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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.05.1998
Aktenzeichen: C-386/96 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Beschluss 91/658/EWG, Verordnung (EWG) Nr. 1897/92, EGV


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Beschluss 91/658/EWG
Verordnung (EWG) Nr. 1897/92
EGV Art. 173 Abs. 1
EGV Art. 173 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Bezeichnet ein gegen ein Urteil des Gerichts eingelegtes Rechtsmittel die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die rechtlichen Argumente, die den Antrag auf Nichtigerklärung konkret stützen, genau, so macht der Umstand, daß diese Argumente bereits im ersten Rechtszug vorgetragen worden sind, sie nicht unzulässig.

4 Das unmittelbare Betroffensein des Klägers als Voraussetzung der Zulässigkeit einer von einer natürlichen oder juristischen Person erhobenen Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, die an eine andere Person gerichtet ist, erfordert es, daß die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf die Rechtsstellung des Klägers unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß dabei weitere Vorschriften angewandt werden. Das gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt.

Was die Durchführung eines Darlehens angeht, das die Gemeinschaft der Sowjetunion und ihren Republiken gewährt hat, um die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs zu ermöglichen, so ist ein Unternehmen, das den Zuschlag für einen Auftrag über die Lieferung von Weizen erhalten hat, in diesem Sinn von einer an den Finanzmakler der Republik, der das Darlehen gewährt wird, gerichteten Entscheidung der Kommission unmittelbar betroffen, mit der die Anerkennung der Konformität von Änderungen der zwischen diesem Unternehmen und dem beauftragten Bevollmächtigten der Republik geschlossenen Verträge mit den anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften abgelehnt wird, da die Möglichkeit des Beauftragten, die Lieferverträge gemäß den von der Kommission beanstandeten Bedingungen zu erfuellen und somit auf die Gemeinschaftsfinanzierung zu verzichten, rein theoretisch war, so daß die Entscheidung, die die Kommission in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeit getroffen hat, dem Unternehmen jede wirkliche Möglichkeit genommen hat, den Auftrag auszuführen oder für die nach den vereinbarten Bedingungen durchgeführten Lieferungen Bezahlung zu erhalten.


Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998. - Société Louis Dreyfus & Cie gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nothilfe der Gemeinschaft für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion - Darlehen - Dokumentenakkreditiv - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Unmittelbares Betroffensein. - Rechtssache C-386/96 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Société Louis Dreyfus & Cie. (im folgenden: Rechtsmittelführerin) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 28. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. September 1996 in der Rechtssache T-485/93 (Dreyfus/Kommission, Slg. 1996, II-1101; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der an die Vnesheconombank gerichteten Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2 Der Rat erließ am 16. Dezember 1991 den Beschluß 91/658/EWG über ein mittelfristiges Darlehen für die Sowjetunion und ihre Republiken (ABl. L 362, S. 89).

3 Artikel 1 Absatz 1 lautet:

"Die Gemeinschaft gewährt der UdSSR und deren Republiken ein mittelfristiges Darlehen über einen Kapitalbetrag von höchstens 1 250 Millionen ECU in drei aufeinanderfolgenden Tranchen mit einer Hoechstlaufzeit von drei Jahren, um die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs... zu ermöglichen."

4 Artikel 2 des Beschlusses 91/658 bestimmt zu diesem Zweck:

"[D]ie Kommission [wird] ermächtigt, im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die erforderlichen Gelder aufzunehmen, die der UdSSR und deren Republiken in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden."

5 Artikel 3 lautet:

"Das Darlehen nach Artikel 2 wird von der Kommission verwaltet."

6 Ferner heisst es in Artikel 4:

"(1) Die Kommission wird ermächtigt, in Abstimmung mit den Behörden der UdSSR und ihrer Republiken... die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen des Darlehens, die Regeln für die Bereitstellung der Gelder und die erforderlichen Garantien für die Darlehenstilgung aufzustellen.

...

(3) Die Einfuhr der Erzeugnisse, die durch das Darlehen finanziert wird, erfolgt zu Weltmarktpreisen. Der freie Wettbewerb muß für den Kauf und die Lieferung der Erzeugnisse gewährleistet sein, die den international anerkannten Qualitätsnormen entsprechen müssen."

7 Am 9. Juli 1992 erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 1897/92 mit den Modalitäten für die Abwicklung eines mittelfristigen Darlehens für die Sowjetunion und ihre Republiken aufgrund des Beschlusses 91/658/EWG des Rates (ABl. L 191, S. 22).

8 In Artikel 2 der Verordnung heisst es:

"Die Darlehen werden auf der Grundlage von Abkommen zwischen den Republiken und der Kommission gewährt, die als Bedingungen für die Auszahlung der Darlehen die in Artikel 3 bis 7 festgelegten Bestimmungen enthalten."

9 Artikel 4 der Verordnung Nr. 1897/92 lautet:

"(1) Die Darlehen dienen nur zur Finanzierung von Käufen und Lieferungen im Rahmen von Verträgen, vorausgesetzt die Kommission hat anerkannt, daß diese Verträge dem Beschluß 91/658/EWG und den Abkommen gemäß Artikel 2 entsprechen.

