Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: C-43/05
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 2000/78/EG


Vorschriften:

EG Art. 226
Richtlinie 2000/78/EG Art. 18
Richtlinie 2000/78/EG Art. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Vierte Kammer)

23. Februar 2006

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 2000/78/EG - Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - Nicht fristgerechte Umsetzung"

Parteien:

In der Rechtssache C-43/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 3. Februar 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch U. Forsthoff als Bevollmächtigten,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann sowie der Richterin N. Colneric und des Richters E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen aus Artikel 18 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) verletzt hat, indem sie bis zum 2. Dezember 2003 nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die notwendig sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, erlassen bzw. der Kommission diese Vorschriften nicht mitgeteilt hat. Sie fügt hinzu, dass diese Feststellung nicht die Bestimmungen der Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters betreffe.

2 Artikel 1 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

"Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten."

3 Artikel 18 der Richtlinie sieht vor:

"Umsetzung der Richtlinie

Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens zum 2. Dezember 2003 nachzukommen, oder können den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung der Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen. In diesem Fall gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Sozialpartner spätestens zum 2. Dezember 2003 im Weg einer Vereinbarung die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben; dabei haben die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Um besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, können die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls eine Zusatzfrist von drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003, d. h. insgesamt sechs Jahre, in Anspruch nehmen, um die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung umzusetzen. In diesem Fall setzen sie die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Ein Mitgliedstaat, der die Inanspruchnahme dieser Zusatzfrist beschließt, erstattet der Kommission jährlich Bericht über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten. Die Kommission erstattet dem Rat jährlich Bericht.

..."

4 Mit Schreiben vom 28. November 2003 teilte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission mit, dass sie beabsichtige, von der in Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2000/78 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, eine Verlängerung der Frist für die Umsetzung der Bestimmungen über die Diskriminierung wegen des Alters um drei Jahre in Anspruch zu nehmen.

5 Da die Frist für die Umsetzung der übrigen Bestimmungen der Richtlinie am 2. Dezember 2003 abgelaufen war, ohne dass ihr die zur Umsetzung dieser Bestimmungen in das deutsche Recht getroffenen Maßnahmen mitgeteilt worden wären, leitete die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren des Artikels 226 EG ein. Nachdem sie die Bundesrepublik Deutschland zur Äußerung aufgefordert hatte, gab sie am 7. Juli 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen.

6 Mit Schreiben vom 9. September 2004 teilte die deutsche Regierung der Kommission mit, dass ihr der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie in Kürze übermittelt werde.

7 Da die Kommission in der Folge keine weitere Information über die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht erhielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

8 Die deutsche Regierung weist in ihrer Klagebeantwortung auf die Umsetzungsmaßnahmen hin, die bereits getroffen worden seien. Sie kündigt an, dass die abschließenden Umsetzungsmaßnahmen gemeinsam mit der Umsetzung von drei anderen Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen durch ein "Gesetz zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien" erfolgen würden. Durch eine einheitliche Umsetzung könne ein in sich stimmiger Schutz vor Diskriminierungen besser verwirklicht werden als durch die isolierte Umsetzung der einzelnen Richtlinien.

9 Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 2002 in der Rechtssache C-173/01, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I-6129, Randnr. 7, und vom 8. September 2005 in der Rechtssache C-278/04, Kommission/Deutschland, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 7).

10 Die deutsche Regierung bestreitet nicht, dass die Richtlinie 2000/78 bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch nicht vollständig umgesetzt worden war.

11 Der Gerichtshof hat aber im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage festzustellen, ob die gerügte Vertragsverletzung tatsächlich vorliegt, auch soweit der betroffene Mitgliedstaat sie nicht bestreitet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C-439/99, Kommission/Italien, Slg. 2002, I-305, Randnr. 20).

12 Aus den von der deutschen Regierung angeführten Bestimmungen des nationalen Rechts ergibt sich, dass keiner der Artikel der Richtlinie zum maßgebenden Zeitpunkt vollständig umgesetzt worden war.

13 Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/78 verletzt hat, indem sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die notwendig sind, um dieser Richtlinie in Bezug auf die Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung sowie der sexuellen Ausrichtung nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

14 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verletzt, indem sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die notwendig sind, um dieser Richtlinie in Bezug auf die Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung sowie der sexuellen Ausrichtung nachzukommen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.



Ende der Entscheidung

Zurück