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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.04.2000
Aktenzeichen: C-383/98
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2913/92, Verordnung (EG) Nr. 3295/94, EG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung (EwG) Nr. 2913/92 Art. 84 Abs. 1 Buchst. a
Verordnung (EG) Nr. 3295/94 Art. 1
EG-Vertrag Art. 113
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 1 der Verordnung Nr. 3295/94 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr ist dahin auszulegen, daß diese Verordnung auch auf Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen aus einem Drittstaat eingeführte Waren der in dieser Verordnung näher bezeichneten Art bei ihrer Durchfuhr in einen anderen Drittstaat auf Antrag eines eine Verletzung seiner Rechte behauptenden Rechtsinhabers, dessen Unternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat hat, von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats unter Berufung auf die genannte Verordnung in diesem Mitgliedstaat vorläufig angehalten werden.

Denn die Verordnung findet gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a Anwendung, wenn nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen im Zusammenhang mit ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren im Sinne des Artikels 84 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften bei einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden. Nach der letztgenannten Vorschrift bezeichnet der Ausdruck "Nichterhebungsverfahren" u. a. das Versandverfahren, d. h. ein Zollverfahren, in dem Nichtgemeinschaftswaren zwischen zwei innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gelegenen Orten befördert werden können, ohne daß diese Waren Einfuhrabgaben und anderen Abgaben nach dem Zollkodex der Gemeinschaften unterliegen. Die Verordnung soll folglich ausdrücklich auf Waren anwendbar sein, die sich auf der Durchfuhr von einem Drittland durch das Gemeinschaftsgebiet in ein anderes Drittland befinden. Dabei ist unerheblich, ob der Rechtsinhaber oder derjenige, der seine Berechtigung von diesem ableitet, seinen Gesellschaftssitz in einem Mitgliedstaat oder außerhalb der Gemeinschaft hat. (vgl. Randnrn. 26-28, Tenor 1)

2 Da der Gerichtshof befunden hat, daß Maßnahmen an den Grenzen, die darauf gerichtet sind, für die Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums zu sorgen, von den Gemeinschaftsorganen autonom auf der Grundlage von Artikel 113 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 133 EG) ergriffen werden können, war die Gemeinschaft gemäß diesem Artikel befugt, eine gemeinsame Regelung zur Kontrolle der Nachahmung im Rahmen eines zollrechtlichen Nichterhebungsverfahrens wie dem externen Versandverfahren aufzustellen. Sie war folglich befugt, die Verordnung Nr. 3295/94 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr zu erlassen.

Im übrigen ist der externe Versand von Nichtgemeinschaftswaren keine Tätigkeit ohne Bezug zum Binnenmarkt. Das externe Versandverfahren beruht nämlich auf einer rechtlichen Fiktion. Als wären sie nicht in das Gemeinschaftsgebiet gelangt, unterliegen die in ein solches Verfahren überführten Waren weder entsprechenden Einfuhrabgaben noch anderen handelspolitischen Maßnahmen. In Wirklichkeit werden sie aber aus einem Drittland eingeführt und durchqueren einen oder mehrere Mitgliedstaaten, bevor sie in ein anderes Drittland ausgeführt werden. Dieser Vorgang kann um so eher unmittelbare Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, als bei nachgeahmten Waren, die in das externe Versandverfahren überführt werden, die Gefahr besteht, daß sie unbefugt in den Gemeinschaftsmarkt gelangen. (vgl. Randnrn. 32-34, Tenor 2)


Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 6. April 2000. - The Polo/Lauren Company LP gegen PT. Dwidua Langgeng Pratama International Freight Forwarders. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberster Gerichtshof - Österreich. - Gemeinsame Handelspolitik - Verordnung (EG) Nr. 3295/94 - Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr - Anwendbarkeit auf Waren im externen Versandverfahren - Gültigkeit. - Rechtssache C-383/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-383/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Obersten Gerichtshof (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

The Polo/Lauren Company LP

gegen

PT. Dwidua Langgeng Pratama International Freight Forwarders

" vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr (ABl. L 341, S. 8)

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Sevón sowie der Richter P. Jann und M. Wathelet (Berichterstatter),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der The Polo/Lauren Company LP, vertreten durch Rechtsanwalt F. Wohlfahrt, Wien,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Stix-Hackl, Gesandte im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,

- der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat W.-D. Plessing, Bundesministerium der Finanzen, und Ministerialrat A. Dittrich, Bundesministerium der Justiz, als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und A. de Bourgoing, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

