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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: C-386/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 96/67/EG


Vorschriften:

Richtlinie 96/67/EG Art. 16
Richtlinie 96/67/EG Art. 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 14. Juli 2005. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Flughäfen - Bodenabfertigungsdienste - Richtlinie 96/67/EG. - Rechtssache C-386/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-386/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 12. September 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Huttunen und M. Niejahr als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.D. Plessing und A. Tiemann als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen und J. Kluka,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2005,

unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Mai 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 272, S. 36) verstoßen hat, dass sie im Rahmen der §§ 8 Absatz 2 und 9 Absatz 3 der Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen vom 10. Dezember 1997 (BGBl. 1997 I S. 2885, im Folgenden: BADV) Maßnahmen erlassen hat, die mit den Artikeln 16 und 18 dieser Richtlinie unvereinbar sind.

I - Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2. Die Richtlinie 96/67 sieht ein System der schrittweisen Öffnung des Marktes der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft vor.

3. Die Artikel 16 und 18 der Richtlinie enthalten Bestimmungen über den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen sowie über den Schutz der Arbeitnehmer und der Umwelt. Diese Artikel lauten wie folgt:

Artikel 16

Zugang zu den Flughafeneinrichtungen

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen für die Dienstleister und für die Nutzer, die sich selbst abfertigen wollen, zu gewährleisten, soweit dieser Zugang für die Ausübung ihrer Tätigkeiten erforderlich ist. Falls das Leitungsorgan oder gegebenenfalls seine Aufsichtsbehörde oder sein sonstiges Aufsichtsorgan den Zugang an Bedingungen knüpft, müssen diese sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein.

(2) Die für Bodenabfertigungsdienste verfügbaren Flächen des Flughafens sind unter den verschiedenen Dienstleistern und unter den verschiedenen Selbstabfertigern - einschließlich der Neubewerber - nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Regeln und Kriterien aufzuteilen, soweit dies für die Wahrung ihrer Rechte und zur Gewährleistung eines wirksamen und lauteren Wettbewerbs erforderlich ist.

(3) Ist der Zugang zu den Flughafeneinrichtungen mit der Entrichtung eines Entgelts verbunden, so ist dessen Höhe nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien festzulegen.

...

Artikel 18

Sozialer Schutz und Umweltschutz

Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der Anwendung dieser Richtlinie und unter Wahrung der übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz der Rechte der Arbeitnehmer und den Schutz der Umwelt sicherzustellen.

4. Durch die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16) wird die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 (ABl. L 61, S. 26) in der Fassung der Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) kodifiziert.

Nationales Recht

5. Die Richtlinie 96/67 wurde im Wesentlichen durch das Gesetz über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen vom 11. November 1997 (BGBl. I S. 2694) und durch die BADV in deutsches Recht umgesetzt. Die §§ 8 und 9 BADV bestimmen Folgendes:

§ 8

(1) Dienstleister und Selbstabfertiger haben die Anforderungen für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten... zu erfüllen. In den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 5 sind diese Anforderungen Bestandteil der Ausschreibung und des Auswahlverfahrens nach § 7.

(2) Der Flugplatzunternehmer kann von einem Dienstleister oder Selbstabfertiger die Übernahme von Arbeitnehmern entsprechend den auf diesen Dienstleister oder Selbstabfertiger übergehenden Bodenabfertigungsdiensten fordern. Die Arbeitnehmer sind nach sachgerechten Kriterien, insbesondere nach der von ihnen ausgeübten Tätigkeit, auszuwählen. § 9 Abs. 3 Satz 3 findet Anwendung. § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.

(3) Die Luftfahrtbehörde kann über die Absätze 1 und 2 hinaus die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten von der Erfüllung der Anforderungen eines Pflichtenheftes oder technischer Spezifikationen abhängig machen. Der Nutzerausschuss ist vor deren Festlegung anzuhören.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 festgelegten Anforderungen, Kriterien, Betriebspflichten und technischen Spezifikationen müssen sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend zusammengestellt und angewendet werden. Sie müssen vom Flugplatzunternehmer im Voraus bekannt gemacht werden.

§ 9

...

(1) Der Flugplatzunternehmer und der Dienstleister oder Selbstabfertiger sind verpflichtet, einen Vertrag über die Nutzung des jeweils erforderlichen und verfügbaren Teils des Flugplatzes und seiner Einrichtungen sowie die nach dieser Verordnung an den Flugplatzunternehmer zu entrichtenden Entgelte und die nach § 8 von dem Dienstleister oder Selbstabfertiger zu erfüllenden Anforderungen abzuschließen.

