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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: C-394/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/38/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 93/38/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 2. Juni 2005. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Griechenland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 93/38/EWG - Öffentliche Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor - Auftrag über die Herstellung eines Systems von Transportbändern für das Wärmekraftwerk von Megalopolis - Unterbliebene Veröffentlichung einer Bekanntmachung - Technische Besonderheit - Unvorhersehbares Ereignis - Dringliche zwingende Gründe. - Rechtssache C-394/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-394/02

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 8. November 2002,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Nolin und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Hellenische Republik , vertreten durch P. Mylonopoulos, D. Tsagkaraki und S. Chala als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter K. Lenaerts, J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilei und E. Levits,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2004,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Februar 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84) in ihrer durch die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. L 101, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 93/38) geänderten Fassung, insbesondere aus den Artikeln 20 ff. dieser Richtlinie, verstoßen hat, dass das öffentliche Elektrizitätsunternehmen Dimosia Epicheirisi Ilektrismoy (im Folgenden: DEI) den Auftrag zur Herstellung eines Systems von Transportbändern für das Wärmekraftwerk von Megalopolis im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben hat.

Rechtlicher Rahmen

2. Artikel 15 der Richtlinie 93/38 bestimmt, dass Aufträge, deren Gegenstand... Bauarbeiten sind,... nach den Vorschriften der Abschnitte III, IV und V vergeben [werden].

3. Nach Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie 93/38 [können d]ie Auftraggeber... jedes der in Artikel 1 Nummer 7 bezeichneten Verfahren [d. h. ein offenes, ein nicht offenes oder ein Verhandlungsverfahren] wählen, vorausgesetzt, dass vorbehaltlich des Absatzes 2 ein Aufruf zum Wettbewerb gemäß Artikel 21 durchgeführt wird.

4. Artikel 20 Absatz 2 dieser Richtlinie bestimmt:

Die Auftraggeber können in den folgenden Fällen auf ein Verfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zurückgreifen,

...

c) wenn der Auftrag wegen seiner technischen... Besonderheiten... nur von bestimmten... Unternehmen... durchgeführt werden kann;

d) sofern dies unbedingt erforderlich ist, wenn dringliche zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der Auftraggeber nicht vorhersehen konnte, es nicht zulassen, die in den offenen oder nicht offenen Verfahren vorgesehenen Fristen einzuhalten;

...

5. Nach Artikel 21 Absatz 1 der Richtlinie 93/38 erfolgt ein Aufruf zum Wettbewerb im Wesentlichen durch Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften nach den in den Anhängen dieser Richtlinie enthaltenen Mustern.

Sachverhalt und Vorverfahren

6. Im Oktober 1997 legte DEI der zuständigen Behörde, dem Ministerium für Umwelt, Raumordnung und öffentliche Arbeiten, ein Projekt betreffend den Einbau eines Systems zur Entschwefelung, zur Stabilisierung, zum Transport und zur Ablagerung fester Nebenprodukte des Wärmekraftwerks von Megalopolis zur Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) vor.

7. Mit Entscheidungen vom 29. Oktober 1998 und vom 30. Dezember 1999 genehmigte dieses Ministerium das Projekt, verlangte dabei allerdings von DEI, zum einen innerhalb von neun Monaten, d. h. bis September 2000, einen endgültigen Antrag auf Genehmigung der Beseitigung der von diesem Kraftwerk erzeugten Abfälle vorzulegen und zum anderen innerhalb von zwölf Monaten, d. h. bis Dezember 2000, ein System von Transportbändern für den Transport der Aschen zwischen diesem Kraftwerk und dem Bergwerk von Thoknia, wo die Aschen behandelt werden, einzubauen.

8. In Anbetracht dieser Fristen beschloss DEI am 27. Juli 1999, zur Vergabe des Auftrags ein Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung durchzuführen, und forderte die Unternehmensgruppe Koch/Metka und das Unternehmen Dosco Overseas Engineering Ltd (im Folgenden: Dosco) auf, ihre Angebote einzureichen.

