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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 26.04.1993
Aktenzeichen: C-386/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, VerfO


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 85
VerfO Art. 92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, macht es erforderlich, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Diese Anforderungen gelten ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs, der durch eine komplexe Sach- und Rechtslage gekennzeichnet ist.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 26. APRIL 1993. - MONIN AUTOMOBILES-MAISON DU DEUX ROUES. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DE COMMERCE DE ROMANS - FRANKREICH. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-386/92.

Entscheidungsgründe:

1 Der mit der Abwicklung der Firma Monin beauftragte Richter des Tribunal de commerce Romans hat mit Beschluß vom 14. Oktober 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 1992, nach Artikel 177 EWG-Vertrag folgende Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 85 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt:

° Lässt die Entwicklung der gemeinsamen Politik im Bereich des Imports von aus Asien stammenden Kraftfahrzeugen jedes "Gemeinschaftsinteresse" daran entfallen, einen Mitgliedstaat zu verfolgen, der durch die Einführung rechtswidriger Hindernisse für den Parallelimport von Fahrzeugen bestimmter asiatischer Marken, die in anderen Mitgliedstaaten zum freien Verkehr zugelassen worden sind, die von diesen Praktiken betroffenen Unternehmen in den Konkurs getrieben hat?

Führt eine solche Politik dazu, es der Gemeinschaft zu erlauben, sich allein im Hinblick auf die sogenannte Vereinbarung "EWG-Japan" an Praktiken eines Mitgliedstaats, die gegen den EWG-Vertrag verstossen, zu beteiligen und nachträglich eine durch Rechtsbrüche gekennzeichnete Haltung zu rechtfertigen, die insbesondere in doppelten technischen Überprüfungen besteht, die dazu dienen, die Zulassung von Fahrzeugen von Marken, die von der sogenannten Selbstbeschränkungsvereinbarung ausgeschlossen sind, in unangemessener Weise zu verzögern, und die sich in rechtswidrigen strafrechtlichen Verfolgungen der Käufer solcher Fahrzeuge und anderem äussert?

° Kann ein Mitgliedstaat, der den Markt für aus Asien stammende Fahrzeuge zum Schutz seiner Politik zur Regulierung dieses Marktes in wettbewerbswidriger Weise regelt, indem er eine gegen Artikel 85 verstossende Absprache unterstützt, unabhängig von dem Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 nicht zur Verantwortung gezogen werden, insbesondere auch nicht von den Unternehmen, die durch das ungesetzliche Verhalten dieses Mitgliedstaats zur Stellung des Konkursantrags gezwungen wurden, obwohl die nationalen Behörden und Gerichte die Verpflichtung haben, den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die der EWG-Vertrag dem einzelnen einräumt?

° Kann die Einführung von Hindernissen für den Import japanischer oder koreanischer Fahrzeuge aus Mitgliedstaaten, in denen sie zum freien Verkehr zugelassen worden sind, durch die Existenz eines Systems der Selbstbeschränkung auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats gerechtfertigt werden, durch das sich fünf Unternehmen unter der Bedingung, daß dieser Markt ihnen vorbehalten bleibt, verpflichtet haben, eine Gesamtquote nicht zu überschreiten, die sie ohne Wettbewerb unter sich aufteilen, wenn dieses System den völligen Ausschluß von Parallelimporten aus den anderen Mitgliedstaaten und die Verhinderung der geschäftlichen Betätigung von Bevollmächtigten bezweckt und bewirkt?

° Kann die Verzögerung bei der Zulassung einzeln vorgeführter Fahrzeuge, bei Fehlen einer allgemeinen Betriebserlaubnis für Typen, was allein auf die Anforderungen und Hindernisse der Verwaltung zurückzuführen ist, dem Importeur von den nationalen Gerichten als Verschulden zur Last gelegt werden, ohne daß dies ein zusätzliches Hindernis für den freien Warenverkehr und die Bestimmungen über den Automobilsektor darstellt, wenn der damit verbundene Aufwand und die finanziellen Konsequenzen die Verbraucher davon abhalten, diese Fahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat zum freien Verkehr zugelassen worden sind, zu importieren, und ihnen die Möglichkeit nehmen, von dem einheitlichen Markt zu profitieren, so daß ihre Wahl gegen ihren Willen auf andere Marken gelenkt wird?

° Kann die Politik eines Mitgliedstaats zur Regulierung des Bereichs des Imports von Fahrzeugen aus asiatischen Ländern, die in der Einführung einer Quote besteht, die fünf bevorzugten Unternehmen vorbehalten ist, die dieser Quote zugestimmt haben und von ihr profitieren, Verstösse gegen Artikel 85 decken?

