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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: C-385/03
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1
Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2
Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 Art. 47 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 14. April 2005. - Hauptzollamt Hamburg-Jonas gegen Käserei Champignon Hofmeister GmbH & Co. KG. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland. - Ausfuhrerstattungen - Unrichtige Erklärung - Begriff 'Antrag' - Sanktion - Voraussetzungen. - Rechtssache C-385/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-385/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Juli 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 12. September 2003, in dem Verfahren

Hauptzollamt Hamburg-Jonas

gegen

Käserei Champignon Hofmeister GmbH & Co. KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, E. Juhász (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- des Hauptzollamts Hamburg-Jonas, vertreten durch M. Blaesing als Bevollmächtigten,

- der Käserei Champignon Hofmeister GmbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte U. Schrömbges und O. Wenzlaff,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Januar 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 11 Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABl. L 310, S. 57) (im Folgenden: Verordnung Nr. 3665/87).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Käserei Champignon Hofmeister GmbH & Co. KG (im Folgenden: KCH) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen der Anwendung der in Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehenen Sanktion auf diese Gesellschaft.

Rechtlicher Rahmen

3. Die erste und die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2945/94, mit der Artikel 11 der Verordnung Nr. 3665/87 geändert wurde, lauten:

Nach der geltenden Gemeinschaftsregelung werden Ausfuhrerstattungen einzig und allein anhand objektiver Kriterien gewährt, die insbesondere Quantität, Art und Merkmale des Ausfuhrerzeugnisses sowie seine geografische Bestimmung betreffen. Da aufgrund der bisherigen Erfahrungen insbesondere zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehende Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker bekämpft werden sollten, müssen zu Unrecht gezahlte Beträge zurückgefordert und Sanktionen vorgesehen werden, welche die Ausführer veranlassen, das Gemeinschaftsrecht einzuhalten.

...

Die Angaben eines Ausführers könnten, sofern der wahre Sachverhalt nicht erkannt wird, unrechtmäßige Zahlungen zur Folge haben. Wird der wahre Sachverhalt festgestellt, so erscheint es angemessen, den Ausführer nach Maßgabe des Betrags zu bestrafen, den er sonst zu Unrecht erhalten hätte....

4. Artikel 3 der Verordnung Nr. 3665/87 bestimmt:

(1) Als Tag der Ausfuhr gilt der Zeitpunkt, an dem die Zollbehörden die Ausfuhranmeldung, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung beantragt wird, annehmen.

(2) Der Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung ist maßgebend für

a) den anzuwendenden Erstattungssatz, wenn die Erstattung nicht im Voraus festgesetzt wurde,

b) die gegebenenfalls vorzunehmenden Berichtigungen des Erstattungssatzes, wenn die Erstattung im Voraus festgesetzt wurde.

(3) Der Annahme der Ausfuhranmeldung ist jede andere Handlung gleichgestellt, die die gleiche Rechtswirkung wie diese Annahme hat.

(4) Der Tag der Ausfuhr ist maßgebend für die Feststellung von Menge, Art und Eigenschaften des ausgeführten Erzeugnisses.

(5) Das bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung verwendete Dokument muss alle für die Berechnung des Ausfuhrerstattungsbetrags erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere:

a) die Bezeichnung der Erzeugnisse nach der für die Ausfuhrerstattungen verwendeten Nomenklatur,

b) die Eigenmasse der Erzeugnisse oder gegebenenfalls die zur Berechnung der Ausfuhrerstattung zu berücksichtigende und in den entsprechenden Mengeneinheiten ausgedrückte Menge,

c) die Zusammensetzung der betreffenden Erzeugnisse oder einen Hinweis auf diese Zusammensetzung, sofern dies zur Berechnung der Ausfuhrerstattung erforderlich ist.

Handelt es sich bei dem in diesem Absatz bezeichneten Dokument um die Ausfuhranmeldung, so muss diese ebenfalls alle Angaben und den Vermerk Erstattungscode enthalten.

(6) Im Zeitpunkt dieser Annahme oder der Vornahme dieser Handlung werden die Erzeugnisse bis zum Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft unter Zollkontrolle gestellt.

5. Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 lautet:

(1) Wird festgestellt, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, so entspricht die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe

a) des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung,

b) des doppelten Unterschieds zwischen der beantragten und der geltenden Erstattung, wenn der Ausführer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.

Als beantragte Erstattung gilt der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Artikel 3 bzw. Artikel 25 Absatz 2 berechnet wird. Richtet sich die Höhe des Erstattungssatzes nach der jeweiligen Bestimmung, so ist der differenzierte Teil der Erstattung anhand der Angaben gemäß Artikel 47 zu berechnen.

Die unter Buchstabe a) genannte Sanktion entfällt:

- im Falle höherer Gewalt,

- für Ausnahmefälle aufgrund von vom Ausführer nicht zu vertretenden Umständen, die nach Annahme der Ausfuhranmeldung oder der Zahlungserklärung durch die zuständigen Behörden eingetreten sind. Ein Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausführer die zuständigen Behörden unmittelbar nach dem Erkennen dieser Umstände, jedenfalls aber innerhalb der Frist gemäß Artikel 47 Absatz 2 darüber in Kenntnis setzt, es sei denn, die zuständigen Behörden haben schon selbst festgestellt, dass der beantragte Erstattungsbetrag unrichtig war,

...

6. Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 bestimmt:

Bekundet der Ausführer seinen Willen, die Erzeugnisse oder Waren nach Verarbeitung oder Lagerung auszuführen und eine Erstattung aufgrund von Artikel 4 oder 5 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 in Anspruch zu nehmen, so finden die Verfahren nur Anwendung, wenn bei den Zollbehörden eine Willenserklärung - nachstehend Zahlungserklärung genannt - des Ausführers vorliegt.

Die Mitgliedstaaten können für die Zahlungserklärung eine andere Bezeichnung vorsehen.

7. Welche Angaben in dieser Zahlungserklärung zu machen sind, ist in Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3665/87 festgelegt.

8. Artikel 47 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 3665/87 sieht vor:

(1) Die Erstattung wird nur auf spezifischen Antrag des Ausführers von dem Mitgliedstaat gezahlt, in dessen Hoheitsgebiet die Ausfuhranmeldung angenommen wurde.

Der Erstattungsantrag erfolgt

a) entweder schriftlich; die Mitgliedstaaten können hierfür ein besonderes Formblatt vorsehen;

b) oder unter Einsatz von Informatikverfahren...

(2) Die Unterlagen für die Zahlung der Erstattung oder die Freigabe der Sicherheit sind, außer bei höherer Gewalt, innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung einzureichen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9. Am 29. Juli 1996 gab KCH nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 3665/87 eine Ausfuhranmeldung für eine Sendung mit Käse, u. a. Schmelzkäse, verschiedener Nummern der für die Ausfuhrerstattungen der Gemeinsamen Marktordnung verwendeten Warenliste ab.

10. Am 12. August 1996 beantragte KCH für diese Sendung beim Hauptzollamt die Gewährung von Ausfuhrerstattung als Vorschuss. Von diesem Antrag hatte sie jedoch ausdrücklich den Schmelzkäse ausgenommen. Die den Schmelzkäse betreffenden Positionen 4 und 5 des Formblatts waren durchgestrichen und mit einem entsprechenden handschriftlichen Vermerk versehen. In einem dem Zahlungsantrag beigefügten Brief teilte KCH dem Hauptzollamt mit, dass sie für dieses Erzeugnis keine Erstattung beantrage.

11. Das Hauptzollamt zahlte für die nicht durchgestrichenen Positionen Ausfuhrerstattung, setzte aber mit Bescheid vom 26. März 1997 gegenüber KCH eine Sanktion mit der Begründung fest, dass der Schmelzkäse, der in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausfuhranmeldung genannt sei, aufgrund des Zusatzes von Pflanzenfett nicht erstattungsfähig sei. KCH habe folglich eine höhere Erstattung beantragt, als ihr zustehe.

