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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.07.1994
Aktenzeichen: C-432/92
Rechtsgebiete: Richtlinie 80/392/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 80/392/EWG Art. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens ist als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Zweck und die Art des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfuellung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängen.

Dies ist der Fall bei den Vorschriften des Protokolls über die Bestimmung des Begriffs "Waren mit Ursprung in..." oder "Ursprungswaren" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen, das sich im Anhang des Zusatzprotokolls zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern befindet, nach denen der Nachweis, daß Waren die Ursprungseigenschaft besitzen, durch eine von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung erbracht wird und diese Behörden insbesondere darauf zu achten haben, daß die entsprechenden Formblätter ordnungsgemäß ausgefuellt werden.

Diese Vorschriften über den Ursprung der Waren enthalten nämlich klare, eindeutige und unbedingte Verpflichtungen hinsichtlich der Ermittlung der Erzeugnisse, die unter das Abkommen fallen und damit eine Vorzugsbehandlung erfahren können.

2. Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern, das zusammen mit seinen Protokollen eine Vorzugsbehandlung von Zitrusfrüchten und Kartoffeln mit Ursprung in Zypern vorsieht, und insbesondere das Protokoll über die Bestimmung des Begriffs "Waren mit Ursprung in..." oder "Ursprungswaren" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen, das sich im Anhang des Zusatzprotokolls zum Abkommen befindet und nach dem der Nachweis, daß Waren die Ursprungseigenschaft besitzen, durch eine von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung erbracht wird, sind dahin auszulegen, daß sie die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daran hindern, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten und Kartoffeln aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns Verkehrsbescheinigungen anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

Es ist zwar richtig, daß die De-facto-Teilung des zypriotischen Hoheitsgebiets infolge des Eingreifens der türkischen Armee im Jahr 1974 in eine Zone, in der die Behörden der Republik Zypern ihre Befugnisse weiterhin in vollem Umfang ausüben, und eine Zone, in der sie sie de facto nicht ausüben können, im Rahmen der Anwendung des Assoziierungsabkommens auf ganz Zypern schwer lösbare Probleme aufwirft; daraus folgt jedoch nicht, daß man von den klaren, eindeutigen und unbedingten Bestimmungen des Protokolls über den Ursprung der Waren und die Zusammenarbeit der Verwaltungen abweichen dürfte.

Das System der Verkehrsbescheinigungen als Mittel zum Nachweis des Ursprungs der Waren beruht insoweit auf dem Grundsatz des institutionellen Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaats und des Einfuhrstaats. Die Anerkennung der Bescheinigungen durch die Zollbehörden des Einfuhrstaats zeigt, daß diese vollständiges Vertrauen in das von den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaats angewandte System der Prüfung des Warenursprungs haben. Sie zeigt auch, daß der Einfuhrstaat keine Zweifel daran hat, daß die nachträgliche Prüfung, die Konsultationen und die Lösung etwaiger Streitigkeiten über den Ursprung der Waren oder das Vorliegen von Betrügereien dank der Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Verwaltungen in wirksamer Weise erfolgen können.

Ein solches System kann somit nur funktionieren, wenn die Verfahren für die Zusammenarbeit der Verwaltungen strikt eingehalten werden. Eine solche Zusammenarbeit ist jedoch ausgeschlossen mit den Behörden eines Gebildes, wie es im Nordteil Zyperns besteht und das weder von der Gemeinschaft noch von den Mitgliedstaaten anerkannt wird, da diese keinen anderen zyprischen Staat als die Republik Zypern anerkennen.

Unter diesen Umständen würde die Zulassung von Verkehrsbescheinigungen, die nicht von der Republik Zypern ausgestellt wurden, mangels einer Möglichkeit zur Prüfung und zur Zusammenarbeit geradezu die Negation des Gegenstands und des Zwecks des durch das genannte Protokoll geschaffenen Systems darstellen.