(2) Der Flugplatzunternehmer sorgt dafür, dass der Zugang der aufgrund dieser Verordnung berechtigten Dienstleister und Nutzer zu Flugplatzeinrichtungen, soweit er für die Ausübung ihrer Tätigkeiten erforderlich ist, nicht ungerechtfertigt behindert wird. Knüpft der Flugplatzunternehmer den Zugang an Bedingungen, müssen diese sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein.

(3) Der Flugplatzunternehmer ist berechtigt, von den Dienstleistern und den Selbstabfertigern ein Entgelt für den Zugang, für die Vorhaltung und für die Nutzung seiner Einrichtungen zu erheben. Die Höhe dieses Entgelts ist nach Anhörung des Nutzerausschusses nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien festzulegen und darf im Sinne einer Geschäftsgebühr insbesondere zur Selbstfinanzierung des Flugplatzes beitragen. Bei der Festsetzung des Entgelts kann der Flugplatzunternehmer die ihm aus dem Übergang von Bodenabfertigungsdiensten auf Dienstleister oder Selbstabfertiger, insbesondere durch die Nichtübernahme von Arbeitnehmern, entstehenden notwendigen Aufwendungen in angemessener Höhe berücksichtigen.

6. Der in § 8 Absatz 2 BADV erwähnte § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmt:

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

...

II - Vorverfahren

7. Die Kommission gewann nach Prüfung der deutschen Regelung den Eindruck, dass diese die Artikel 16 und 18 der Richtlinie 96/67 fehlerhaft in das innerstaatliche Recht umgesetzt habe. Sie richtete daher am 28. Februar 2000 ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland und forderte sie zur Stellungnahme auf.

8. In ihrer Antwort vom 16. Mai 2000 bestritt die Bundesrepublik Deutschland die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung.

9. Die Kommission hielt die ihr vorgelegten Erklärungen nicht für überzeugend und richtete am 21. März 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat, in der sie ihn aufforderte, binnen zwei Monaten alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen.

10. Da die Kommission die Antwort auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme als nicht ausreichend ansah, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

III - Zur Klage

Vorbringen der Parteien

11. Die Kommission macht geltend, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen durch Artikel 18 der Richtlinie 96/97 übertragenen Befugnis träfen, nicht der durch die Artikel 6 und 7 der Richtlinie angestrebten schrittweisen Verwirklichung des freien Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste zuwiderlaufen dürften. Folglich dürften die nationalen Maßnahmen zur Regelung der Arbeitsbedingungen auf diesem Gebiet weder zu einer diskriminierenden Unterscheidung zwischen den Dienstleistern und den Selbstabfertigern führen noch den Wettbewerb zwischen ihnen verfälschen.

12. Die streitigen deutschen Regelungen würden diesen Anforderungen nicht gerecht, da sie zwischen dem Flugplatzunternehmer einerseits und den anderen Dienstleistern und Selbstabfertigern andererseits unterschieden, so dass der Markteintritt Letzterer behindert bzw. der Wettbewerb zwischen den beiden Gruppen von Marktteilnehmern verfälscht werde. Dem Flugplatzunternehmer werde nämlich erlaubt, die Kosten für die Arbeitnehmer, die er aufgrund des durch die Marktöffnung bedingten Verlustes von Marktanteilen nicht weiter beschäftigen könne, ganz oder zumindest teilweise auf die neu in den Markt eintretenden Wettbewerber abzuwälzen.

13. Die Kommission führt aus, dass die von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie 2001/23 erlassenen allgemeinen Schutzregelungen auch im Bereich der Bodenabfertigungsdienste Anwendung fänden. Komme es also aufgrund der mit der Richtlinie 96/67 bezweckten Marktöffnung zu einem Betriebsübergang im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie 2001/23, so gingen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

14. Die in den §§ 8 Absatz 2 und 9 Absatz 3 BADV enthaltenen Regelungen unterschieden in Bezug auf die sozialen Folgekosten beim Übergang eines Bodenabfertigungsdiensts in den von der Richtlinie 2001/23 nicht erfassten Fällen gezielt zwischen dem Flugplatzunternehmer einerseits und den anderen Dienstleistern und Selbstabfertigern andererseits.

15. Die in § 9 Absatz 3 BADV vorgesehene Möglichkeit der Abwälzung bestimmter sozialer Folgekosten lasse sich auch nicht auf der Grundlage des Artikels 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 rechtfertigen. Die letztgenannte Vorschrift erlaube dem Flugplatzunternehmer zwar, von den anderen Dienstleistern und Selbstabfertigern ein Entgelt für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen zu verlangen. Die Höhe dieses Entgelts sei jedoch nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien festzulegen.

16. Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff Flughafeneinrichtung sei in diesem Zusammenhang als die Infrastruktur des Flughafens zu verstehen, und die Höhe eines Entgelts könne nur dann als sachgerecht und objektiv angesehen werden, wenn sie sich an den Kosten orientiere, die dem Flugplatzunternehmer durch den den anderen Dienstleistern und Selbstabfertigern zu gewährenden Zugang zur fraglichen Infrastruktur entstünden. Die dem Flugplatzunternehmer durch die Nichtübernahme von Arbeitnehmern entstehenden finanziellen Aufwendungen gehörten folglich nicht zu den Kosten, die bei der Festlegung eines nach Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 zulässigen Entgelts berücksichtigt werden könnten.

17. Die deutsche Regierung macht geltend, dass § 8 Absatz 2 BADV über das Verhandlungsmodell zwischen dem bisherigen Flugplatzunternehmer und dem neuen Bodenabfertiger einen Mechanismus schaffe, der im Rahmen des Möglichen auf den Schutz der Arbeitsverhältnisse zusammen mit der übertragenen Tätigkeit abziele. Gemäß dieser Regelung solle ein neuer Marktteilnehmer, der für sich oder Dritte Bodenabfertigungsdienste erbringen wolle, zum Schutz der Arbeitnehmerrechte mit dem Flugplatzunternehmer in Verhandlung treten. Nur unter der Bedingung, dass dieser Unternehmer die Übernahme seiner überzähligen Arbeitnehmer verlangt und der neue Marktteilnehmer dies abgelehnt habe, dürfe der Flugplatzunternehmer die sozialen Folgekosten auf alle marktbeteiligten Dienstleister verteilen.

18. Die Vorschriften des § 8 Absatz 2 in Verbindung mit § 9 Absatz 3 BADV sowie die sich daraus ergebende Möglichkeit, durch die Entlassung von Arbeitnehmern verursachte soziale Folgekosten gerecht auf die Bodenabfertiger zu verteilen, seien arbeitnehmerschützende Regelungen, die innerhalb des von Artikel 18 der Richtlinie 96/67 gesteckten Rahmens blieben.

19. Soweit es im Zuge der Liberalisierung der Bodenabfertigungsdienste zusammen mit der Übertragung von Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Betriebsmitteln vom Flugplatzunternehmer auf einen Marktneuling zu einem Betriebsübergang komme, hätten die Regelungen der Richtlinie 2001/23 ohnehin Vorrang. Außerdem seien die §§ 8 Absatz 2 und 9 Absatz 3 BADV bei nicht unter die Richtlinie fallenden Sachverhalten verhältnismäßig, weil sie darauf abzielten, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Arbeitnehmerschutz und dem Liberalisierungsauftrag herzustellen.

20. Die deutsche Regierung weist darauf hin, dass § 8 Absatz 2 BADV im Hinblick auf den neuen Wirtschaftsteilnehmer und den Flugplatzunternehmer nur die Pflicht enthalte, in Verhandlungen über die Übernahme von Arbeitnehmern zu treten. Diese Regelung räume dem Flugplatzunternehmer nur sekundär die Befugnis ein, etwa aus der Liberalisierung und der Nichtübernahme der Arbeitnehmer herrührende soziale Folgekosten auf die Wirtschaftsteilnehmer abzuwälzen, und zwar nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien.

21. Schließlich steht Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 nach Ansicht der deutschen Regierung der streitigen nationalen Regelung nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur das Recht des Flugplatzunternehmers regele, als Gegenleistung für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen ein Entgelt zu verlangen. § 9 Absatz 3 BADV sei nicht darauf beschränkt, den Zugang zu Flughafeneinrichtungen zu regeln, sondern solle für die neuen Marktteilnehmer einen Anreiz darstellen, im Interesse der Arbeitnehmer mit dem Flugplatzunternehmer in Übernahmeverhandlungen einzutreten.