12. KCH legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Ihrer Klage wurde hingegen vom Finanzgericht Hamburg mit der Begründung stattgegeben, dass KCH hinsichtlich der Positionen 4 und 5 des Formulars keinen Erstattungsantrag gestellt habe, weil die Abgabe der Ausfuhranmeldung nicht als ein solcher Antrag angesehen werden könne und deshalb die Sanktionsregelung nicht eingreife.

13. Das Hauptzollamt legte Revision zum Bundesfinanzhof ein. Dieser weist darauf hin, dass die Entscheidung in dem Rechtsstreit davon abhänge, ob der Erstattungsantrag im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in der Ausfuhranmeldung nach Artikel 3 dieser Verordnung liege oder vielmehr im Zahlungsantrag nach Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung.

14. Da der Bundesfinanzhof der Auffassung ist, dass sich die Antwort auf diese Frage nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Artikels 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 ableiten lässt, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 11 Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - dahin auszulegen, dass allein falsche Angaben in Bezug auf einzelne Warenpositionen in der Ausfuhranmeldung, die zu einer höheren Ausfuhrerstattung als der dem Ausführer zustehenden führen können, zur Verminderung der Ausfuhrerstattung um den dort definierten Sanktionsbetrag führen, obwohl im Zusammenhang mit dem nach nationalem Recht abzugebenden besonderen Zahlungsantrag ausdrücklich erklärt wird, dass für die betreffenden Warenpositionen der Anmeldung die Zahlung der Ausfuhrerstattung nicht beantragt wird?

Zur Vorlagefrage

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

15. Nach Auffassung von KCH stellt nicht die Ausfuhranmeldung, sondern der Zahlungsantrag nach Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 den Erstattungsantrag im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 dieser Verordnung dar. Folglich greife die in Artikel 11 Absatz 1 vorgesehene Sanktionsregelung nicht ein, wenn allein die Ausfuhranmeldung falsche Angaben hinsichtlich der Ausfuhrerstattung enthalte.

16. Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 sehe eine Sanktion vor, wenn ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Ausfuhrerstattung beantrage. Diese Vorschrift stelle aber nicht klar, worin ein solcher Antrag bestehe. In Ermangelung einer derartigen Klarstellung sei nur der Erstattungsantrag nach Artikel 47 der Verordnung maßgeblich.

17. Nach Artikel 47 Absatz 1 setze die Zahlung der Ausfuhrerstattung einen schriftlichen Antrag des Ausführers voraus, für den die Mitgliedstaaten ein besonderes Formblatt vorsehen könnten. Im deutschen Recht sei ein solches Formblatt in § 15 der Ausfuhrstattungsverordnung vom 24. Mai 1996 (BGBl. I 1996 S. 766) vorgesehen. In dem durch diese Verordnung vorgeschriebenen Musterformblatt werde der Antragsteller ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die Zahlung von Ausfuhrerstattung für alle in diesem Antrag aufgeführten Erzeugnisse beantrage. Es werde klar zwischen der Ausfuhranmeldung und dem Antrag auf Zahlung der Erstattung differenziert, und erst mit der Abgabe dieses Antrags nehme der Ausführer nach deutschem Recht ausdrücklich Ausfuhrerstattung in Anspruch. In der mündlichen Verhandlung hat KCH erklärt, dass die Ausfuhranmeldung nach deutschem Recht nur eine Absichtserklärung sei und kein Erstattungsverfahren bei der zuständigen deutschen Zollbehörde in Gang setze.

18. Nach Ansicht der Kommission wird der Erstattungsantrag nach Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 mit der Abgabe der Ausfuhranmeldung nach Artikel 3 dieser Verordnung gestellt. Sie unterstreicht insoweit, dass im Rahmen von Artikel 11 Absatz 1 [a]ls beantragte Erstattung... der Betrag [gilt], der anhand der Angaben gemäß Artikel 3 bzw. Artikel 25 Absatz 2 [dieser Verordnung] berechnet wird.

