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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.1992
Aktenzeichen: C-38/90
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 1633/84 vom 8. Juni 1984, Verordnung (EWG) Nr. 2661/80 (ABl. L 154, S. 27), Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 des Europäischen Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch (ABl. L 183, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 871/84 des Rates vom 31. März 1984


Vorschriften:

Verordnung Nr. 1633/84 vom 8. Juni 1984 Art. 4 Abs. 1
Verordnung Nr. 1633/84 vom 8. Juni 1984 Art. 4 Abs. 2
Verordnung (EWG) Nr. 2661/80 (ABl. L 154, S. 27)
Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 des Europäischen Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch (ABl. L 183, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 871/84 des Rates vom 31. März 1984 Art. 9 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Unvollständigkeit der gemeinsamen Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch, die sich insbesondere daraus ergibt, daß eine bestimmte Stützungsmaßnahme, nämlich die variable Schlachtprämie, den Erzeugern eines bestimmten Gebiets vorbehalten ist, deren Wettbewerbsstellung sie verbessern kann, kann Korrekturmaßnahmen erforderlich machen, um für die Erzeuger aller Gebiete wieder eine gleiche Wettbewerbsposition herzustellen, und zwar insbesondere durch die Erhebung eines Betrags in gleicher Höhe wie die genannte Prämie ("Clawback"), wenn die Erzeugnisse, für die die Prämie gewährt worden ist, aus dem betreffenden Gebiet ausgeführt werden. Die für die Erhebung des Clawback geltenden Regelungen müssen daher so ausgestaltet sein, daß die Wirkung der Prämie neutralisiert wird, wenn die Erzeugnisse, denen diese Unterstützungsmaßnahme zugute gekommen ist, das betreffende Gebiet verlassen, wobei diese Regelung weder einen Vorteil für die Erzeuger dieses Gebiets mit sich bringen noch sie benachteiligen darf.

Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 ist daher in dem Sinne zu verstehen, daß er bei der Ausfuhr der Erzeugnisse, für die die Schlachtprämie gewährt worden ist, die Rückforderung eines Betrags verlangt, der genau dem Betrag der gewährten Prämie entspricht. Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1633/84, die von der Kommission aufgrund einer Ermächtigung erlassen wurde, um die Durchführung des Artikels 9 sicherzustellen, erlaubt jedoch die Erhebung eines Clawback-Betrags auf der Grundlage des Satzes, der in der Woche gilt, in der die Ausfuhr erfolgt, während die tatsächlich gewährte Prämie auf dem Satz beruht, der in der Woche des erstmaligen Verbringens auf den Markt gilt, so daß die Beträge der Prämie und des Clawback einander in den meisten Fällen nicht genau entsprechen. Artikel 4 Absatz 1 ist daher ungültig, ebenso wie Artikel 4 Absatz 2, soweit er die Stellung einer Kaution vorschreibt, die zur Deckung des gemäß Absatz 1 geschuldeten Betrags bestimmt ist.

Die Ungültigkeit der Absätze 1 und 2 des Artikels 4 betrifft jedoch nur die Art und Weise der Berechnung des Clawback-Betrags und beeinträchtigt nicht den Grundsatz der Clawback-Erhebung. Der betreffende Mitgliedstaat ist daher nicht aus der Verpflichtung entlassen, für die Beachtung der gültigen Vorschriften der Verordnung Nr. 1633/84, die diese Erhebung ermöglichen sollen, zu sorgen; er hat insbesondere die Aufgabe, die Vorlage der Urkunden über die Ausfuhrgeschäfte zu verlangen und wirksame Sanktionen zu verhängen, wenn diese Urkunden unrichtige Angaben enthalten.

2. Wenn die Feststellung der Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 betreffend die Regelung über die Erhebung des Clawback im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch zur Begründung von Ansprüchen in Ansehung von bis zum Erlaß des diese Ungültigkeit feststellenden Urteils geleisteten Clawback-Zahlungen geltend gemacht werden könnte, könnte dies erhebliche finanzielle Folgen wie auch schwerwiegende Organisationsprobleme nach sich ziehen, die mit der Wiederaufnahme längst abgeschlossener Abrechnungen und der Notwendigkeit zusammenhängen, den Clawback für die Vergangenheit neu zu berechnen.

