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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.12.1994
Aktenzeichen: C-406/92
Rechtsgebiete: Übereinkommen über gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Übereinkommen


Vorschriften:

Übereinkommen über gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Art. 57
Übereinkommen Art. 21
Übereinkommen Art. 22
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 57 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland ist dahin auszulegen, daß, wenn ein Vertragsstaat auch Partei eines anderen Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, das Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit enthält, dieses besondere Übereinkommen die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens nur in den in dem besonderen Übereinkommen geregelten Fällen und nicht in den Fällen, die dieses nicht regelt, ausschließt. Demgemäß sind die Artikel 21 und 22 des Brüsseler Übereinkommens anwendbar, wenn ein besonderes Übereinkommen zwar bestimmte Zuständigkeitsregeln, jedoch keine Bestimmung über die Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren enthält.

2. Artikel 21 des Übereinkommens ist dahin auszulegen, daß, wenn er als Voraussetzung für die Verpflichtung des später angerufenen Gerichts, sich für unzuständig zu erklären, verlangt, daß die Parteien der beiden Verfahren identisch sind, dies unabhängig von ihrer jeweiligen Stellung in diesem Verfahren zu verstehen ist. Stimmen die Parteien des zweiten Verfahrens nur teilweise mit den Parteien des in einem anderen Vertragsstaat früher anhängig gemachten Verfahrens überein, so ist das später angerufene Gericht nur insoweit verpflichtet, sich für unzuständig zu erklären, als die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auch Parteien des früher anhängig gemachten Verfahrens sind; er steht der Fortsetzung des Verfahrens zwischen den anderen Parteien nicht entgegen.

3. Im Sinne des Artikels 21 des Übereinkommens umfasst die "Grundlage" des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird, und der "Gegenstand" besteht im Zweck der Klage. Eine Klage, die auf die Feststellung, daß der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, betrifft denselben Anspruch wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, daß er für diesen Schaden nicht haftet. Eine später erhobene Klage hört nicht auf, eine Klage desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien zu sein wie eine früher anhängig gemachte Klage, wenn die erste, von einem Schiffseigner vor einem Gericht eines Vertragsstaats erhobene Klage eine persönliche Klage auf Feststellung ist, daß dieser Schiffseigner für eine angebliche Beschädigung der mit seinem Schiff beförderten Ladung nicht haftet, während die später erhobene Klage vom Eigentümer der Ladung vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats in Form einer dinglichen Klage, die ein mit Arrest belegtes Schiff betrifft, anhängig gemacht und anschließend gemäß den Unterscheidungen im nationalen Recht dieses anderen Vertragsstaats entweder sowohl als dingliche wie als persönliche Klage oder ausschließlich als persönliche Klage weiterverfolgt worden ist.

4. Der in Artikel 22 Absatz 3 des Übereinkommens definierte Begriff des "Zusammenhangs" ist autonom auszulegen; diese Auslegung muß weit sein und, ohne daß auf den Begriff der unvereinbaren Entscheidungen im Sinne des Artikels 27 Nr. 3 des Übereinkommens abzustellen wäre, alle Fälle erfassen, in denen die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, selbst wenn die Entscheidungen getrennt vollstreckt werden können und sich ihre Rechtsfolgen nicht gegenseitig ausschließen. Daher ist es, wenn einerseits in einem Vertragsstaat eine Gruppe von Eigentümern einer Schiffsladung gegen einen Schiffseigner Klage erhebt auf Ersatz eines Schadens, der angeblich an einem Teil der aufgrund getrennter, jedoch gleicher Verträge beförderten Bulkladung entstanden ist, und andererseits in einem anderen Vertragsstaat die Eigentümer eines anderen Teils der Ladung, der unter den gleichen Bedingungen und aufgrund von getrennten, jedoch gleichen Verträgen wie den Verträgen zwischen der ersten Gruppe und dem Schiffseigner befördert worden ist, gegen denselben Schiffseigner Klage auf Schadensersatz erheben, für das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen diesen beiden Klagen ausreichend, daß bei getrennter Verhandlung und Entscheidung die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, ohne daß es erforderlich wäre, daß die Gefahr sich gegenseitig ausschließender Rechtsfolgen besteht.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 6. DEZEMBER 1994. - THE OWNERS OF THE CARGO LATELY LADEN ON BOARD THE SHIP "TATRY" GEGEN THE OWNERS OF THE SHIP "MACIEJ RATAJ". - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COURT OF APPEAL (ENGLAND) - VEREINIGTES KOENIGREICH. - BRUESSELER UEBEREINKOMMEN - RECHTSHAENGIGKEIT - IM ZUSAMMENHANG STEHENDE VERFAHREN - VERHAELTNIS ZUM INTERNATIONALEN UEBEREINKOMMEN ZUR VEREINHEITLICHUNG VON REGELN UEBER DEN ARREST IN SEESCHIFFE. - RECHTSSACHE C-406/92.

