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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: C-380/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg, EGV, Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (Österreich), Amtshaftungsgesetzes (Österreich)


Vorschriften:

Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg Art. 6
EGV Art. 234
Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (Österreich) § 15
Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (Österreich) § 19 Abs. 2
Amtshaftungsgesetzes (Österreich) § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 5. Februar 2004. - Gustav Schneider gegen Bundesminister für Justiz. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof - Österreich. - Richtlinie 76/207/EWG - Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Beruflicher Aufstieg - Grundsatz einer effektiven gerichtlichen Kontrolle - Unzulässigkeit. - Rechtssache C-380/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-380/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Gustav Schneider

gegen

Bundesminister für Justiz

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 6 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) und A. Rosas,

Generalanwalt: S. Alber,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- des Bundesministers für Justiz, vertreten durch C. Kren als Bevollmächtigte,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Sack und N. Yerrel als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von G. Schneider, vertreten durch Rechtsanwalt P. Ringhofer, der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi, und der Kommission, vertreten durch J. Sack und N. Yerrel, in der Sitzung vom 23. Oktober 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

10. Dezember 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. September 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 6 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Schneider und dem Bundesminister für Justiz, der einen Antrag von Herrn Schneider auf Ersatz des Schadens abgewiesen hatte, den dieser dadurch erlitten zu haben behauptet, dass er nicht zum Richter des Oberlandesgerichts Wien (Österreich) ernannt worden sei.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrechtliche Regelung

3. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 sieht vor:

Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im Folgenden als Grundsatz der Gleichbehandlung bezeichnet.

4. Artikel 6 der Richtlinie 76/207 lautet:

Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.

Nationale Regelung

5. In Österreich kann nach § 1 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes (im Folgenden: AHG) eine allgemeine Amts- und Staatshaftungsklage erhoben werden. Eine solche Klage ist im Zivilrechtsweg zu verfolgen.

6. § 15 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (BGBl I Nr. 100/1993, im Folgenden: B-GBG) bestimmt, dass der Bund, wenn eine Beamtin oder ein Beamter wegen einer vom Bund zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach § 3 Z 5 B-GBG nicht mit einer Verwendung (Funktion) betraut worden ist, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist. Diese letztgenannte Bestimmung verbietet jede Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen).

7. Nach § 19 Abs. 2 B-GBG haben die betroffenen Beamtinnen oder Beamten Ansprüche nach § 15 B-GBG gegenüber dem Bund binnen sechs Monaten mit Antrag bei der für sie zuständigen Dienstbehörde geltend zu machen. Die getroffene Entscheidung kann beim Verwaltungsgerichtshof in dem dazu in Artikel 130 des Bundes-Verfassungsgesetzes vorgesehenen Verfahren angefochten werden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8. Herr Schneider, der 1953 geboren wurde, ist Richter des Arbeits- und Sozialgerichts Wien. Er bewarb sich zweimal, 1997 und 1998, um eine im Sinne seiner Verwendung facheinschlägig zu besetzende Planstelle beim Oberlandesgericht Wien. In beiden Fällen wurde ihm mit der Begründung, dass die zur Frauenförderung vorgesehene Quote nicht erreicht sei, eine jeweils an Lebens- und Dienstalter jüngere Bewerberin vorgezogen.

9. In der Folge der betreffenden Entscheidungen erhob Herr Schneider beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Amts- und Staatshaftungsklage nach dem AHG, um Ersatz für den Schaden zu erhalten, den er seiner Ansicht nach erlitten hat. Er berief sich darauf, dass in seiner Person liegende Gründe bei den Beförderungsentscheidungen nicht berücksichtigt worden seien. Nachdem seine Klage abgewiesen worden war, erhob er beim Oberlandesgericht Wien Berufung, die von diesem zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob Herr Schneider beim Obersten Gerichtshof Revision. Mit Entscheidung vom 30. Jänner 2001 gab dieser der Revision nicht Folge. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Grundsatz der Gleichbehandlung im Rahmen der Richtlinie 76/207 (Urteile vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-450/93, Kalanke, Slg. 1995, I-3051, vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-409/95, Marschall, Slg. 1997, I-6363, vom 28. März 2000 in der Rechtssache C-158/97, Badeck u. a., Slg. 2000, I-1875, und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache C-407/98, Abrahamsson und Anderson, Slg. 2000, I-5539) befand der Oberste Gerichtshof, dass die österreichische Maßnahme zur Frauenförderung mangels einer Öffnungsklausel nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Allerdings bestehe zwischen der Rechtsverletzung und dem geltend gemachten Schaden kein kausaler Zusammenhang. Herr Schneider habe keinen Umstand vorgetragen, der bei Bestehen einer Öffnungsklausel zu seinen Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen.

10. Weiters beantragte Herr Schneider mit Schreiben vom 11. Jänner 1999 beim Bundesminister für Justiz den Ersatz des Schadens, den er dadurch erlitten habe, dass er auf seine Bewerbung vom 14. April 1998 hin nicht zum Richter des Oberlandesgerichts Wien ernannt worden sei. Dieser auf das B-GBG gestützte Antrag wurde von dem genannten Minister abgewiesen (im Folgenden: abweisender Bescheid).

