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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.04.1997
Aktenzeichen: C-395/95 P
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 173 Abs. 4
EG-Vertrag Art. 178
EG-Vertrag Art. 215 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Die Handlung, durch die die Kommission in einem Verfahren zur Vergabe von im Rahmen des PHARE-Programms finanzierten öffentlichen Aufträgen ein Bieterunternehmen davon unterrichtet, daß sie dessen Angebot mit der Begründung ablehnt, dieses entspreche nicht den Bedingungen, die in der Ausschreibung für die Gemeinschaftsfinanzierung vorgeschrieben seien, fügt sich zwar in den Rahmen eines Verfahrens vertraglicher Art ein, das zum Abschluß eines nationalen Vertrages durch den begünstigten Staat führen soll, lässt sich aber aus diesem Zusammenhang insoweit herauslösen, als sie zum einen von der Kommission in Ausübung eigener Befugnisse erlassen wird und zum anderen ein Einzelunternehmen spezifisch erfasst, das damit allein durch den Erlaß dieser Handlung alle Chancen auf die Erteilung des Auftrags einbüsst. Die Entscheidung der Kommission, das betroffene Unternehmen von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen, erzeugt somit als solche gegenüber diesem verbindliche Rechtswirkungen und kann folglich mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden.

4 Der rechtliche Rahmen für das Verfahren zur Vergabe von im Rahmen des PHARE-Programms finanzierten öffentlichen Aufträgen ist in den allgemeinen Bedingungen der beschränkten Ausschreibung festgelegt. Da 1993, als die Angebote abgegeben wurden und die Ausschreibung endgültig abgeschlossen wurde, diese allgemeinen Bedingungen galten, war das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, das am 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist, ratione temporis auf dieses Verfahren nicht anwendbar. Dieses Abkommen kann nämlich - ohne gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu verstossen - weder eine Änderung der Bedingungen, unter denen diese Ausschreibung erfolgt war und auf deren Grundlage die Angebote vorgelegt worden waren, bewirken noch eine Wiedereröffnung des Verfahrens zur Vergabe des Auftrags gebieten.


Urteil des Gerichtshofes vom 22. April 1997. - Geotronics SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - PHARE-Programm - Beschränkte Ausschreibung - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - EWR-Abkommen - Ursprung der Erzeugnisse - Diskriminierung - Haftungsklage. - Rechtssache C-395/95 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Geotronics SA hat mit Rechtsmittelschrift, die am 18. Dezember 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache T-185/94 (Geotronics/Kommission, Slg. 1995, II-2795; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht erster Instanz ihre Klage abgewiesen hat, mit der sie zum einen gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 10. März 1994, durch die das von ihr im Rahmen des PHARE-Programms vorgelegte Angebot für die Lieferung von elektronischen Tachymetern abgelehnt worden ist, und zum anderen gemäß den Artikeln 178 und 215 EG-Vertrag den Ersatz des von ihr aufgrund der streitigen Entscheidung angeblich erlittenen Schadens begehrt hatte.

Sachverhalt

2 Das Gericht hat in dem angefochtenen Urteil folgende Feststellungen getroffen:

"1 Das PHARE-Programm, das auf der Verordnung (EWG) Nr. 3906/89 des Rates vom 18. Dezember 1989 über Wirtschaftshilfe für die Republik Ungarn und die Volksrepublik Polen (ABl. L 375, S. 11) beruht, die durch die Verordnungen (EWG) Nr. 2698/90 des Rates vom 17. September 1990 (ABl. L 257, S. 1), Nr. 3800/91 des Rates vom 23. Dezember 1991 (ABl. L 357, S. 10) und Nr.2334/92 des Rates vom 7. August 1992 (ABl. L. 227, S. 1) zwecks Ausdehnung der Wirtschaftshilfe auf andere Länder in Mittel- und Osteuropa geändert wurde, stellt den Rahmen dar, in dem die Europäische Gemeinschaft die Wirtschaftshilfe für die Länder Mittel- und Osteuropas zusammenfasst, um Maßnahmen zur Unterstützung des wirtschaftlichen und sozialen Reformprozesses in diesen Ländern durchzuführen.