Entscheidungsgründe:

1 Der Court of Appeal hat mit Beschluß vom 5. Juni 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 1992, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof (ABl. L 1972, L 299, S. 32; nachstehend: Übereinkommen oder Brüsseler Übereinkommen) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und ° geänderter Text ° S. 77; nachstehend: Beitrittsübereinkommen) mehrere Fragen nach der Auslegung der Artikel 21, 22 und 57 des Übereinkommens zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreitigkeiten, deren Sachverhalt und Verfahren vor den nationalen Gerichten im folgenden zusammengefasst dargestellt wird.

3 Im September 1988 wurde eine Bulkladung Sojaöl, die verschiedenen Eigentümern gehörte (nachstehend: die Eigentümer der Ladung), an Bord des Schiffes Tatry gebracht, das einem polnischen Schiffahrtsunternehmen, der Zegluga Polska Spolka Akeyjna, gehörte, von dem im Vorlagebeschluß als den "Schiffseignern" die Rede ist. Die Beförderung erfolgte ab Brasilien mit Bestimmung Rotterdam für einen Teil und Hamburg für den anderen Teil der Ladung. Die Eigentümer der Ladung beanstandeten bei den Schiffseignern, daß die Waren beim Transport durch Dieselöl oder einen anderen Kohlenwasserstoff verunreinigt worden seien.

4 Bei den Eigentümern der Ladung sind drei Gruppen zu unterscheiden:

° Gruppe 1: Sie besteht aus den Eigentümern eines Teils der Ladung, der mit getrennten Konnossementen nach Rotterdam befördert wurde;

° Gruppe 2: Es handelt sich nicht um eine "Gruppe", sondern in Wirklichkeit um die Phillip Brothers Ltd (nachstehend: Phibro) mit Sitz im Vereinigten Königreich, die Eigentümerin eines anderen Teils der Ladung ist, der ebenfalls mit getrennten Konnossementen nach Rotterdam befördert wurde;

° Gruppe 3: Sie besteht aus vier Eigentümern des mit vier getrennten Konnossementen nach Hamburg beförderten Teils der Ladung; die zu dieser Gruppe gehörenden Eigentümer waren Phibro (für andere Partien als die die Gruppe 2 betreffenden) sowie die Bunge & Co. Ltd, ebenfalls mit Sitz im Vereinigten Königreich, die Hobum Öle und Fette AG und die Handelsgesellschaft Kurt Nitzer GmbH, beide mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland.

5 Von den verschiedenen Eigentümern der Ladung und den Schiffseignern wurden bei niederländischen Gerichten und bei Gerichten des Vereinigten Königreichs verschiedene Klagen anhängig gemacht.

a) Von den Schiffseignern erhobene Klagen

6 Im ersten Verfahren erhoben die Schiffseigner am 18. November 1988 gegen die Gruppen 1 und 3 mit Ausnahme von Phibro bei der Arrondissementsrechtbank Rotterdam Klage auf Feststellung, daß sie für die angebliche Verunreinigung nicht oder nicht voll haftbar sind.

7 Die zur Gruppe 1 gehörenden Eigentümer wurden gemäß Artikel 2 des Übereinkommens, die zur Gruppe 3 gehörenden gemäß Artikel 6 Nr. 1 des Übereinkommens vor der Arrondissementsrechtbank Rotterdam verklagt.

8 Im Jahr 1988 erhoben die Schiffseigner keine Klage gegen die Gruppe 2 (Phibro). Erst am 18. September 1989 erhoben sie in den Niederlanden eine getrennte Klage auf Feststellung, daß sie für die Verunreinigung der der Gruppe 2 in Rotterdam gelieferten Ladung nicht haftbar sind. Diese Klage wurde gegen die Vertreter von Phibro in Rotterdam erhoben, die die Konnossemente für Rechnung dieser Firma vorgelegt hatten.

9 Am 26. Oktober 1990 erhoben die Schiffseigner in den Niederlanden mehrere Klagen auf Beschränkung ihrer Haftung hinsichtlich der gesamten Ladung. Diese Klagen wurden gemäß dem Internationalen Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen vom 10. Oktober 1957 (International Transport Treaties, Suppl. 1-10 [Januar 1986], S. 81) erhoben.

b) Von den Eigentümern der Ladung erhobene Klagen

10 Die Gruppen 2 und 3 der Eigentümer der Ladung machten gegen die Schiffseigner wegen Ersatzes ihres angeblichen Schadens folgende Verfahren anhängig.

11 Nach einem erfolglosen Versuch, die Tatry in Hamburg mit Arrest belegen zu lassen, erhob die Gruppe 3 beim High Court of Justice, Queen' s Bench Division, Admiralty Court, eine dingliche Klage ("action in rem"; nachstehend: Folio 2006) gegen die Tatry und das Schiff Maciej Rataj, das ebenfalls den Eigentümern des Schiffes Tatry gehört. Die Klage wurde der Maciej Rataj am 15. September 1989 in Liverpool zugestellt; das Schiff wurde mit Arrest belegt. Anschließend bestätigten die Schiffseigner die Zustellung und erlangten durch Stellung einer Sicherheit die Aufhebung des Arrests. Das Verfahren wurde nach englischem Recht fortgesetzt. Nach diesem Recht bestehen jedoch Zweifel daran, ob die Klage in einem solchen Fall ausschließlich als persönliche Klage oder sowohl als dingliche wie als persönliche Klage ("action in personam") weiterverfolgt wird.