Diese Feststellung kann weder durch den Grundsatz entkräftet werden, nach dem das Assoziierungsabkommen gemäß Artikel 5 in gleicher Weise auf die gesamte zyprische Bevölkerung anzuwenden ist, noch durch die von der Kommission und einigen Mitgliedstaaten nach der De-facto-Teilung des zypriotischen Hoheitsgebiets möglicherweise einseitig eingeführte Praxis.

3. Die Richtlinie 77/93 über den Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen in die Gemeinschaft, die eine gemeinsame Regelung einführt, durch die verhindert werden soll, daß Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse aus Drittländern in das Gebiet der Mitgliedstaaten verbracht werden, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfuellt sind, wobei eine dieser Voraussetzungen darin besteht, daß die fragliche Pflanze oder das fragliche Pflanzenerzeugnis von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet ist, das von den Dienststellen erteilt wurde, die hierzu aufgrund von Rechtsvorschriften des Ausfuhrlands befugt sind, ist dahin auszulegen, daß sie die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daran hindert, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten und Kartoffeln aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

Die in der Richtlinie vorgesehene gemeinsame Regelung beruht nämlich im wesentlichen auf einem System von Untersuchungen, die von hierzu von der Regierung des Exportlands gesetzlich ermächtigten Sachverständigen durchgeführt werden und die durch die Erteilung des entsprechenden Pflanzengesundheitszeugnisses garantiert werden. Die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Zeugnisse als eines einheitlichen Beweismittels müssen deshalb in allen Mitgliedstaaten streng identisch sein. Die Kontrollen an der Grenze, die die Einfuhrmitgliedstaaten bei den aus Drittländern stammenden Erzeugnissen vornehmen können, sind in der Praxis nur sehr eingeschränkt möglich und können jedenfalls die Pflanzengesundheitszeugnisse nicht ersetzen. Überdies muß der Einfuhrmitgliedstaat den Behörden des Ausfuhrstaats jede Schwierigkeit und jeden Zweifel hinsichtlich eines Zeugnisses mitteilen; diese zur Erreichung der Ziele der Richtlinie notwendige Zusammenarbeit kann nicht mit Behörden erfolgen, die weder von der Gemeinschaft noch von deren Mitgliedstaaten anerkannt werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 5. JULI 1994. - THE QUEEN GEGEN MINISTER OF AGRICULTURE, FISHERIES AND FOOD, EX PARTE S. P. ANASTASIOU (PISSOURI) LTD UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH. - ASSOZIATIONSABKOMMEN EWG-ZYPERN - RICHTLINIE 77/93/EWG - NICHTANERKENNUNG VON VERKEHRSBESCHEINIGUNGEN UND PFLANZENGESUNDHEITSZEUGNISSEN AUS DEM NOERDLICH DER PUFFERZONE DER VEREINTEN NATIONEN GELEGENEN TEIL ZYPERNS. - RECHTSSACHE C-432/92.

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice (Queen' s Bench Division) hat mit Beschluß vom 2. Dezember 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag fünf Fragen nach der Auslegung des der Verordnung (EWG) Nr. 1246/73 des Rates vom 14. Mai 1973 (ABl. L 133, S. 1) beigefügten Abkommens vom 19. Dezember 1972 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern (im folgenden: Assoziierungsabkommen) sowie der Richtlinie 77/93/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten (ABl. 1977, L 26, S. 20) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Erzeugern und Exporteuren von Zitrusfrüchten, die in dem südlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns ansässig sind, sowie der nationalen Vermarktungsorganisation für Kartoffeln in Zypern und dem Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung des Vereinigten Königreichs wegen der Einfuhr von Zitrusfrüchten und Kartoffeln aus dem nördlich dieser Zone gelegenen Teil Zyperns (im folgenden: Nordteil Zyperns) in das Vereinigte Königreich.

3 Der Handel mit Zitrusfrüchten und Kartoffeln zwischen der Republik Zypern und der Gemeinschaft unterliegt dem Assoziierungsabkommen und dessen Protokollen in ihrer geänderten oder neuen Fassung.

