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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: C-406/06
Rechtsgebiete: EG, Satzung des Gerichtshofs, Verfahrensordnung


Vorschriften:

EG Art. 230
Satzung des Gerichtshofs Art. 54 Abs. 2
Verfahrensordnung Art. 92 § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

8. Februar 2007

"Nichtigkeitsklage - Offensichtliche Unzuständigkeit des Gerichtshofs - Verweisung an das Gericht erster Instanz"

Parteien:

In der Rechtssache C-406/06

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG, eingereicht am 1. September 2006,

Landtag Schleswig-Holstein, vertreten durch S. Laskowski und J. Caspar als Bevollmächtigte,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Kuris sowie der Richter L. Bay Larsen und J.-C. Bonichot (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 1. September 2006 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat der Landtag Schleswig-Holstein auf der Grundlage von Art. 230 Abs. 2 EG die Nichtigerklärung der Entscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 10. März 2006 und vom 23. Juni 2006 beantragt, mit denen dem Kläger der Zugang zu dem Dokument SEK(2005) 420 vom 22. März 2005 verweigert wurde, das eine rechtliche Analyse zu dem im Rat diskutierten Entwurf eines Rahmenbeschlusses über die Vorratsspeicherung von Daten enthält, die in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet und aufbewahrt werden, oder von Daten, die in öffentlichen Kommunikationsnetzen vorhanden sind, für die Zwecke der Vorbeugung, Ermittlung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich Terrorismus (Ratsdokument 8958/04 Crimorg 36 Telecom 82).

2 Mit Klageschrift, die am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften eingegangen ist (Rechtssache T-236/06), hat der Landtag Schleswig-Holstein auf der Grundlage von Art. 230 Abs. 4 EG die Nichtigerklärung dieser Entscheidungen der Kommission beantragt.

3 Die Kanzlei des Gerichtshofs hat den Kläger davon verständigt, dass der Gerichtshof nicht für die Entscheidung über Nichtigkeitsklagen zuständig ist, die von anderen Personen als einem Mitgliedstaat oder einem Gemeinschaftsorgan eingereicht werden, und hat ihm die Beschlüsse vom 21. März 1997, Wallonische Region/Kommission (C-95/97, Slg. 1997, I-1787), und vom 1. Oktober 1997, Regione Toscana/Kommission (C-180/97, Slg. 1997, I-5245), übermittelt, die zu dieser Frage auf ähnliche Klagen hin erlassen wurden; gleichwohl hat der Kläger mit Schreiben vom 28. September 2006 seine Klage vor dem Gerichtshof aufrecht erhalten.

4 Nachdem die Kanzlei den Kläger danach darauf aufmerksam gemacht hatte, dass eine solche Klage gemäß Art. 225 Abs. 1 EG und Art. 51 der Satzung des Gerichtshofs auf jeden Fall vor dem Gericht eingereicht werden muss, hat er die Verweisung der Rechtssache an das Gericht beantragt.

5 Art. 92 § 1 der Verfahrensordnung lautet: "Ist der Gerichtshof für eine Klage offensichtlich unzuständig oder ist eine Klage offensichtlich unzulässig, so kann er nach Anhörung des Generalanwalts, ohne das Verfahren fortzusetzen, durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist."

6 Art. 225 Abs. 1 Unterabs. 1 EG bestimmt:

"Das Gericht erster Instanz ist für Entscheidungen im ersten Rechtszug über die in den Artikeln 230, 232, 235, 236 und 238 genannten Klagen zuständig, mit Ausnahme derjenigen Klagen, die einer gerichtlichen Kammer übertragen werden, und der Klagen, die gemäß der Satzung dem Gerichtshof vorbehalten sind. In der Satzung kann vorgesehen werden, dass das Gericht erster Instanz für andere Kategorien von Klagen zuständig ist."

7 In Art. 51 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs heißt es:

"Abweichend von der in Artikel 225 Absatz 1 [EG] ... vorgesehenen Regelung sind dem Gerichtshof die Klagen gemäß den Artikeln 230 [EG] und 232 [EG] ... vorbehalten,

a) die von einem Mitgliedstaat gegen eine Handlung oder wegen unterlassener Beschlussfassung des Europäischen Parlaments oder des Rates oder dieser beiden Organe in den Fällen, in denen sie gemeinsam beschließen, erhoben werden, mit Ausnahme

- der Entscheidungen des Rates gemäß Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 3 [EG];

- der Rechtsakte, die der Rat aufgrund einer Verordnung des Rates über handelspolitische Schutzmaßnahmen im Sinne von Artikel 133 [EG] erlässt;

- der Handlungen des Rates, mit denen dieser gemäß Artikel 202 dritter Gedankenstrich [EG] Durchführungsbefugnisse ausübt;

b) die von einem Mitgliedstaat gegen eine Handlung oder wegen unterlassener Beschlussfassung der Kommission gemäß Artikel 11a des EG-Vertrags erhoben werden."

8 Im vorliegenden Fall kann die Klage des Landtags Schleswig-Holstein weder mit der eines Mitgliedstaats noch mit der eines Gemeinschaftsorgans gleichgesetzt werden. Daher ist der Gerichtshof für sie offensichtlich unzuständig.

9 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Klageberechtigung von Regionen und anderen Gebietskörperschaften (vgl. insbesondere die Beschlüsse Wallonische Region/Kommission und Regione Toscana/Kommission) ist der Landtag Schleswig-Holstein als juristische Person zu sehen, die gemäß Art. 230 Abs. 4 EG gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen beim Gericht Klage erheben kann, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

10 In Art. 54 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs heißt es: "[S]tellt der Gerichtshof fest, dass eine Klage in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, so verweist er den Rechtsstreit an das Gericht, das sich dann nicht für unzuständig erklären kann."

11 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die vorliegende Klage in die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz fällt und daher an dieses zu verweisen ist.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) beschlossen:

1. Die Rechtssache Landtag Schleswig-Holstein/Kommission (C-406/06) wird an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften verwiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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