Unter diesen Umständen sprechen zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit dagegen, daß Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen bereits erschöpft sind, wieder in Frage gestellt werden.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings zugunsten der Wirtschaftsteilnehmer oder ihrer Rechtsnachfolger vorzusehen, die ihre Rechte vor Erlaß des Urteils durch Erhebung einer Klage oder Einlegung eines nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht gleichwertigen Rechtsbehelfs geltend gemacht haben.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 10. MAERZ 1992. - STRAFVERFAHREN GEGEN THOMAS EDWARD LOMAS UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CROWN COURT MAIDSTONE UND CROWN COURT LEEDS - VEREINIGTES KOENIGREICH. - GEMEINSAME MARKTORGANISATION FUER SCHAF- UND ZIEGENFLEISCH - CLAWBACK - BERECHNUNGSMETHODE - GUELTIGKEIT. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-38/90 UND C-151/90.

Entscheidungsgründe:

1 Der Crown Court Maidstone und der Crown Court Leeds haben mit Beschlüssen vom 20. Dezember 1989 und 5. April 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar und 15. Mai 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen zur Gültigkeit des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1633/84 der Kommission vom 8. Juni 1984 mit Durchführungsbestimmungen für die variable Schlachtprämie für Schafe und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2661/80 (ABl. L 154, S. 27) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Verfahren, die von der Krone eingeleitet wurden gegen eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft, die sich mit der Ausfuhr von Schafen und Schaffleisch aus diesem Mitgliedstaat befasst, und gegen die für diese Gesellschaft Verantwortlichen sowie den für eine andere Gesellschaft Verantwortlichen, die gleichfalls im Vereinigten Königreich ansässig ist und dieselbe Tätigkeit ausübt.

3 Den von den vorlegenden Gerichten übermittelten Akten ist zu entnehmen, daß die Krone gegen die Beschuldigten der Ausgangsverfahren Strafverfahren eingeleitet hat, weil sie den britischen Zollbeamten Urkunden mit unrichtigen Erklärungen über das Gewicht von Lämmern oder von Tierkörpern von Lämmern vorgelegt haben, die aus dem Vereinigten Königreich in andere Mitgliedstaaten ausgeführt worden sind.

4 Aus den Beschlüssen der vorlegenden Gerichte ergibt sich, daß die gegen die Beschuldigten eingeleiteten Strafverfahren nur dann zu einer Verurteilung führen können, wenn nachgewiesen wird, daß die britische Zollverwaltung gesetzlich verpflichtet war, die Vorlage der Erklärungen zu verlangen, die sich als falsch erwiesen haben.

5 In den Ausgangsverfahren haben die Beschuldigten geltend gemacht, sie würden zu Unrecht strafrechtlich verfolgt. Insoweit gelte nämlich die Verordnung Nr. 1633/84, deren Artikel 4 Absätze 1 und 2 ungültig sei, weil die Kommission mit seinem Erlaß die Grenzen der Ermächtigung überschritten habe, die ihr in der Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 des Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch (ABl. L 183, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 871/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 35) eingeräumt worden sei.

6 Mit der durch die Verordnung Nr. 871/84 geänderten Verordnung Nr. 1837/80 ist eine gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch geschaffen worden, die mehrere Maßnahmen zur Marktstützung vorsieht. Diese gemeinsame Marktorganisation ist jedoch unvollkommen, weil sie für Schaffleisch keinen einheitlichen Markt, sondern mehrere regionale Märkte schafft und weil eine der Stützungsmaßnahmen, nämlich die variable Schlachtprämie für Schafe, nur für die Erzeuger des Gebiets 5 (Vereinigtes Königreich) gilt.

