Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.11.1995
Aktenzeichen: C-394/93
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verordnung Nr. 3427/89 vom 30.10.1989, Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.06.1971


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 3427/89 vom 30.10.1989 Art. 1 Nr. 1
Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 Art. 73
Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 Art. 94 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 3427/89 geänderten Fassung steht der Anwendung einer nationalen Bestimmung, die die Rückwirkung von Anträgen auf Familienbeihilfen, unabhängig davon, auf welchem Rechtsgrund sie beruhen, auf sechs Monate beschränkt, auf einen Antrag eines spanischen Staatsangehörigen nicht entgegen, der auf die Gewährung von Familienbeihilfen für dessen in Spanien wohnende Familienangehörigen ab dem 15. Januar 1986 gerichtet ist.

Eine solche Bestimmung bewirkt nämlich keine Ungleichbehandlung zwischen dem Arbeitnehmer, der sich auf einen Anspruch nach Gemeinschaftsrecht beruft und demjenigen, der seine Ansprüche allein auf nationales Recht stützt, und sie macht auch die Ausübung der Rechte, die die Verordnung Nr. 3427/89 einräumt, nicht praktisch unmöglich.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 23. NOVEMBER 1995. - GABRIEL ALONSO-PEREZ GEGEN BUNDESANSTALT FUER ARBEIT. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: LANDESSOZIALGERICHT RHEINLAND-PFALZ - DEUTSCHLAND. - SOZIALE SICHERHEIT DER ARBEITNEHMER, DIE INNERHALB DER GEMEINSCHAFT ZU- UND ABWANDERN - FAMILIENBEIHILFEN - BESCHRAENKUNG DER RUECKWIRKUNG EINES ANTRAGS AUF GEWAEHRUNG VON FAMILIENBEIHILFEN DURCH EINEN MITGLIEDSTAAT. - RECHTSSACHE C-394/93.

Entscheidungsgründe:

1 Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat mit Beschluß vom 28. Juli 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 31. August 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 1 Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 331, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Gabriel Alonso-Pérez (nachstehend: der Kläger) und der Bundesanstalt für Arbeit über die Gewährung von Familienleistungen für den Zeitraum von Januar 1986 bis September 1988.

3 Gemäß dem Vorlagebeschluß arbeitet der Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, seit 1978 in Deutschland. Seine Frau und seine beiden am 28. Februar 1966 geborenen Töchter leben in Spanien.

4 Im April 1989 beantragte der Kläger erstmals die Zahlung von Kindergeld für seine beiden Töchter, und zwar sowohl für die Zukunft als auch rückwirkend für die vergangenen sechs Monate; § 9 Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes beschränkt die Rückwirkung solcher Anträge auf diesen Zeitraum.

5 Mit Bescheid vom 12. Juli 1989 bewilligte ihm das Arbeitsamt Koblenz Kindergeld rückwirkend ab Oktober 1988.

6 Am 30. Oktober 1989 erließ der Rat die Verordnung Nr. 3427/89, durch deren mit Wirkung vom 15. Januar 1986 geltenden Artikel 1 Nr. 1 Artikel 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung (nachstehend: die Verordnung Nr. 1408/71) geändert wurde. Artikel 73 lautet nun folgendermassen: "Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten."

7 Auf den Erlaß der genannten Verordnung hin beantragte der Kläger am 27. Mai 1991 die Nachzahlung von Kindergeld für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 30. September 1988. Diesen Antrag lehnte die Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 29. August 1991 und mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1991 ab. Die daraufhin beim Sozialgericht Koblenz erhobene Klage wurde durch Urteil vom 15. Oktober 1992 abgewiesen. Aus den Akten ergibt sich, daß diese ablehnenden Entscheidungen damit begründet wurden, daß § 9 Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes die Rückwirkung von Kindergeldanträgen auf sechs Monate beschränke.

8 Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz trug der Kläger vor, durch Artikel 1 der Verordnung Nr. 3427/89 sei Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin gehend geändert worden, daß er einen Anspruch auf Familienleistungen mit Wirkung vom 15. Januar 1986 begründe. Er habe seinen Antrag auch innerhalb der Zweijahresfrist des Artikels 94 Absätze 4 und 6 der Verordnung Nr. 1408/71 gestellt.

9 Artikel 94 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt: "Leistungen jeder Art, die wegen der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts einer Person nicht festgestellt worden sind oder geruht haben, werden auf Antrag der betreffenden Person ab dem 1. Oktober 1972 oder ab dem Zeitpunkt des Beginns der Anwendung dieser Verordnung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder in einem Teil davon festgestellt oder wieder gewährt, es sei denn, daß früher festgestellte Ansprüche durch Kapitalabfindung abgegolten sind."