- der finnischen Regierung, vertreten durch Botschafter H. Rotkirch, Leiter der Abteilung für Rechtsangelegenheiten im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, und T. Pynnä, Rechtsberaterin im selben Ministerium, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. C. Schieferer und R. Tricot, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der französischen Regierung, vertreten durch A. Maitrepierre, Chargé de mission in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, der finnischen Regierung, vertreten durch Rechtsberaterin E. Bygglin, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch J. C. Schieferer, in der Sitzung vom 16. Dezember 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluß vom 29. September 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr (ABl. L 341, S. 8; im folgenden: Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft amerikanischen Rechts The Polo/Lauren Company LP (im folgenden: Polo/Lauren) und der Gesellschaft indonesischen Rechts PT. Dwidua Langgeng Pratama International Freight Forwarders (im folgenden: Dwidua), der anhängig wurde, nachdem die österreichischen Zollbehörden T-Shirts angehalten hatten, bei denen der Verdacht bestand, daß es sich um Nachahmungen von Polo/Lauren-Marken handelte.

Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen

3 Die insbesondere auf Artikel 113 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 133 EG) gestützte Verordnung zielt nach ihrer zweiten Begründungserwägung darauf ab, soweit wie möglich zu verhindern, daß nachgeahmte Waren und unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen auf den Markt gelangen; zu diesem Zweck seien Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung des illegalen Handels mit solchen Waren zu ergreifen. Diese Zielsetzung stehe im übrigen im Einklang mit gleichgerichteten Anstrengungen auf internationaler Ebene.

4 So hat der sechsten Begründungserwägung der Verordnung zufolge die Gemeinschaft die Bestimmungen des im Rahmen des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) ausgehandelten Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich des Handels mit nachgeahmten Waren und insbesondere die Maßnahmen beim Grenzübergang berücksichtigt.

5 Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung lautet: "Diese Verordnung regelt

a) die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Zollbehörden hinsichtlich der Waren, bei denen der Verdacht besteht, daß es sich um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt,

- wenn sie zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder zur Wiederausfuhr angemeldet werden;

- wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren im Sinne des Artikels 84 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften oder anläßlich der Mitteilung ihrer Wiederausfuhr im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden;

und

b) die von den zuständigen Stellen zu treffenden Maßnahmen, wenn festgestellt ist, daß die betreffenden Waren tatsächlich nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen sind."

6 Nach Artikel 84 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) bezeichnet der Ausdruck "Nichterhebungsverfahren"

"im Falle von Nichtgemeinschaftswaren nachstehende Zollverfahren:

- das Versandverfahren;

- das Zollagerverfahren;

- die aktive Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren;

- die Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung;

- die vorübergehende Verwendung".

7 Nach Artikel 3 der Verordnung kann der Inhaber einer Marke, eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte oder eines Geschmacksmusterrechts (im folgenden: Rechtsinhaber) bei den zuständigen Zollbehörden einen schriftlichen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden in bezug auf Waren stellen, bei denen er den Verdacht hegt, daß es sich um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt. Diesem Antrag müssen eine Beschreibung der Waren und ein Nachweis darüber beigefügt werden, daß der Antragsteller der Inhaber des Schutzrechtes ist; in dem Antrag ist der Zeitraum anzugeben, für den das Tätigwerden der Zollbehörden beantragt wird.

8 Außerdem muß der Rechtsinhaber nach dieser Vorschrift alle sonstigen zweckdienlichen Informationen beibringen, damit die zuständige Zollbehörde in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden kann, wobei diese Informationen keine Bedingung für die Zulässigkeit des Antrags darstellen. Dieser wird dann durch die zuständige Zollbehörde bearbeitet, die den Antragsteller unverzüglich schriftlich über ihre Entscheidung unterrichtet.

9 Nach Artikel 4 der Verordnung können die Zollbehörden auch Waren von Amts wegen zurückhalten, wenn es für die Zollstelle bei einer Prüfung im Rahmen eines der Zollverfahren gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vor Einreichung eines Antrags durch den Rechtsinhaber oder vor einer positiven Entscheidung über diesen Antrag offensichtlich ist, daß es sich bei den Waren um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt. Die Zollbehörden können den Rechtsinhaber, sofern er bekannt ist, gemäß den in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften darüber unterrichten, daß möglicherweise ein Verstoß vorliegt. In diesem Fall sind die Zollbehörden ermächtigt, die Überlassung drei Arbeitstage auszusetzen oder die betreffenden Waren während der gleichen Frist zurückzuhalten, damit der Rechtsinhaber einen Antrag auf Tätigwerden gemäß Artikel 3 der Verordnung stellen kann.