(2) Die Republiken oder die von ihnen bezeichneten Finanzmakler legen der Kommission die Verträge zur Anerkennung vor."

10 Artikel 5 stellt die Bedingungen auf, an die die Anerkennung gemäß Artikel 4 gebunden ist. Zu diesen Bedingungen gehören die beiden folgenden Punkte:

"1. Die Auftragsvergabe erfolgt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs...

2. Der Vertrag bietet die günstigsten Preisbedingungen, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden."

11 Am 9. Dezember 1992 schlossen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Russische Föderation als Nachfolgerin der UdSSR und deren Finanzmakler, die Vnesheconombank (im folgenden: VEB), gemäß der Verordnung Nr. 1897/92 ein "Memorandum of Understanding" (im folgenden: Rahmenvereinbarung), aufgrund dessen die Europäische Gemeinschaft der Russischen Föderation das im Beschluß 91/658 vorgesehene Darlehen gewähren sollte. So war vorgesehen, daß die Gemeinschaft als Darlehensgeber der VEB als Darlehensnehmer, gesichert durch die Russische Föderation, ein mittelfristiges Darlehen von 349 Millionen ECU als Darlehensbetrag für höchstens drei Jahre gewähren sollte.

12 Nummer 6 des Rahmenabkommens sah vor:

"Der Darlehensbetrag abzueglich der Provisionen und der der EWG entstandenen Kosten ist dem Darlehensnehmer auszuzahlen und entsprechend den Bestimmungen und Bedingungen des Darlehensvertrages ausschließlich zur Deckung unwiderruflicher Dokumentenakkreditive zu verwenden, die der Darlehensnehmer in der international üblichen Form gemäß Lieferverträgen eröffnet hat, vorbehaltlich der Anerkennung dieser Verträge und Akkreditive durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als dem Beschluß des Rates vom 16. Dezember 1991 und der vorliegenden Vereinbarung entsprechend."

13 Nummer 7 enthält die Voraussetzungen, von denen die Anerkennung der Konformität des Vertrages abhängig war. Insbesondere heisst es dort, daß die Lieferanten von den zu diesem Zweck von der Regierung der Russischen Föderation benannten russischen Einrichtungen ausgewählt werden sollten.

14 Am 9. Dezember 1992 schlossen die Kommission und die VEB den in der Verordnung Nr. 1897/92 und der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Darlehensvertrag (im folgenden: Darlehensvertrag). Dieser Vertrag legt genau den Mechanismus der Auszahlung des Darlehens fest. Er sieht eine Möglichkeit vor, auf die im Ziehungszeitraum (15. Januar 1993 bis 15. Juli 1993) zurückgegriffen werden kann und mit der bezweckt ist, die für die Bezahlung von Lieferungen genehmigten Beträge vorzuschießen.

15 Am 15. Januar 1993 schloß die Kommission gemäß Artikel 2 des Beschlusses 91/658 als Darlehensgeber im Namen der Gemeinschaft einen Darlehensvertrag mit einem vom Crédit Lyonnais geführten Bankenkonsortium.

Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht

16 Das Gericht hat im angefochtenen Urteil folgendes festgestellt:

"8 Die Klägerin, eine internationale Handelsgesellschaft, wurde zusammen mit anderen Unternehmen im Rahmen einer von der Firma Exportkhleb, der von der Russischen Föderation mit den Verhandlungen über den Ankauf von Weizen beauftragten staatlichen Gesellschaft, veranstalteten informellen Ausschreibung angesprochen.

9 Die Klägerin schloß mit Exportkhleb am 28. November 1992 einen Kaufvertrag, mit dem sie sich verpflichtete, eine Menge von 325 000 t Müllereiweizen zum Preis von 140,50 USD/t cif frei Ostsee-Aussenhafen zu liefern. Nach diesem Vertrag sollte die Ware vor dem 28. Februar 1993 verladen werden.

10 Nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages... beantragte die VEB bei der Kommission die Genehmigung der zwischen Exportkhleb und den Ausfuhrunternehmen geschlossenen Verträge, zu denen der mit der Klägerin geschlossene Vertrag gehörte.

11 Nachdem die Kommission von der Klägerin bestimmte unerläßliche zusätzliche Auskünfte erhalten hatte, die insbesondere den Wechselkurs ECU/USD betrafen, der in dem Vertrag nicht festgesetzt worden war, erteilte sie schließlich am 27. Januar 1993 ihre Genehmigung in Form eines an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens. Die Klägerin trägt vor, durch dieses Bestätigungsschreiben sei der Vertrag in zwei Punkten geändert worden, nämlich bezueglich der Dauer der Verladung, die die Kommission von Amts wegen bis zum 31. März 1993 verlängert habe, und in bezug auf den Wechselkurs ECU/USD, der weder demjenigen entsprochen habe, den sie der Exportkhleb am 25. Januar 1993 vorgeschlagen habe (1,1711), noch demjenigen, der zwischen dieser und ihr am 28. Januar 1993 vereinbart worden sei (1,1714, wodurch sich der vereinbarte Preis auf 119,94 ECU/t erhöht habe).

