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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 03.05.1993
Aktenzeichen: C-424/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Beschluss zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 175 Abs. 3
Beschluss zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Art. 3 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Klage einer natürlichen oder juristischen Person gemäß Artikel 175 Absatz 3 EWG-Vertrag, die die Anwendung des Artikels 90 EWG-Vertrag zum Gegenstand hat, fällt gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Beschlusses 88/591 des Rates zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz in die Zuständigkeit dieses Gerichts. Obgleich Artikel 90 Absatz 1 und die allgemeinen Regeln, die die Kommission gemäß Absatz 3 aufstellen kann, Verpflichtungen der Mitgliedstaaten festlegen, dienen diese Bestimmungen der Durchführung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsvorschriften, denn sie verbieten den Erlaß oder die Beibehaltung staatlicher Regelungen, die die Anwendung dieser Vorschriften auf Unternehmen mit einer Sonderstellung beeinträchtigen könnten.

Wird eine solche Klage beim Gerichtshof erhoben, so hat er sie gemäß Artikel 47 Absatz 2 seiner EWG-Satzung an das Gericht erster Instanz zu verweisen.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 3. MAI 1993. - LADBROKE RACING LTD GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ZUSTAENDIGKEIT. - RECHTSSACHE C-424/92.

Entscheidungsgründe:

1 Die Ladbroke Racing Ltd hat mit Klageschrift, die am 21. Dezember 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 175 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß es die Kommission unter Verletzung des Vertrages unterlassen hat, zu der von der Klägerin eingereichten Beschwerde, die auf Unterbindung bestimmter Verstösse gegen mehrere Vertragsbestimmungen gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag gerichtet war, und insbesondere zum Antrag der Klägerin Stellung zu nehmen, ihr ein Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 sowie ein entsprechendes, das erbetene Tätigwerden nach Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag betreffendes Schreiben zu übermitteln.

2 Die Klägerin hat eine gleichlautende Klage vor dem Gericht erster Instanz erhoben (Rechtssache T-110/92).

3 Mit am 10. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission beantragt, der Gerichtshof möge sich hinsichtlich des Teils der Klage, der die Verordnungen Nr. 17/62 und Nr. 99/63 betrifft, zugunsten des Gerichts erster Instanz für unzuständig erklären und den sich auf Artikel 90 beziehenden Teil der Klage als unzulässig abweisen.

4 Mit am 15. März 1993 bei der Kanzlei eingegangenem Schreiben hat die Klägerin beantragt, der Gerichtshof möge sich für die Entscheidung über die gesamte Klage einschließlich des sich auf die Verordnung Nr. 17/62 beziehenden Teils für zuständig erklären und ihr für die Einreichung ihrer Stellungnahme zur von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit eine Fristverlängerung einräumen. Diese Stellungnahme ist am 15. April 1993 eingegangen.

5 Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1, im folgenden: Beschluß des Rates) übt das Gericht bei Klagen, die von natürlichen oder juristischen Personen gemäß Artikel 175 Absatz 3 EWG-Vertrag gegen ein Organ der Gemeinschaften erhoben werden und die Anwendung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsvorschriften zum Gegenstand haben, im ersten Rechtszug die Zuständigkeiten aus, die dem Gerichtshof durch die Verträge zur Gründung der Gemeinschaften und die zur Durchführung dieser Verträge erlassenen Rechtsakte übertragen worden sind.

6 Nach Auffassung der Kommission ist der Gerichtshof für die Entscheidung über die Klage zuständig, soweit sich diese auf Artikel 90 EWG-Vertrag bezieht. Sie räumt ein, daß der Gerichtshof hierüber bereits in anderem Sinne entschieden habe (Beschluß vom 4. Juni 1991 in der Rechtssache C-66/90, Koninklijke PTT Nederland NV und PTT Post BV/Kommission, Slg. 1991, I-2723), ersucht ihn jedoch um Überprüfung seines Standpunktes.

7 Zur Begründung verweist die Kommission darauf, daß Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag den Mitgliedstaaten verbiete, in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewährten, dem Vertrag widersprechende Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, und daß Absatz 3 die Kommission ermächtige, allgemeine Regeln aufzustellen, um die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die in Artikel 90 genannten Arten von Unternehmen näher zu umschreiben. Diese Bestimmungen bezögen sich deshalb nicht auf das Verhalten von Unternehmen.

8 Dem ist nicht zu folgen.

9 Zunächst gehören diese Bestimmungen zu einem Abschnitt des Vertrages, der die Überschrift "Vorschriften für Unternehmen" trägt. Auf diese Vorschriften nimmt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Beschlusses des Rates Bezug.

10 Des weiteren legen zwar Artikel 90 Absatz 1 und die allgemeinen Regeln, die die Kommission gemäß Absatz 3 aufstellen kann, Verpflichtungen der Mitgliedstaaten fest, doch dienen diese Bestimmungen der Durchführung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsvorschriften, denn sie verbieten den Erlaß oder die Beibehaltung staatlicher Regelungen, die die Anwendung dieser Vorschriften auf Unternehmen mit einer Sonderstellung beeinträchtigten könnten.

11 Die Kommission macht ferner geltend, Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag könne als eine besondere Ausformung von Artikel 5 EWG-Vertrag angesehen werden und Artikel 90 Absatz 3 verfolge den gleichen Zweck wie Artikel 169 EWG-Vertrag. Die Auffassung, das Gericht erster Instanz sei für auf Artikel 90 gestützte Klagen, aber nicht für Klagen auf der Grundlage der Artikel 5 und 169 zuständig, führe zu dem wenig befriedigenden Ergebnis, daß sich die Zuständigkeit danach richte, ob es sich bei den von den fraglichen staatlichen Maßnahmen betroffenen Unternehmen um private oder öffentliche Unternehmen handele.

12 Dem ist ebenfalls nicht zu folgen.

13 Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Beschlusses des Rates fallen die Klagen nach Artikel 90 EWG-Vertrag nämlich nur insoweit in die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz, als sie von natürlichen oder juristischen Personen gemäß Artikel 173 Absatz 2 und Artikel 175 Absatz 3 EWG-Vertrag erhoben werden, während für die Klagen, die auf dieselbe Bestimmung gestützt, aber von einem Organ der Gemeinschaften oder einem Mitgliedstaat erhoben werden, der Gerichtshof zuständig bleibt.

14 Stellt der Gerichtshof fest, daß eine Klage in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, so verweist er den Rechtsstreit gemäß Artikel 47 Absatz 2 der EWG-Satzung des Gerichtshofes an das Gericht, das sich dann nicht für unzuständig erklären kann.

15 Da die Klage in der Rechtssache C-424/92 insgesamt gemäß Artikel 175 Absatz 3 EWG-Vertrag von einer juristischen Person gegen ein Organ der Gemeinschaften erhoben worden ist und die Anwendung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsvorschriften zum Gegenstand hat, die im Dritten Teil Titel I Kapitel 1 Abschnitt 1 des EWG-Vertrags enthalten sind, ist nach Artikel 47 Absatz 2 der EWG-Satzung festzustellen, daß sie in die Zuständigkeit des Gerichts fällt; die Klage ist daher an dieses zu verweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

1) Die Rechtssache C-424/92 (Ladbroke Racing Limited/Kommission der Europäischen Gemeinschaften) wird an das Gericht erster Instanz verwiesen.

2) Die Entscheidung über die Kosten bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 3. Mai 1993

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