2 Am 9. Juli 1993 gaben die Kommission "im Namen der rumänischen Regierung" und das rumänische Ministerium für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie gemeinsam durch Vermittlung der "EC/PHARE-Programme Management UNIT-Bucharest" (im folgenden: PMU-Bukarest), einer Stelle, die den rumänischen Staat vertrat und mit der Durchführung des Vorhabens betraut war, eine beschränkte Ausschreibung der Lieferung von elektronischen Tachymetern ("Komplettstationen") an das rumänische Ministerium für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie bekannt, die im Rahmen des Agrarreformprogramms in Rumänien verwendet werden sollten. Nach Artikel 2 der allgemeinen Bedingungen der beschränkten Ausschreibung mussten die zu liefernden Geräte aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem der Staaten, die durch das PHARE-Programm unterstützt werden, stammen.

3 Am 16. Juli 1993 legte die Geotronics SA, eine Gesellschaft französischen Rechts, deren Anteile zu 100 % von der schwedischen Gesellschaft Geotronics AB gehalten werden, ein Angebot für die Lieferung von 80 Komplettstationen des Typs Geodimeter 510 N ("electronic total stations with inbuilt memory for data storage") vor.

4 Mit Telefax vom 18. Oktober 1993 teilte die PMU-Bukarest der Klägerin mit, daß ihr Angebot günstig aufgenommen worden sei und daß der für den Vertragsabschluß zuständigen Behörde ("contracting authority") ein Vertrag zur Billigung vorgelegt werde.

5 Mit Telefax vom 19. November 1993 unterrichtete die Kommission die Klägerin darüber, daß ihr der Bewertungsausschuß ("evaluation committee") empfohlen habe, der Klägerin den betreffenden Auftrag zu erteilen, daß sie aber Zweifel bezueglich des Ursprungs der von der Geotronics SA angebotenen Erzeugnisse habe und in dieser Hinsicht nähere Auskünfte erhalten wolle.

6 Mit Schreiben vom 14. Dezember 1993 erteilte die Geotronics SA der Kommission nähere Auskünfte über den Zusammenbau der Tachymeter und teilte ihr mit, daß diese im Vereinigten Königreich hergestellt würden.

7 Am 2. März 1994 teile die Klägerin der Kommission mit, daß sie erfahren habe, daß ihr Angebot deshalb abgelehnt werde, weil die angebotenen Geräte aus Schweden stammten. Da die Klägerin der Auffassung war, daß sich die Lage bezueglich der Kriterien für den Ursprung der Waren nach dem Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3; im folgenden: EWR-Abkommen) am 1. Januar 1994 geändert habe, schlug sie der Kommission vor, das Verfahren der beschränkten Ausschreibung wiederzueröffnen.

8 Die Kommission lehnte mit Telefax vom 10. März 1994 an die Klägerin deren Angebot mit der Begründung ab, daß die von der Geotronics SA angebotenen Geräte entgegen den für die beschränkte Ausschreibung geltenden Bedingungen nicht aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder aus einem Staat, der durch das PHARE-Programm unterstützt werde, stammten.

9 Am 11. März 1994 teilte die Kommission der PMU-Bukarest mit, daß sie nach Prüfung der beiden Angebote, die bis zum Ende der beschränkten Ausschreibung für die elektronischen Tachymeter eingegangen seien, zu der Auffassung gelangt sei, daß nur das Angebot eines deutschen Unternehmens die im Rahmen der beschränkten Ausschreibung aufgestellten Bedingungen erfuelle und daß dieses angenommen werden könne. Folglich forderte die Kommission die PMU-Bukarest auf, zum Zweck des Vertragsschlusses mit diesem deutschen Unternehmen Kontakt aufzunehmen.

