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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: C-383/06
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 4253/88, EG


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 Art. 23 Abs. 1
EG Art. 249
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

13. März 2008

"Strukturfonds - Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 - Streichung und Rückforderung des Gemeinschaftszuschusses - Art. 249 EG - Schutz des berechtigten Vertrauens und Gewährleistung der Rechtssicherheit"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-383/06 bis C-385/06

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidungen vom 30. August 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 18. September 2006, in den Verfahren

Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening (C-383/06),

Gemeente Rotterdam (C-384/06)

gegen

Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid

und

Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant (C-385/06)

gegen

Algemene Directie voor de Arbeidsvoorziening

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. Klucka und A. Ó Caoimh, der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin) sowie des Richters A. Arabadjiev,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Gemeente Rotterdam, vertreten durch J. M. Cartigny, advocaat,

- der Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant, vertreten durch G. A. van der Ween, advocaat,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. ten Dam als Bevollmächtigte,

- der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Bocek als Bevollmächtigten,

- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Flynn und A. Weimar als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. L 193, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 4253/88).

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten, in denen zwei niederländische Vereinigungen und eine niederländische Gemeinde der niederländischen Verwaltung gegenüberstehen. Zum einen klagen die Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening und die Gemeente Rotterdam gegen den Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen, im Folgenden: Minister) und zum anderen die Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant gegen die Algemene Directie voor de Arbeidsvoorziening (Allgemeine Leitstelle für Arbeitsvermittlung, im Folgenden: Algemene Directie); Gegenstand dieser Klagen sind jeweils Entscheidungen, mit denen der Minister bzw. die Algemene Directie Bescheide über die Festsetzung von Zuschüssen, die den Klägerinnen der Ausgangsverfahren gewährt worden waren, aufhoben bzw. diese Zuschüsse zurückforderten.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

Die Verordnung Nr. 2052/88

3 Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Investitionsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente (ABl. L 185, S. 9) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2081/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. L 193, S. 5) (im Folgenden: Verordnung Nr. 2052/88) sieht vor, dass die Europäische Gemeinschaft insbesondere mit Hilfe der Strukturfonds eine Politik verfolgt, die auf die Erreichung des in den Art. 130a des EG-Vertrags (nach Änderung jetzt Art. 158 EG) und 130c des EG-Vertrags (nach Änderung jetzt Art. 160 EG) niedergelegten allgemeinen Zielrahmens gerichtet ist. In diesem Art. 1 ist eine Reihe vorrangiger Ziele aufgezählt, zu deren Verwirklichung die Strukturfonds beitragen. Dazu gehört als Ziel 3 die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und die Erleichterung der Eingliederung der Jugendlichen und der vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bedrohten Personen in das Erwerbsleben.

4 Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2052/88 lautet:

"(1) Die Gemeinschaftsaktion stellt eine Ergänzung oder einen Beitrag zu den entsprechenden nationalen Aktionen dar. Sie kommt zustande durch eine enge Konzertierung zwischen der Kommission, dem betreffenden Mitgliedstaat, den von ihm auf nationaler, regionaler, lokaler oder sonstiger Ebene benannten zuständigen Behörden und Einrichtungen und - nach Maßgabe der institutionellen Regeln und der Praxis des Mitgliedstaats - den Wirtschafts- und Sozialpartnern, wobei alle Parteien als Partner ein gemeinsames Ziel verfolgen. ..."

5 Art. 10 dieser Verordnung bestimmt zu Ziel 3:

"Die Mitgliedstaaten unterbreiten der Kommission Pläne für Aktionen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und zur Erleichterung der Eingliederung der Jugendlichen und der vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bedrohten Personen in das Erwerbsleben (Ziel 3).

Diese Pläne enthalten

- die Beschreibung der bestehenden Lage, die Angabe der eingesetzten Finanzmittel und die wichtigsten Ergebnisse der Aktionen des vorangegangenen Programmplanungszeitraums im Kontext der empfangenen gemeinschaftlichen Strukturhilfe und unter Berücksichtigung der verfügbaren Bewertungsergebnisse;

- die Beschreibung einer geeigneten Strategie zur Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele und der Schwerpunkte für die Regionalentwicklung, wobei die vorgesehenen Fortschritte, wenn ihrer Art nach möglich, zu quantifizieren sind; eine Beurteilung der erwarteten Auswirkungen der diesbezüglichen Aktionen, einschließlich der Auswirkungen auf die Beschäftigung, um sicherzustellen, dass der mittelfristige wirtschaftliche und soziale Nutzen den eingesetzten Finanzmitteln entspricht;

- Angaben zu der bei der Durchführung des Plans vorgesehenen Verwendung der Zuschüsse des [Europäischen Sozialfonds, im Folgenden: ESF], gegebenenfalls in Kombination mit Interventionen von sonstigen vorhandenen Finanzinstrumenten der Gemeinschaft.

..."

Die Verordnung Nr. 4253/88

6 Der sechste Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2082/93 zur Änderung der Verordnung Nr. 4253/88 lautet:

"In Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und unbeschadet der Befugnisse, über die die Kommission insbesondere bei der ihr obliegenden Verwaltung der finanziellen Mittel der Gemeinschaft verfügt, fällt die Durchführung der in den gemeinschaftlichen Förderkonzepten aufgeführten Interventionsformen hauptsächlich in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten auf der in dem jeweiligen Mitgliedstaat geeigneten Gebietsebene."

7 Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 lautet:

"(1) Um den erfolgreichen Abschluss der von öffentlichen oder privaten Trägern durchgeführten Maßnahmen zu gewährleisten, treffen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Aktionen die erforderlichen Maßnahmen, um

- regelmäßig nachzuprüfen, dass die von der Kommission finanzierten Aktionen ordnungsgemäß ausgeführt worden sind,

- Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu ahnden,

- infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern. Falls der Mitgliedstaat und/oder der Träger nicht den Nachweis erbringt, dass die Unregelmäßigkeiten oder die Fahrlässigkeit ihnen nicht anzulasten sind, ist der Mitgliedstaat subsidiär für die Zurückzahlung der nicht rechtmäßig gezahlten Beträge verantwortlich. Im Fall der Globalzuschüsse kann die zwischengeschaltete Stelle mit dem Einverständnis des Mitgliedstaats und der Kommission eine Bankgarantie oder eine andere Sicherheit, die dieses Risiko abdeckt, in Anspruch nehmen.

Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission von den zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen in Kenntnis und übermitteln ihr insbesondere eine Beschreibung der Kontroll- und Verwaltungssysteme, die für die wirksame Durchführung der Aktionen eingerichtet worden sind. Sie unterrichten die Kommission regelmäßig über den Verlauf administrativer und gerichtlicher Verfahren.

..."

8 Art. 24 der Verordnung lautet:

"Kürzung, Aussetzung und Streichung der Beteiligung

(1) Wird eine Aktion oder eine Maßnahme so ausgeführt, dass die gewährte finanzielle Beteiligung weder teilweise noch insgesamt gerechtfertigt erscheint, so nimmt die Kommission eine entsprechende Prüfung des Falls im Rahmen der Partnerschaft vor und fordert insbesondere den Mitgliedstaat oder die von ihm für die Durchführung der Aktion benannten Behörden auf, sich innerhalb einer bestimmten Frist dazu zu äußern.

(2) Nach dieser Prüfung kann die Kommission die finanzielle Beteiligung an der betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen oder aussetzen, wenn durch die Prüfung bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit oder eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion oder Maßnahme vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur Zustimmung unterbreitet wurde.

(3) Nicht rechtmäßig gezahlte Beträge sind an die Kommission zurückzuzahlen. Auf nicht zurückgezahlte Beträge werden in Übereinstimmung mit der Haushaltsordnung und nach den Durchführungsbestimmungen, die die Kommission nach den Verfahren des Titels VIII erlässt, Verzugszinsen erhoben."

9 Die Verordnung Nr. 4253/88 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2000 durch Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161, S. 1) aufgehoben. Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 bestimmt:

"Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer Intervention, die vom Rat oder von der Kommission auf der Grundlage der Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 und (EWG) Nr. 4253/88 sowie jeder sonstigen für diese Intervention am 31. Dezember 1999 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden ist."

Die Verordnung Nr. 1681/94

10 Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1681/94 der Kommission vom 11. Juli 1994 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Strukturpolitiken sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems (ABl. L 178, S. 43) bestimmt:

"(1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission binnen drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung Folgendes mit:

- die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Durchführung der Maßnahmen nach Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 und

...

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzüglich die Änderungen mit, die die gemäß Absatz 1 übermittelten Angaben betreffen.

..."

11 Art. 5 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1681/94 lautet:

"(2) Kann nach Auffassung eines Mitgliedstaats die vollständige Wiedereinziehung eines Betrages nicht vorgenommen oder nicht erwartet werden, so teilt er der Kommission in einer besonderen Mitteilung den nicht wiedereingezogenen Betrag und die Gründe mit, aus denen nach seiner Auffassung dieser Betrag zulasten der Gemeinschaft oder des Mitgliedstaats geht. Diese Mitteilungen müssen hinreichend detailliert sein, damit die Kommission nach Abstimmung mit den Behörden des betroffenen Mitgliedstaats so schnell wie möglich eine Entscheidung über die Anlastung der finanziellen Auswirkungen im Sinn von Artikel 23 Absatz 1 dritter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 treffen kann.

(3) In dem in Absatz 2 vorgesehenen Fall kann die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat ausdrücklich auffordern, das Wiedereinziehungsverfahren fortzusetzen."

Nationale Regelung

12 1994 erließ die Centraal Bestuur voor de Arbeidsvoorziening (niederländische Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung) die Regeling Europees Sociaal Fonds CBA 1994 (Stcrt. 1994, Nr. 239, im Folgenden: ESF-Regeling) über die Gewährung der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen des ESF erhaltenen Zuschüsse.

13 Die ESF-Regeling enthält eine Reihe von Vorschriften über die Begleitung und Kontrolle der Maßnahmen. Nach Art. 2 kann einem Antragsteller zulasten des ESF ein Zuschuss gewährt werden. Nach Art. 3 darf der Zuschuss nur dann gewährt werden, wenn die europäischen und die nationalen Vorschriften eingehalten sind. Nach Art. 10 muss der Antragsteller dafür sorgen, dass für das Vorhaben eine gesonderte Projektverwaltung geführt wird, bei der rechtzeitig sämtliche nachzuprüfenden Daten bestimmt werden; außerdem sieht diese Bestimmung auch behördliche Kontrollen vor. Nach Art. 14 ist bei der Festsetzung des Zuschusses die Durchführung des Vorhabens zu berücksichtigen, und Art. 15 sieht die Rücknahme des Zuschusses vor, falls die Auflagen, unter denen er gewährt wurde, nicht eingehalten werden.

14 Im Übrigen enthält Titel 4.2 der Algemene wet bestuursrecht (Allgemeines Verwaltungsgesetz, Stb. 1995, Nr. 315, im Folgenden: Awb) einen gesetzlichen Rahmen für die Gewährung, die Festsetzung und die Rückforderung von Zuschüssen. Nach diesem Gesetz umfasst die Zuschussvergabe zwei Phasen, nämlich die Gewährung und die Festsetzung. Der Bescheid über die Zuschussgewährung ergeht, bevor die zu bezuschussende Tätigkeit beginnt. Dieser Bescheid gibt dem Antragsteller einen Anspruch auf Finanzmittel, damit er das bezuschusste Vorhaben gegebenenfalls unter Einhaltung der ihm gemachten Auflagen durchführen kann. Wird die Tätigkeit unter Einhaltung der Auflagen durchgeführt, kann die Behörde den Bescheid über die Gewährung nicht widerrufen. Sie ist also von dieser Verfahrensphase an finanziell verpflichtet.

15 Die Bestimmungen der Awb über die Festsetzung und die Erstattung von Zuschüssen lauten:

"Artikel 4:46

"1. Ist ein Bescheid über die Zuschussgewährung ergangen, setzt die Behörde den Zuschuss in der Höhe des darin vorgesehenen Betrages fest.