9. Am 18. Januar 2000 erklärte Dosco, am genannten Verfahren nicht teilnehmen zu wollen.

10. Nach mehrmonatigen Verhandlungen beauftragte DEI am 29. August 2000 die Unternehmensgruppe Koch/Metka mit der Herstellung des Systems von Transportbändern für den Transport der Aschen zwischen dem Wärmekraftwerk Megalopolis und dem Bergwerk von Thoknia (im Folgenden: streitiger Auftrag).

11. Nachdem die Kommission der Hellenischen Republik Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, erließ sie am 21. Dezember 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie feststellte, dass der streitige Auftrag nach der Richtlinie 93/38 Gegenstand einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften hätte sein müssen. Sie forderte diesen Mitgliedstaat daher auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Notifizierung nachzukommen. Da sie die Antwort der griechischen Behörden in deren Schreiben vom 3. April 2002 für unzureichend hielt, hat die Kommission die vorliegende Klage eingereicht.

Zur Klage

Zur Zulässigkeit

12. Die griechische Regierung erhebt vier Einreden der Unzulässigkeit, mit denen sie Folgendes geltend macht: fehlendes Rechtsschutzinteresse der Kommission, fehlender Klagegegenstand, Ungenauigkeit der mit Gründen versehenen Stellungnahme und Verfahrensmissbrauch.

Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse der Kommission

13. Nach Ansicht der griechischen Regierung hatte die Kommission kein berechtigtes Interesse an der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, da der behauptete Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht bei Ablauf der Frist, innerhalb deren der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen war, vollständig oder doch weitgehend beendet gewesen sei.

14. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Wahrnehmung der ihr in Artikel 226 EG eingeräumten Zuständigkeiten kein Rechtsschutzinteresse nachzuweisen braucht (vgl. Urteil vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73, Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, Randnr. 15, und vom 10. April 2003 in den Rechtssachen C20/01 und C28/01, Kommission/Deutschland, Slg. 2003, I3609, Randnr. 29).

15. Der Kommission fällt nämlich kraft ihres Amtes im allgemeinen Interesse die Aufgabe zu, die Ausführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten zu überwachen und etwaige Verstöße gegen die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen feststellen zu lassen, damit sie abgestellt werden (vgl. Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 15, und Kommission/Deutschland, Randnr. 29 sowie die angeführte Rechtsprechung).

16. Artikel 226 EG soll also nicht die eigenen Rechte der Kommission schützen. Ihr allein obliegt die Entscheidung, ob es angebracht ist, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, und gegebenenfalls wegen welcher Handlung oder Unterlassung dieses Verfahren einzuleiten ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. August 1995 in der Rechtssache C431/92, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I2189, Randnr. 22, und vom 5. November 2002 in der Rechtssache C476/98, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I9855, Randnr. 38, sowie Urteil Kommission/Deutschland vom 10. April 2003, Randnr. 30).

Zum fehlenden Klagegegenstand

17. Die griechische Regierung macht das Fehlen eines Klagegegenstands geltend, soweit die Wirkungen des von DEI und der Unternehmensgruppe Koch/Metka im Rahmen des streitigen Auftrags geschlossenen Vertrages über die Durchführung der Bauarbeiten bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nahezu sämtlich erschöpft gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt seien die fraglichen Arbeiten weitgehend, d. h. zu 85 %, abgeschlossen gewesen. Daher sei es tatsächlich nicht mehr möglich gewesen, der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen.

18. Es trifft zu, dass der Gerichtshof auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellt hat, dass eine Vertragsverletzungsklage unzulässig ist, wenn bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist alle Wirkungen des betreffenden Vertrages bereits erschöpft waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache C362/90, Kommission/Italien, Slg. 1992, I2353, Randnrn. 11 und 13).