22. Die streitige deutsche Regelung sei keine Umsetzung des Artikels 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67, sondern beruhe auf deren Artikel 18.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zum Streitgegenstand

23. Zunächst ist festzustellen, dass es in der vorliegenden Klage lediglich um die Vereinbarkeit der streitigen deutschen Regelung mit den Artikeln 16 und 18 der Richtlinie 96/67 in Situationen geht, die nicht unter die Richtlinie 2001/23 fallen. Wie das Vorbringen der Parteien zeigt, sind diese sich darüber einig, dass die Richtlinie 2001/23 auf Übertragungsvorgänge im Sektor der Bodenabfertigungsdienste anwendbar ist und dass die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Rechte und Pflichten immer dann voll eingreifen, wenn es bei einem Vorgang der Marktöffnung auf diesem Gebiet zu einem Übergang im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 dieser Richtlinie kommt.

24. In Bezug auf diese nationale Regelung ist auch unstreitig, dass ihr Anwendungsbereich weiter ist als der der Richtlinie 2001/23 und dass sie jeden Sachverhalt erfasst, bei dem der Flugplatzunternehmer einen Tätigkeitsbereich an einen neuen Marktteilnehmer abgibt. Folglich ist zu prüfen, ob die §§ 8 Absatz 2 und 9 Absatz 3 BADV mit den Artikeln 16 und 18 der Richtlinie 96/67 vereinbar sind.

Zur Rüge betreffend die Pflicht zur Übernahme der Arbeitnehmer

25. Die Rüge der Kommission betrifft § 8 Absatz 2 BADV, wonach der Flugplatzunternehmer von einem Dienstleister oder Selbstabfertiger die Übernahme von Arbeitnehmern entsprechend den auf diesen Dienstleister oder Selbstabfertiger übergehenden Bodenabfertigungsdiensten fordern kann.

26. Hierzu ist festzustellen, dass es diese Vorschrift, selbst wenn sie, wie die deutsche Regierung vorträgt, keine absolute Pflicht zur Übernahme der Arbeitnehmer in allen Fällen der Öffnung des Marktes der Bodenabfertigungsdienste für neue Dienstleister oder Nutzer enthalten sollte, allein aufgrund ihres Bestehens den Flugplatzunternehmern in Deutschland erlaubt, einen gewissen Druck auf die Unternehmen oder Nutzer, die auf diesem Markt Fuß fassen wollen, auszuüben, indem sie sie zur Übernahme der Arbeitnehmer der Bodenabfertigungsdienste anregen.

27. Eine solche Bestimmung kann daher den Marktzugang neuer Dienstleister in dem betreffenden Sektor verteuern und diese dadurch gegenüber den bereits tätigen Unternehmen benachteiligen.

28. Zu der Frage, ob eine solche Regelung gemäß Artikel 18 der Richtlinie 96/67 gerechtfertigt sein kann, ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Mitgliedstaaten zwar weiterhin das Recht haben, den Beschäftigten von Unternehmen, die Bodenabfertigungsdienste erbringen, ein angemessenes Niveau sozialer Sicherheit zu gewährleisten, dass diese Befugnis den Mitgliedstaaten aber keine unbegrenzte Regelungszuständigkeit im Bereich des sozialen Schutzes verleiht und daher in einer Art und Weise ausgeübt werden muss, die die praktische Wirksamkeit und die Ziele der Richtlinie nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2004 in der Rechtssache C460/02, Kommission/Italien, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 31 und 32).

29. Zur fraglichen nationalen Regelung ist festzustellen, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Auswirkungen die wirtschaftliche Nutzung der Flughafeneinrichtungen und die Verringerung der Kosten der fraglichen Dienste für die Nutzer in Frage stellen und dadurch die Öffnung der Märkte für Bodenabfertigungsdienste gefährden sowie die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 96/67 beeinträchtigen könnte (vgl. Urteil Kommission/Italien vom 9. Dezember 2004, Randnrn. 33 und 34).

30. Folglich steht § 8 Absatz 2 BADV nicht im Einklang mit den den Mitgliedstaaten durch Artikel 18 der Richtlinie 96/67 übertragenen Befugnissen.

31. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Rüge betreffend die Pflicht zur Übernahme der Arbeitnehmer begründet.

Zur Rüge betreffend das Recht, ein Entgelt für den Zugang, die Vorhaltung und die Nutzung der Flughafeneinrichtungen zu verlangen

32. Die Rüge der Kommission betrifft § 9 Absatz 3 BADV, mit dem die Einzelheiten betreffend das Entgelt festgelegt werden, das der Flugplatzunternehmer von den Dienstleistern und den Selbstabfertigern für den Zugang zu seinen Einrichtungen sowie deren Vorhaltung und Nutzung erheben kann.

33. Es ist festzustellen, dass diese Vorschrift dem Flugplatzunternehmer die Rechtsgrundlage dafür bietet, den oben genannten Wirtschaftsteilnehmern eine Reihe finanzieller Belastungen aufzuerlegen.