7 Diese Prämie kann gewährt werden, wenn der Marktpreis unter 85 % des Grundpreises liegt; ihr Betrag wird jede Woche von der Kommission festgesetzt. Die Tiere, für die die Prämie gewährt worden ist, müssen innerhalb von 21 Tagen vom Tag ihrer ersten Vermarktung zur Schlachtung an gerechnet entweder im Gebiet 5 geschlachtet oder aus diesem Gebiet ausgeführt werden. Zur Vermeidung von Störungen im Handel, die sich aus der Anwendung der Schlachtprämie ergeben würden, ist in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 vorgesehen, daß die Kommission die erforderlichen Maßnahmen erlässt, damit auf Erzeugnisse, für die die Prämie gewährt wurde, "ein Betrag in Höhe der tatsächlich gewährten Prämie" erhoben werden kann, wenn sie das Gebiet 5 verlassen. Dieser Betrag wird im folgenden "Clawback" genannt.

8 Aufgrund dieses Artikels 9 hat die Kommission die Verordnung Nr. 1633/84 erlassen, in dessen Artikel 4 Absatz 1 vorgesehen ist, daß auf Erzeugnisse, die in den Genuß der variablen Schlachtprämie gekommen sind, beim Verlassen des Gebiets 5 ein Betrag erhoben wird, der gleich dem Prämienbetrag ist, der für die Woche festgesetzt worden ist, in der die betreffenden Erzeugnisse das Gebiet verlassen. Gemäß Artikel 4 Absatz 2 ist das Vereinigte Königreich verpflichtet, die Stellung einer Kaution vorzusehen und sie ausreichend hoch festzusetzen, um den gemäß Absatz 1 geschuldeten Betrag zu decken; sie wird freigegeben, sobald dieser Betrag gezahlt worden ist.

9 In den Ausgangsverfahren haben die Beschuldigten zur Begründung ihres Standpunkts, Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 sei ungültig, vorgetragen, gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 sei die Kommission nur ermächtigt gewesen, eine Regelung zu erlassen, nach der bei der Ausfuhr genau der für jedes Tier tatsächlich gewährte Schlachtprämienbetrag erhoben werden könne, damit so die Wirkung der Prämie neutralisiert werde, wenn die Erzeugnisse, für welche diese Stützungsmaßnahme angewandt worden sei, das Gebiet 5 verließen.

10 In Artikel 4 der Verordnung Nr. 1633/84 sei aber die Erhebung eines anderen Betrags vorgesehen, denn ihm zufolge sei der Clawback-Betrag gleich dem Prämienbetrag, der für die Woche festgesetzt worden sei, in deren Verlauf die betreffenden Erzeugnisse das Gebiet verlassen hätten. Weil einerseits die von der Kommission wöchentlich festgesetzte Schlachtprämie nach dem Satz gezahlt werde, der in der Woche gelte, in der das Tier zum ersten Mal auf den Markt gebracht werde, und weil andererseits die Tiere, für die die Prämie gewährt worden sei, innerhalb von 21 Tagen vom Tag ihrer ersten Vermarktung zur Schlachtung an gerechnet geschlachtet oder ausgeführt werden müssten, folge daraus, daß der bei der Ausfuhr erhobene Betrag im allgemeinen von der tatsächlich gewährten Prämie abweiche.

11 Die Verfahren machen nach Auffassung der Crown Courts von Maidstone und von Leeds eine Beurteilung der Gültigkeit der Gemeinschaftsregelung erforderlich. Diese Gerichte haben deshalb die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 ungültig, weil er eine Überschreitung der Befugnisse darstellt, die der Kommission in Artikel 9 der Verordnung Nr. 1837/80, geändert durch die Verordnung Nr. 871/84, eingeräumt worden sind?

2) Wenn die erste Frage zu bejahen ist: Welche dauernden oder vorläufigen Wirkungen haben die ungültigen Teile der Verordnung?