12 Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde das Dokumentenakkreditiv von der VEB am 4. Februar 1993 eröffnet, trat jedoch erst am 16. Februar 1993, zwei Wochen vor Ablauf des in den Verträgen vorgesehenen Verladezeitraums (28. Februar 1993), in Kraft.

13 Zwar sei ein bedeutender Teil der Ware geliefert oder verladen worden, es habe sich jedoch klar abgezeichnet, daß nicht die gesamte Ware vor dem 28. Februar 1993 würde geliefert werden können.

14 Die Firma Exportkhleb berief am 19. Februar 1993 alle Exporteure zu einer Sitzung in Brüssel ein, die am 22. und 23. Februar 1993 abgehalten wurde. Im Laufe dieser Sitzung verlangte Exportkhleb von den Exporteuren neue Preisangebote für die Lieferung der von ihr so genannten "vorhersehbaren Restmenge", d. h. der Mengen, bei denen vernünftigerweise vorhersehbar war, daß sie nicht vor dem 28. Februar 1993 geliefert würden. Nach dem Vorbringen der Klägerin stieg der Weizenpreis auf dem Weltmarkt von November 1992, dem Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, bis zum Februar 1993, dem Zeitpunkt der neuen Verhandlungen, erheblich, nämlich von 132 USD auf 149,5 USD, an.

15 In Verhandlungen, in denen sich die Unternehmen dem niedrigsten Gebot von 155 USD/t anpassen mussten, wurde eine Einigung zwischen Exportkhleb und ihren Vertragspartnern über die Aufteilung der von den einzelnen Unternehmen zu liefernden neuen Mengen erzielt. Der Klägerin wurde ein Zuschlag über 185 000 t Müllereiweizen erteilt. In derselben formlosen Einigung war vorgesehen, daß der Verladezeitraum am 30. April 1993 enden sollte.

16 Wegen der Dringlichkeit, die sich aus den Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelversorgung in Rußland ergab, wurde beschlossen, diese Änderungen durch einen einfachen Zusatz zum ursprünglichen Vertrag formell niederzulegen, der, nach dem Vorbringen der Klägerin der Einfachheit halber, mit dem Datum 23. Februar 1993, dem Tag der Sitzung in Brüssel, versehen wurde, wenngleich er, wie die Klägerin einräumt, erst in der dritten Woche des Monats März unterschrieben wurde.

17 Am 4. März 1993 nahm die Klägerin im Vertrauen auf die mit Exportkhleb vereinbarten neuen Bedingungen und, nach ihrem Vorbringen, wegen der mündlichen Zusicherungen der russischen Einrichtung, daß die Kommission die neuen Änderungen akzeptieren würde, die für Rußland bestimmten Weizenlieferungen wieder auf.

18 Am 9. März 1993 teilte Exportkhleb der Kommission mit, daß die mit fünf ihrer Lieferanten geschlossenen Verträge geändert worden seien und daß die ausstehenden Lieferungen nunmehr zum Preis von 155 USD/t (cif frei Ostsee-Aussenhafen) bei einem ECU-Kurs von 1,17418 USD (also zum Preis von 132 ECU/t) erfolgen würden.

19 Am 12. März 1993 wies der Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft (GD VI), Herr Legras, Exportkhleb darauf hin, daß die Kommission, da der Hoechstwert dieser Verträge bereits durch das Bestätigungsschreiben der Kommission festgesetzt worden sei und sämtliche für Weizen verfügbaren Kredite bereits vergeben seien, einem solchen Antrag nur stattgeben könne, wenn der Gesamtwert der Verträge beibehalten würde, was durch eine entsprechende Kürzung der noch zu liefernden Mengen erreicht werden könne. Der Antrag auf Genehmigung der Änderungen könne von der Kommission nur berücksichtigt werden, wenn er von der VEB offiziell gestellt werde.

20 Nach Ansicht der Klägerin wurden diese Informationen als Bestätigung des grundsätzlichen Einverständnisses der Kommission ausgelegt, vorbehaltlich einer Prüfung für die formale Genehmigung, sobald die Akten von der VEB übersandt würden. Daher habe sie die Verladung der für Rußland bestimmten Weizenladungen fortgesetzt.

21 Die Unterlagen mit den neuen Angeboten und den Vertragsänderungen seien der Kommission von der VEB offiziell am 22. und 26. März 1993 übersandt worden. Am 5. April 1993 sei die Klägerin von Exportkhleb von der Weigerung der Kommission unterrichtet worden, die Änderungen des ursprünglich geschlossenen Vertrages zu genehmigen; diese Weigerung sei durch ein Schreiben des für Agrarfragen zuständigen Kommissionsmitglieds an die VEB vom 1. April 1993 ausgesprochen worden. Noch am 5. April 1993 habe sie beschlossen, die Weizenlieferungen einzustellen.