19. Im vorliegenden Fall befand sich aber der von DEI und der Unternehmensgruppe Koch/Metka im Rahmen des streitigen Auftrags geschlossene Vertrag bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch im Stadium der Durchführung, da die Arbeiten erst zu 85 % beendet waren. Der Vertrag hatte also noch nicht alle seine Wirkungen erschöpft.

Zur Ungenauigkeit der mit Gründen versehenen Stellungnahme

20. Die griechische Regierung trägt vor, die mit Gründen versehene Stellungnahme sei zu ungenau gewesen, soweit die Kommission die Maßnahmen nicht genau bezeichnet habe, die zu ergreifen waren, um dieser Stellungnahme nachzukommen.

21. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwar die mit Gründen versehene Stellungnahme eine zusammenhängende und detaillierte Darlegung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffenden Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem EG-Vertrag obliegende Verpflichtung verstoßen hat, doch ist die Kommission nicht verpflichtet, in dieser Stellungnahme die Maßnahmen anzugeben, die eine Abstellung des behaupteten Verstoßes ermöglichen würden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C247/89, Kommission/Portugal, Slg. 1991, I3659, Randnr. 22, und vom 28. Oktober 1999 in der Rechtssache C328/96, Kommission/Österreich, Slg. 1999, I7479, Randnr. 39).

22. Das Vorverfahren bezweckt nämlich, den Gegenstand der Vertragsverletzungsklage einzugrenzen, um dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Österreich, Randnr. 34, und Kommission/Deutschland vom 5. November 2002, Randnrn. 46 und 47).

23. Daher muss die Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nur dann die die Abstellung des behaupteten Verstoßes ermöglichenden Maßnahmen bezeichnen, wenn sie den Nichterlass dieser Maßnahmen zum Gegenstand ihrer Vertragsverletzungsklage machen will (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 39).

24. Im vorliegenden Fall ist die Klage jedoch allein darauf gerichtet, eine Vertragsverletzung wegen der Vergabe des streitigen Auftrags ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung feststellen zu lassen. Sie zielt also nicht auf die Feststellung einer weiteren Vertragsverletzung aus Gründen des Nichterlasses der Maßnahmen ab, die eine Abstellung des erstgenannten Verstoßes ermöglichen würden.

Zum Verfahrensmissbrauch

25. Nach Ansicht der griechischen Regierung hätte die Kommission, statt eine Vertragsverletzungsklage anzustrengen, unmittelbar tätig werden und die Aussetzung des Verfahrens zur Vergabe des streitigen Auftrags nach Artikel 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) anordnen müssen.

26. Hierzu ist festzustellen, dass im Bereich der Energieversorgung nicht die Richtlinie 89/665, sondern die Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76, S. 14) anwendbar ist.

27. Auch wenn man aber unterstellt, dass sich die griechische Regierung auf Artikel 8 der Richtlinie 92/13 beziehen wollte, der ein Verfahren vorsieht, das dem in Artikel 3 der Richtlinie 89/665 vorgesehenen im Wesentlichen gleicht, gilt doch nach ständiger Rechtsprechung, dass, selbst wenn ein unmittelbares Tätigwerden der Kommission nach dem in diesen Richtlinien festgelegten Verfahren vorzuziehen gewesen sein mag, dieses Verfahren eine vorbeugende Maßnahme darstellt, die von den Befugnissen der Kommission aus Artikel 226 EG weder abweichen noch sie ersetzen kann (vgl. im Zusammenhang mit der Richtlinie 89/665 Urteile vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache C359/93, Kommission/Niederlande, Slg. 1995, I157, Randnr. 13, vom 4. Mai 1995 in der Rechtssache C79/94, Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I1071, Randnr. 11, vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-353/96, Kommission/Irland, Slg. 1998, I8565, Randnr. 22, und Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 57). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vertragsverletzungsklage ist es daher unerheblich, ob die Kommission dieses Verfahren angewandt hat oder nicht.