2. Ein niedrigerer Zuschuss kann festgesetzt werden, wenn

a. die Tätigkeiten, für die der Zuschuss gewährt worden ist, nicht oder nicht vollständig durchgeführt wurden;

b. der Begünstigte nicht die mit dem Zuschuss verbundenen Auflagen eingehalten hat;

c. der Begünstigte unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat und der Antrag auf Zuschussgewährung bei richtigen oder vollständigen Angaben anders beschieden worden wäre oder

d. die Gewährung des Zuschusses in anderer Hinsicht fehlerhaft war und dies dem Begünstigten bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.

...

Artikel 4:49

1. Die Verwaltungsbehörde kann den Bescheid über die Festsetzung des Zuschusses aufheben oder zum Nachteil des Begünstigten abändern,

a. aufgrund von Tatsachen oder Umständen, die ihr im Zeitpunkt der Festsetzung vernünftigerweise nicht bekannt sein konnten und zur Festsetzung eines niedrigeren Zuschussbetrags als des im Bescheid über die Gewährung vorgesehenen geführt hätten;

b. wenn die Festsetzung des Zuschusses fehlerhaft war und der Begünstigte dies wusste oder hätte wissen müssen oder

c. wenn der Begünstigte nach der Festsetzung des Zuschusses nicht die mit diesem verbundenen Auflagen erfüllt hat.

2. Die Aufhebung oder die Änderung gilt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Festsetzung des Zuschusses, sofern nicht bei der Aufhebung oder Änderung etwas anderes bestimmt wird.

3. Der Bescheid über die Festsetzung des Zuschusses kann nicht mehr aufgehoben oder zum Nachteil des Begünstigten geändert werden, wenn ab dem Tag seiner Bekanntmachung fünf Jahre vergangen sind; diese Frist beginnt im Fall von Abs. 1 Buchst. c an dem Tag, an dem gegen die Auflage verstoßen wurde, bzw. dem Tag, an dem die Auflage zu erfüllen gewesen wäre.

...

Artikel 4:57

Rechtsgrundlos geleistete Zuschüsse und Vorauszahlungen können zurückgefordert werden, sofern seit dem Tag, an dem der Zuschuss festgesetzt oder die Handlung im Sinne des Art. 4:49 Abs. 1 Buchst. c vorgenommen wurde, weniger als fünf Jahre vergangen sind.

..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16 Nach den Vorlageentscheidungen liegen den Ausgangsverfahren folgende Sachverhalte zugrunde.

Rechtssache C-383/06

17 1998 beantragte die Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening einen Zuschuss für ein Vorhaben "Scholing SW[Sociale Werkvoorziening]-medewerkers" im Rahmen von Projekten des ESF auf dem Gebiet der Lehrlingsausbildung und beruflichen Bildung. Dieses Vorhaben fiel unter den Anhang 1 der ESF-Regeling, der die Wiedereingliederung von schwer zu vermittelnden Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt durch Maßnahmen der beruflichen Bildung betrifft. Mit Bescheid vom 8. Dezember 1998 gewährte die Algemene Directie Zuschüsse von höchstens 3 000 000 NLG für das Jahr 1998 und von höchstens 4 140 849 NLG für das Jahr 1999. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1999 wurde der Betrag des Zuschusses für das Jahr 1999 auf 6 686 850 NLG erhöht. Schließlich wurden mit Bescheid vom 16. Juni 2000 die Beträge der Zuschüsse auf 2 900 000 NLG für das Jahr 1999 und 3 786 850 NLG für das Jahr 2000 festgesetzt, weil die bezuschussten Tätigkeiten im Jahr 2000 fortdauerten. In den drei Bescheiden war die Zuschussgewährung mit der Auflage verbunden worden, dass das Vorhaben entsprechend den im Antrag gemachten Angaben durchgeführt wird und die Bestimmungen der ESF-Regeling eingehalten werden.

18 Mit Entscheidung vom 28. Januar 2002, die auf Art. 4:46 Abs. 2 Awb gestützt war, setzte der Minister die Zuschüsse für die Jahre 1998, 1999 und 2000 auf null fest und forderte 6 434 469,80 NLG zurück. Er wies darauf hin, dass entgegen Art. 11 Abs. 2 der ESF-Regeling keine zutreffende und stimmige, die Daten für die Jahre 1998, 1999 und 2000 zusammenfassende Schlusserklärung abgegeben worden sei. Zudem sei entgegen der ESF-Regeling keine zusammenfassende Darstellung der Wirkungen der unternommenen Aktion vorgelegt worden. Schließlich sei das Vorhaben abweichend vom Zuschussantrag nicht auf den Übergang von der sozial geförderten Beschäftigung hin zum klassischen Arbeitsmarkt gerichtet gewesen, und die Zahl der von jedem Teilnehmer geleisteten Stunden liege deutlich unter der im Vorhaben vorgesehenen.

19 Der Minister wies den Rechtsbehelf der Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening gegen die Entscheidung vom 28. Januar 2002 als unbegründet zurück. Er wies insbesondere darauf hin, dass die Nichterfüllung der Auflage, das Vorhaben entsprechend dem Antrag durchzuführen, nicht wie ein Formfehler geheilt werden könne. Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage wurde von der Rechtbank te 's-Gravenhage abgewiesen, worauf die Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening das vorlegende Gericht anrief.

20 Der Raad van State führt aus, nach Art. 4:46 Awb prüfe die Behörde im Allgemeinen in der Phase der Festsetzung der Zuschüsse, ob die bezuschusste Tätigkeit ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und ob die mit dem Zuschuss verbundenen Auflagen eingehalten worden seien. Bei nach der ESF-Regeling gewährten Zuschüssen lasse Art. 4:46 Abs. 2 Awb der Behörde keinen Ermessensspielraum, und der Zuschuss sei auf null festzusetzen, wenn sich herausstelle, dass die Bestimmungen der ESF-Regeling nicht eingehalten worden seien. Dies sei vorliegend der Fall, da das in dem Vorhaben beschriebene Ziel nicht erreicht worden sei.