22 Der Inhalt des Schreibens vom 1. April 1993 lässt sich wie folgt zusammenfassen. Das Kommissionsmitglied R. Steichen teilte mit, daß die Kommission nach Prüfung der Änderungen der zwischen Exportkhleb und bestimmten Lieferanten geschlossenen Verträge diejenigen anerkennen könne, die sich auf den Aufschub der Fälligkeit von Lieferung und Zahlung bezögen. Hingegen sei "der Umfang der Preiserhöhungen... so groß, daß wir sie nicht als eine notwendige Anpassung betrachten können, sondern als eine wesentliche Änderung der ursprünglich ausgehandelten Verträge". Er fuhr fort: "Das gegenwärtige Niveau der Preise auf dem Weltmarkt (Ende März 1993) unterscheidet sich nämlich nicht signifikant von demjenigen in dem Zeitpunkt, zu dem die Preise ursprünglich vereinbart wurden (Ende November 1992)." Herr Steichen erinnerte daran, daß die Notwendigkeit, zum einen den freien Wettbewerb zwischen potentiellen Lieferanten und zum anderen möglichst günstige Kaufbedingungen zu gewährleisten, einer der wichtigsten Faktoren für die Genehmigung von Verträgen durch die Kommission sei. Er stellte fest, daß im vorliegenden Fall die Änderungen unmittelbar mit den betroffenen Unternehmen vereinbart worden seien, ohne daß diese dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten ausgesetzt worden seien. Sodann schloß er: "Die Kommission kann derart wichtige Änderungen, die durch einfache Zusätze zu den bestehenden Verträgen vorgenommen werden, nicht genehmigen." Er erklärte sich bereit, die Änderungen in bezug auf den Aufschub von Lieferungen und Zahlungen zu genehmigen, vorbehaltlich der Einhaltung des üblichen Verfahrens. Hingegen führte er aus: "Wenn es für notwendig erachtet wurde, die Preise oder die Mengen zu ändern, so hätten neue Verträge ausgehandelt werden müssen, die der Kommission in Anwendung des üblichen vollständigen Verfahrens (einschließlich der Einreichung mindestens dreier Angebote) zur Genehmigung hätten vorgelegt werden müssen."

...

23 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 9. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben...

24 Der Gerichtshof hat das Verfahren mit Beschluß vom 27. September 1993 gemäß dem Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften verwiesen.

25... Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 15. September 1993 bei der Kanzlei eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben."

17 Dem angefochtenen Urteil zufolge hat die Rechtsmittelführerin beantragt, die Entscheidung vom 1. April 1993 für nichtig zu erklären, mit der es die Kommission abgelehnt hat, die Änderungen des mit Exportkhleb beschlossenen Liefervertrags zu genehmigen (im folgenden: streitige Entscheidung), festzustellen, daß die Kommission Fehler begangen hat, die ihre Haftung auslösen, und die Kommission zu verurteilen, an sie als Ersatz des ihr entstandenen materiellen Schadens 253 991,98 ECU für Zinsverlust, 1 347 831,56 ECU für den Preisunterschied zwischen dem ursprünglichen und dem geänderten Vertrag, 229 969,58 USD für den Verlust bei der Abdeckung des Kursrisikos ECU/USD und 1 ECU als Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens zu zahlen (Randnr. 28).

18 Die Kommission hat die Einrede der Unzulässigkeit erhoben und beantragt,

"- die Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären, da die Klägerin nicht unmittelbar betroffen ist;

- festzustellen, daß die angefochtene Entscheidung die Haftung der Kommission nicht auslösen kann oder daß die Klage unzulässig ist, da es sich um eine Rüge handelt, die die ausservertragliche Haftung der Kommission nicht auslöst" (Randnr. 29 des angefochtenen Urteils).

Das angefochtene Urteil

Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage

19 Das Gericht hat die gegen die streitige Entscheidung erhobene Nichtigkeitsklage aus folgenden Gründen abgewiesen:

"46 Nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

47 Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin von dem Schreiben, das die Kommission am 1. April 1993 an die VEB richtete, unmittelbar und individuell betroffen ist.

48 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Kommission nicht bestritten hat, daß die Klägerin individuell betroffen sei. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles ist das Gericht der Ansicht, daß nur die Frage zu prüfen ist, ob die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

49 Hierzu ist festzustellen, daß die Regelungen der Gemeinschaft und die zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen eine Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und dem von der Russischen Föderation mit dem Ankauf von Weizen beauftragten Bevollmächtigten vorsehen. Es ist nämlich Sache dieses Bevollmächtigten, im vorliegenden Fall der Exportkhleb, im Wege der Ausschreibung den Vertragspartner auszuwählen, die Vertragsbedingungen auszuhandeln und den Vertrag zu schließen. Der Kommission ist dabei nur die Rolle zugewiesen, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gemeinschaftsfinanzierung erfuellt sind, und gegebenenfalls im Hinblick auf die Auszahlung des Darlehens zu bestätigen, daß die Verträge dem Beschluß 91/658 und den mit der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen entsprechen. Es ist daher nicht Aufgabe der Kommission, den Handelsvertrag anhand anderer als dieser Kriterien zu beurteilen.