28. Allein die Kommission ist nämlich für die Entscheidung zuständig, ob es angebracht ist, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG einzuleiten (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Deutschland vom 11. August 1995, Randnr. 22, und vom 5. November 2002, Randnr. 38). Die Wahl zwischen den beiden Verfahren liegt somit in ihrem Ermessen.

29. Daraus folgt, dass die Einreden der Unzulässigkeit zurückzuweisen sind.

Zur Begründetheit

30. Die Kommission führt für ihre Klage einen einzigen Klagegrund an, den sie im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen Artikel 15 der Richtlinie 93/38 in Verbindung mit den Artikeln 20 Absatz 1 und 21 dieser Richtlinie stützt und damit begründet, dass DEI den streitigen Auftrag vergeben habe, ohne zuvor eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht zu haben.

31. Hierzu ist festzustellen, dass die griechische Regierung nicht bestreitet, dass der streitige Auftrag unter Artikel 15 der Richtlinie 93/38 fällt und daher grundsätzlich gemäß den Titeln III bis V dieser Richtlinie zu vergeben war, die u. a. einen Aufruf zum Wettbewerb durch die Veröffe ntlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt vorsehen.

32. Die griechische Regierung macht jedoch geltend, dass der streitige Auftrag nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstaben c und d der Richtlinie 93/38 ausnahmsweise ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung habe vergeben werden können. Zum einen sei angesichts der Besonderheiten des zu befördernden Materials und des Geländeuntergrunds sowie der Notwendigkeit, die Transportbänder an das vorhandene System anzuschließen, nur die Unternehmensgruppe Koch/Metka zur Ausführung der fraglichen Bauarbeiten im Stande gewesen. Zum anderen sei die Ausführung dieser Arbeiten wegen der vom Ministerium für Umwelt, Raumordnung und öffentliche Arbeiten gesetzten Fristen sehr dringend gewesen.

33. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Artikel 20 Absatz 2 Buchstaben c und d der Richtlinie 93/38 als Ausnahme von den Vorschriften über die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge eng auszulegen ist. Außerdem obliegt die Beweislast derjenigen Partei, die sich auf diese Bestimmungen beruft (vgl. in diesem Sinne im Zusammenhang mit den Richtlinien 71/305 und 93/37 Urteile vom 10. März 1987 in der Rechtssache 199/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 1039, Randnr. 14, vom 18. Mai 1995 in der Rechtssache C57/94, Kommission/Italien, Slg. 1995, I1249, Randnr. 23, und vom 14. September 2004 in der Rechtssache C385/02, Kommission/Italien, Slg. 2004, I8121, Randnr. 19).

34. Was zunächst Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 93/38 angeht, so unterliegt die Anwendung dieser Bestimmung nach der Rechtsprechung zwei Voraussetzungen, die kumulativ zu erfüllen sind: Zum einen müssen die Arbeiten, die Gegenstand des Auftrags sind, eine technische Besonderheit aufweisen, und zum anderen muss es aufgrund dieser technischen Besonderheit unbedingt erforderlich sein, den Auftrag an ein bestimmtes Unternehmen zu vergeben (vgl. in diesem Sinne im Zusammenhang mit den Richtlinien 71/305 und 93/37 Urteile Kommission/Italien vom 18. Mai 1995, Randnr. 24, und vom 14. September 2004, Randnrn. 18, 20 und 21).

35. Wie jedoch der Generalanwalt in den Nummern 40 bis 45 seiner Schlussanträge dargelegt hat, weisen im vorliegenden Fall zwar die fraglichen Arbeiten eine technische Besonderheit im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 93/38 auf, doch hat die griechische Regierung nicht überzeugend dargetan, dass nur die Unternehmensgruppe Koch/Metka zur Ausführung dieser Arbeiten in der Lage und deshalb die Vergabe an sie unbedingt erforderlich gewesen sei.