19. Die Kommission beruft sich ferner auf den Zweck der Verordnung Nr. 3665/87. Deren abschreckende Wirkung würde weitgehend zunichte gemacht, schlösse man sich der Auslegung des Finanzgerichts Hamburg an. Durch die Annahme der Ausfuhranmeldung würden die Erzeugnisse der Kontrolle der Zollbehörden unterstellt und Gegenstand von Überprüfungen. Diese Überprüfungen wären von geringem Wert und ohne abschreckenden Effekt, wenn die Sanktion sich nicht an den Angaben in der Ausfuhranmeldung orientieren würde, sondern an der Zahlungserklärung, die sehr viel später vorgelegt werden könne. Die Interpretation des Finanzgerichts Hamburg könnte zu Situationen führen, in denen der Ausführer eine Ausfuhranmeldung mit unrichtigen Angaben einreiche und den spezifischen Zahlungsantrag erst stelle, wenn er sicher sei, dass die unrichtigen Angaben nicht entdeckt würden.

Antwort des Gerichtshofes

20. Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage im Wesentlichen wissen, ob das Dokument, nach Maßgabe dessen die in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion verhängt wird, die Ausfuhranmeldung nach Artikel 3 der Verordnung oder der spezifische Zahlungsantrag nach Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung ist.

21. Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 sieht die Verhängung einer Sanktion gegen Wirtschaftsteilnehmer vor, die eine höhere als die ihnen zustehende Ausfuhrerstattung beantragen. Nach Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung gilt als beantragte Erstattung der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Artikel 3 bzw. Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung berechnet wird. Unterabsatz 2 Satz 2 sieht ferner vor, dass die Angaben gemäß Artikel 47 bei der Berechnung der beantragten Erstattung berücksichtigt werden, wenn sich die Höhe des Erstattungssatzes nach der jeweiligen Bestimmung [richtet].

22. Daraus folgt, dass, wenn die Höhe des Erstattungssatzes nicht variabel ist, die Berechnung des Betrages der nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 beantragten Erstattung allein auf der Grundlage des Artikels 3 oder gegebenenfalls des Artikels 25 Absatz 2 der Verordnung zu erfolgen hat. Ferner folgt daraus, dass das Dokument oder die Dokumente, die die in den Artikeln 3 und 25 Absatz 2 vorgesehenen Angaben enthalten und auf deren Grundlage der Erstattungsbetrag berechnet wird, den Antrag darstellen, der bei unrichtigen Angaben die Anwendung der in Artikel 11 Absatz 1 vorgesehenen Sanktion auslöst.

23. Hinsichtlich der Auslegung des Artikels 3 der Verordnung ist entsprechend den Ausführungen der Generalanwältin in Nummer 38 ihrer Schlussanträge festzustellen, dass sich aus diesem Artikel nicht zwingend ergibt, dass der Betrag der beantragten Erstattung allein anhand der Angaben in der Ausfuhranmeldung berechnet wird. Insbesondere legt Artikel 3 Absatz 5 nicht fest, welches Dokument für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung vorzulegen ist. Er bezieht sich lediglich auf das bei der Ausfuhr... verwendete Dokument. Außerdem sieht Artikel 3 Absatz 5 Satz 2 den Fall vor, dass es sich bei dem in diesem Absatz bezeichneten Dokument um die Ausfuhranmeldung [handelt]. Das Dokument, das für die Erlangung einer Erstattung einzureichen ist, muss daher nicht die Ausfuhranmeldung sein.

24. Es ist nämlich Sache der Mitgliedstaaten, im nationalen Recht die Formblätter vorzusehen, die erforderlich sind, um Artikel 3 der Verordnung Nr. 3665/87 nachzukommen. Das bei der Ausfuhr für die Erlangung einer Erstattung verwendete Dokument kann in eine einzige Ausfuhranmeldung integriert sein, möglich sind aber auch gesonderte Formblätter.

25. Unabhängig davon, welches Dokument nach nationalem Recht für die Inanspruchnahme einer Erstattung verwendet wird, verlangt Artikel 3 Absatz 5 der Verordnung Nr. 3665/87, dass dieses Dokument bei der Ausfuhr und nicht später vorgelegt wird. Folglich kann es sich bei dem Dokument nicht um den Zahlungsantrag nach Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung handeln, da dieser innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung eingereicht werden kann, also deutlich nach der Ausfuhr.

