zuschlag zu von ihnen bezogenen Sozialleistungen zu erhalten, verloren haben, weil eine tatsächliche Abhängigkeit nicht nachgewiesen werden kann, verheiratete Frauen in den gleichen Familienverhältnissen selbst dann Anspruch auf die gleichen Zahlungen haben, wenn dies gegen ein im nationalen Recht niedergelegtes Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung verstösst.

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