10 Unter diesen Umständen hat die Geotronics SA mit Klageschrift, die am 29. April 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

11 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Artikel 185 des Vertrages einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, um die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung zu erreichen.

12 Am 17. Mai 1994 unterrichtete die PMU-Bukarest die Kommission darüber, daß das rumänische Ministerium für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie als die für den Vertragsschluß zuständige Behörde am 15. April 1994 die Entscheidung getroffen habe, den Auftrag dem deutschen Unternehmen zu erteilen.

13 Am selben Tag teilte die PMU-Bukarest der Klägerin mit, daß es den rumänischen Behörden nicht möglich sei, ihr den in Rede stehenden Auftrag zu erteilen, weil ihr Angebot nicht die Bedingungen bezueglich der in der beschränkten Ausschreibung festgelegten Ursprungskriterien erfuelle."

3 Durch Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-185/94 R (Geotronics/Kommission, Slg. 1994, II-519) ist der von der Firma Geotronics gleichzeitig mit ihrer Klage gestellte Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen worden.

Das Urteil des Gerichts

4 Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, daß die Firma Geotronics in erster Linie die Nichtigerklärung der ihr mit Telefax vom 10. März 1994 mitgeteilten Entscheidung der Kommission, ihr Angebot abzulehnen, und hilfsweise die Verurteilung der Kommission zum Ersatz des Schadens begehrte, den diese ihr durch den Erlaß dieser Entscheidung zugefügt haben soll.

Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage

5 Das Gericht hat die Klage auf Nichtigerklärung der im Schreiben vom 10. März 1994 enthaltenen Entscheidung aus folgenden Gründen als unzulässig abgewiesen:

"27 Zunächst ist daran zu erinnern, daß die Hilfen nach der Grundverordnung über das PHARE-Programm von der Gemeinschaft entweder autonom oder in Kofinanzierung mit Mitgliedstaaten, der Europäischen Investitionsbank, Drittländern, multilateralen Einrichtungen oder mit den Empfängerländern selbst gewährt werden.

28 Sodann ist dann darauf hinzuweisen, daß die im Rahmen des PHARE-Programms gewährten Hilfen gemäß der u. a. durch die Verordnung Nr. 610/90 geänderten Haushaltsordnung, deren Titel IX für die Aussenhilfe gilt, aus dem Gesamthaushaltsplan finanziert werden.

29 Nach den Artikeln 107 und 108 Absatz 2 der Verordnung Nr. 610/90 sorgt der begünstigte Staat für die Ausführung der Vorhaben und Maßnahmen, die im Rahmen der Kooperationspolitik der Gemeinschaft finanziert werden, und zwar in enger Zusammenarbeit mit der Kommission, die als Verwalterin der Hilfe die Kredite gewährt und dafür sorgt, daß für die Teilnahme an den Ausschreibungen gleiche Bedingungen bestehen, daß Diskriminierungen beseitigt werden und daß das wirtschaftlich günstigste Angebot gewählt wird.

30 Nach Artikel 109 Absatz 2 dieser Verordnung ist es jedoch Sache des begünstigten Staates, die Ausschreibungen bekanntzugeben, die eingehenden Angebote entgegenzunehmen, die Aufsicht über die Angebotsauswertung zu führen und die Ergebnisse der Ausschreibungen festzustellen. Auch obliegt es dem begünstigten Staat, die Aufträge, Verträge, Nachtragsvereinbarungen und Kostenvoranschläge zu unterzeichnen und sie anschließend der Kommission zu notifizieren. Daraus folgt, daß die Befugnis zur Erteilung eines Auftrags dem durch das PHARE-Programm begünstigten Staat zusteht. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Klägerin in dieser Hinsicht eingeräumt, daß es der rumänischen Regierung im vorliegenden Fall freigestanden hätte, den Auftrag trotz der Weigerung der Kommission, ihr den Vorteil der Gemeinschaftshilfe zu gewähren, an die Geotronics SA zu vergeben.