12 Die Gruppe 2 (Phibro) erhob bei dem gleichen Gericht des Vereinigten Königreichs eine dingliche Klage (nachstehend: Folio 2007) gegen das Schiff Maciej Rataj. Die Klage wurde der Maciej Rataj am 15. September 1989 in Liverpool zugestellt; das Schiff wurde ebenfalls mit Arrest belegt. Folio 2007 durchlief dasselbe Verfahren wie Folio 2006.

13 Bei der Belegung der Maciej Rataj mit Arrest gründete der Admiralty Court seine Zuständigkeit auf die Sections 20 bis 24 des Supreme Court Act 1981, die das am 10. Mai 1952 in Brüssel unterzeichnete Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe (International Transport Treaties, Suppl. 12 [Mai 1988], S. I-68, nachstehend: Arrest-Übereinkommen), dem auch das Königreich der Niederlande beigetreten ist, durchführen.

14 Im übrigen reichten die Gruppen 2 und 3 (mit Ausnahme von Phibro) vorsorglich für den Fall, daß sich die englischen Gerichte für unzuständig erklären sollten, am 29. September und am 3. Oktober 1989 Klagen in den Niederlanden ein.

15 Die Gruppe 1 erhob keine Klage bei den englischen Gerichten. Sie erhob jedoch am 29. September 1989 in den Niederlanden eine Schadensersatzklage gegen die Eigentümer des Schiffes.

16 Im Rahmen von Folio 2006 beantragten die Schiffseigner beim Admiralty Court, sich gemäß dem die Rechtshängigkeit betreffenden Artikel 21 des Übereinkommens oder hilfsweise gemäß Artikel 22, der im Zusammenhang stehende Verfahren betrifft, zugunsten des niederländischen Gerichts für unzuständig zu erklären. Im Rahmen von Folio 2007 räumten sie ein, der Admiralty Court sei zuerst angerufen worden, und beriefen sich nicht auf Artikel 21 des Übereinkommens, beantragten jedoch, der Admiralty Court solle sich gemäß Artikel 22 für unzuständig erklären.

17 Der Admiralty Court entschied zunächst, daß er nicht verpflichtet sei, sich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens für unzuständig zu erklären oder das Verfahren auszusetzen, da diese Bestimmung aus folgenden Gründen nicht anwendbar sei:

a) im Rahmen von Folio 2006, da dieses Verfahren und die zuvor in den Niederlanden erhobene Klage nicht denselben Anspruch beträfen, weil das englische Verfahren auf Ersatz des den Eigentümern der Ladung angeblich entstandenen Schadens gerichtet sei, während das niederländische Verfahren weder auf den Schutz noch auf die Durchsetzung eines Anspruchs, sondern auf die Feststellung gerichtet sei, daß die Eigentümer der Ladung gegenüber den Schiffseignern keinen Schadensersatzanspruch hätten;

b) im Rahmen von Folio 2007, da die Gruppe 2 nicht Partei des in den Niederlanden anhängig gemachten Verfahrens sei.

18 Der Admiralty Court räumte ein, Folio 2006 und Folio 2007 einerseits und das in den Niederlanden anhängig gemachte Verfahren andererseits ständen miteinander im Zusammenhang. Er beschloß dennoch, sich in den beiden bei ihm anhängigen Verfahren weder für unzuständig zu erklären noch das Verfahren auszusetzen.

19 Die Schiffseigner legten gegen diese Entscheidung Rechtsmittel zum Court of Appeal ein.

20 Der Court of Appeal bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung nicht; er war der Auffassung, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge insbesondere von der Auslegung der Artikel 21, 22 und 57 des Übereinkommens ab. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Müssen sich in dem Fall, daß eine Klage in einem Vertragsstaat anhängig gemacht wird, die denselben Anspruch betrifft wie eine zuvor in einem anderen Vertragsstaat anhängig gemachte Klage, die Gerichte des Vertragsstaats, die später angerufen wurden, gemäß Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (in der geänderten Fassung)

a) nur dann, wenn die Parteien beider Verfahren völlig identisch sind, oder

b) nur dann, wenn alle Parteien des Verfahrens vor den Gerichten des Vertragsstaats, die später angerufen wurden, auch Parteien des Verfahrens vor den Gerichten des Vertragsstaats sind, die zuerst angerufen wurden, oder

c) wenn mindestens einer der Kläger und einer der Beklagten in dem Verfahren vor den Gerichten des Vertragsstaats, die später angerufen wurden, auch Parteien des Verfahrens vor den Gerichten des Vertragsstaats sind, die zuerst angerufen wurden, oder

d) wenn die Parteien beider Verfahren im wesentlichen dieselben sind,

für unzuständig erklären?