11. Gegen diesen abweisenden Bescheid erhob Herr Schneider Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Er beruft sich insbesondere darauf, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da die anwendbare Regelung die geschädigte Person verpflichte, den Ersatz ihres Schadens bei der Behörde zu beantragen, die ihn verursacht habe. Zudem genüge die vom Verwaltungsgerichtshof als Revisionsgericht über eine derartige Entscheidung ausgeübte gerichtliche Kontrolle nicht den Erfordernissen eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes. Diesem Gericht stehe nämlich kein Recht zur Beweiswürdigungskontrolle zu, so dass die Tatsachenfragen endgültig der Behörde überlassen seien.

12. Im Vorlagebeschluss führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Beschwerde an ihn ihrem Wesen nach eine Rechtsbeschwerde sei. Als Revisionsgericht könne er nur eine begrenzte Tatsachenkontrolle ausüben. Vor diesem Hintergrund sei es angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofes zumindest zweifelhaft, ob der im vorliegenden Fall allein vom Verwaltungsgerichtshof gewährte gerichtliche Rechtsschutz den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts nach Artikel 6 der Richtlinie 76/207 hinreichend entspreche.

13. Der Verwaltungsgerichtshof hält eine Entscheidung über diesen Punkt für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits für erforderlich und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 6 der Richtlinie 76/207 dahin auszulegen, dass die darin geforderte Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung von Rechten (hier: eines Schadensersatzanspruchs) allein durch den österreichischen Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf dessen rechtlich eingeschränkte Befugnisse (nur Kassationsgerichtshof mit mangelnder Tatsachenkognition) nicht ausreichend erfuellt ist?

14. Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof einen von ihm am 26. März 2003 erlassenen Beschluss übermittelt, in dem er sich zum Verhältnis zwischen dem Verfahren über einen Antrag auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 B-GBG und dem Verfahren über eine zivilrechtliche Schadensersatzklage nach § 1 Abs. 1 AHG äußert.

Zur Zulässigkeit der Vorlagefrage

15. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofes zum Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren, die Herr Schneider angestrengt hat -- das eine beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, das andere beim Verwaltungsgerichtshof --, führt die österreichische Regierung aus, dass eine Amts- und Staatshaftungsklage bei den Zivilgerichten eine verwaltungsrechtliche Staatshaftungsklage nach den Bestimmungen des B-GBG nicht ausschließen oder begrenzen könne. Umgekehrt blieben die Zivilgerichte aufgrund ihrer allgemeinen Zuständigkeit für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zuständig, in denen die Staatshaftung in Frage stehe, wenn ein Beschwerdeführer vor einem Verwaltungsgericht die Rechte geltend mache, die er aus einer Verletzung des B-GBG herleite. Demnach könnten Rechtsbehelfe wie die Klage und die Beschwerde im Ausgangsfall in Österreich zugleich bei den Zivil- und den Verwaltungsgerichten eingelegt werden.

16. Die österreichische Regierung verweist darauf, das die Rechtskraft der zivilgerichtlichen Entscheidung die Verwaltungsgerichte grundsätzlich nicht binde, was auch umgekehrt gelte. Da die Entscheidungen der Zivil- und der Verwaltungsgerichte unterschiedliche Entscheidungsgegenstände beträfen, könne der Umstand, dass der bei den Zivilgerichten geltend gemachte Anspruch für unbegründet erklärt werde, nicht dazu führen, dass das Verwaltungsgericht bei der Würdigung der Begründetheit der bei ihm geltend gemachten Ansprüche gebunden sei.

17. Aus der genannten Antwort der österreichischen Regierung ergibt sich zudem, dass Herr Schneider eine auf das AHG gestützte Amts- und Staatshaftungsklage wegen behaupteter unzureichender Umsetzung von Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie 76/207 erhoben hatte und dass die nacheinander befassten Zivilgerichte seine Klage abgewiesen hatten, weil kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, d. h. dem Fehlen einer Öffnungsklausel, und dem geltend gemachten Schaden bestanden habe.

18. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften führt einleitend aus, wenn das von Herrn Schneider beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängig gemachte Amts- und Staatshaftungsverfahren die Möglichkeit biete, die im Ausgangsverfahren in Frage stehende Entscheidung des Bundesministers für Justiz sowohl in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht voll zu überprüfen, komme den Beschränkungen im parallel dazu laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglicherweise keine Bedeutung zu. Wenn nämlich das Verfahren vor den Zivilgerichten den Erfordernissen nach Artikel 6 der Richtlinie 76/207 entspreche, dann sei im Ausgangsverfahren den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts in dieser Hinsicht Genüge getan, und die Vorlagefrage werde demnach unzulässig. Obwohl die Verfahren vor den angerufenen Zivil- und Verwaltungsgerichten verschieden und auf unterschiedliche Rechtsvorschriften gestützt seien, werde mit einem Verfahren auf Schadensersatz letztlich dasselbe Ergebnis verfolgt wie mit einem Verfahren, das bei einem Verwaltungsgericht eingeleitet werde.