31 Aus dieser Zuständigkeitsverteilung ergibt sich, daß die durch das PHARE-Programm finanzierten Aufträge als nationale Aufträge anzusehen sind, die nur den begünstigten Staat und den Wirtschaftsteilnehmer binden. Die Verträge werden nämlich nur von diesen beiden Partnern vorbereitet, ausgehandelt und geschlossen.

32 Dagegen entstehen zwischen den Bietern und der Kommission keine Rechtsbeziehungen, da sich die Kommission darauf beschränkt, im Namen der Gemeinschaft die Finanzierungsentscheidungen zu treffen, und da ihre Handlungen nicht bewirken können, daß den Bietern gegenüber die Entscheidung des durch das PHARE-Programm begünstigten Staates durch eine Gemeinschaftsentscheidung ersetzt wird. Folglich kann es in diesem Bereich gegenüber den Bietern keine Handlung der Kommission geben, die Gegenstand einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag sein könnte (vgl. in Analogie hierzu Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 126/83, STS/Kommission, Slg. 1984, 2769, Randnrn. 18 und 19, vom 10. Juli 1985 in der Rechtssache 118/83, CMC u. a./Kommission, Slg. 1985, 2325, Randnrn. 28 und 29, [vom 14. Januar 1993] in der Rechtssache C-257/90, Italsolar/Kommission,... [Slg. 1993, I-9], Randnrn. 22 und 26, und [vom 29. April 1993,] Forafrique Burkinabe/Kommission,... [Slg. 1993, I-2161], Randnr. 23).

33 Demnach kann das Schreiben vom 10. März 1994, mit dem die Kommission der Klägerin mitteilte, daß sie gezwungen sei, ihr Angebot wegen des nichtgemeinschaftlichen Ursprungs der angebotenen Geräte abzulehnen, trotz der von der Kommission verwendeten Formulierungen nicht als eine Handlung der Kommission angesehen werden, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt hat, die die Rechtsstellung der Klägerin beeinträchtigen können.

34 Es sollte hinzugefügt werden, daß eine eventuelle Nichtigerklärung des Schreibens der Kommission vom 10. März 1994 der Klägerin jedenfalls nicht von Nutzen sein könnte, da sie für sich allein nicht geeignet wäre, den Vertrag in Frage zu stellen, der die rumänische Regierung an das deutsche Unternehmen, dem der Auftrag erteilt wurde, bindet.

35 Folglich ist der Antrag auf Nichtigerklärung des Schreibens der Kommission vom 10. März 1994 als unzulässig zurückzuweisen."

Zur Schadensersatzklage

6 Das Gericht hat zunächst darauf hingewiesen,

"daß der Umstand, daß die Nichtigkeitsklage unzulässig ist, nicht zur Unzulässigkeit der Schadensersatzklage führt, da diese einen selbständigen Rechtsbehelf darstellt (Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 175/84, Krohn/Kommission, Slg. 1986, 753, Randnr. 32)" (Randnr. 38),

und dann festgestellt, es sei zu prüfen, ob die Kommission, der im Rahmen des PHARE-Programms die Verantwortung für die Finanzierung der Vorhaben übertragen sei, einen Fehler begangen habe, der ihre Haftung im Sinne des Artikels 215 Absatz 2 des Vertrages auslösen könne, und in diesem Zusammenhang festzustellen sei, ob sie gegen das EWR-Abkommen verstossen habe (Randnrn. 39 und 40).

7 Nach dieser Prüfung hat das Gericht ausgeführt, daß die Schadensersatzklage aus folgenden Gründen abzuweisen sei:

"48 Das Gericht weist zunächst darauf hin, daß das EWR-Abkommen wegen des Fehlens von Übergangsvorschriften alle seine Wirkungen von seinem Inkrafttreten, d. h. vom 1. Januar 1994, an entfaltet und daß es deshalb nur auf rechtliche Situationen Anwendung findet, die nach seinem Inkrafttreten entstanden sind.