10 Artikel 94 Absatz 6 sieht vor: "Wird der Antrag nach Absatz 4 oder Absatz 5 innerhalb von zwei Jahren nach dem 1. Oktober 1972 oder nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats gestellt, so werden die Ansprüche aufgrund dieser Verordnung mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an erworben, ohne daß der betreffenden Person Ausschlußfristen oder Verjährungsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegengehalten werden können."

11 Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ist der Auffassung, für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits komme es auf die Auslegung des Artikels 73 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 3427/89 geänderten Fassung an, und hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Begründet Artikel 1 Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 (ABl. L 331 vom 16. November 1989, S. 1) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 einen Anspruch auf Kindergeld für vor dem Antrag auf Gewährung von Kindergeld liegende Zeiten, insbesondere ab Januar 1986 auch für die Kinder von Arbeitnehmern, die in einem anderen Mitgliedstaat leben, wenn der Kindergeldantrag bis zum 16. November 1991 gestellt worden ist?

12 Die Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 3427/89 geänderten Fassung der Anwendung einer nationalen Bestimmung, die die Rückwirkung von Anträgen auf Familienbeihilfen auf sechs Monate beschränkt, auf einen Antrag eines spanischen Staatsangehörigen entgegensteht, der auf die Gewährung von Familienbeihilfen für dessen in Spanien wohnende Familienangehörigen ab dem 15. Januar 1986 gerichtet ist.

13 Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst der Zusammenhang darzustellen, in dem sie steht.

14 Artikel 73 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sah vor, daß ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als Frankreichs unterlag, für seine Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnten, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hatte, als ob die Familienangehörigen in diesem Staat wohnten.

15 Gemäß Artikel 73 Absatz 2 hatte ein Arbeitnehmer, für den die französischen Rechtsvorschriften galten, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als Frankreich wohnten, Anspruch auf Familienbeihilfen nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet diese Familienangehörigen wohnten.

16 Artikel 99 bestimmte:

"Der Rat prüft vor dem 1. Januar 1973 auf Vorschlag der Kommission erneut den gesamten Fragenkreis der Zahlungen von Familienleistungen an die nicht in den zuständigen Staaten wohnenden Familienangehörigen, um zu einer einheitlichen Lösung für alle Mitgliedstaaten zu gelangen."

17 Die genannte, in Artikel 73 Absatz 2 niedergelegte Ausnahmeregelung, die die in Frankreich beschäftigten Wanderarbeitnehmer betraf, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnten, wurde vom Gerichtshof mit Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 41/84 (Pinna, Slg. 1986, 1; nachstehend: Urteil Pinna I) wegen seines diskriminierenden Charakters für ungültig erklärt. Aufgrund zwingender Erwägungen der Rechtssicherheit entschied der Gerichtshof jedoch, daß die festgestellte Ungültigkeit des Artikels 73 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht zur Begründung von Forderungen herangezogen werden kann, die sich auf Leistungen für Zeiträume vor dem Erlaß des Urteils beziehen, daß aber eine Ausnahme für Arbeitnehmer gilt, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage eingereicht oder eine gleichwertige Beschwerde erhoben haben.

18 Im zweiten Urteil Pinna vom 2. März 1989 in der Rechtssache 359/87 (Slg. 1989, 585; nachstehend: Urteil Pinna II) bestimmte der Gerichtshof die Folgen des Urteils vom 15. Januar 1986 wie folgt näher: Solange der Rat keine neuen Vorschriften erlassen hat, die mit Artikel 51 EWG-Vertrag in Einklang stehen, führt die Feststellung der Ungültigkeit von Artikel 73 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 zur allgemeinen Anwendbarkeit des in Artikel 73 Absatz 1 dieser Verordnung festgelegten Systems der Zahlung von Familienleistungen.

19 Am 30. Oktober 1989 erließ der Rat in der Folge der Urteile Pinna I und Pinna II die Verordnung Nr. 3427/89, durch deren Artikel 1 Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 geändert und Artikel 99 gestrichen wurde. Diese Verordnung trat am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft und gilt gemäß ihrem Artikel 3 mit Wirkung vom 15. Januar 1986.

20 Artikel 60 Absatz 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zur Gemeinschaft und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23) führte für die in einem anderen Mitgliedstaat als Spanien beschäftigten spanischen Arbeitnehmer, deren Familienangehörige in Spanien wohnen, eine Übergangsregelung ein, nach der Artikel 73 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht anwendbar ist. Diese Übergangsregelung sollte bis zum Inkrafttreten der für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Lösung nach Artikel 99 der Verordnung Nr. 1408/71, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1988 gelten.

21 Aus einer Gesamtbetrachtung des Urteils Pinna I, mit dem Artikel 73 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 als von Anfang an ungültig erklärt wurde, und des Urteils Pinna II, mit dem die allgemeine Anwendbarkeit des in Artikel 73 Absatz 1 festgelegten Systems auf alle Arbeitnehmer in der Gemeinschaft festgestellt wurde, ergibt sich, daß die einheitliche Lösung, auf die Artikel 60 Absatz 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zur Gemeinschaft und die Anpassungen der Verträge Bezug nimmt, rückwirkend seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 bestand.