4 Artikel 3 Absatz 3 des Assoziierungsabkommens lautet:

"Die Vertragsparteien treffen alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen, die geeignet sind, die Erfuellung der aus dem Abkommen erwachsenden Verpflichtungen zu gewährleisten.

Sie enthalten sich aller Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele des Abkommens gefährden könnten."

5 In Artikel 5 des Abkommens heisst es:

"Die Handelsregelung zwischen den Vertragsparteien darf nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung... der zyprischen Staatsangehörigen oder Gesellschaften führen."

6 Die Zitrusfrüchte und Kartoffeln mit Ursprung in Zypern genießen nach dem Abkommen und seinen Protokollen eine Vorzugsbehandlung. Gemäß Artikel 7 des Abkommens sind die anwendbaren Ursprungsregeln im Protokoll festgelegt. Das derzeit geltende Protokoll ist das Protokoll von 1977 über die Bestimmung des Begriffs "Waren mit Ursprung in..." oder "Ursprungswaren" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (im folgenden: Protokoll von 1977), das sich im Anhang des Zusatzprotokolls zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern befindet, das seinerseits der Verordnung (EWG) Nr. 2907/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 (ABl. L 339, S. 1) beigefügt ist.

7 Nach Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls von 1977 wird der Nachweis, daß Waren die Ursprungseigenschaft besitzen, durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 (im folgenden: Verkehrsbescheinigung) erbracht. Gemäß den Artikeln 7 Absatz 1 und 8 Absatz 1 des Protokolls wird die Verkehrsbescheinigung von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellt. Nach Artikel 8 Absatz 3 achten insbesondere die Zollbehörden des Ausfuhrstaats darauf, daß die in Artikel 9 erwähnten Formblätter (Verkehrsbescheinigungen, deren Muster in Anhang V des Protokolls von 1977 wiedergegeben ist) ordnungsgemäß ausgefuellt werden.

8 Gemäß Artikel 24 des Protokolls von 1977 erfolgt die nachträgliche Prüfung der Verkehrsbescheinigungen stichprobenweise und wird immer dann vorgenommen, wenn die Zollbehörden des Einfuhrstaats begründete Zweifel an der Echtheit des Dokuments oder an der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Waren haben. Dazu senden die Zollbehörden des Einfuhrstaats die Verkehrsbescheinigung oder eine Fotokopie dieser Bescheinigung an die Zollbehörden des Ausfuhrstaats zurück und geben dabei gegebenenfalls die formalen oder sachlichen Gründe an, die eine Untersuchung rechtfertigen. Das Ergebnis der Prüfung ist den Zollbehörden des Einfuhrstaats so schnell wie möglich mitzuteilen. Anhand des Ergebnisses muß sich feststellen lassen, ob die beanstandete Bescheinigung für die tatsächlich ausgeführten Waren gilt und ob auch für diese Waren wirklich die Vorzugsbehandlung Anwendung finden kann. Ausserdem werden Beanstandungen, die die beiden Zollbehörden nicht klären können, und auftretende Fragen der Auslegung des Protokolls dem durch das Assoziierungsabkommen eingesetzten Ausschuß für Zusammenarbeit im Zollwesen vorgelegt.

9 Die Richtlinie 77/93 enthält einige Vorschriften über die Erteilung der Pflanzengesundheitszeugnisse. Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie in der Fassung der Richtlinien 80/392/EWG des Rates vom 18. März 1980 (ABl. L 100, S. 32) und 85/574/EWG des Rates vom 19. Dezember 1985 (ABl. L 372, S. 25) werden die Zeugnisse von Dienststellen erteilt, die hierzu im Rahmen des Internationalen Pflanzenschutzuebereinkommens oder ° bei Nichtvertragsstaaten wie der Republik Zypern ° aufgrund von Rechtsvorschriften des Landes befugt sind. Zitrusfrüchte und Knollen von Kartoffeln gehören zu den in Anhang V aufgezählten Erzeugnissen, die nach Artikel 12 bei ihrer Einfuhr von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet sein müssen.