49 Das Gericht stellt sodann fest, daß im vorliegenden Fall die beschränkte Ausschreibung, die die Kommission am 9. Juli 1993 im Namen der rumänischen Regierung bekanntgab, den rechtlichen Rahmen für das Verfahren zur Vergabe des Auftrags, insbesondere hinsichtlich der Bedingung des Ursprungs der betreffenden Erzeugnisse, festgelegt hat.

50 Vernünftigerweise mussten sowohl die Kommission bei der Festlegung der allgemeinen Bedingungen für die Ausschreibung vom 9. Juli 1993 als auch die Klägerin bei der Einreichung ihres Lieferangebots am 16. Juli 1993 damit rechnen, daß die Entscheidung über die Vergabe der von der Gemeinschaft gewährten Hilfe vor dem 1. Januar 1994, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des EWR-Abkommens, auf der Grundlage dieser Bedingungen ergehen konnte.

51 Jedoch ist festzustellen, daß die Klägerin angesichts der Zweifel, die die Kommission in dem Schreiben äusserte, das sie ihr am 19. November 1993 zur Frage des gemeinschaftlichen Ursprungs der angebotenen Erzeugnisse sandte, in ihrer Antwort vom 14. Dezember 1993 behauptet hat, daß die von ihr angebotenen Erzeugnisse im Vereinigten Königreich hergestellt würden. Erst aufgrund der Kontakte, die nach dem 1. Januar 1994 zwischen der Klägerin und der Kommission stattfanden, konnte die Kommission durch den Nachweis des hauptsächlich schwedischen Ursprungs der angebotenen Erzeugnisse ihre Zweifel bestätigt sehen.

52 Der Vertreter der Klägerin hat im übrigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die Verzögerung, zu der es in dem Verfahren gekommen sei, der Klägerin zuzuschreiben sei, da sie die Kommission ohne bösen Glauben hinsichtlich des Ursprungs der Erzeugnisse irregeführt habe. Er hat ausserdem anerkannt, daß die Klägerin nicht berechtigt gewesen wäre, die Frage der Anwendbarkeit des EWR-Abkommens auf das streitige Verfahren der Auftragsvergabe aufzuwerfen, wenn die Kommission vor dem 1. Januar 1994 eine Entscheidung getroffen hätte.

53 Das Gericht ist daher der Auffassung, daß sich die Kommission zu Recht auf die allgemeinen Bedingungen, die sie in der beschränkten Ausschreibung festgelegt hatte und die von der Klägerin vor dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens akzeptiert worden waren, gestützt hat, als sie der Klägerin am 10. März 1994 mitteilte, daß ihr Angebot deswegen abgelehnt werden müsse, weil die von ihr angebotenen Geräte entgegen den für die Ausschreibung geltenden Bedingungen nicht aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder aus einem durch das PHARE-Programm begünstigten Staat stammten.

54 Das Schreiben vom 10. März 1994 stellt nämlich nur die Durchführung der in der beschränkten Ausschreibung festgelegten Bedingungen dar, und es kann nicht davon ausgegangen werden, daß es eine neue Rechtslage gegenüber derjenigen, die sich aus der beschränkten Ausschreibung ergab, geschaffen hat. Demnach kann der Umstand, daß diese Durchführung zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem sich der rechtliche Kontext wegen des Inkrafttretens des EWR-Abkommens geändert hatte, nicht den durch die Ausschreibung festgelegten rechtlichen Rahmen in Frage stellen und der Klägerin Rechte verleihen, die sie zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ausschreibung nicht geltend machen konnte.