22 Hieraus folgt also, daß die in einem anderen Mitgliedstaat als Spanien beschäftigten spanischen Arbeitnehmer, deren Familienangehörige in Spanien wohnen, ab dem 1. Januar 1986, dem Tag des Beitritts des Königreichs Spanien zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Anspruch auf die Familienleistungen in dem Mitgliedstaat haben, in dem sie beschäftigt sind. Sie können den entsprechenden Anspruch jedoch nur rückwirkend für die Zeit ab dem 15. Januar 1986, dem Tag des Erlasses des Urteils Pinna I, geltend machen, der auch in Artikel 3 der Verordnung Nr. 3427/89 als Zeitpunkt des Beginns der Geltung dieser Verordnung festgelegt wurde.

23 Obwohl die Frage der Geltendmachung des Anspruchs auf Familienleistungen also ausdrücklich durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 3427/89 geregelt ist, bleibt doch die Frage offen, ob ein Mitgliedstaat seine nationalen Bestimmungen, die die Rückwirkung der Anträge auf Familienbeihilfen auf sechs Monate beschränken, anwenden darf.

24 Sowohl die spanische Regierung als auch der Kläger haben eingeräumt, daß die Verordnung Nr. 3427/89 nicht die Frage der Rückwirkung von Anträgen auf Familienbeihilfen regele.

25 Der Kläger hat jedoch vorgeschlagen, die seiner Auffassung nach bestehende "Gesetzeslücke" durch Anwendung des Artikels 94 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1408/71 zu schließen.

26 Die spanische Regierung vertritt die Auffassung, der Inhalt der Verordnung Nr. 3427/89 sei Bestandteil der Verordnung Nr. 1408/71, so daß die in Artikel 94 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehene Frist von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 3427/89 zu gelten habe.

27 Dieser Auslegung kann nicht gefolgt werden. Wie nämlich die deutsche Regierung zu Recht ausgeführt hat, gehört Artikel 94 Absatz 6 zu den Übergangs- und Schlußvorschriften der Verordnung Nr. 1408/71. Er kann deshalb keine Anwendung auf die Verordnung Nr. 3427/89 finden, zumal diese eigene Übergangs- und Schlußvorschriften enthält.

28 Im übrigen ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere die Urteile vom 16. Dezember 1976 in der Rechtssache 33/76, Rewe, Slg. 1976, 1989, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82, San Giorgio, Slg. 1983, 3595), daß die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Gerichtsverfahren, die den Schutz der den einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten sind; die genannten Verfahren dürfen jedoch nicht ungünstiger ausgestaltet sein als gleichartige Verfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, nicht praktisch unmöglich machen.

29 Entgegen dem Vorbringen des Klägers führt das Fehlen einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung also nicht zu einer "Gesetzeslücke", die auszufuellen wäre.

30 Schließlich ist festzustellen, daß eine Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Ausübung der Rechte, die die Verordnung Nr. 3427/89 einräumt, nicht unmöglich macht. Sie beschränkt lediglich die Rückwirkung von Anträgen auf Gewährung der fraglichen Leistung (Urteile vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-338/91, Steenhorst-Neerings, Slg. 1993, I-5475, Randnr. 21, und vom 6. Dezember 1994 in der Rechtssache C-410/92, Johnson, Slg. 1994, I-5483).

31 Das Gemeinschaftsrecht kann folglich der Anwendung einer Bestimmung nicht entgegenstehen, die, wie § 9 Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes, auch auf Anträge auf Familienbeihilfen anwendbar ist, die nur auf innerstaatliches Recht gestützt sind.

32 Die Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 3427/89 geänderten Fassung steht demgemäß der Anwendung einer nationalen Bestimmung, die die Rückwirkung von Anträgen auf Familienbeihilfen auf sechs Monate beschränkt, auf einen Antrag eines spanischen Staatsangehörigen nicht entgegen, der auf die Gewährung von Familienbeihilfen für dessen in Spanien wohnende Familienangehörigen ab dem 15. Januar 1986 gerichtet ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Die Auslagen der deutschen und der spanischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluß vom 28. Juli 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten und weiter durch die Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 geänderten Fassung steht der Anwendung einer nationalen Bestimmung, die die Rückwirkung von Anträgen auf Familienbeihilfen auf sechs Monate beschränkt, auf einen Antrag eines spanischen Staatsangehörigen nicht entgegen, der auf die Gewährung von Familienbeihilfen für dessen in Spanien wohnende Familienangehörigen ab dem 15. Januar 1986 gerichtet ist.

Ende der Entscheidung

Zurück