2) Betrifft, wenn Waren auf dem Seeweg befördert und in angeblich beschädigtem Zustand abgeladen worden sind, eine Klage der Eigentümer der Ladung in einem Vertragsstaat wegen dieser angeblichen Beschädigung, die zunächst als dingliche Klage gegen das Frachtschiff oder eines von dessen Schwesterschiffen aufgrund der Seegerichtsbarkeit des Vereinigten Königreichs erhoben wurde, dieselben Parteien und denselben Anspruch im Sinne des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens (in der geänderten Fassung) wie eine zuvor in einem anderen Vertragsstaat von dem Schiffseigner gegen die Eigentümer der Ladung wegen dieser angeblichen Beschädigung erhobene persönliche Klage, wenn der Schiffseigner die Zustellung bestätigt und nach Stellung einer Sicherheit die Aufhebung des Arrests des Schiffs erlangt und hiernach

a) sowohl die seerechtliche dingliche Klage als auch die seerechtliche persönliche Klage weiterverfolgt oder

b) nur die seerechtliche persönliche Klage weiterverfolgt?

3) Dürfen in einem Vertragsstaat, der Partei des Brüsseler Übereinkommens über den Arrest in Seeschiffe von 1952 ist und dessen sachliche Zuständigkeit mit dem Arrest in ein Seeschiff nach dem Arrest-Übereinkommen von den Eigentümern der Ladung wegen Verlusten aufgrund der Löschung der Ladung in angeblich beschädigtem Zustand geltend gemacht wurde, die Gerichte des Staates, deren sachliche Zuständigkeit durch den Arrest begründet wurde, diese Zuständigkeit insoweit, als zuvor von dem Schiffseigner eine Klage gegen die Eigentümer der Ladung wegen dieser angeblichen Beschädigung in einem anderen Vertragsstaat anhängig gemacht wurde, gemäß Artikel 57 des Brüsseler Übereinkommens (in der durch Artikel 25 Absatz 2 des Beitrittsübereinkommens geänderten Fassung) weiterhin für sich in Anspruch nehmen, wenn

a) es sich bei beiden Klagen im Sinne des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (in der geänderten Fassung) um Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien handelt oder

b) beide Klagen im Sinne des Artikels 22 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (in der geänderten Fassung) "im Zusammenhang stehen" und es sonst angemessen wäre, daß das später angerufene Gericht sich nach dieser Vorschrift für unzuständig erklärt oder das Verfahren aussetzt?

4) Im Hinblick auf Artikel 22 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (in der geänderten Fassung):

a) Enthält Artikel 22 Absatz 3 eine abschließende Definition von "Klagen, die im Zusammenhang stehen"?

b) Muß, damit sich die Gerichte eines Vertragsstaats gemäß Artikel 22 für unzuständig erklären oder das Verfahren aussetzen, die Gefahr bestehen, daß sich bei getrennter Verhandlung und Entscheidung über die beiden Klagen Rechtsfolgen ergeben, die sich gegenseitig ausschließen?

c) Könnte, wenn in einem Vertragsstaat eine Gruppe von Eigentümern einer Schiffsladung gegen einen Schiffseigner wegen Beschädigung ihres aufgrund besonderer Beförderungsverträge beförderten Teils einer Bulkladung Klage erhoben und ein Eigentümer eines anderen Teils der Ladung in einem anderen Vertragsstaat gegen denselben Schiffseigner eine auf im wesentlichen identische tatsächliche und rechtliche Gründe gestützte selbständige Klage wegen Beschädigung seines aufgrund getrennter Beförderungsverträge, aber zu gleichen Bedingungen beförderten Teils derselben Bulkladung erhebt, bei getrennter Verhandlung und Entscheidung über diese Klagen die Gefahr bestehen, daß sich die Rechtsfolgen der betreffenden Entscheidungen gegenseitig ausschließen, oder sind sie auf andere Weise im Sinne von Artikel 22 Klagen, die im Zusammenhang stehen?

5) Betrifft, wenn Waren auf dem Seeweg befördert und in angeblich beschädigtem Zustand abgeladen worden sind, in dem Fall, daß

(i) der Schiffseigner in einem Vertragsstaat Klage auf Feststellung erhebt, daß er für diesen angeblichen Schaden gegenüber den Eigentümern der Ladung nicht haftbar ist, und

(ii) die Eigentümer der Ladung später in einem anderen Vertragsstaat eine Klage erheben, mit der sie von dem Schiffseigner Schadensersatz wegen fahrlässiger Schädigung und/oder Vertragsverletzung und/oder Pflichtverletzung im Hinblick auf diese angebliche Beschädigung ihrer Ladung fordern,

die letztgenannte Klage im Sinne des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (in der geänderten Fassung) denselben Anspruch wie die erstgenannte Klage, so daß sich die Gerichte des letztgenannten Vertragsstaats gemäß Artikel 21 für unzuständig erklären müssen?

21 Wegen des zwischen den verschiedenen vorgelegten Fragen bestehenden Zusammenhangs ist an erster Stelle die dritte Frage zu untersuchen, die den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens einerseits und der besonderen Übereinkommen andererseits betrifft. Anschließend werden die erste, die fünfte und die zweite Frage untersucht, die sämtlich auf die Auslegung des die Rechtshängigkeit betreffenden Artikels 21 des Übereinkommens gerichtet sind. An letzter Stelle wird die vierte Frage geprüft, die auf die Auslegung des Artikels 22 des Übereinkommens gerichtet ist, der im Zusammenhang stehende Verfahren betrifft.