21 Art. 4:46 Awb sei jedoch lediglich eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Zuschusses auf null und nicht für die Rückforderung bereits gezahlter Beträge. Eine solche Rückforderung sei nur nach Art. 4:57 Awb möglich, der der zuständigen Behörde für ihre Vornahme ein Ermessen einräume, die somit bei der Rückforderung das Interesse der Verwaltung gegen das des Zuschussempfängers abzuwägen habe. Es sei jedoch nach keiner nationalen Rechtsvorschrift ausgeschlossen, die Entscheidung über die Festsetzung des Zuschusses auf null und die Entscheidung über die Rückforderung der bereits gezahlten Beträge in einer einzigen Entscheidung zusammenzufassen. Der Minister habe eingeräumt, dass ihm von Anfang an hätte bekannt sein müssen, dass das angestrebte Ziel nicht habe erreicht werden können. Daher könne die Nichteinhaltung der Bestimmungen der ESF-Regeling, die sich aus der Gemeinschaftsregelung ergäben, dieser Behörde angelastet werden. Der Minister hätte daher im Hinblick auf den nationalen Grundsatz des Vertrauensschutzes von der Rückforderung sämtlicher Zuschüsse absehen müssen, und das nationale Recht enthalte für den vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung.

22 Der Raad van State hält jedoch eine Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 für gegeben. Er stellt zunächst fest, dass das Königreich der Niederlande keine Maßnahme zur Rückforderung verloren gegangener Beträge im Sinne von Art. 23 Abs. 1 getroffen habe, und fragt sich dann, ob diese gemeinschaftsrechtliche Bestimmung einem Mitgliedstaat oder einer Behörde eine unmittelbare Befugnis zur Rückforderung solcher Beträge verleihen könne. Ferner fragt er sich, ob der nationale Grundsatz des Vertrauensschutzes weiter reichen könne als der gemeinschaftsrechtliche.

Rechtssache C-384/06

23 1998 beantragte die Gemeente Rotterdam einen Zuschuss nach der ESF-Regeling für ein Vorhaben der beruflichen Bildung. Für dieses Vorhaben wurde ein Zuschuss in Höhe von 483 108 NLG gewährt mit der Auflage, dass für das Vorhaben eine gesonderte Projektverwaltung geführt wird. Mit Entscheidung vom 28. Mai 1999 wurde der Zuschuss für das Vorhaben für das Jahr 1998 auf 122 612,81 NLG festgesetzt mit der Auflage, dass die Projektbegleitung den Bestimmungen der ESF-Regeling entsprechen müsse. Die Gemeente Rotterdam legte dagegen einen Rechtsbehelf ein, auf den hin der Minister mit Entscheidung vom 18. Juli 2001, die auf Art. 4:49 Abs. 1 Buchst. a Awb und Art. 14 der ESF-Regeling gestützt war, die Entscheidung vom 28. Mai 1999 aufhob, den Zuschuss auf null festsetzte und die bereits gezahlten Beträge zurückforderte. Der Minister wies den gegen die Entscheidungen vom 28. Mai 1999 und vom 18. Juli 2001 eingelegten Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Die Klage hiergegen wurde von der Rechtbank te Rotterdam abgewiesen, worauf die Gemeente Rotterdam das vorlegende Gericht anrief.

24 Der Raad van State ist erstens der Auffassung, dass die Festsetzung des Zuschusses nicht mit einer Auflage habe verbunden werden dürfen und dass die Nichterfüllung dieser Auflage nicht als Grund für die Aufhebung habe dienen können. Zweitens stellt er fest, dass die Gemeente Rotterdam ihr Vorhaben nicht entsprechend den Bestimmungen der ESF-Regeling als gesondertes Projekt verwaltet habe.

25 Die Behörde habe entschieden, von eingehenden Kontrollen abzusehen. Deshalb lägen keine Tatsachen oder Umstände, die ihr im Zeitpunkt der Festsetzung des Zuschusses vernünftigerweise nicht hätten bekannt sein können, im Sinne von Art. 4:49 Abs. 1 Buchst. a Awb vor. Die Aufhebungsentscheidung habe daher weder auf Art. 4:49 Abs. 1 Buchst. a Awb noch auf einen anderen der Fälle des Abs. 1 dieses Artikels gestützt werden können.

Rechtssache C-385/06

26 1998 beantragte die Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant einen Zuschuss nach der ESF-Regeling für ein Vorhaben zur beruflichen Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. Der Zuschuss wurde in Höhe von 410 772 NLG gewährt mit der Auflage, dass für das Vorhaben eine gesonderte Projektverwaltung geführt wird. Mit Entscheidung vom 22. Juli 1999 wurde der Zuschuss auf 185 892 NLG festgesetzt; danach setzte die Algemene Directie den Zuschuss mit Entscheidung vom 21. September 2000, die auf Art. 4:46 Awb gestützt war, auf null fest. Ferner forderte sie die bereits gezahlten Beträge zurück. Mit Entscheidung vom 23. November 2001 wies die Algemene Directie den Rechtsbehelf der Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant als unbegründet zurück und erläuterte, dass die Festsetzung des Zuschusses auf null nunmehr auf Art. 4:49 Awb und nicht auf Art. 4:46 gestützt werde. In der Entscheidung vom 23. November 2001 ist als Begründung angeführt, dass der Algemene Directie im Zeitpunkt der Entscheidung vom 22. Juli 1999 die Nichteinhaltung der ESF-Regeling nicht habe bekannt sein können. Die Klage gegen die Entscheidung vom 23. November 2001 wurde von der Rechtbank Breda abgewiesen, worauf die Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant das vorlegende Gericht anrief.