3) Wenn die erste Frage zu bejahen ist: Ist das Vereinigte Königreich gemeinschaftsrechtlich ermächtigt oder verpflichtet,

- die Vorlage von Urkunden im Hinblick auf Ausfuhrvorgänge zu verlangen, die nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 1633/84 abgabepflichtig sind;

- wegen unrichtiger Erklärungen in diesen Urkunden Anklage in einem Fall zu erheben, wie er dem nationalen Gericht vorliegt, in dem die nationale Rechtsvorschrift auf die die Anklage gestützt wird, auf das Bestehen von gemeinschaftsrechtlichen Rechten oder Pflichten abstellt?

12 Am 4. Juni 1991 hat der Gerichtshof beschlossen, die Rechtssachen C-38/90 und C-151/90 zu gemeinsamen mündlichem Verfahren und gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

13 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts der Ausgangsverfahren, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur in soweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

14 Zur Beantwortung der Frage, ob sich die Kommission bei Erlaß des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 in den Grenzen der Ermächtigung gehalten hat, die ihr durch Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 eingeräumt worden ist, wonach die Kommission die erforderlichen Maßnahmen erlässt, damit auf die Erzeugnisse, für die die Schlachtprämie gewährt worden ist, "ein Betrag in Höhe der tatsächlich gewährten Prämie" erhoben werden kann, wenn sie aus dem Vereinigten Königreich ausgeführt werden, ist auf den mit der Clawback-Regelung verfolgten Zweck abzustellen.

15 Dazu hat der Gerichtshof bereits festgestellt (vgl. Urteile vom 15. September 1982 in der Rechtssache 106/81, Kind/Kommission, Slg. 1982, 2885, und vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 61/86, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1988, 431), daß zwar jede Erhebung eines Geldbetrags bei der Ausfuhr in einen anderen Mitgliedstaat unabhängig von ihrem Zweck grundsätzlich eine Einschränkung des freien Verkehrs der Erzeugnisse im Gemeinsamen Markt darstellt, daß die Erhebung einer solchen Abgabe aber im Rahmen einer noch nicht vollständig vereinheitlichten Marktorganisation gerechtfertigt sein kann, wenn sie die Ungleichheiten ausgleichen soll, die sich aus der noch nicht vollendeten Verwirklichung der gemeinsamen Marktorganisation ergeben, um es den von dieser erfassten Erzeugnissen zu ermöglichen, unter gleichen Bedingungen zu verkehren, ohne daß der Wettbewerb zwischen Erzeugern aus den verschiedenen Gebieten künstlich verfälscht wird.

16 Dieser Rechtsprechung zufolge kann also die Unvollständigkeit der gemeinsamen Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch, die sich insbesondere daraus ergibt, daß eine bestimmte Stützungsmaßnahme, nämlich die variable Schlachtprämie, den Erzeugern eines bestimmten Gebiets vorbehalten ist, deren Wettbewerbsstellung sie verbessern kann, Korrekturmaßnahmen erforderlich machen, um für die Erzeuger aller Gebiete wieder eine gleiche Wettbewerbsposition herzustellen, und zwar insbesondere durch die Erhebung des Clawback, wenn die Erzeugnisse, für die die Prämie gewährt worden ist, aus dem betreffenden Gebiet ausgeführt werden.

17 Die für die Erhebung des Clawback geltenden Regelungen müssen daher so ausgestaltet sein, daß die Wirkung der Prämie neutralisiert wird, wenn die Erzeugnisse, denen diese Unterstützungsmaßnahme zugute gekommen ist, das betreffende Gebiet verlassen. Dabei darf die Regelung weder einen Vorteil für die Erzeuger dieses Gebiets mit sich bringen, was der Fall wäre, wenn der erhobene Clawback niedriger wäre als die Prämie, noch darf sie die Wettbewerbsposition dieser Erzeuger beeinträchtigen, was der Fall wäre, wenn der Clawback höher wäre als die Prämie.