50 Somit unterhält ein Unternehmen, an das ein Auftrag vergeben wird, rechtliche Beziehungen nur mit seinem Vertragspartner, der Exportkhleb, die von der Russischen Föderation zum Kauf von Weizen bevollmächtigt ist. Die Kommission unterhält rechtliche Beziehungen nur zum Darlehensnehmer, d. h. dem Finanzmakler der Russischen Föderation, der VEB, die ihr die Handelsverträge zum Zweck der Anerkennung der Konformität übersendet und Adressat der entsprechenden Entscheidung der Kommission ist.

51 Daher berührt das Handeln der Kommission nicht die Rechtsgültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Handelsvertrags und ändert den Inhalt des Vertrages insbesondere in bezug auf die zwischen den Parteien vereinbarten Preise nicht. Somit bleibt die von den Parteien am 23. Februar 1993 vorgenommene Änderung ihres Vertrages vom 28. November 1992 unabhängig von der Entscheidung der Kommission, die Übereinstimmung der Vereinbarungen mit den anwendbaren Bestimmungen nicht anzuerkennen, mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Inhalt wirksam.

52 Der Umstand, daß die Kommission Kontakte zur Klägerin oder zu Exportkhleb unterhielt, kann an dieser Beurteilung der Rechte und rechtlichen Pflichten nichts ändern, die sich für jede Partei aus den anwendbaren Regelungen und Vertragsbestimmungen ergeben. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage ist überdies festzustellen, daß der Schriftwechsel, auf den sich die Klägerin beruft, nicht belegt, daß die Kommission etwa ihre Befugnisse überschritten hätte. So heisst es im Schreiben der Kommission an Exportkhleb vom 12. März 1993 ausdrücklich, daß die Vertragsänderungen Gegenstand eines offiziellen Antrags der VEB sein müssten. Desgleichen hatten die angeführten Kontakte zwischen der Kommission und der Klägerin im Januar 1993 ausschließlich den Zweck, zu erreichen, daß die Parteien in ihren Vertrag eine für die Anerkennung der Konformität unerläßliche Bedingung aufnehmen; es blieb jedoch den Parteien überlassen, ihren Vertrag zu ändern, wenn sie in den Genuß der vorgesehenen Finanzierung kommen wollten. Schließlich lässt sich aus dem Umstand, daß die Kommission mehrere Wochen nach Erlaß ihrer Entscheidung in Brüssel eine Sitzung mit der Klägerin abhielt, um ihren Standpunkt zu erläutern, nicht ableiten, daß die Klägerin von dieser Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

53 Zwar kann die VEB, wenn sie von der Kommission eine Entscheidung erhält, mit der die Unvereinbarkeit des Vertrages mit den anwendbaren Bestimmungen festgestellt wird, kein Dokumentenakkreditiv ausstellen, für das die Garantie der Gemeinschaft erteilt werden kann; doch berührt diese Entscheidung weder die Gültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Vertrages noch dessen Inhalt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Kommission nicht eine Entscheidung der nationalen russischen Behörden ersetzt, da die Kommission nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig ist.

54 Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht, um darzutun, daß sie von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, auf den Umstand berufen, daß die Handelsverträge eine aufschiebende Bestimmung enthalten, nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt. Durch eine solche Bestimmung wollen die Vertragsparteien nämlich einen Zusammenhang zwischen dem von ihnen geschlossenen Vertrag und einem zukünftigen ungewissen Ereignis in dem Sinne herstellen, daß die Wirksamkeit ihres Vertrages vom Eintritt dieses Ereignisses abhängen soll. Die Zulässigkeit einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann aber nicht vom Willen der Parteien abhängig gemacht werden. Das Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

55 Aufgrund dieser Umstände ist das Gericht der Ansicht, daß die Klägerin von der an die VEB gerichteten Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen ist. Daher ist die gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären."

20 Das Gericht hat im übrigen die Klage auf Ersatz des von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten materiellen und immateriellen Schadens aus Gründen, die mit dem vorliegenden Rechtsmittel nicht beanstandet werden, für zulässig erklärt.

21 Nach allem hat das Gericht für Recht erkannt und entschieden:

"1. Die Nichtigkeitsklage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Einrede der Unzulässigkeit wird zurückgewiesen, soweit sie gegen die Klagen auf Ersatz des von der Klägerin behaupteten materiellen und immateriellen Schadens gerichtet ist.

3. Das Verfahren wegen dieser Schadensersatzklagen wird in der Sache fortgesetzt.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten."

Das Rechtsmittel

22 Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, einen Verstoß gegen Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages und einen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Urteils.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

23 Der erste Rechtsmittelgrund gliedert sich in drei Teile.

24 Erstens rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht festgestellt habe, wegen Fehlens unmittelbarer rechtlicher Beziehungen zur Kommission habe sie nicht unmittelbar betroffen sein können, da die "Rechtsgültigkeit des Vertrages" oder "sein Inhalt" nicht berührt seien (Randnrn. 49, 50 und 51 des angefochtenen Urteils). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts selbst könne aber ein einzelner selbst dann unmittelbar betroffen sein, wenn er keine rechtlichen Beziehungen zur Kommission unterhalte, sofern seine "rechtliche oder tatsächliche Stellung" von der Entscheidung unmittelbar berührt werde (Urteile vom 13. Mai 1971 in den Rechtssachen 41/70 bis 44/70, International Fruit Company u. a./Kommission, Slg. 1971, 411, vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, I-2885, und vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-83/92, Zunis Holding u. a./Kommission, Slg. 1993, II-1169).