27 Der Raad van State stellt fest, dass die Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant die Auflage, entsprechend der ESF-Regeling eine gesonderte Projektverwaltung zu führen, nicht eingehalten habe. Der Algemene Directie habe jedoch die Nichteinhaltung dieser Auflage im Zeitpunkt der Festsetzung des Zuschusses nicht unbekannt sein können. Die Algemene Directie habe nämlich den Zuschuss bewusst festgesetzt, ohne die von der Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant vorgelegten Unterlagen zu prüfen. Der Raad van State gelangt zu dem Ergebnis, dass die Algemene Directie ihre Aufhebungsentscheidung weder auf einen der Fälle des Art. 4:49 Awb noch auf Art. 15 der ESF-Regeling habe stützen können. Somit enthalte das nationale Recht keine Rechtsgrundlage, den Zuschuss nach dessen Festsetzung zurückzunehmen. Diese im nationalen Recht bestehenden Beschränkungen der Rückforderungsmöglichkeit beruhten auf den nationalen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

28 Die Nichteinhaltung der ESF-Regeling stelle jedoch eine Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 dar. Außerdem habe das Königreich der Niederlande keine Maßnahme zur Rückforderung der bereits gezahlten Beträge im Sinne von Art. 23 Abs. 1 getroffen. Der Raad van State fragt sich, ob dieser Mitgliedstaat unmittelbar aus dieser Gemeinschaftsverordnung eine Befugnis herleiten könne und ob gegebenenfalls kraft dieser Befugnis der Mitgliedstaat bzw. eine seiner Behörden bereits gezahlte Beträge zurückfordern könnten. Schließlich fragt er sich, ob der nationale Grundsatz des Vertrauensschutzes weiter reichen könne als der gemeinschaftsrechtliche.

29 Vor diesem Hintergrund hat der Raad van State die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

In den drei Rechtssachen gleichlautende Fragen

1. a) Kann der Mitgliedstaat bzw. eine Behörde desselben unmittelbar aus einer Verordnung - also ohne Grundlage im nationalen Recht - eine Befugnis herleiten?

b) Falls ja, verleiht Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 die Befugnis, eine Festsetzung eines Zuschusses zurückzunehmen und den gezahlten Betrag zurückzufordern, weil der genannte Art. 23 die Mitgliedstaaten hierzu bei Vorliegen von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit im Sinne dieser Bestimmung verpflichtet?

Nur in der Rechtssache C-383/06 vorgelegte Frage

2. Falls nein, ist eine nationale Rechtsvorschrift wie Art. 4:57 Awb, nach der rechtsgrundlos gezahlte Zuschüsse und Vorauszahlungen zurückgefordert werden können, gemäß Art. 10 EG in Verbindung mit Art. 249 EG der Verordnung Nr. 4253/88 konform auszulegen?

In den Rechtssachen C-384/06 und C-385/06 gleichlautende Frage

2. Falls nein, ist eine nationale Rechtsvorschrift wie Art. 4:49 Abs. 1 Awb, nach der die Behörde die Festsetzung des Zuschusses zurücknehmen oder zum Nachteil des Begünstigten ändern kann, wenn a) Tatsachen oder Umstände vorliegen, die ihr im Zeitpunkt der Festsetzung vernünftigerweise nicht bekannt sein konnten und zur Festsetzung eines niedrigeren Zuschussbetrags als des in der Verfügung über die Gewährung vorgesehenen geführt hätten, b) die Festsetzung des Zuschusses fehlerhaft war und der Begünstigte dies wusste oder hätte wissen müssen, oder c) der Begünstigte nach der Festsetzung des Zuschusses nicht die mit diesem verbundenen Auflagen erfüllt hat, gemäß Art. 10 EG in Verbindung mit Art. 249 EG der Verordnung Nr. 4253/88 konform auszulegen?

In den drei Rechtssachen gleichlautende Fragen

3. Falls ja, wird diese Auslegung durch allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, eingeschränkt?

Nur in der Rechtssache C-383/06 vorgelegte Fragen

4. a) Falls Frage 3 bejaht wird, stellt sich in Bezug auf diese Einschränkung folgende Frage: Können die nationalen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes weiter reichen als die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, d. h. die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die bei der Anwendung der Verordnung Nr. 4253/88 zu berücksichtigen sind?

b) Ist es bei der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes von Bedeutung, dass es dem die Zuschüsse gewährenden Mitgliedstaat selbst anzulasten ist, dass der Begünstigte die sich aus dem entsprechenden Bereich des Gemeinschaftsrechts ergebenden Zuschussauflagen nicht erfüllt?

In den Rechtssachen C-384/06 und C-385/06 gleichlautende Fragen

4. Ist Frage 3 zu bejahen, so stellt sich in Bezug auf diese Einschränkung folgende Frage: Können die Art. 4:49 Abs. 1 Awb zugrunde liegenden nationalen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes weiter reichen als die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, d. h. die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die bei der Anwendung der Verordnung Nr. 4253/88 zu berücksichtigen sind?

5. Ist es im Hinblick auf Art. 10 EG bei der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes von Bedeutung, dass es sich bei dem Zuschussbegünstigten um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt?

Nur in der Rechtssache C-385/06 vorgelegte Fragen

6. Sofern entweder aufgrund von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 oder aufgrund des dieser Verordnung konform ausgelegten Art. 4:49 Abs. 1 Awb die Festsetzung des Zuschusses zurückzunehmen ist und die gezahlten Beträge zurückzufordern sind, muss dies nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 auch dann geschehen, wenn feststeht, dass der Mitgliedstaat einen nicht rechtmäßig gewährten Zuschuss bereits an den ESF zurückgezahlt oder jedenfalls eine Regelung hierfür getroffen hat?

7. Gibt es, wenn nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 keine Pflicht zur Rücknahme und Rückforderung besteht, im Gemeinschaftsrecht andere Bestimmungen wie etwa Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1), nach denen der Mitgliedstaat unmittelbar oder aufgrund verordnungskonformer Auslegung von Art. 4:49 Abs. 1 Awb zur Rücknahme und Rückforderung von unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewährten Zuschüssen wie den hier streitigen verpflichtet ist?

30 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. November 2006 sind die Rechtssachen C-383/06 bis C-385/06 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen, die die Anwendung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 sowie der Art. 10 EG und 249 EG betreffen

31 Mit den in den Ausgangsverfahren als jeweils erste vorgelegten Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Gemeinschaftsverordnung, insbesondere Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88, eine Rechtsgrundlage darstellt, auf die die nationale Verwaltung die Rückforderung von im Rahmen der europäischen Strukturfonds rechtsgrundlos gezahlten Beträgen stützen kann. Falls diese Frage verneint wird, fragt das vorlegende Gericht zweitens, ob die Art. 10 EG und 249 EG als Rechtsgrundlage für eine dieser Verordnung konforme Auslegung der nationalen Regelung dienen können. Im Übrigen fragt das vorlegende Gericht mit seiner siebten Frage, ob, falls Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 weder eine Rücknahmepflicht noch eine Pflicht zur Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge enthält, nicht die Verordnung Nr. 2988/95 eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung solcher Beträge darstellt.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

32 Nach Auffassung der Gemeente Rotterdam und der Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant verleiht Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 den Mitgliedstaaten keine Befugnis, rechtsgrundlos gezahlte Beträge zurückzufordern. Vielmehr verpflichte diese Bestimmung die Mitgliedstaaten, zu diesem Zweck Verfahren vorzusehen.