19. Hinsichtlich des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2003, der nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim Gerichtshof eingegangen ist, verweist der Gerichtshof zunächst darauf, dass die mündliche Verhandlung vor ihm nach diesen Schlussanträgen geschlossen worden ist. Der Gerichtshof hatte allerdings nach seiner Verfahrensordnung die Möglichkeit, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und den genannten Beschluss nach dieser Wiedereröffnung den Parteien des Ausgangsverfahrens sowie den anderen am Vorabentscheidungsverfahren Beteiligten zur Stellungnahme zu übermitteln. Im vorliegenden Fall sah der Gerichtshof keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und teilte dies dem vorlegenden Gericht sowie den Parteien des Ausgangsverfahrens, den Mitgliedstaaten und den Organen mit, die Erklärungen eingereicht hatten.

20. In Bezug auf die Vorlagefrage ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das mit Artikel 234 EG eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnr. 22, sowie Beschlüsse vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-378/93, La Pyramide, Slg. 1994, I-3999, Randnr. 10, und vom 25. Mai 1998 in der Rechtssache C-361/97, Nour, Slg. 1998, I-3101, Randnr. 10).

21. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. Urteile vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 59, vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38, und vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C-390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I-607, Randnr. 18).

22. Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass es ihm in Ausnahmefällen obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem nationalen Gericht angerufen wird. Er kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Frage erforderlich sind (vgl. Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, und Canal Satélite Digital, Randnr. 19).

23. Der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorlageverfahren durchzuführen ist, impliziert nämlich, dass das nationale Gericht seinerseits auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, die darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (vgl. Urteil Meilicke, Randnr. 25 und die dort zitierte Rechtsprechung).

24. Artikel 6 der Richtlinie 76/207, wonach jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf seine Person für beschwert hält, die Möglichkeit haben muss, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen, legt nicht fest, welcher Art von Gerichtsbarkeit die Mitgliedstaaten diese Aufgabe zu übertragen haben. Dem Erfordernis des genannten Artikels 6 ist vielmehr Genüge getan, wenn jemand, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf seine Person für beschwert hält, seine Rechte bei einem zuständigen Gericht effektiv geltend machen kann.

25. Die Richtlinie 76/207 wurde ins österreichische Recht mit dem B-GBG umgesetzt, dessen Anwendung bei einer Verwaltungsbehörde und anschließend vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden kann.

26. Wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, besteht in Österreich jedoch außerdem die Möglichkeit, bei den Zivilgerichten eine allgemeine Amts- und Staatshaftungsklage nach § 1 Abs. 1 AHG auf Ersatz des Schadens zu erheben, der durch eine Entscheidung entstanden ist, die im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Beförderung von Beamten und Richtern für rechtswidrig gehalten wird.

27. Wie der Generalanwalt in Nummer 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt die österreichische Rechtsordnung mit den allgemeinen Vorschriften über die Staatshaftung, deren Anwendung in einem dreistufigen Instanzenzug von den Zivilgerichten sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht überprüft wird, einen Rechtsweg zur Verfügung, mit dem der Einzelne eine Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf seine Person gerichtlich geltend machen kann.

28. Ein solcher Rechtsweg entspricht unbestreitbar dem Erfordernis eines angemessenen und effektiven Rechtsschutzes, wie es in Artikel 6 der Richtlinie 76/207 vorgesehen ist.

29. Im Ausgangsverfahren steht jedoch fest, dass Herr Schneider Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, beim Oberlandesgericht Wien sowie beim Obersten Gerichtshof angestrengt hat, um Ersatz für den Schaden zu erhalten, den er dadurch erlitten zu haben behauptet, dass mit der ablehnenden Entscheidung der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verletzt worden sei.

30. Demnach ist in einem Gerichtssystem wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dem Erfordernis des Artikels 6 der Richtlinie 76/207 durch die nach allgemeinen Bestimmungen wie denen des AHG bei den Zivilgerichten eröffneten und auf Staatshaftung gerichteten Rechtsbehelfe, von denen Herr Schneider Gebrauch gemacht hat, vollständig Genüge getan.

31. Unter diesen Umständen ist die Frage, ob das verwaltungsgerichtliche Verfahren den Anforderungen des Artikels 6 der Richtlinie 76/207 genügt, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich, so dass die Vorlagefrage hypothetisch ist. Wie sich aus den Randnummern 22 und 23 dieses Urteils ergibt, ist der Gerichtshof für die Beantwortung einer solchen Frage nicht zuständig.

32. Nach alledem ist festzustellen, das die Vorlagefrage unzulässig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

33. Die Auslagen der österreichischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof mit am 4. Oktober 2001 beim Gerichtshof eingegangener Entscheidung vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Das vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. September 2001 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.

Ende der Entscheidung

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