10 Artikel 5 der Verordnung sieht vor, daß eine positive Entscheidung über den Antrag des Rechtsinhabers den Zollstellen des Mitgliedstaats, bei denen die in dem Antrag beschriebenen nachgeahmten Waren oder unerlaubt hergestellten Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen abgefertigt werden könnten, unverzüglich mitgeteilt wird.

11 Nach Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung setzt eine Zollstelle, der eine positive Entscheidung über den Antrag des Rechtsinhabers nach Maßgabe von Artikel 5 der Verordnung mitgeteilt worden ist, wenn sie gegebenenfalls nach Konsultierung des Antragstellers feststellt, daß bestimmte Waren den in der genannten Entscheidung beschriebenen nachgeahmten Waren oder unerlaubt hergestellten Vervielfältigungsstücken oder Nachbildungen entsprechen, die Überlassung dieser Waren aus oder hält sie zurück.

12 Gemäß Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung setzt die Zollstelle oder die Zollbehörde, die den Antrag nach Artikel 3 bearbeitet hat, unverzüglich den Anmelder sowie den Antragsteller vom Tätigwerden in Kenntnis. Sie teilt dem Rechtsinhaber unter Beachtung der nationalen Rechtsvorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Berufs- und Amtsgeheimnissen auf Antrag Namen und Anschrift des Anmelders und, soweit bekannt, des Empfängers mit, damit der Rechtsinhaber die für Entscheidungen in der Sache zuständigen Stellen befassen kann.

13 Die Aussetzung der Überlassung oder die Zurückhaltung der Waren sind vorübergehend. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung erfolgt die Überlassung, sofern alle Zollformalitäten erfuellt sind, oder wird die Zurückhaltung aufgehoben, wenn die Zollstelle, die die Aussetzung der Überlassung oder die Zurückhaltung betrieben hat, nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Mitteilung der Aussetzung der Überlassung oder der Zurückhaltung von der Befassung der für die Entscheidung in der Sache zuständigen Stelle oder über die von der hierzu befugten Stelle getroffenen einstweiligen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt worden ist. Erforderlichenfalls kann diese Frist um höchstens zehn Arbeitstage verlängert werden.

14 Nachdem sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zugetragen hatte, wurde die Verordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 241/1999 des Rates vom 25. Januar 1999 (ABl. L 27, S. 1) geändert. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung lautet nun wie folgt:

"Diese Verordnung regelt

a) die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Zollbehörden hinsichtlich der Waren, bei denen der Verdacht besteht, daß es sich um Waren im Sinne von Absatz 2 Buchstabe a) handelt,

- wenn sie im Sinne von Artikel 61 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder zur Wiederausfuhr angemeldet werden;

- wenn sie im Zusammenhang mit ihrer zollamtlichen Überwachung gemäß Artikel 37 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 mit ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren im Sinne des Artikels 84 Absatz 1 Buchstabe a) jener Verordnung oder anläßlich der Mitteilung ihrer Wiederausfuhr oder Verbringung in eine Freizone oder ein Freilager im Sinne des Artikels 166 jener Verordnung im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden[.]"

Ausgangsverfahren und österreichisches Recht

15 Polo/Lauren, die ihren Sitz in New York (Vereinigte Staaten von Amerika) hat, ist Inhaber mehrerer in Österreich eingetragener und weltweit bekannter Wort- und Bildmarken.

16 Unter Berufung auf Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung erwirkte sie bei den österreichischen Zollbehörden einen Bescheid, wonach ihr die Aussetzung der Überlassung bzw. die Zurückhaltung von Polo-T-Shirts, die mit ihren Wort- und Bildmarken versehen sind, durch die Zollämter bewilligt wird, sofern es sich dabei um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen handelt.

17 Aufgrund eines auf die Verordnung gestützten Bescheides des Zollamts Arnoldstein wurden 633 Polo-T-Shirts in einem Zollager in Linz vorläufig angehalten. Versender der Waren war die in Indonesien niedergelassene Dwidua und Empfänger die Olympic-SC, eine Gesellschaft mit Sitz in Polen.