33 Die tschechische und die deutsche Regierung schlagen vor, die erste Frage zu bejahen. Die niederländische Regierung trägt vor, ein Mitgliedstaat könne zwar aus einer Gemeinschaftsverordnung unmittelbar eine Befugnis ableiten, doch sei dies bei Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 nicht der Fall, da diese Bestimmung, auch wenn sie im Grundsatz zur Rückforderung verpflichte, für die Modalitäten der Rückforderung auf das nationale Recht verweise. Dagegen ergibt sich nach Auffassung der deutschen Regierung aus Art. 23 Abs. 1 für die nationalen Behörden kein Hindernis, sich bei der Rückforderung auf diese Vorschrift zu berufen, sofern dies nach der nationalen Rechtsordnung möglich sei. Die tschechische Regierung hält eine Ermächtigung im nationalen Recht nicht für erforderlich, da dieses lediglich die Einzelheiten des Verfahrens regle.

34 Zur siebten Frage machen die niederländische Regierung und die Kommission geltend, die Verordnung Nr. 2988/95 biete den nationalen Stellen keine eigenständige Rechtsgrundlage für Maßnahmen im Fall von Unregelmäßigkeiten. Diese Verordnung enthalte lediglich allgemeine Bestimmungen, während die Verordnung Nr. 4253/88 spezifisch für die europäischen Strukturfonds gelte.

Antwort des Gerichtshofs

35 Zunächst ist festzustellen, dass die Gemeinschaftsverordnungen, wie aus dem Wortlaut von Art. 249 Abs. 2 EG hervorgeht, in den Mitgliedstaaten unmittelbar gelten.

36 Zur Inanspruchnahme der Strukturfonds bestimmt Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2052/88, dass die Gemeinschaftsaktion durch eine enge Konzertierung zwischen der Kommission, dem betreffenden Mitgliedstaat und den von ihm auf nationaler, regionaler, lokaler oder sonstiger Ebene benannten zuständigen Behörden und Einrichtungen zustande kommt. Im Übrigen fällt nach dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2082/93 in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und unbeschadet der Befugnisse, über die die Kommission insbesondere bei der ihr obliegenden Verwaltung der finanziellen Mittel der Gemeinschaft verfügt, die Durchführung der Interventionsformen hauptsächlich in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten auf der in dem jeweiligen Mitgliedstaat geeigneten Gebietsebene.

37 Der Gerichtshof hat entschieden, dass dieser Grundsatz in Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 verankert ist, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten, um den erfolgreichen Abschluss der von öffentlichen oder privaten Trägern durchgeführten Maßnahmen zu gewährleisten, bei der Durchführung der genannten Aktionen die erforderlichen Maßnahmen treffen, um regelmäßig nachzuprüfen, dass die von der Gemeinschaft finanzierten Aktionen ordnungsgemäß ausgeführt worden sind, Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu ahnden und infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern (vgl. Urteil vom 22. Januar 2004, COPPI, C-271/01, Slg. 2004, I-1029, Randnr. 40).

38 Im Übrigen wäre die Ausübung eines Ermessens seitens des Mitgliedstaats hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung der zu Unrecht oder vorschriftswidrig gewährten Gemeinschaftsmittel zweckmäßig ist, damit unvereinbar, dass Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 die nationalen Behörden verpflichtet, zu Unrecht oder vorschriftswidrig ausgezahlte Beträge wiedereinzuziehen (vgl. entsprechend zu Art. 8 Abs. 1 der Verordnung [EWG] Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik [ABl. L 94, S. 13] Urteil vom 21. September 1983, Deutsche Milchkontor u. a., 205/82 bis 215/82, Slg. 1983, 2633, Randnr. 22).

39 Schließlich ist hinzuzufügen, dass die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Rückforderung die Verordnung Nr. 4253/88 ist und nicht die Verordnung Nr. 2988/95, die, wie die Kommission hervorhebt, lediglich allgemeine Regeln für Kontrollen und Sanktionen zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft aufstellt. Die Rückforderung hat also auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 zu erfolgen.

40 Aufgrund aller dieser Erwägungen ist auf die erste und die siebte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 für die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung begründet, infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern, ohne dass es einer Ermächtigung durch nationales Recht bedarf.

41 Die Antwort auf diese Fragen macht eine Beantwortung der jeweils als zweite vorgelegten Fragen entbehrlich.

Zu den Fragen, die die Anwendung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit betreffen, sowie zur Bedeutung des Umstands, dass der Zuschussbegünstigte eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, und des Umstands, dass die Zuschüsse an die Gemeinschaft zurückgezahlt wurden

42 Da aus der Formulierung der Vorlagefragen nicht klar hervorgeht, ob auf die Fragen 3 und 4 eine Antwort erforderlich ist, ist zu diesen Fragen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, der im Rahmen des durch Art. 234 EG eingeführten Systems der Zusammenarbeit die Aufgabe hat, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben, die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren hat (vgl. u. a. Urteile vom 28. November 2000, Roquette Frères, C-88/99, Slg. 2000, I-10465, Randnr. 18, vom 20. Mai 2003, Ravil, C-469/00, Slg. 2003, I-5053, Randnr. 27, vom 4. Mai 2006, Haug, C-286/05, Slg. 2006, I-4121, Randnr. 17, und vom 4. Oktober 2007, Rampion und Godard, C-429/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 27).