36. Weder die besonderen Eigenschaften des zu befördernden Materials noch die Instabilität des Untergrunds, noch die Notwendigkeit, das Transportbandsystem an das vorhandene System anzuschließen, beweisen für sich allein, dass die genannte Unternehmensgruppe der einzige Unternehmer in der Gemeinschaft war, der über das notwendige Know-how zur Ausführung der fraglichen Arbeiten verfügte.

37. Im Übrigen ist DEI, die sich auch an Dosco gewandt hatte, selbst davon ausgegangen, dass diese Arbeiten grundsätzlich auch von einem anderen Unternehmen als der Unternehmensgruppe Koch/Metka ausgeführt werden konnten.

38. Überdies ergibt sich aus den Akten, dass DEI in der Vergangenheit bereits Vergabeverfahren unter Veröffentlichung einer Bekanntmachung eingeleitet hatte, bei denen es um ähnliche Arbeiten ging, die in derselben Anlage zu verrichten waren.

39. Die Auffassung, dass die Ausführung des streitigen Auftrags wegen seiner technischen Besonderheit nur der Unternehmensgruppe Koch/Metka habe übertragen werden können, ist daher zurückzuweisen.

40. Was zweitens die in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d der Richtlinie 93/38 geregelte Ausnahme betrifft, so hat die Rechtsprechung diese an drei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft: Es muss ein unvorhersehbares Ereignis vorliegen, es müssen dringliche und zwingende Gründe gegeben sein, die die Einhaltung von bei einem Aufruf zum Wettbewerb vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen, und es muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und den sich daraus ergebenden dringlichen zwingenden Gründen bestehen (vgl. in diesem Sinne im Zusammenhang mit der Richtlinie 71/305 Urteile vom 2. August 1993 in der Rechtssache C107/92, Kommission/Italien, Slg. 1993, I4655, Randnr. 12, und vom 28. März 1996 in der Rechtssache C318/94, Kommission/Deutschland, Slg. 1996, I1949, Randnr. 14).

41. Die griechische Regierung hat nicht nachgewiesen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

42. Die Notwendigkeit, die fraglichen Arbeiten innerhalb der Fristen auszuführen, die von der für die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts zuständigen Behörde gesetzt worden sind, kann nämlich nicht als ein dringlicher zwingender Grund im Zusammenhang mit einem unvorhersehbaren Ereignis angesehen werden.

43. Dass eine Behörde, deren Genehmigung für das betreffende Vorhaben erforderlich ist, Fristen vorschreiben kann, ist ein vorhersehbarer Umstand des Verfahrens zur Genehmigung dieses Vorhabens (vgl. in diesem Sinne im Zusammenhang mit der Richtlinie 71/305 Urteil Kommission/Deutschland vom 28. März 1996, Randnr. 18).

44. Außerdem hätte DEI das Verfahren zur Vergabe des streitigen Auftrags unter Veröffentlichung einer Bekanntmachung schon zu Beginn des Verfahrens der Umweltverträglichkeitsprüfung, also etwa drei Jahre vor Ablauf der gesetzten Fristen, einleiten können.

45. Daher geht auch die Behauptung fehl, dass ein dringlicher zwingender Grund im Zusammenhang mit für DEI unvorhersehbaren Ereignissen es nicht erlaubt habe, die bei einem Aufruf zum Wettbewerb vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

46. Nach alledem ist festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/38, insbesondere den Artikeln 20 Absatz 1 und 21, verstoßen hat, dass DEI den Auftrag zur Herstellung eines Systems von Transportbändern für das Wärmekraftwerk von Megalopolis im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben hat.

Kosten

47. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor in ihrer durch die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 geänderten Fassung, insbesondere aus den Artikeln 20 Absatz 1 und 21 dieser Richtlinie, verstoßen, dass das öffentliche Elektrizitätsunternehmen Dimosia Epicheirisi Ilektrismoy den Auftrag zur Herstellung eines Systems von Transportbändern für das Wärmekraftwerk von Megalopolis im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben hat.

2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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