Zur dritten Frage

22 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 57 des Übereinkommens in der Fassung des Beitrittsübereinkommens dahin auszulegen ist, daß, wenn ein Vertragsstaat auch Partei eines anderen Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, das Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit enthält, dieses besondere Übereinkommen ausser in ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen immer die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens ausschließt, oder aber dahin, daß dieses besondere Übereinkommen die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens nur in den in ihm selbst geregelten Fällen und nicht in den Fällen, die es nicht regelt, ausschließt.

23 Artikel 57 des Übereinkommens bestimmt in der durch Artikel 25 Absatz 1 des Beitrittsübereinkommens geänderten Fassung folgendes:

"Dieses Übereinkommen lässt Übereinkommen unberührt, denen die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen regeln.

Es berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten einzelstaatlichen Recht enthalten sind."

24 Es ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 57 eine Ausnahme von dem Grundsatz vorsieht, daß das Übereinkommen Vorrang vor anderen von den Vertragsstaaten geschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen hat. Der Zweck dieser Ausnahme besteht darin, die Beachtung der in besonderen Übereinkommen enthaltenen Zuständigkeitsregeln zu gewährleisten, da diese Regeln unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsgebiete, auf die sie sich beziehen, aufgestellt wurden.

25 Im Hinblick auf diesen Zweck ist Artikel 57 dahin zu verstehen, daß er die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens nur in bezug auf Fragen ausschließt, die durch ein besonderes Übereinkommen geregelt sind. Eine andere Auslegung wäre nicht mit dem Zweck des Übereinkommens vereinbar, der gemäß dessen Begründungserwägungen darin besteht, innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken und die Anerkennung von Entscheidungen zu erleichtern, um ihre Vollstreckung sicherzustellen. Demgemäß sind die Artikel 21 und 22 des Brüsseler Übereinkommens anwendbar, wenn ein besonderes Übereinkommen zwar bestimmte Zuständigkeitsregeln, jedoch keine Bestimmung über die Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren enthält.

26 Die Eigentümer der Ladung machen geltend, das Arrest-Übereinkommen enthalte in Artikel 3 Absatz 3, wonach ein Schiff "[w]egen derselben Seeforderung desselben Gläubigers... im Hoheitsbereich eines oder mehrerer Vertragsstaaten nur einmal mit Arrest belegt werden" dürfe, Bestimmungen über die Rechtshängigkeit.

27 Diesem Vorbringen der Eigentümer der Ladung ist nicht zu folgen. Artikel 3 Absatz 3 des Arrest-Übereinkommens verbietet im Fall eines zuvor im Hoheitsbereich eines Vertragsstaats angeordneten Arrestes einen zweiten Arrest durch denselben Gläubiger wegen derselben Seeforderung insbesondere in einem anderen Vertragsstaat. Ein solches Verbot hat mit dem Begriff der Rechtshängigkeit im Sinne des Artikels 21 des Brüsseler Übereinkommens nichts zu tun. Diese Bestimmung betrifft nämlich den Fall der Anrufung von zwei gleichermassen zuständigen Gerichten und regelt nur die Frage, welches dieser beiden Gerichte sich letztlich für unzuständig zu erklären hat.

28 Auf die dritte Frage ist demgemäß zu antworten, daß Artikel 57 des Übereinkommens in der Fassung des Beitrittsübereinkommens dahin auszulegen ist, daß, wenn ein Vertragsstaat auch Partei eines anderen Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, das Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit enthält, dieses besondere Übereinkommen die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens nur in den in dem besonderen Übereinkommen geregelten Fällen und nicht in den Fällen, die dieses nicht regelt, ausschließt.

Zur ersten Frage

29 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 21 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß er auf den Fall anwendbar ist, daß zwei Klagen denselben Anspruch betreffen und daß zwar keine vollständige, aber insofern eine teilweise Identität der Parteien vorliegt, als mindestens einer der Kläger und mindestens einer der Beklagten des ersten Verfahrens auch zu den Klägern und Beklagten des zweiten Verfahrens gehört oder umgekehrt.

30 Die Frage betrifft den Begriff "dieselben Parteien" im Sinne des Artikels 21, dessen Anwendung voraussetzt, daß die beiden Klagen zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. Dezember 1987 in der Rechtssache 144/86 (Gubisch Maschinenfabrik, Slg. 1987, 4861, Randnr. 11) festgestellt hat, müssen die in Artikel 21 zur Umschreibung der Rechtshängigkeit verwendeten Begriffe als autonom verstanden werden.

31 Ausserdem ergibt sich, wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (Nr. 14) ausgeführt hat, aus demselben Urteil implizit, daß die Identität der Parteien unabhängig von ihrer jeweiligen Stellung in den beiden Verfahren zu verstehen ist, so daß der Kläger des ersten Verfahrens Beklagter des zweiten Verfahrens sein kann.