55 Ausserdem kann das EWR-Abkommen jedenfalls nicht für Aufträge gelten, für die Rechtsbeziehungen maßgebend sind, an denen ein Staat beteiligt ist, der nicht zu den Unterzeichnern des EWR-Abkommens gehört. Entgegen der Auffassung der Klägerin, daß im Rahmen des PHARE-Programms in Wirklichkeit die Kommission die ausgeschriebenen Erzeugnisse kaufe, um sie anschließend an die begünstigten Staaten weiterzuverkaufen, ergibt sich nämlich aus dem Vorstehenden, daß es sich bei den fraglichen Aufträgen um nationale Aufträge handelt, die ausschließlich in die Sphäre der Rechtsbeziehungen fallen, die zwischen dem Bieter und dem begünstigten Staat, im vorliegenden Fall Rumänien, das nicht Partei des EWR-Abkommens ist, zustande kommen.

56 Folglich kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, daß sie das EWR-Abkommen nicht auf das vorliegende Verfahren der Auftragsvergabe angewandt hat.

57 Daher ist der Schadensersatzantrag wegen Fehlens irgendeines rechtswidrigen Verhaltens der Kommission als unbegründet zurückzuweisen.

58 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen."

Das Rechtsmittel

Zur Abweisung der Nichtigkeitsklage

8 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, daß die im Schreiben vom 10. März 1994 enthaltene Entscheidung nicht mit einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages angefochten werden könne. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, der in Rede stehende Auftrag wäre ihr ohne Zweifel erteilt worden, wenn die Kommission ihr Angebot nicht abgelehnt hätte, und die streitige Entscheidung habe dadurch, daß sie in dieser Weise den Ausgang des Ausschreibungsverfahrens bestimme, verbindliche Rechtswirkungen ihr gegenüber erzeugt und ihre Rechtsstellung erheblich beeinträchtigt.

9 Es ist darauf hinzuweisen, daß jede natürliche oder juristische Person gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages eine Nichtigkeitsklage gegen die ihr gegenüber ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen erheben kann, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

10 Ausserdem stellen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen dar, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages gegeben ist (vgl. u. a. Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9).

11 Im vorliegenden Fall hat das Gericht zunächst die Zuständigkeitsverteilung zwischen dem begünstigten Staat und der Kommission im Verfahren der Vergabe von im Rahmen des PHARE-Programms finanzierten Aufträgen beschrieben und dann in Randnummer 33 des angefochtenen Urteils festgestellt, daß das Schreiben vom 10. März 1994 trotz der von der Kommission verwendeten Formulierungen nicht als eine Handlung angesehen werden könne, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt habe, die die Rechtsstellung der Klägerin beeinträchtigen könnten, so daß die gegen dieses Schreiben gerichtete Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen sei.

12 Zwar ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf dem Gebiet der Vergabe von durch den Europäischen Entwicklungsfonds finanzierten öffentlichen Aufträgen, daß die Vertreter der Kommission in diesem Verfahren - zur Erteilung oder zur Verweigerung der Zustimmung oder der Sichtvermerke - nur eingreifen, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Gemeinschaftsfinanzierung vorliegen, und daß diese Eingriffe den Grundsatz nicht berühren - und auch nicht berühren können -, daß die fraglichen Aufträge nationale Aufträge bleiben, für deren Vorbereitung, Aushandlung und Abschluß die begünstigten Staaten ausschließlich zuständig sind (vgl. u. a. Urteil STS/Kommission, a. a. O., Randnr. 16). Nach dieser Rechtsprechung unterhalten die Unternehmen, die für die fraglichen Aufträge ein Angebot einreichen oder denen diese Aufträge erteilt werden, Rechtsbeziehungen nur mit dem für den Auftrag verantwortlichen begünstigten Staat, und die Handlungen der Vertreter der Kommission können nicht bewirken, daß ihnen gegenüber eine Gemeinschaftsentscheidung an die Stelle der Entscheidung des AKP-Staates tritt, der für die Vergabe und Unterzeichnung dieses Auftrags ausschließlich zuständig ist (Urteil STS/Kommission, a. a. O., Randnr. 18; vgl. auch Urteile CMC u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 28; Italsolar, Kommission, a. a. O., Randnr. 22, und Forafrique Burkinabe/Kommission, a. a. O., Randnr. 23).