25 Dies sei im Rahmen von Dreiecksgeschäften dann der Fall, wenn die mit der Durchführung der Gemeinschaftsentscheidung beauftragte Behörde wie im vorliegenden Fall nicht über einen Ermessensspielraum verfüge.

26 Die Vertragsparteien hätten in ihrem Vertrag vorgesehen, daß dieser der Kommission zur Genehmigung vorgelegt und daß der Preis durch das Gemeinschaftsdarlehen bezahlt werde. Daher seien das Darlehen und der zu diesem Zweck zwischen der Kommission und der Russischen Föderation geschlossene Darlehensvertrag nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich sowohl die Bedingung für die Erfuellung des Vertrages als auch einziges Zahlungsmittel gewesen.

27 Daher sei entgegen den Feststellungen des angefochtenen Urteils die Rechtsmittelführerin in ihrer rechtlichen und tatsächlichen Stellung durch die streitige Entscheidung unmittelbar betroffen, denn die russischen Behörden seien zur Zahlung des im Vertragszusatz vorgesehenen neuen Preises nur verpflichtet gewesen, sofern und soweit das Gemeinschaftsdarlehen gewährt worden sei.

28 Schließlich rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht festgestellt habe, "daß die Entscheidung der Kommission nicht eine Entscheidung der nationalen russischen Behörden ersetzt, da die Kommission nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig ist..." (Randnr. 53). Unter Berufung auf das erwähnte Urteil International Fruit Company u. a./Kommission macht sie vielmehr geltend, daß diese Entscheidung ihre Rechtsstellung, wie sie sich aus dem Vertrag ergeben habe, unmittelbar und automatisch berührt habe, da die russischen Behörden bei der Ausführung der streitigen Entscheidung nicht über einen Ermessensspielraum verfügt hätten. Daher hätten die russischen Behörden nur das Fehlen der Genehmigung der Kommission feststellen und aufgrund dessen die Weizenlieferungen gemäß dem ursprünglichen Vertrag zum alten Preis und nicht zu dem im Vertragszusatz vereinbarten neuen Preis bezahlen können.

29 Schließlich rügt die Rechtsmittelführerin die Feststellung des Gerichts, daß die "aufschiebende Bestimmung..., nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt", eine Bestimmung sei, durch die die Vertragsparteien "einen Zusammenhang zwischen dem von ihnen geschlossenen Vertrag und einem zukünftigen ungewissen Ereignis in dem Sinne herstellen [wollen], daß die Wirksamkeit ihres Vertrages vom Eintritt dieses Ereignisses abhängen soll", sowie die vom Gericht daraus gezogene Folgerung, daß die "Zulässigkeit einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages... nicht vom Willen der Parteien abhängig gemacht werden [kann]" (Randnr. 54 des angefochtenen Urteils).

30 Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nur die Wirkung der streitigen Entscheidung auf ihre "rechtliche oder tatsächliche Stellung" für die Feststellung erheblich, ob sie durch diese Entscheidung unmittelbar betroffen sei, selbst wenn diese Wirkung mit einem der streitigen Entscheidung vorausgegangenen Willensakt der Parteien zusammenhänge.

31 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit der Begründung, daß nahezu das gesamte Vorbringen der Rechtsmittelführerin nur eine Wiederholung ihres Vorbringens vor dem Gericht darstelle. Nach ständiger Rechtsprechung genüge jedoch ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe oder Argumente wiederhole oder wörtlich wiedergebe, nicht den Erfordernissen des Artikels 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes und des Artikels 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.

32 Zur Begründetheit bemerkt die Kommission vorab, daß die Vertragsklauseln, auf die sich die Rechtsmittelführerin stütze, keineswegs klar seien; das Argument, daß wegen der fehlenden Genehmigung durch die Kommission die vertragliche Zahlungspflicht erlösche, gehe fehl. Der in Rede stehende Vertrag könne nur durch die zuständige Stelle, d. h. die Stelle, die die Vertragsparteien im Vertrag selbst gewählt hätten, nämlich die Industrie- und Handelskammer Moskau, ausgelegt werden. Die Rechtsmittelführerin habe bei dieser Stelle jedoch niemals eine Beschwerde eingereicht.

33 Die Kommission beruft sich auch auf die Anlage 25 zu der beim Gericht eingereichten Klageschrift, mit der die Rechtsmittelführerin ein Faxschreiben vorgelegt habe, mit dem sie Exportkhleb am 6. April 1993 aufgefordert habe, unbeschadet der streitigen Entscheidung zu zahlen:

"Wir hoffen auf Ihr Verständnis für unsere Ansicht, daß Sie mit uns einen festen Vertrag geschlossen haben... und dafür, daß wir auf der Erfuellung Ihrer Verpflichtungen aus dem Vertrag bestehen müssen."