32 Der Gerichtshof hat in demselben Urteil (Randnr. 8) darauf hingewiesen, daß Artikel 21 zusammen mit dem den Sachzusammenhang betreffenden Artikel 22 zum 8. Abschnitt des Titels II des Übereinkommens gehört; dieser Abschnitt soll im Interesse einer geordneten Rechtspflege in der Gemeinschaft Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten und daraus möglicherweise resultierende gegensätzliche Entscheidungen verhindern. Diese Regelung soll mithin, soweit wie möglich, von vornherein eine Situation ausschließen, wie sie in Artikel 27 Nr. 3 geregelt ist, nämlich die Nichtanerkennung einer Entscheidung wegen Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist.

33 Angesichts des Wortlauts des Artikels 21 des Übereinkommens und des oben dargestellten Zwecks ist dieser Artikel dahin auszulegen, daß er als Voraussetzung für die Verpflichtung des später angerufenen Gerichts, sich für unzuständig zu erklären, verlangt, daß die Parteien in beiden Verfahren identisch sind.

34 In Fällen, in denen die Parteien teilweise mit Parteien eines früher anhängig gemachten Verfahrens übereinstimmen, verpflichtet Artikel 21 das später angerufene Gericht demzufolge nur insoweit, sich für unzuständig zu erklären, als die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auch Parteien des vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats früher anhängig gemachten Verfahrens sind; er schließt nicht aus, daß das Verfahren zwischen den anderen Parteien fortgesetzt wird.

35 Zwar führt diese Auslegung des Artikels 21 zu einer Aufspaltung des Rechtsstreits. Artikel 22 mildert diesen Nachteil jedoch ab, denn er ermächtigt das später angerufene Gericht, wegen des Zusammenhangs zwischen den Verfahren die Entscheidung auszusetzen oder sich für unzuständig zu erklären, wenn die in ihm vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen.

36 Auf die erste Frage ist demgemäß zu antworten, daß Artikel 21 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß das später angerufene Gericht in dem Fall, daß zwei Klagen denselben Anspruch betreffen und die Parteien des zweiten Verfahrens nur teilweise mit den Parteien des in einem anderen Vertragsstaat früher anhängig gemachten Verfahrens übereinstimmen, nur insoweit verpflichtet ist, sich für unzuständig zu erklären, als die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auch Parteien des früher anhängig gemachten Verfahrens sind; er steht der Fortsetzung des Verfahrens zwischen den anderen Parteien nicht entgegen.

Zur fünften Frage

37 Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 21 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß eine Klage, die auf die Feststellung, daß der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft, wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, daß er für diesen Schaden nicht haftet.

38 Einleitend ist darauf hinzuweisen, daß die englische Fassung des Artikels 21 nicht ausdrücklich zwischen den Begriffen Gegenstand und Grundlage des Anspruchs unterscheidet; sie ist jedoch im gleichen Sinn zu verstehen wie die meisten anderen Sprachfassungen, die diese Unterscheidung enthalten (Urteil Gubisch Maschinenfabrik, a. a. O., Randnr. 14).

39 Im Sinne des Artikels 21 des Übereinkommens umfasst die "Grundlage" des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird.

40 Eine Klage auf Feststellung, nicht haftbar zu sein, wie die im Ausgangsverfahren von den Schiffseignern erhobene Klage, und eine andere Klage, wie die später von den Eigentümern der Ladung aufgrund getrennter, jedoch gleichlautender Beförderungsverträge erhobene Klage, die dieselbe Bulkladung betreffen, die unter denselben Umständen beschädigt wurde, haben demgemäß dieselbe Grundlage.

41 Was den "Gegenstand" im Sinne des Artikels 21 betrifft, so besteht dieser in dem Zweck der Klage.

42 Es stellt sich somit die Frage, ob zwei Klagen denselben Gegenstand haben, wenn die erste auf die Feststellung gerichtet ist, daß der Kläger für einen von den Beklagten behaupteten Schaden nicht haftet, während die zweite, später von letzteren erhobene Klage im Gegensatz dazu auf die Feststellung, daß der Kläger des ersten Verfahrens für den Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist.

43 Was den Teil betrifft, in dem die Feststellung der Haftung begehrt wird, hat die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder des Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt beider Verfahren steht. Der Umstand, daß die Anträge des Klägers im Fall der ersten Klage negativ formuliert sind, während sie in der zweiten Klage von dem hier zum Kläger gewordenen Beklagten positiv formuliert sind, bewirkt nicht, daß die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten.

44 Hinsichtlich des Teils, der auf Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, stellt der Antrag in der zweiten Klage die natürliche Folge des Antrags auf Feststellung der Haftung dar und verändert somit den Hauptgegenstand der Klage nicht. Im übrigen ergibt sich aus dem Antrag einer Partei, festzustellen, daß sie für einen Schaden nicht haftet, implizit, daß sie das Bestehen einer Schadensersatzpflicht bestreitet.

45 Auf die fünfte Frage ist demgemäß zu antworten, daß Artikel 21 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß eine Klage, die auf die Feststellung, daß der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, daß er für diesen Schaden nicht haftet.