34. In Bezug auf die Vereinbarkeit der Möglichkeit, ein Entgelt zu verlangen, mit der Richtlinie 96/67 ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes mit der Bezugnahme auf Einrichtungen offenkundig die vom Flughafen zur Verfügung gestellten Anlagen und Vorrichtungen gemeint sind (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2003 in der Rechtssache C363/01, Flughafen Hannover-Langenhagen, Slg. 2003, I11893, Randnr. 40).

35. Der Gerichtshof hat außerdem ausgeführt, dass die Befugnis des Leitungsorgans eines Flughafens, zusätzlich zu dem Entgelt für die Nutzung der Flughafeneinrichtungen ein Zugangsentgelt zu erheben, nicht nur nicht den Zugang zum fraglichen Markt erleichtern, sondern dem Ziel, die Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften zu senken, unmittelbar zuwiderlaufen und diese Kosten in manchen Fällen sogar erhöhen würde (vgl. Urteil Flughafen Hannover-Langenhagen, Randnr. 44).

36. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das fragliche Entgelt eine Gegenleistung darstellen muss, die exakt der Nutzung der Flughafeneinrichtungen entspricht und deren Höhe nach den in Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 genannten Kriterien sowie unter Berücksichtigung des Gewinninteresses des betreffenden Flugplatzunternehmers festzusetzen ist (vgl. Urteil Flughafen Hannover-Langenhagen, Randnr. 62).

37. In der vorliegenden Rechtssache sieht die fragliche nationale Regelung jedoch vor, dass ein Teil des Entgelts die bei einer Vergabe von Bodenabfertigungsdiensten durch die Nichtübernahme von Arbeitnehmern entstehenden finanziellen Aufwendungen ausgleichen soll.

38. Wie der Generalanwalt in Nummer 69 seiner Schlussanträge zu Recht ausführt, zeigt diese Regelung, dass das nach deutschem Recht vorgesehene Entgelt über den vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgesehenen Rahmen hinausgeht, wonach es sich dabei ausschließlich um eine Gegenleistung für den Zugang der Dienstleister oder Selbstabfertiger zu den Flughafeneinrichtungen handelt.

39. Die durch die Nichtübernahme von Arbeitnehmern verursachten Aufwendungen stehen in keinerlei Zusammenhang mit den Kosten, zu denen die Vorhaltung der Flughafeneinrichtungen durch den Flugplatzunternehmer führt, und können daher nicht als von den in Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 aufgeführten Kriterien umfasst angesehen werden.

40. Ferner ist zum Vorbringen der deutschen Regierung, § 9 Absatz 3 BADV ziele nicht auf eine Umsetzung des Artikels 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 ab, sondern sei insgesamt mit Artikel 18 der Richtlinie vereinbar, festzustellen, dass diese Bestimmung der BADV ein Entgelt für den Zugang zu den Flughafeneinrichtungen sowie für deren Vorhaltung und Nutzung vorsieht, während Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 96/67 gerade den Fall betrifft, dass ein Entgelt für den Zugang zu diesen Einrichtungen erhoben wird. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der deutschen Regierung zurückzuweisen.

41. Zu diesem Vorbringen der deutschen Regierung ist überdies zu ergänzen, dass - wie der Generalanwalt zu Recht in den Nummern 50 und 51 seiner Schlussanträge ausführt - eine finanzielle Belastung, die der Flugplatzunternehmer den neuen Marktteilnehmern wegen einer Nichtübernahme von Arbeitnehmern bei der Vergabe von Bodenabfertigungsdiensten auferlegen kann, für dieses Unternehmen einen finanziellen Vorteil darstellt und den Schutz von Interessen bezweckt, die nicht zu den in Artikel 18 der Richtlinie 96/67 genannten gehören.

42. Die Rüge einer Verletzung von Artikel 16 der Richtlinie 96/67 ist daher ebenfalls begründet.

43. Nach alledem ist die Klage der Kommission insgesamt begründet.

44. Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/67 verstoßen hat, dass sie im Rahmen der §§ 8 Absatz 2 und 9 Absatz 3 BADV Maßnahmen erlassen hat, die den Artikeln 16 und 18 dieser Richtlinie zuwiderlaufen.

Kosten

45. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft verstoßen, dass sie im Rahmen der §§ 8 Absatz 2 und 9 Absatz 3 der Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen vom 10. Dezember 1997 Maßnahmen erlassen hat, die den Artikeln 16 und 18 dieser Richtlinie zuwiderlaufen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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