10 Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens wandten sich mit Schreiben vom 24. Oktober 1991 an den Antragsgegner und ersuchten ihn um Bestätigung, daß die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs die Einfuhr in Zypern erzeugter Zitrusfrüchte oder Kartoffeln, die nicht von Verkehrsbescheinigungen oder Pflanzengesundheitszeugnissen begleitet sind, die die Behörden der Republik Zypern zu diesem Zweck ausgestellt haben, in das Vereinigte Königreich nicht länger gestatten würden.

11 Mit Schreiben vom 3. Dezember 1991 antwortete der Antragsgegner, daß das Vereinigte Königreich keine Dokumente anerkenne, in denen von der "Türkischen Republik Nordzypern" gesprochen werde, und daß es die Einfuhr von Zitrusfrüchten und Kartoffeln aus Zypern in Übereinstimmung mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gestatte. Da die Antragsteller des Ausgangsverfahrens um nähere Erläuterungen baten, antwortete der Minister für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung mit Schreiben vom 24. März 1992, soweit den Behörden des Vereinigten Königreichs bekannt sei, seien sämtliche Einfuhren von Waren mit Ursprung im Nordteil Zyperns in die Gemeinschaft in Übereinstimmung mit den von der Gemeinschaft aufgestellten Erfordernissen erfolgt.

12 Die Antragsteller stellten daraufhin beim High Court of Justice (Queen' s Bench Division) einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der in den genannten Schreiben des Antragsgegners enthaltenen Entscheidung sowie der Praxis der Behörden des Vereinigten Königreichs, Einfuhren in das Vereinigte Königreich ohne die von den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellten erforderlichen Dokumente zu gestatten.

13 Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, sind sich die Parteien des Ausgangsrechtsstreits insbesondere über folgende Tatsachen einig:

a) Die Republik Zypern ist ein souveräner Staat, der von allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft anerkannt wird. Ihre Verfassung wurde 1960 erlassen, und ihr Hoheitsgebiet umfasst die gesamte Insel mit Ausnahme der Sovereign Base Areas [Britische Truppenstützpunkte].

b) Das Vereinigte Königreich und die anderen Mitgliedstaaten erkennen die "Türkische Republik Nordzypern" nicht an.

c) Seit 1974 erstreckt sich über die Insel Zypern eine Pufferzone der Vereinten Nationen. Die Gemeinschaft der türkischen Zyprioten lebt fast vollständig nördlich dieser Pufferzone. Aus diesem Teil Zyperns werden erhebliche Mengen an Zitrusfrüchten und Kartoffeln in das Vereinigte Königreich eingeführt.

d) Keine der Verkehrsbescheinigungen oder Pflanzengesundheitszeugnisse, die Zitrusfrüchte oder Kartoffeln begleiten, die aus dem Nordteil Zyperns in das Vereinigte Königreich eingeführt werden, sind von den Behörden der Republik Zypern ausgestellt worden.

e) Die Zollbehörden des Vereinigten Königreichs, die die Verkehrsbescheinigungen für eingeführte Waren zu überprüfen haben, haben sich geweigert, Bescheinigungen anzuerkennen, die von der "Türkischen Republik Nordzypern" ausgestellt sind oder ihren Zollstempel tragen. Sie haben jedoch weiterhin Verkehrsbescheinigungen für Waren anerkannt, die aus dem Nordteil Zyperns ausgeführt wurden und einen Stempel der "Zollbehörden von Zypern" tragen, aber nicht von den Behörden der Republik Zypern stammen.