Zur zweiten Frage

46 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich bei einer später erhobenen Klage um eine Klage wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien wie eine früher erhobene Klage handelt, wenn die erste, von einem Schiffseigner vor einem Gericht eines Vertragsstaats erhobene Klage eine persönliche Klage auf Feststellung ist, daß dieser Schiffseigner für eine angebliche Beschädigung der mit seinem Schiff beförderten Ladung nicht haftet, während die später erhobene Klage vom Eigentümer der Ladung vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats in Form einer dinglichen Klage, die ein mit Arrest belegtes Schiff betrifft, anhängig gemacht und anschließend gemäß den Unterscheidungen im nationalen Recht dieses anderen Vertragsstaats entweder sowohl als dingliche wie als persönliche Klage oder ausschließlich als persönliche Klage weiterverfolgt worden ist.

47 Es ist daran zu erinnern, daß die Begriffe "derselbe Anspruch" und "dieselben Parteien" autonom zu verstehen sind (Urteil Gubisch Maschinenfabrik, a. a. O., Randnr. 11). Sie sind also unabhängig von den Besonderheiten des in den einzelnen Vertragsstaaten geltenden Rechts auszulegen. Hieraus folgt, daß die im Recht eines Vertragsstaats getroffene Unterscheidung zwischen dinglichen und persönlichen Klagen für die Auslegung des Artikels 21 unerheblich ist.

48 Auf die zweite Frage ist demgemäß zu antworten, daß eine später erhobene Klage nicht aufhört, eine Klage wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien zu sein wie eine früher anhängig gemachte Klage, wenn die erste, von einem Schiffseigner vor einem Gericht eines Vertragsstaats erhobene Klage eine persönliche Klage auf Feststellung ist, daß dieser Schiffseigner für eine angebliche Beschädigung der mit seinem Schiff beförderten Ladung nicht haftet, während die später erhobene Klage vom Eigentümer der Ladung vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats in Form einer dinglichen Klage, die ein mit Arrest belegtes Schiff betrifft, anhängig gemacht und anschließend gemäß den Unterscheidungen im nationalen Recht dieses anderen Vertragsstaats entweder sowohl als dingliche wie als persönliche Klage oder ausschließlich als persönliche Klage weiterverfolgt worden ist.

Zur vierten Frage

49 Mit seiner vierten Frage möchte das nationale Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 22 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß es, wenn einerseits in einem Vertragsstaat eine Gruppe von Eigentümern einer Schiffsladung gegen einen Schiffseigner Klage erhebt auf Ersatz eines Schadens, der angeblich an einem Teil der aufgrund getrennter, jedoch gleicher Verträge beförderten Bulkladung entstanden ist, und andererseits in einem anderen Vertragsstaat die Eigentümer eines anderen Teils der Ladung, der unter den gleichen Bedingungen und aufgrund von getrennten, jedoch gleichen Verträgen wie den Verträgen zwischen der ersten Gruppe und dem Schiffseigner befördert worden ist, gegen denselben Schiffseigner Klage auf Schadensersatz erheben, für das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen diesen beiden Klagen ausreichend ist, daß bei getrennter Verhandlung und Entscheidung die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, ohne daß es erforderlich wäre, daß die Gefahr sich gegenseitig ausschließender Rechtsfolgen besteht.

50 Diese Frage stellt sich offensichtlich nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 21 des Übereinkommens nicht erfuellt sind.

51 Gemäß Artikel 22 Absatz 3 "stehen [Klagen] im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, daß eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten".

52 Zweck dieser Bestimmung ist die Vermeidung gegensätzlicher Entscheidungen und somit die Sicherung einer geordneten Rechtspflege in der Gemeinschaft (siehe Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. 1979, C 59, S. 1, 41). Da ausserdem der Ausdruck "Zusammenhang" nicht in allen Vertragsstaaten die gleiche Bedeutung hat, enthält Artikel 22 Absatz 3 eine Begriffsbestimmung (a. a. O., S. 42). Hieraus folgt, daß die in dieser Bestimmung enthaltene Definition des Begriffs des Zusammenhangs autonom auszulegen ist.

53 Im Interesse einer geordneten Rechtspflege muß diese Auslegung weit sein und alle Fälle erfassen, in denen die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, selbst wenn die Entscheidungen getrennt vollstreckt werden können und sich ihre Rechtsfolgen nicht gegenseitig ausschließen.

54 Nach Ansicht der Eigentümer der Ladung und der Kommission ist der in Artikel 22 Absatz 3 und in Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens enthaltene Begriff "irreconcilable"(1) in den beiden Bestimmungen im gleichen Sinn und somit als Kennzeichnung von Entscheidungen zu verstehen, deren Rechtsfolgen sich im Sinne des Urteils vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 145/86 (Hoffmann, Slg. 1988, 645, Randnr. 22) gegenseitig ausschließen. Sie verweisen darauf, daß der Gerichtshof in diesem Urteil (Randnr. 25) festgestellt habe, daß eine ausländische Entscheidung, durch die ein Ehegatte verpflichtet werde, dem anderen Ehegatten aufgrund seiner aus der Ehe resultierenden Verpflichtung Unterhalt zu gewähren, im Sinne von Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens mit einer inländischen Entscheidung unvereinbar sei, durch die die betreffende Ehe geschieden worden sei.