34 Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes vertritt die Kommission die Ansicht, eine Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission könne nur dann zulässig sein, wenn diese gegenüber dem Kläger gemeinschaftsrechtliche Wirkungen entfalte; andernfalls sei dieser durch die Entscheidung nicht unmittelbar betroffen. Die Wirkung, die die Rechtsmittelführerin rüge, beruhe allein auf den Klauseln des Vertrages, auf die sie sich stütze.

35 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und insbesondere zur Verweisung auf das Urteil International Fruit Company u. a./Kommission führt die Kommission aus, daß in dieser Rechtssache ihre Weigerung, Einfuhrlizenzen für Tafeläpfel aus Drittländern zu erteilen, den Klägerinnen durch die Produktschap voor Grönten en Fruit in Den Haag übermittelt worden sei. In diesem Sinne ergebe sich die Rechtswirkung der Entscheidung der Kommission für die Klägerinnen unmittelbar aus dieser Entscheidung, selbst wenn sie formal an die niederländische Einrichtung gerichtet gewesen sei.

36 Im vorliegenden Fall habe im Unterschied zur Rechtssache International Fruit Company u. a./Kommission die VEB den Vorschussantrag auf der Grundlage des der Russischen Föderation gewährten Darlehens im Namen Rußlands (und nicht im Namen der Rechtsmittelführerin) an die Kommission gerichtet, und die behauptete Wirkung beruhe nur auf einem Zusammenwirken zwischen der streitigen Entscheidung und dem Inhalt des Vertrages, an dem die Kommission nicht beteiligt sei.

37 Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes vertritt die Kommission die Ansicht, das Argument, daß die Vertragsklausel vor dem Erlaß der streitigen Entscheidung bestanden habe, sei völlig unerheblich. Im übrigen könne die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Kommission nicht von privatrechtlichen Vereinbarungen abhängen, an denen sie nicht beteiligt sei.

38 Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit ist darauf hinzuweisen, daß das Rechtsmittel die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die rechtlichen Argumente, die den Antrag auf Nichtigerklärung konkret stützen, genau bezeichnen muß (vgl. insbes. Beschluß vom 26. April 1993 in der Rechtssache C-244/92 P, Kupka-Floridi/Wirtschafts- und Sozialausschuß, Slg. 1993, I-2041, Randnr. 9). Daß diese Argumente bereits im ersten Rechtszug vorgetragen worden sind, macht sie daher nicht unzulässig.

39 Die Einrede der Unzulässigkeit ist somit zurückzuweisen.

40 Nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

41 Im vorliegenden Fall war die streitige Entscheidung formal an die VEB gerichtet.

42 Das Gericht hat nur die Frage behandelt, ob die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, nachdem die Kommission nicht bestritten hatte, daß die Klägerin individuell betroffen sei.

43 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein einzelner nur dann unmittelbar betroffen, wenn die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihr Erlaß vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden (vgl. in diesem Sinne insbes. Urteile International Fruit Company u. a./Kommission, Randnrn. 23 bis 29, vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnrn. 25 und 26, vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTN Toyo Bearing Company u. a./Rat, Slg. 1979, 1185, Randnrn. 11 und 12, in der Rechtssache 118/77, ISO/Rat, Slg. 1979, 1277, Randnr. 26, in der Rechtssache 119/77, Nippon Seiko u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 1303, Randnr. 14, in der Rechtssache 120/77, Koyo Seiko u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 1337, Randnr. 25, in der Rechtssache 121/77, Nachi Fujikoshi u. a./Rat, Slg. 1979, 1363, Randnr. 11, vom 11. Juli 1985 in den Rechtssachen 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84, Salerno u. a./Kommission und Rat, Slg. 1985, 2523, Randnr. 31, vom 17. März 1987 in der Rechtssache 333/85, Mannesmann Röhrenwerke und Benteler/Rat, Slg. 1987, 1381, Randnr. 14, vom 14. Januar 1988 in der Rechtssache 55/86, Arposol/Rat, Slg. 1988, 13, Randnrn. 11 bis 13, vom 26. April 1988 in der Rechtssache 207/86, Apesco/Kommission, Slg. 1988, 2151, Randnr. 12, und vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnr. 9).

44 Das gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 1971 in der Rechtssache 62/70, Bock/Kommission, Slg. 1971, 897, Randnrn. 6 bis 8, vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg, 1985, 207, Randnrn. 8 bis 10, und vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 51).

45 Nach allem oblag es im vorliegenden Fall dem Gericht, zu prüfen, ob die streitige Entscheidung für sich allein Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin hatte, weil die zuständigen russischen Behörden möglicherweise keinen Ermessensspielraum in bezug auf die Möglichkeit hatten, den Vertrag entsprechend den zwischen den Parteien im Vertragszusatz vereinbarten, jedoch von der Kommission beanstandeten Bedingungen unter Verzicht auf die Gemeinschaftsfinanzierung zu erfuellen.