26. Die vorstehende Betrachtungsweise entspricht dem Aufbau sowie Sinn und Zweck der Verordnung Nr. 3665/87. Was den Aufbau angeht, so enthält die Verordnung materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Vorschriften über die Erlangung von Ausfuhrerstattungen. Wie die Generalanwältin in den Nummern 48 bis 50 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, enthalten die Artikel 3 und 11 der Verordnung materiellrechtliche Vorschriften und stehen in Titel 2 Kapitel 1 (Anspruch auf die Erstattung). Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung, der in Titel 4 (Verfahren für die Zahlung der Erstattung) steht, sieht dagegen lediglich die Verwaltungsformalitäten vor, die ein Ausführer zu erfüllen hat, um die Erstattung zu erlangen. Der Umfang der Erstattung hängt von den Angaben ab, die in dem Dokument enthalten sind, das den Erstattungsanspruch beweist, und nicht in dem technischen Dokument, das zwar eine Voraussetzung für die Zahlung der Erstattung darstellt, nicht aber die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf eine solche Zahlung. Nach dem Aufbau der Verordnung Nr. 3665/87 und dem durch diese eingeführten System wird folglich der Erstattungsantrag im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung gemäß Artikel 3 oder gegebenenfalls Artikel 25 Absatz 2 gestellt, nicht aber durch die Abgabe des in Artikel 47 Absatz 1 vorgesehenen Zahlungsantrags.

27. Was den Zweck der Verordnung Nr. 3665/87 betrifft, so geht aus der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2945/94 hervor, dass mit ihr die im Bereich der Ausfuhrerstattung festgestellten Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle bekämpft werden sollen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C210/00, Käserei Champignon Hofmeister, Slg. 2002, I6453, Randnr. 60). Eine Auslegung, nach der rechtswirksam ein Erstattungsantrag gestellt werden könnte, der bereits ausgeführte Erzeugnisse betrifft, würde dieses Ziel jedoch beeinträchtigen, da die zuständigen Behörden nicht mehr in der Lage wären, diese Erzeugnisse materiell zu kontrollieren, was aber erforderlich ist, damit das Ziel der Verordnung Nr. 3665/87 erreicht werden kann. Der Erstattungsantrag nach Artikel 47 Absatz 1 dieser Verordnung, der innerhalb von zwölf Monaten nach der Annahme der Ausfuhranmeldung eingereicht werden kann, kann daher nicht den Erstattungsantrag im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung darstellen.

28. Die Kontrolle der Erzeugnisse, für die Erstattung beantragt worden ist, ist ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle im Bereich der Ausfuhrerstattungen. Um sicherzustellen, dass das Ziel dieser Überprüfungen in vollem Umfang erreicht wird, ist es daher unabdingbar, dass die materiellen Kontrollen erst erfolgen, nachdem der Ausführer einen bindenden Erstattungsantrag gestellt hat. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, würde die abschreckende Wirkung der in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehenen Sanktionen weitgehend zunichte gemacht, wenn es möglich wäre, den Erstattungsantrag erst nach der Kontrolle der Erzeugnisse zu stellen. Der Ausführer wäre in der Lage, seinen Erstattungsantrag dem Ergebnis einer etwaigen Kontrolle anzupassen.

29. Das Verfahren der Überprüfung der Erstattungsanträge ist daher als Bestandteil der in der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehenen Regelung der Ausfuhrerstattungen anzusehen. Den Erstattungsantrag stellt demnach nicht das Dokument dar, das die Zahlung der Erstattung betrifft, sondern dasjenige, das das System der Überprüfung des Erstattungsantrags in Gang setzt.

30. Das vorlegende Gericht fragt unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, ob die Festsetzung der in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehenen Sanktion nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann, wenn die Zahlung einer Erstattung weder vom Ausführer beantragt noch ihm von den zuständigen Behörden gewährt wird.

31. Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in den Randnummern 59 bis 68 des Urteils Käserei Champignon Hofmeister bereits festgestellt hat, dass die Sanktion verhältnismäßig ist. In Randnummer 68 hat der Gerichtshof entschieden, dass die in Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, da sie weder als zur Verwirklichung des von der Gemeinschaftsregelung verfolgten Zieles, nämlich der Bekämpfung der Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle, ungeeignet betrachtet werden kann noch über das zur Erreichung dieses Zieles Erforderliche hinausgeht.