13 Die Argumentation, die dieser Rechtsprechung zugrunde liegt, ließ sich jedoch auf den vor das Gericht gebrachten Fall nicht einfach übertragen, um die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage zu rechtfertigen.

14 Wie sich aus Randnummer 8 des angefochtenen Urteils ergibt, teilte die Kommission der Rechtsmittelführerin nämlich in ihrem Schreiben vom 10. März 1994 mit, daß sie deren Angebot mit der Begründung ablehne, daß die angebotenen Geräte nicht aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder aus einem Staat, der durch das PHARE-Programm unterstützt werde, stammten. Die streitige Handlung, die ausdrücklich an die Rechtsmittelführerin gerichtet war, ist somit von der Kommission vorgenommen worden, nachdem sie geprüft hatte, ob das Angebot der Rechtsmittelführerin den Bedingungen entsprach, die in der Ausschreibung für die Gemeinschaftsfinanzierung vorgeschrieben waren. Auch wenn diese Handlung sich in den Rahmen eines Verfahrens vertraglicher Art einfügte, das zum Abschluß eines nationalen Vertrages führen sollte, ließ sie sich doch aus diesem Zusammenhang insoweit herauslösen, als sie zum einen von der Kommission in Ausübung eigener Befugnisse erlassen worden war und zum anderen ein Einzelunternehmen spezifisch erfasste, das damit allein durch den Erlaß dieses Aktes alle echten Chancen auf die Erteilung des Auftrags einbüsste.

15 Unter diesen Voraussetzungen hat die Entscheidung der Kommission, die Rechtsmittelführerin von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen, als solche gegenüber dieser verbindliche Rechtswirkungen erzeugt und konnte daher mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden.

16 Nach alledem hat das Gericht einen Rechtsirrtum begangen, als es angenommen hat, daß das Schreiben vom 10. März 1994 nicht als eine Handlung angesehen werden könne, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt habe, die die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin beeinträchtigen könnten, und die gegen diese Handlung gerichtete Nichtigkeitsklage aus diesem Grund für unzulässig erklärt hat.

17 Soweit das Rechtsmittel sich dagegen richtet, daß die Nichtigkeitsklage durch das angefochtene Urteil als unzulässig abgewiesen worden ist, ist es daher begründet.

18 Bevor die Folgerungen aus dieser Feststellung gezogen werden, ist die Prüfung des Rechtsmittels, soweit es die Schadensersatzklage betrifft, fortzusetzen, da das Vorbringen der Rechtsmittelführerin in diesem Zusammenhang sich auf die Würdigung der Rechtmässigkeit des der Kommission zur Last gelegten Verhaltens durch das Gericht bezieht. Die Prüfung dieser Frage als Tatbestandsmerkmal der ausservertraglichen Haftung im Sinne von Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages fällt nämlich im vorliegenden Fall mit der Überprüfung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Handlung zusammen, die im Rahmen des Artikels 173 des Vertrages vorzunehmen wäre.

Zur Abweisung der Schadensersatzklage

19 Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht sei zu Unrecht in Randnummer 53 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, daß sich die Kommission zu Recht auf die allgemeinen Bedingungen der Ausschreibung gestützt habe, obwohl das am 1. Januar 1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (im folgenden: EWR-Abkommen), insbesondere die Artikel 4, 8, 11 und 65 dieses Abkommens, die Kommission dazu verpflichtet habe, auch Erzeugnisse mit Ursprung in einem an diesem Abkommen beteiligten Drittland - im vorliegenden Fall Schweden - unter denselben Voraussetzungen zu berücksichtigen wie Erzeugnisse mit Ursprung in einem Mitgliedstaat.