55 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen. Die Zwecke der beiden Bestimmungen sind nämlich verschieden. Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens gibt dem Gericht in Abweichung von den Grundsätzen und Zielen des Übereinkommens die Möglichkeit, die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung zu versagen. Folglich ist der dort verwendete Begriff der "Entscheidung", die "unvereinbar" ist, im Hinblick auf diesen Zweck auszulegen. Artikel 22 des Übereinkommens bezweckt hingegen, wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (Nr. 28) ausgeführt hat, eine bessere Koordinierung der Rechtsprechungstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu verwirklichen und die Inkohärenz von Entscheidungen und den Widerspruch zwischen Entscheidungen zu vermeiden, selbst wenn diese getrennt vollstreckt werden können.

56 Diese Auslegung wird durch den Umstand bekräftigt, daß in der deutschen und der italienischen Fassung des Übereinkommens in Artikel 22 Absatz 3 andere Begriffe verwendet werden als in Artikel 27 Nr. 3.

57 Es ist somit festzustellen, daß der Begriff "widersprechend" in Artikel 22 Absatz 3 des Übereinkommens eine andere Bedeutung hat als der Begriff "unvereinbar" in Artikel 27 Nr. 3 des Übereinkommens.

58 Auf die vierte Frage ist demgemäß zu antworten, daß Artikel 22 des Übereinkommens dahin auszulegen ist, daß es, wenn einerseits in einem Vertragsstaat eine Gruppe von Eigentümern einer Schiffsladung gegen einen Schiffseigner Klage erhebt auf Ersatz eines Schadens, der angeblich an einem Teil der aufgrund getrennter, jedoch gleicher Verträge beförderten Bulkladung entstanden ist, und andererseits in einem anderen Vertragsstaat die Eigentümer eines anderen Teils der Ladung, der unter den gleichen Bedingungen und aufgrund von getrennten, jedoch gleichen Verträgen wie den Verträgen zwischen der ersten Gruppe und dem Schiffseigner befördert worden ist, gegen denselben Schiffseigner Klage auf Schadensersatz erheben, für das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen diesen beiden Klagen ausreichend ist, daß bei getrennter Verhandlung und Entscheidung die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, ohne daß es erforderlich wäre, daß die Gefahr sich gegenseitig ausschließender Rechtsfolgen besteht.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Court of Appeal mit Beschluß vom 5. Juni 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 57 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland ist dahin auszulegen, daß, wenn ein Vertragsstaat auch Partei eines anderen Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet ist, das Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit enthält, dieses besondere Übereinkommen die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens nur in den in dem besonderen Übereinkommen geregelten Fällen und nicht in den Fällen, die dieses nicht regelt, ausschließt.

2) Artikel 21 des Übereinkommens ist dahin auszulegen, daß das später angerufene Gericht in dem Fall, daß zwei Klagen denselben Anspruch betreffen und die Parteien des zweiten Verfahrens nur teilweise mit den Parteien des in einem anderen Vertragsstaat früher anhängig gemachten Verfahrens übereinstimmen, nur insoweit verpflichtet ist, sich für unzuständig zu erklären, als die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auch Parteien des früher anhängig gemachten Verfahrens sind; er steht der Fortsetzung des Verfahrens zwischen den anderen Parteien nicht entgegen.

3) Artikel 21 des Übereinkommens ist dahin auszulegen, daß eine Klage, die auf die Feststellung, daß der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, daß er für diesen Schaden nicht haftet.

4) Eine später erhobene Klage hört nicht auf, eine Klage desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien zu sein wie eine früher anhängig gemachte Klage, wenn die erste, von einem Schiffseigner vor einem Gericht eines Vertragsstaats erhobene Klage eine persönliche Klage auf Feststellung ist, daß dieser Schiffseigner für eine angebliche Beschädigung der mit seinem Schiff beförderten Ladung nicht haftet, während die später erhobene Klage vom Eigentümer der Ladung vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats in Form einer dinglichen Klage, die ein mit Arrest belegtes Schiff betrifft, anhängig gemacht und anschließend gemäß den Unterscheidungen im nationalen Recht dieses anderen Vertragsstaats entweder sowohl als dingliche wie als persönliche Klage oder ausschließlich als persönliche Klage weiterverfolgt worden ist.

5) Artikel 22 des Brüsseler Übereinkommens ist dahin auszulegen, daß es, wenn einerseits in einem Vertragsstaat eine Gruppe von Eigentümern einer Schiffsladung gegen einen Schiffseigner Klage erhebt auf Ersatz eines Schadens, der angeblich an einem Teil der aufgrund getrennter, jedoch gleicher Verträge beförderten Bulkladung entstanden ist, und andererseits in einem anderen Vertragsstaat die Eigentümer eines anderen Teils der Ladung, der unter den gleichen Bedingungen und aufgrund von getrennten, jedoch gleichen Verträgen wie den Verträgen zwischen der ersten Gruppe und dem Schiffseigner befördert worden ist, gegen denselben Schiffseigner Klage auf Schadensersatz erheben, für das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen diesen beiden Klagen ausreichend ist, daß bei getrennter Verhandlung und Entscheidung die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, ohne daß es erforderlich wäre, daß die Gefahr sich gegenseitig ausschließender Rechtsfolgen besteht.

Ende der Entscheidung

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