18 Nur soweit also der Clawback dazu bestimmt ist, die Auswirkungen der variablen Schlachtprämie genau auszugleichen, um so den Erzeugnissen aus dem Gebiet, in dem die Prämie gewährt worden ist, die Ausfuhr in die anderen Mitgliedstaaten ohne Störung dieser Märkte zu ermöglichen, ist seine Erhebung nicht als eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll anzusehen und die variable Schlachtprämie nicht als eine Ausfuhrbeihilfe. Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 ist daher in dem Sinne zu verstehen, daß er bei der Ausfuhr der Erzeugnisse, für die die Schlachtprämie gewährt worden ist, die Rückforderung eines Betrags verlangt, der genau dem Betrag der gewährten Prämie entspricht.

19 Nach der Verordnung Nr. 1633/84 der Kommission wird aber die Schlachtprämie zu dem Satz gewährt, der in der Woche gilt, in der das Tier erstmals auf den Markt verbracht wird, während die Schafe, für die die Prämie gewährt worden ist, innerhalb von 21 Tagen nach dem Tag ihrer ersten Vermarktung ausgeführt werden müssen und der Clawback-Betrag dem Prämienbetrag entspricht, der in der Ausfuhrwoche gilt. Dies bedeutet, daß der Clawback-Betrag normalerweise von dem Betrag der Prämie abweicht, wenn das erste Verbringen des Tieres auf den Markt und seine Ausfuhr nicht in derselben Woche erfolgen.

20 Daher ist Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1633/84 ungültig, soweit er die Erhebung eines Clawback ermöglicht, dessen Betrag in den meisten Fällen nicht genau dem Betrag der tatsächlich gewährten Schlachtprämie entspricht, und damit die Grenzen der Ermächtigung überschritten worden sind, die der Kommission durch Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 eingeräumt worden ist. Desgleichen ist Artikel 4 Absatz 2 ungültig, soweit er die Stellung einer Kaution vorschreibt, die zur Deckung des gemäß Artikel 4 Absatz 1 geschuldeten Betrags bestimmt ist.

21 An dieser Feststellung ändern nichts die angeblichen praktischen Schwierigkeiten, die nach Ansicht der Kommission und der Regierung des Vereinigten Königreichs einer Clawback-Regelung im Wege stehen würden, bei der der Prämienbetrag genau dem Clawback-Betrag entspricht.

22 Nach alledem ist auf die erste Frage der Crown Courts Maidstone und Leeds zu antworten, daß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1633/84 ungültig ist, soweit die Kommission die ihr in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 eingeräumten Befugnisse dadurch überschritten hat, daß sie die Erhebung eines Clawback-Betrags vorgesehen hat, der in den meisten Fällen nicht genau dem Betrag der tatsächlich gewährten Schlachtprämie entspricht. Daher ist auch Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1633/84 ungültig, soweit er die Stellung einer Kaution vorschreibt, die die Erhebung des gemäß Artikel 4 Absatz 1 geschuldeten Betrags sicherstellen soll.

Zur zweiten Frage

23 Was die Folgen der Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 angeht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes hinzuweisen (vgl. etwa Urteile vom 15. Oktober 1980 in der Rechtssache 4/79, Providence agricole de la Champagne, Slg. 1980, 2823; vom 27. Februar 1985 in der Rechtssache 112/83, Produits de mais, Slg. 1985, 719, und vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 41/84, Pinna, Slg. 1986, 1), wonach der Gerichtshof, wenn zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit es rechtfertigen, gemäß Artikel 174 Absatz 2 EWG-Vertrag, der auch im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zur Beurteilung der Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane entsprechend anwendbar ist, die Befugnis hat, in jedem einzelnen Fall anzugeben, welche Wirkungen einer für nichtig erklärten Verordnung als endgültig anzusehen sind.