20 Wie das Gericht in den Randnummern 49 und 54 zu Recht festgestellt hat, ist der rechtliche Rahmen für das Verfahren zur Vergabe des Auftrags, insbesondere hinsichtlich der Bedingung des Ursprungs der Erzeugnisse, durch die beschränkte Ausschreibung festgelegt worden, die die Kommission am 9. Juli 1993 im Namen der rumänischen Regierung bekanntgegeben hat.

21 Wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Gerichts ergibt, galten die allgemeinen Bedingungen dieser Ausschreibung, als das Angebot der Rechtsmittelführerin am 16. Juli eingereicht und als die Ausschreibung endgültig abgeschlossen wurde. Das am 1. Januar 1994 in Kraft getretene EWR-Abkommen konnte auf keinen Fall - ohne gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu verstossen - eine Änderung der Bedingungen, unter denen diese Ausschreibung erfolgt war und auf deren Grundlage die Angebote vorgelegt worden waren, bewirken oder eine Wiedereröffnung des Verfahrens zur Vergabe des Auftrags gebieten.

22 Das Gericht hat daher annehmen dürfen, daß die Kommission trotz des späteren Inkrafttretens des EWR-Abkommens sich zu Recht auf die in dieser Ausschreibung festgelegten allgemeinen Bedingungen und insbesondere auf Artikel 2 dieser Bedingungen gestützt hat, wonach die zu liefernden Geräte aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem der durch das PHARE-Programm begünstigten Staaten stammen mussten.

23 Unter diesen Voraussetzungen ist es unerheblich, daß das Gericht darüber hinaus in Randnummer 55 seines Urteils festgestellt hat, das EWR-Abkommen könne nicht für Aufträge gelten, für die Rechtsbeziehungen maßgebend seien, an denen ein Staat beteiligt sei, der nicht zu den Unterzeichnern des EWR-Abkommens gehöre. Da es sich nicht um einen tragenden Grund handelt, können die Rügen, die sich auf ihn beziehen, nicht zu einer Aufhebung des Urteils des Gerichts führen und sind daher unwirksam (Urteil vom 22. Dezember 1993 in der Rechtssache C-244/91 P, Pincherle/Kommission, Slg. 1993, I-6965, Randnr. 25).

24 Soweit das Rechtsmittel sich gegen die Abweisung der Schadensersatzklage richtet, ist es daher zurückzuweisen.

Zu den Folgen der Aufhebung des Urteils des Gerichts

25 Gemäß Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

26 Da die Sache zur Entscheidung reif ist, ist endgültig über die Klage auf Nichtigerklärung der der Rechtsmittelführerin mit Schreiben vom 10. März 1994 mitgeteilten Entscheidung der Kommission zu entscheiden, die vom Gericht zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden ist.

27 Zur Begründung dieser Klage hat die Rechtsmittelführerin geltend gemacht, daß die Kommission gegen das EWR-Abkommen und insbesondere gegen Artikel 4 dieses Abkommens verstossen habe.

28 In diesem Zusammenhang genügt es, aus den in den Randnummern 48 bis 54 des angefochtenen Urteils enthaltenen und im wesentlichen oben in den Randnummern 19 bis 22 übernommenen Gründen festzustellen, daß das EWR-Abkommen auf den vorliegenden Sachverhalt ratione temporis nicht anwendbar war.

29 Die Nichtigkeitsklage ist daher als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Gemäß Artikel 122 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 2, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die gesamten Kosten der Kommission sowohl im Verfahren vor dem Gericht als auch im Verfahren vor dem Gerichtshof aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache T-185/94 (Geotronics/Kommission) wird aufgehoben, soweit dadurch die gegen das Schreiben der Kommission vom 10. März 1994 gerichtete Nichtigkeitsklage als unzulässig abgewiesen worden ist.

2. Im übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

3. Die Nichtigkeitsklage wird abgewiesen.

4. Die Rechtsmittelführerin trägt die gesamten Kosten sowohl im Verfahren vor dem Gericht als auch im Verfahren vor dem Gerichtshof.

Ende der Entscheidung

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