43 In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass für das vorlegende Gericht eine Antwort auf die Frage sachdienlich sein wird, ob bei der Anwendung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind. Bejahendenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Grundsätze im nationalen Recht in einem weiteren Sinne als im Gemeinschaftsrecht verstanden werden können, insbesondere, ob ein Begünstigter, der im Sinne von Art. 23 Abs. 1 fahrlässig gehandelt oder Unregelmäßigkeiten begangen hat, diese Grundsätze geltend machen kann, wenn die Behörde, die damit betraut war, bei der Gewährung der Zuschüsse fehlerhaft gehandelt hat. Im Übrigen möchte das vorlegende Gericht mit den Fragen 5 und 6 wissen, ob der Umstand, dass der Begünstigte eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, und der Umstand, dass die Zuschüsse an die Gemeinschaft zurückgezahlt wurden, die genannten Grundsätze für deren Rückforderung beeinflussen können.

Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

44 Nach Auffassung der Gemeente Rotterdam und der Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant kann im vorliegenden Fall von einem gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutz, der dem nationalen Grundsatz des Vertrauensschutzes vorginge, keine Rede sein. Die Sociaal Economische Samenwerking West-Brabant sieht im Übrigen keine Beeinträchtigung der Interessen der Gemeinschaft darin, dass die Zuschüsse nicht vom Begünstigten zurückgefordert würden.

45 Die niederländische Regierung trägt vor, da die Rückforderung nach den Vorschriften des nationalen Rechts erfolge, könnten die nationalen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes weiter reichen als die entsprechenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechts. Insoweit könne das Verhalten der den Zuschuss gewährenden Behörde bei der Anwendung dieser Grundsätze berücksichtigt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die niederländische Regierung ausgeführt, dass die vorschriftswidrig gewährten Beträge, die aus Strukturfonds stammten, an die Gemeinschaft zurückgezahlt worden seien.

46 Die Kommission schlägt vor, die Fragen anders zu gruppieren und für die Beantwortung die vom Gerichtshof im Urteil Deutsche Milchkontor u. a. und im Urteil vom 19. September 2002, Huber (C-336/00, Slg. 2002, I-7699), herausgearbeiteten Grundsätze heranzuziehen. Im Fall eines nicht gutgläubigen Begünstigten stehe Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 einer Anwendung der in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats anerkannten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes entgegen, die dazu führen würde, dass rechtsgrundlos gezahlte Beträge nicht zurückgefordert würden. Dagegen stehe das Gemeinschaftsrecht der Berücksichtigung dieser Grundsätze bei der Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge nicht entgegen, wenn die nationalen Behörden fehlerhaft und fahrlässig gehandelt hätten, doch setze dies die volle Berücksichtigung des Gemeinschaftsinteresses voraus.

47 Nach Auffassung aller an dem Verfahren vor dem Gerichtshof Beteiligten ist der Umstand, dass der Begünstigte eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, für die Anwendung der Rückforderungsregelung ohne Bedeutung.

Antwort des Gerichtshofs

48 Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, müssen die nationalen Gerichte Rechtsstreitigkeiten über die Wiedereinziehung von zu Unrecht aufgrund des Gemeinschaftsrechts geleisteten Zahlungen in Ermangelung gemeinschaftlicher Vorschriften nach ihrem nationalen Recht entscheiden, jedoch unter Beachtung der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen (vgl. Urteile Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 19, Huber, Randnr. 55, und vom 21. Juni 2007, ROM-projecten, C-158/06, Slg. 2007, I-5103, Randnr. 23). Der Gerichtshof hat mehrere dieser Grenzen genannt.

49 Zunächst darf die Anwendung des nationalen Rechts nicht die Anwendung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen. Das wäre vor allem dann der Fall, wenn sie die Wiedereinziehung von zu Unrecht geleisteten Zahlungen praktisch unmöglich machen würde (vgl. Urteil Deutsche Milchkontor u. a., Randnrn. 21 und 22). Daraus ergibt sich, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, grundsätzlich sein nationales Recht anzuwenden, wobei es dafür Sorge zu tragen hat, dass die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewährleistet wird. Letzteres kann das Gericht dazu veranlassen, falls erforderlich, eine nationale Vorschrift, die dem entgegensteht, außer Acht zu lassen oder eine nationale Vorschrift, die nur im Hinblick auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ausgearbeitet worden ist, auszulegen (vgl. insbesondere Urteil vom 8. November 2005, Leffler, C-443/03, Slg. 2005, I-9611, Randnr. 51).

50 Ferner muss das nationale Recht ohne Diskriminierung im Vergleich zu den Verfahren, in denen über gleichartige rein nationale Streitigkeiten entschieden wird, angewandt werden, und die nationalen Behörden müssen auf dem fraglichen Gebiet ebenso sorgfältig vorgehen und nach Modalitäten verfahren, die die Wiedereinziehung der fraglichen Beträge nicht schwieriger gestalten als in vergleichbaren Fällen, die die Durchführung entsprechender nationaler Bestimmungen betreffen (vgl. Urteil Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 23).

51 In den Ausgangsverfahren hat das nationale Gericht daher der Verpflichtung aus Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 nachzukommen, wenn es mit einem Bescheid über die Rückforderung von infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangenen Beträgen befasst ist, und, falls erforderlich, eine der Rückforderung etwa entgegenstehende nationale Regelung wie die Awb, die zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte erlassen worden ist, außer Acht zu lassen oder auszulegen.

52 Wie der Gerichtshof zudem entschieden hat, kann es nicht als dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufend angesehen werden, wenn das nationale Recht im Bereich der Rücknahme von Verwaltungsakten und der Rückforderung von zu Unrecht gewährten öffentlichen Geldleistungen neben dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit berücksichtigt, die Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind (vgl. Urteile Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 30, vom 9. Oktober 2001, Flemmer u. a., C-80/99 bis C-82/99, Slg. 2001, I-7211, Randnr. 60, Huber, Randnr. 56, und ROM-projecten, Randnr. 24). Diese Grundsätze gelten in besonderem Maße bei einer Regelung, die finanzielle Konsequenzen haben kann (vgl. Urteile vom 16. März 2006, Emsland-Stärke, C-94/05, Slg. 2006, I-2619, Randnr. 43, vom 26. Oktober 2006, Koninklijke Coöperatie Cosun, C-248/04, Slg. 2006, I-10211, Randnr. 79, und ROM-projecten, Randnr. 26).