Können sich, mit anderen Worten, Unternehmen, die von einem sogenannten Selbstbeschränkungssystem profitieren, zu dessen Rechtfertigung auf das Einverständnis des Mitgliedstaats berufen, in dessen Gebiet ihre Absprache sich entwickelt, wenn das System insbesondere dazu führt, daß ihnen der Markt, den sie ohne Wettbewerb unter sich aufteilen, vorbehalten ist und daß Parallelimporte untersagt werden?

2 Die französische Regierung schlägt in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen zunächst vor, die Frage zu prüfen, ob im vorliegenden Fall der beauftragte Richter als ein Gericht im Sinne von Artikel 177 EWG-Vertrag anzusehen sei. Denn das Vorabentscheidungsersuchen falle, obwohl es in Form eines Beschlusses eingereicht worden sei, nicht in eine gerichtliche Zuständigkeit des beauftragten Richters, da er in diesem Stadium nur die Aufgabe der Sammlung und Zentralisierung von Informationen wahrnehme. Sodann bestreitet die französische Regierung das Bestehen eines Rechtsstreits mit dem Unternehmen Monin. Denn im vorliegenden Fall könne nicht festgestellt werden, daß ein vor dem beauftragten Richter gegen den französischen Staat anhängiges Verfahren im Sinne des Urteils vom 21. April 1988 in der Rechtssache 338/85 (Fratelli Pardini, Slg. 1988, 2041, Randnrn. 10 und 11) vorliege. Schließlich sei es wegen des Fehlens jeder Begründung des Beschlusses sowie des sehr allgemeinen Charakters der gestellten Fragen möglich, daß diese Fragen im Sinne des Urteils vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-83/91 (Meilicke, Slg. 1992, I-4871) unzulässig seien.

3 Die Kommission trägt in erster Linie vor, es sei schwierig, den beauftragten Richter als ein Gericht im Sinne von Artikel 177 EWG-Vertrag anzusehen (Urteil vom 18. Juni 1980 in der Rechtssache 138/80, Borker, Slg. 1980, 1975; Beschluß vom 5. März 1986 in der Rechtssache 318/85, Greis Unterweger, Slg. 1986, 955; Urteil vom 11. Juni 1987 in der Rechtssache 14/86, Pretore di Salò/X, Slg. 1987, 2545; Urteil Pardini, a. a. O.). Zweitens sei der beauftragte Richter nicht mit einem Rechtsstreit befasst, und schließlich sei es nicht möglich, den Bezug zwischen den Vorabentscheidungsfragen und dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens herzustellen, da Angaben zum Sachverhalt und zur Rechtslage fehlten (Urteil Meilicke, a. a. O.; Urteil vom 26. Januar 1993 in den Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Telemarsicabruzzo, Telaltitalia, Telelazio, Slg. 1993, I-393).

4 Die Angaben, über die der Gerichtshof im gegenwärtigen Verfahrensstadium verfügt, erlauben es ihm nicht, darüber zu entscheiden, ob der beauftragte Richter im vorliegenden Fall als ein Gericht im Sinne von Artikel 177 anzusehen ist und ob dieser mit einem Rechtsstreit befasst ist.

5 Es erscheint jedoch nicht notwendig, der Frage weiter nachzugehen, ob der Gerichtshof aus diesen Gründen möglicherweise unzuständig ist, da die Vorabentscheidungsfragen auf jeden Fall unzulässig sind.

6 Es ist nämlich daran zu erinnern, daß die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, daß dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen umreisst, in den sich die gestellten Fragen einfügen, oder daß es zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (Urteil Telemarsicabruzzo, Telaltitalia, Telelazio, a. a. O., Randnr. 6).

7 Wie der Gerichtshof im vorerwähnten Urteil Telemarsicabruzzo, Telaltitalia, Telelazio ausgeführt hat, gelten diese Anforderungen ganz besonders in bestimmten Bereichen wie dem des Wettbewerbs, die durch eine komplexe Sach- und Rechtslage gekennzeichnet sind.

8 Der Vorlagebeschluß beschränkt sich aber darauf, die oben wiedergegebenen Vorabentscheidungsfragen zu stellen, ohne irgendwelche Angaben über deren Grundlage zu machen.

9 Unter diesen Umständen ist gemäß Artikel 92 der Verfahrensordnung festzustellen, daß die dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsfragen offensichtlich unzulässig sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

10 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Da das Verfahren ein Zwischenstreit vor dem nationalen beauftragten Richter ist, ist die Kostenentscheidung dessen Sache.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

In Anbetracht der dem Gerichtshof von dem mit der Abwicklung der Firma Monin beauftragten Richter durch Beschluß vom 14. Oktober 1992 vorgelegten Fragen ist das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig.

Luxemburg, den 26. April 1993

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