24 Gemäß dieser Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1980, Providence agricole de la Champagne, und vom 15. Januar 1986, Pinna) hat der Gerichtshof von der Möglichkeit, die zeitliche Wirkung der Feststellung der Ungültigkeit einer Gemeinschaftsregelung zu begrenzen, Gebrauch gemacht, wenn zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit, die sich aus der Gesamtheit der Interessen ergaben, die in den betreffenden Rechtssachen von Bedeutung waren, es ausschlossen, die aufgrund dieser Regelung erfolgte Erhebung oder Zahlung von Geldbeträgen für die Zeit vor Erlaß des Urteils in Frage zu stellen.

25 In den Fällen, in denen der Gerichtshof von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, hat er ausserdem (vgl. Urteile vom 27. Februar 1985, Produits de mais, und vom 15. Januar 1986, Pinna) festgestellt, daß er darüber zu entscheiden hat, ob eine Ausnahme von einer derartigen, im Urteil ausgesprochenen Begrenzung der zeitlichen Wirkung zugunsten der Partei vorgesehen werden kann, die beim innerstaatlichen Gericht Klage erhoben hat, oder zugunsten anderer Wirtschaftsteilnehmer, die vor Feststellung der Ungültigkeit entsprechend gehandelt hatten, oder ob im Gegenteil eine Ungültigerklärung mit Wirkung nur für die Zukunft auch für Wirtschaftsteilnehmer, die rechtzeitig etwas zum Schutz ihrer Rechte unternommen haben, in angemessener Weise Abhilfe schafft.

26 Zu der Frage der vorlegenden Gerichte ist zunächst darauf hinzuweisen, daß - auch wenn es in den Ausgangsverfahren nicht um die Rückzahlung von Clawback-Beträgen geht, die die entsprechenden Prämien übersteigen, das Problem der Gültigkeit der Clawback-Regelung vielmehr von den Beschuldigten der Ausgangsverfahren nur aufgeworfen worden ist, um der ihnen gegenüber erhobenen Beschuldigung entgegenzutreten - die Feststellung der Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 doch geleistete Clawback-Zahlungen in Frage stellt und somit die Clawback-Regelung insgesamt beeinflusst.

27 Weiter ist festzustellen, daß, wenn die Feststellung der Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 zur Begründung von Ansprüchen in Ansehung von bis zum Erlaß dieses Urteils geleisteten Clawback-Zahlungen geltend gemacht werden könnte, dies erhebliche finanzielle Folgen nach sich ziehen könnte wie auch schwerwiegende Organisationsprobleme, die mit der Wiederaufnahme längst abgeschlossener Abrechnungen und der Notwendigkeit zusammenhängen, den Clawback für die Vergangenheit neu zu berechnen.

28 Unter diesen Umständen sprechen zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit dagegen, daß in den vorliegenden Fällen Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen bereits erschöpft sind, wieder in Frage gestellt werden.

29 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings zugunsten der Wirtschaftsteilnehmer oder ihrer Rechtsnachfolger vorzusehen, die rechtzeitig ihre Rechte geltend gemacht haben.

30 Auf die zweite Frage der vorlegenden Gerichte ist folglich zu antworten, daß die Feststellung der Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 nicht mit Wirkung für die Zeit vor Erlaß dieses Urteils geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme gilt für die Wirtschaftsteilnehmer oder ihre Rechtsnachfolger, die vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen nach dem anwendbaren innerstaatlichem Recht gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben.

Zur dritten Frage

31 In Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung 1837/80 in der Fassung der Verordnung Nr. 871/84 sind sowohl der Grundsatz der Erhebung des Clawback auf Erzeugnisse, für die die Schlachtprämie gewährt worden ist und die das Gebiet 5 verlassen, als auch der dafür maßgebliche Betrag geregelt; gemäß Artikel 9 Absatz 4 dieser Verordnungen sind lediglich die Durchführungsbestimmungen von der Kommission zu erlassen.

32 Artikel 5 der Verordnung Nr. 1633/84 mit den Durchführungsbestimmungen für die variable Schlachtprämie für Schafe lautet:

"(1) Das Vereinigte Königreich trifft alle erforderlichen Maßnahmen, damit die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung gewährleistet wird.