53 Jedoch begründet, wie oben in Randnr. 40 ausgeführt, Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 für die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung, infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern, ohne dass eine Ermächtigung durch nationales Recht erforderlich ist. Folglich hat die Anwendung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts zu erfolgen.

54 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass im Bereich der Strukturfonds nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2052/88 die Gemeinschaftsaktion durch eine enge Konzertierung zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten sowie den Behörden und Einrichtungen der Mitgliedstaaten zustande kommt. Diese Konzertierung kommt im Übrigen in dem System der subsidiären Verantwortung zum Ausdruck, nach dem die Mitgliedstaaten im Fall des Verlusts von Beträgen der Strukturfonds infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit gegenüber der Gemeinschaft einzustehen haben. Die Einzelheiten dieser Verantwortung sind in den Art. 23 und 24 der Verordnung Nr. 4253/88, die nicht getrennt auszulegen sind (vgl. Urteil COPPI, Randnrn. 27 bis 29), und in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1681/94 geregelt. Der Umstand, dass der Begünstigte eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ist für die Anwendung dieser Grundsätze ohne Bedeutung.

55 Im Übrigen muss nach dem Grundsatz, dass die Anwendung des nationalen Rechts nicht die Anwendung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen darf, bei der Anwendung von Bestimmungen wie den Art. 4:49 und 4:57 Awb, die nach Darlegung des vorlegenden Gerichts den nationalen Behörden für die Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge ein Ermessen einräumen und dem Begünstigten gestatten, den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend zu machen, das Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 32, Flemmer u. a., Randnr. 61, und Huber, Randnr. 57).

56 Hierzu wurde entschieden, dass das mit der Gemeinschaftsregelung errichtete Subventionssystem insbesondere darauf beruht, dass der Begünstigte eine Reihe von Verpflichtungen erfüllt und dadurch Anspruch auf den vorgesehenen Zuschuss erhält. Erfüllt der Begünstigte nicht alle diese Verpflichtungen, kann die Kommission nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 den Umfang ihrer Verpflichtungen neu prüfen. Was die Anwendung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 angeht, kann sich dieser Begünstigte in einem Fall, in dem er die Bildungsmaßnahme nicht unter den Bedingungen durchgeführt hat, von denen die Gewährung des Zuschusses abhängig gemacht wurde, nicht auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Schutzes wohlerworbener Rechte berufen, um die Zahlung des Restbetrags des ursprünglich gewährten Gesamtzuschusses zu erlangen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 15. September 1998, Branco/Kommission, T-142/97, Slg. 1998, II-3567, Randnrn. 97 und 105 [Rechtsmittel zurückgewiesen durch Beschluss des Gerichtshofs vom 12. November 1999, Branco/Kommission, C-453/98 P, Slg. 1999, I-8037], sowie vom 16. September 1999, Partex/Kommission, T-182/96, Slg. 1999, II-2673, Randnr. 190 [Rechtsmittel zurückgewiesen durch Beschluss des Gerichtshofs vom 8. März 2001, Partex/Kommission, C-465/99 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht]). Schließlich kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht von einem Begünstigten geltend gemacht werden, der sich einer offensichtlichen Verletzung der geltenden Bestimmungen schuldig gemacht hat (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 1985, Sideradria/Kommission, 67/84, Slg. 1985, 3983, Randnr. 21).

57 In den Ausgangsverfahren ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass die Bescheide über die Gewährung der Zuschüsse davon abhingen, dass die Begünstigten die Bestimmungen der ESF-Regeling und insbesondere die Verpflichtung, für die Vorhaben eine gesonderte Projektverwaltung zu führen, einhielten und dass diese Bestimmungen mehr oder weniger bewusst nicht eingehalten wurden. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob angesichts des Verhaltens der Begünstigten und der Behörden die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gegenüber Rückforderungsbescheiden geltend gemacht werden können.

58 Im Übrigen ergibt sich aus den Erklärungen der niederländischen Regierung und der Kommission in der mündlichen Verhandlung, dass die vorschriftswidrig gewährten Zuschüsse an die Gemeinschaft zurückgezahlt wurden. Da jedoch Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 für die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung begründet, infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern, befreit der Umstand, dass der Mitgliedstaat die Beträge der Gemeinschaft zurückgezahlt hat, allein nicht von der Rückforderungsverpflichtung.

59 Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Rückforderung von infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangenen Beträgen auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 und nach den Modalitäten des nationalen Rechts erfolgt, dessen Anwendung jedoch die Anwendung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen und die Rückforderung der vorschriftswidrig gewährten Beträge nicht praktisch unmöglich machen darf. Es ist Sache des nationalen Gerichts, für die vollständige Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu sorgen und hierzu, falls erforderlich, eine etwa entgegenstehende nationale Regelung wie die Awb außer Acht zu lassen oder auszulegen. Das nationale Gericht kann bei der Beurteilung des Verhaltens der Empfänger der verloren gegangenen Beträge und der Behörden die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes anwenden, sofern das Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt wird. Der Umstand, dass der Begünstigte eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ist dabei ohne Bedeutung.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 geänderten Fassung begründet für die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung, infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern, ohne dass es einer Ermächtigung durch nationales Recht bedarf.

2. Die Rückforderung von infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangenen Beträgen erfolgt auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253/88 in der durch die Verordnung Nr. 2082/93 geänderten Fassung und nach den Modalitäten des nationalen Rechts, dessen Anwendung jedoch die Anwendung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen und die Rückforderung der vorschriftswidrig gewährten Beträge nicht praktisch unmöglich machen darf. Es ist Sache des nationalen Gerichts, für die vollständige Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu sorgen und hierzu, falls erforderlich, eine etwa entgegenstehende nationale Regelung wie die Algemene wet bestuursrecht (Allgemeines Verwaltungsgesetz) außer Acht zu lassen oder auszulegen. Das nationale Gericht kann bei der Beurteilung des Verhaltens der Empfänger der verloren gegangenen Beträge und der Behörden die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes anwenden, sofern das Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt wird. Der Umstand, dass der Begünstigte eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ist dabei ohne Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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