18 Polo/Lauren beantragte beim Landesgericht Linz die Verurteilung von Dwidua, es zu unterlassen, diese Waren mit ihren geschützten Bild- oder Wortmarken zu Zwecken des Wettbewerbs in den Verkehr zu bringen, und sie zu ermächtigen, die von der Zollbehörde zurückgehaltenen T-Shirts auf Kosten von Dwidua zu vernichten. Die Zuständigkeit dieses Gerichts ergab sich nach Ansicht von Polo/Lauren daraus, daß die streitigen Waren in einem Zollager im Sprengel dieses Gerichts vorläufig angehalten worden waren.

19 Nachdem sich das Landesgericht Linz jedoch für örtlich unzuständig erklärt und das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht diese Entscheidung bestätigt hatte, erhob Polo/Lauren Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof.

20 Dieser hat Zweifel, ob die Verordnung anwendbar ist, wenn aus einem Drittland eingeführte Waren bei ihrer Durchfuhr in ein anderes Drittland von einer Zollstelle vorläufig angehalten werden und zudem der betroffene Rechtsinhaber in einem Drittland niedergelassen ist. Es könne mit guten Gründen vertreten werden, daß die Verordnung nur an Sachverhalte anknüpfe, bei denen Waren in den Gemeinsamen Markt gelangen könnten oder die zumindest geeignet seien, eine Wirkung auf diesem Markt hervorzurufen.

21 Eine konkrete Maßnahme unterliege nur dann dem Gemeinschaftsrecht, wenn sie aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände geeignet sei, die Freiheit des Handels zwischen den Mitgliedstaaten zu gefährden. Bejahe man aber das Fehlen von Auswirkungen des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens auf den Binnenmarkt, sei die Regelungskompetenz der Gemeinschaftsorgane fraglich.

22 Daher hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr (ABl. L 341 vom 30. Dezember 1994) dahin auszulegen, daß diese Verordnung auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen Waren der in der Verordnung näher bezeichneten Art, die auf der Durchfuhr (Transit) aus einem nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat in einen nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat auf Antrag eines eine Verletzung seiner Rechte behauptenden Rechtsinhabers, dessen Unternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat hat, von Zollbehörden eines Mitgliedstaats unter Berufung auf die genannte Verordnung in einem Mitgliedstaat vorläufig angehalten werden?

23 In Anbetracht der oben in den Randnummern 20 und 21 wiedergegebenen Erwägungen des nationalen Gerichts ist zunächst festzustellen, daß das Vorabentscheidungsersuchen zwei unterschiedliche Fragen aufwirft. Das nationale Gericht fragt zunächst, ob die Verordnung anwendbar ist, wenn aus einem Drittstaat eingeführte Waren bei ihrer Durchfuhr in einen anderen Drittstaat auf Antrag eines eine Verletzung seiner Rechte behauptenden Rechtsinhabers, dessen Unternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat hat, von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats unter Berufung auf die genannte Verordnung in diesem Mitgliedstaat vorläufig angehalten werden. Bejahendenfalls möchte das nationale Gericht wissen, ob die genannte Verordnung im EG-Vertrag eine hinreichende Grundlage findet.

Zur Auslegung der Verordnung

24 Nach Ansicht der deutschen Regierung impliziert der Wortlaut von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung - die allein den Schutz des Binnenmarktes bezwecke -, daß die Absicht der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren für ein Tätigwerden der Zollbehörden nicht ausreiche. Diese Vorschrift sei nicht auf Waren anwendbar, die sich nur auf der Durchfuhr befänden. Bestätigt werde diese Auslegung durch den Erlaß der Verordnung Nr. 241/1999, die insbesondere die Verpflichtung zum Tätigwerden auf Waren erstrecke, die in eine Freizone oder in ein Freilager verbracht würden.

25 Dieser Auslegung ist nicht zu folgen.

26 Denn die Verordnung findet gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a Anwendung, wenn nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen im Zusammenhang mit ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren im Sinne des Artikels 84 Absatz 1 Buchstabe a des Zollkodex der Gemeinschaften bei einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden. Nach der letztgenannten Vorschrift bezeichnet der Ausdruck "Nichterhebungsverfahren" u. a. das Versandverfahren, d. h. ein Zollverfahren, in dem Nichtgemeinschaftswaren zwischen zwei innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gelegenen Orten befördert werden können, ohne daß diese Waren Einfuhrabgaben und anderen Abgaben nach dem Zollkodex der Gemeinschaften unterliegen.