(2) Erforderlichenfalls trifft das Vereinigte Königreich die erforderlichen Maßnahmen, damit die Wiedereinziehung eines Betrags in Höhe der gezahlten Prämie gewährleistet wird.

(3) Die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs treffen alle erforderlichen Maßnahmen, damit die Anwendung der Regelung für die variable Prämie nicht zu einem unregelmässigen Warenumsatz führt und Handelsverzerrungen zwischen den beiden Gebieten dieses Mitgliedstaats vermieden werden.

Insbesondere sehen die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs vor, daß die betreffenden Händler verpflichtet sind, den hierzu befugten Stellen die Mengen und die Bezeichnung der in Artikel 1 Buchstaben a) und c) der Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 genannten Erzeugnisse anzugeben, die aus dem die Prämien gewährenden Gebiet entweder direkt oder über ein anderes Gebiet oder ein Drittland versendet werden müssen."

33 Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84, der durch dieses Urteil für ungültig erklärt wird, betrifft nur die von der Kommission für die Bestimmung des Clawback-Betrags festgelegte Berechnungsweise und die Stellung einer Kaution, die die Zahlung des aufgrund dieser Vorschrift berechneten Clawback sicherstellen soll.

34 Daraus folgt, daß die Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 den Grundsatz der Clawback-Erhebung nicht beeinträchtigt und somit das Vereinigte Königreich nicht aus der Verpflichtung entlässt, für die Beachtung der gültigen Vorschriften der Verordnung Nr. 1633/84, die diese Erhebung ermöglichen sollen, zu sorgen. Dieser Mitgliedstaat ist demgemäß insbesondere verpflichtet, von den Exporteuren von Schafen und/oder von Schaffleisch zu verlangen, daß sie den nationalen Behörden Auskünfte geben, wie sie in den Ausgangsverfahren von Bedeutung sind, und sicherzustellen, daß diese Auskünfte der Wahrheit entsprechen.

35 Daher ist auf die dritte Frage der vorlegenden Gerichte zu antworten, daß das Vereinigte Königreich kraft Gemeinschaftsrecht verpflichtet ist, die Vorlage von Urkunden über Schafe oder Schaffleisch betreffende Ausfuhrgeschäfte, auf die der Clawback erhoben wird, zu verlangen und gegen Wirtschaftsteilnehmer, die in diesen Urkunden unrichtige Angaben machen, wirksame Sanktionen zu verhängen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beschuldigten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm von den Crown Courts in Maidstone und Leeds mit Beschlüssen vom 20. Dezember 1989 und 5. April 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1633/84 der Kommission vom 8. Juni 1984 mit Durchführungsbestimmungen für die variable Schlachtprämie für Schafe und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2661/80 ist ungültig, soweit die Kommission die ihr in Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1837/80 des Rates vom 27. Juni 1980 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 871/84 des Rates vom 31. März 1984 eingeräumten Befugnisse dadurch überschritten hat, daß sie die Erhebung eines Clawback-Betrags vorgesehen hat, der in den meisten Fällen nicht genau dem Betrag der tatsächlich gewährten Schlachtprämie entspricht. Daher ist auch Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1633/84 ungültig, soweit er die Stellung einer Kaution vorschreibt, die die Erhebung des gemäß Artikel 4 Absatz 1 geschuldeten Betrags sicherstellen soll.

2) Die Feststellung der Ungültigkeit von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1633/84 kann nicht mit Wirkung für die Zeit vor Erlaß dieses Urteils geltend gemacht werden. Eine Ausnahme gilt für Wirtschaftsteilnehmer oder ihre Rechtsnachfolger, die vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben.

3) Das Vereinigte Königreich ist kraft Gemeinschaftsrecht verpflichtet, die Vorlage von Urkunden über Schafe oder Schaffleisch betreffende Ausfuhrgeschäfte, auf die der Clawback erhoben wird, zu verlangen und gegen Wirtschaftsteilnehmer, die in diesen Urkunden unrichtige Angaben machen, wirksame Sanktionen zu verhängen.

Ende der Entscheidung

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