46 In diesem Zusammenhang hat das Gericht nur festgestellt, daß die Kommission "nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig" gewesen sei (Randnr. 53) und daß ihre Entscheidung "nicht die Rechtsgültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Handelsvertrags [berührt,] den Inhalt des Vertrages insbesondere in bezug auf die zwischen den Parteien vereinbarten Preise nicht [ändert und somit] die am 23. Februar 1993 vorgenommene Änderung ihres Vertrages vom 28. November 1992... mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Inhalt wirksam [bleibt]" (Randnr. 51). Der Umstand, daß der Vertrag "eine aufschiebende Bestimmung [enthält], nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt", beruhe auf dem Willen der Parteien selbst, von dem die Zulässigkeit der Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 nicht abhängen könne (Randnr. 54).

47 Mehrere vom Gericht festgestellte objektive, erhebliche und übereinstimmende Umstände zeigen aber, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen war.

48 Nach dem angefochtenen Urteil war die VEB in ihrer Eigenschaft als Finanzmakler der Russischen Föderation gemäß der Rahmenvereinbarung und dem von ihr mit der Kommission geschlossenen Darlehensvertrag an der Durchführung der Gemeinschaftsfinanzierung der Einfuhren von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs in die Russische Föderation im Sinne des Beschlusses 91/658 beteiligt.

49 Zudem erweist sich, daß das Wirksamwerden des in Rede stehenden Liefervertrags unter der aufschiebenden Bedingung stand, daß die Kommission den Vertrag als den Bedingungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens entsprechend anerkannte, und daß keine Zahlung getätigt werden konnte, solange der im Vertrag bezeichneten Bank keine ordnungsgemässe Erstattungszusage der Kommission vorlag.

50 Dieser Umstand findet Bestätigung im sozioökonomischen Kontext des Abschlusses des Liefervertrags, der, wie sich aus der dritten und vierten Begründungserwägung des Beschlusses 91/658 ergibt, durch die wirtschaftlich und finanziell kritische Situation gekennzeichnet war, in der sich die vom Beschluß begünstigte Republik befand, sowie durch die Verschärfung ihrer Lage bei Nahrungsmitteln und Waren des medizinischen Bedarfes. Unter diesen Umständen durfte davon ausgegangen werden, daß der Liefervertrag nur nach Maßgabe der Verpflichtungen, die die Gemeinschaft in ihrer Eigenschaft als Darlehensgeberin der VEB übernommen hatte, geschlossen werden konnte, sofern die Handelsverträge als der Gemeinschaftsregelung entsprechend anerkannt wurden.

51 Daher spiegelt die Aufnahme der aufschiebenden Bedingung in den Vertrag, obwohl sie von den Parteien gewollt war, nur, wie der Generalanwalt in Nummer 69 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, die objektive wirtschaftliche Abhängigkeit des Liefervertrags von der Gewährung des zwischen der Gemeinschaft und der betroffenen Republik vereinbarten Darlehens wider, da die Bezahlung der Getreidelieferungen nur mit den finanziellen Mitteln erfolgen konnte, die den Käufern von der Gemeinschaft über das System der Eröffnung unwiderruflicher Dokumentenakkreditive zur Verfügung gestellt wurden.

52 Die Möglichkeit, daß Exportkhleb, die Lieferverträge gemäß den von der Kommission beanstandeten Preisbedingungen erfuellen und somit auf die Gemeinschaftsfinanzierung verzichten würde, war rein theoretisch und konnte daher im Licht der Tatsachenfeststellungen des Gerichts nicht ausreichen, um auszuschließen, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen war.

53 Somit zeigt sich, daß die streitige Entscheidung, mit der es die Kommission in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeit abgelehnt hat, den Zusatz zu dem zwischen Exportkhleb und der Rechtsmittelführerin geschlossenen Vertrag zu genehmigen, der Rechtsmittelführerin jede wirkliche Möglichkeit genommen hat, den ihr erteilten Auftrag auszuführen oder für die nach den vereinbarten Bedingungen durchgeführten Lieferungen Bezahlung zu erhalten.

54 Daher berührte die streitige Entscheidung, obwohl sie an die VEB als Finanzmakler der Russischen Föderation gerichtet war, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin unmittelbar.

55 Nach allem ist dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen, als es anhand der von ihm festgestellten Tatsachen zu der Ansicht gelangt ist, daß die Rechtsmittelführerin von der streitigen Entscheidung nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen sei.

56 Das Rechtsmittel ist daher begründet, soweit es dagegen gerichtet ist, daß die Nichtigkeitsklage mit dem angefochtenen Urteil als unzulässig abgewiesen wird.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

57 Nach allem braucht über den zweiten Rechtsmittelgrund nicht entschieden zu werden.

Kostenentscheidung:

Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

58 Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes lautet: "Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen."

59 Im vorliegenden Fall hält der Gerichtshof den Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif; er ist daher zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. September 1996 in der Rechtssache T-485/93 (Dreyfus/Kommission) wird aufgehoben, soweit mit ihm die Nichtigkeitsklage der Société Louis Dreyfus & Cie. als unzulässig abgewiesen wird.

2. Die Rechtssache wird zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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