32. Sodann ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 3665/87 genau festgelegte Umstände vorsieht, unter denen ein Ausführer, der eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt, gleichwohl die in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Sanktion vermeiden kann. Nach Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich dieser Vorschrift entfällt die Sanktion für Ausnahmefälle aufgrund von vom Ausführer nicht zu vertretenden Umständen, die nach Annahme der Ausfuhranmeldung oder der Zahlungserklärung durch die zuständigen Behörden eingetreten sind. Ein Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausführer die zuständigen Behörden unmittelbar nach dem Erkennen dieser Umstände, jedenfalls aber innerhalb der Frist gemäß Artikel 47 Absatz 2 darüber in Kenntnis setzt, es sei denn, die zuständigen Behörden haben schon selbst festgestellt, dass der beantragte Erstattungsbetrag unrichtig war.

33. Bei der Änderung des Erstattungsantrags handelt es sich jedoch um eine sachliche und nicht um eine das Verfahren betreffende Änderung. Eine solche Änderung ist den zuständigen Behörden durch Vorlage eines besonderen, mit Gründen versehenen Dokuments und nicht durch Einreichung eines bloßen Formblatts wie des Zahlungsantrags nach Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 anzuzeigen.

34. Schließlich ist hervorzuheben, dass sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Zweck der Verordnung Nr. 3665/87 ergibt, dass die in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Sanktion nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht erst Anwendung finden soll, nachdem aufgrund der zu Unrecht erfolgten Zahlung einer Ausfuhrerstattung ein finanzieller Schaden für den Gemeinschaftshaushalt entstanden ist, sondern in einem früheren Stadium, wenn der Ausführer, sei es auch nur unvorsätzlich, unrichtige Angaben in den Erstattungsantrag aufnimmt.

35. Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2945/94 [könnten die] Angaben eines Ausführers..., sofern der wahre Sachverhalt nicht erkannt wird, unrechtmäßige Zahlungen zur Folge haben. Wird der wahre Sachverhalt festgestellt, so erscheint es angemessen, den Ausführer... zu bestrafen. Folglich ist insoweit unbeachtlich, dass der Ausführer nach der Entdeckung der unrichtigen Angaben in der Ausfuhranmeldung die Zahlung der Erstattung weder beantragt noch erhalten hat. In dem durch die Verordnung Nr. 3665/87 eingeführten System genügt bereits die Möglichkeit, dass unrichtige Angaben zur unrechtmäßigen Zahlung von Erstattungen führen, für die Anwendung der in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung vorgesehenen Sanktion.

36. Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Artikel 11 Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 3665/87 dahin auszulegen ist, dass unrichtige Angaben in einem in Artikel 3 Absatz 5 dieser Verordnung bezeichneten Dokument, d. h. der Ausfuhranmeldung oder einem anderen bei der Ausfuhr verwendeten Dokument, die zu einer höheren Erstattung als der zustehenden führen können, die Anwendung der in diesem Artikel vorgesehenen Sanktion nach sich ziehen. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn im Rahmen des Zahlungsantrags nach Artikel 47 der Verordnung ausdrücklich erklärt wird, dass die Zahlung der Ausfuhrerstattung für bestimmte in diesem Dokument genannte Erzeugnisse nicht beantragt wird.

Kosten

37. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 11 Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 ist dahin auszulegen, dass unrichtige Angaben in einem in Artikel 3 Absatz 5 dieser Verordnung bezeichneten Dokument, d. h. der Ausfuhranmeldung oder einem anderen bei der Ausfuhr verwendeten Dokument, die zu einer höheren Erstattung als der zustehenden führen können, die Anwendung der in diesem Artikel vorgesehenen Sanktion nach sich ziehen. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn im Rahmen des Zahlungsantrags nach Artikel 47 der Verordnung ausdrücklich erklärt wird, dass die Zahlung der Ausfuhrerstattung für bestimmte in diesem Dokument genannte Erzeugnisse nicht beantragt wird.

Ende der Entscheidung

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