27 Die Verordnung soll folglich ausdrücklich auf Waren anwendbar sein, die sich auf der Durchfuhr von einem Drittland durch das Gemeinschaftsgebiet in ein anderes Drittland befinden. Dabei ist unerheblich, ob der Rechtsinhaber oder derjenige, der seine Berechtigung von diesem ableitet, seinen Gesellschaftssitz in einem Mitgliedstaat oder außerhalb der Gemeinschaft hat.

28 Der Erlaß der Verordnung Nr. 241/1999 spricht keineswegs gegen diese Auslegung, sondern stützt sie vielmehr. Denn die Verordnung Nr. 241/1999 folgt dem Grundgedanken der hier in Rede stehenden Verordnung, indem sie die Möglichkeiten für ein Tätigwerden der nationalen Behörden auf weitere Zollverfahren erstreckt.

29 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist dem nationalen Gericht zu antworten, daß Artikel 1 der Verordnung dahin auszulegen ist, daß diese auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen aus einem Drittstaat eingeführte Waren der in der Verordnung näher bezeichneten Art bei ihrer Durchfuhr in einen anderen Drittstaat auf Antrag eines eine Verletzung seiner Rechte behauptenden Rechtsinhabers, dessen Unternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat hat, von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats unter Berufung auf die genannte Verordnung in diesem Mitgliedstaat vorläufig angehalten werden.

30 In Anbetracht dessen, daß die Verordnung auf Sachverhalte Anwendung findet, die nicht ersichtlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Binnenmarkt stehen, ist zu prüfen, ob sie im EG-Vertrag eine ausreichende Rechtsgrundlage findet.

Zur Gültigkeit der Verordnung

31 Die Verordnung ist auf Artikel 113 des Vertrages gestützt, der die gemeinsame Handelspolitik betrifft.

32 Bestimmte Vorschriften über das geistige Eigentum, die den grenzüberschreitenden Handelsverkehr betreffen, stellen einen wesentlichen Bestandteil der internationalen Handelsbestimmungen dar. Der Gerichtshof hat zu der Frage, ob der Abschluß des bereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich des Handels mit nachgeahmten Waren ("TRIPS") im Anhang des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft falle oder nicht, im Gutachten 1/94 vom 15. November 1994 (Slg. 1994, I-5267, Randnr. 55) befunden, daß Maßnahmen an den Grenzen, die darauf gerichtet sind, für die Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums zu sorgen, von den Gemeinschaftsorganen autonom auf der Grundlage von Artikel 113 EG-Vertrag ergriffen werden können.

33 Folglich war die Gemeinschaft gemäß Artikel 113 des Vertrages befugt, eine gemeinsame Regelung zur Kontrolle der Nachahmung im Rahmen eines zollrechtlichen Nichterhebungsverfahrens wie dem externen Versandverfahren aufzustellen.

34 Im übrigen ist der externe Versand von Nichtgemeinschaftswaren keine Tätigkeit ohne Bezug zum Binnenmarkt. Das externe Versandverfahren beruht nämlich auf einer rechtlichen Fiktion. Als wären sie nicht in das Gemeinschaftsgebiet gelangt, unterliegen die in ein solches Verfahren überführten Waren weder entsprechenden Einfuhrabgaben noch anderen handelspolitischen Maßnahmen. In Wirklichkeit werden sie aber aus einem Drittland eingeführt und durchqueren einen oder mehrere Mitgliedstaaten, bevor sie in ein anderes Drittland ausgeführt werden. Wie mehrere Regierungen sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der Sitzung ausgeführt haben, kann dieser Vorgang um so eher unmittelbare Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, als bei nachgeahmten Waren, die in das externe Versandverfahren überführt werden, die Gefahr besteht, daß sie unbefugt in den Gemeinschaftsmarkt gelangen.

35 Nach alledem hat die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der österreichischen, der deutschen, der französischen und der finnischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Erste Kammer)

auf die ihm vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 29. September 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über Maßnahmen zum Verbot der Überführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiederausfuhr ist dahin auszulegen, daß diese Verordnung auch auf Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen aus einem Drittstaat eingeführte Waren der in der Verordnung Nr. 3295/94 näher bezeichneten Art bei ihrer Durchfuhr in einen anderen Drittstaat auf Antrag eines eine Verletzung seiner Rechte behauptenden Rechtsinhabers, dessen Unternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat hat, von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats unter Berufung auf die genannte Verordnung in diesem Mitgliedstaat vorläufig angehalten werden.

2. Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 3295/94 beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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