f) Ebenso erkennen die Behörden des Vereinigten Königreichs keine Pflanzengesundheitszeugnisse an, die im Namen der "Türkischen Republik Nordzypern" ausgestellt wurden. Sie erkennen jedoch im Nordteil Zyperns ausgestellte Pflanzengesundheitszeugnisse an, die Waren begleiten, die von Exporteuren aus diesem Teil der Insel übersandt wurden. Einige dieser Zeugnisse wurden im Namen der "Republik Zypern ° Föderativer türkisch-zyprischer Staat" ausgestellt. Zumindest seit 1991 werden Pflanzengesundheitszeugnisse für Waren, die aus dem Nordteil Zyperns ausgeführt werden, in der Praxis nur im Namen der "Republik Zypern ° Ministerium für Landwirtschaft" ausgestellt.

14 Da der Rechtsstreit nach Ansicht des nationalen Gerichts eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts erforderlich macht, hat das Gericht das Verfahren mit Beschluß vom 2. Dezember 1992 ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Unter besonderer Bezugnahme auf

i) das Abkommen von 1972 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern, das Protokoll von 1977 über die Bestimmung des Begriffs "Waren mit Ursprung in..." oder "Ursprungswaren" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen und das Protokoll von 1987 zur Festlegung der Bedingungen und Verfahren für die Durchführung der zweiten Stufe des Abkommens von 1972 und über die Anpassung einiger Bestimmungen des Abkommens von 1972 und

ii) die Bestimmungen der Richtlinie 77/93/EWG des Rates über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten in ihrer geänderten Fassung:

1) Ist ein Mitgliedstaat nach Gemeinschaftsrecht in Fällen, in denen die Einfuhr von Zitrusfrüchten oder Kartoffeln aus Zypern in einen Mitgliedstaat von Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 begleitet wird, die von der türkischen Gemeinschaft im nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns und nicht von hierzu von der Republik Zypern ermächtigten Beamten ausgestellt wurden,

a) daran gehindert, diese Einfuhr zu gestatten;

b) verpflichtet, diese Bescheinigungen anzuerkennen?

2) Ist ein Mitgliedstaat nach Gemeinschaftsrecht in Fällen, in denen die Einfuhr von Zitrusfrüchten (ausgenommen Zitronen) und Kartoffeln aus Zypern in einen Mitgliedstaat von Pflanzengesundheitszeugnissen begleitet wird, die von der türkischen Gemeinschaft im nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns und nicht von hierzu von der Republik Zypern ordnungsgemäß ermächtigten Beamten ausgestellt wurden,

a) daran gehindert, diese Einfuhr zu gestatten;

b) verpflichtet, diese Zeugnisse anzuerkennen?

3) Hängt die Antwort auf die Fragen 1 und 2 davon ab,

a) ob es für Exporteure aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns praktisch unmöglich ist, von der Republik Zypern Bescheinigungen und Zeugnisse für ihre Waren zu erlangen;

b) ob für Exporteure aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns ein bedeutsames Hindernis für den Export ihrer Waren durch den unter der tatsächlichen Kontrolle der Regierung der Republik Zypern stehenden Teil Zyperns besteht;

c) ob die Verfahren für die Ausstellung und Überprüfung solcher Bescheinigungen und Zeugnisse im nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns ebenso zuverlässig sind wie in dem unter der tatsächlichen Kontrolle der Regierung der Republik Zypern stehenden Teil Zyperns?

4) Hängt die Antwort auf die Frage 2 davon ab, ob die Erfahrung aus Kontrollen im Mitgliedstaat keine Unterschiede zwischen dem Pflanzengesundheitsstandard von Waren, die aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns eingeführt wurden, und von Waren, die aus dem unter der tatsächlichen Kontrolle der Republik Zypern stehenden Teil Zyperns eingeführt wurden, erkennen lässt?

5) Ist für die Antwort auf die Fragen 3 a oder b die Feststellung von Bedeutung, ob oder in welchem Umfang die Unmöglichkeit oder das Hindernis von der türkischen Gemeinschaft im nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns und/oder von der Republik Zypern verursacht wurde? Wenn ja, welchen Unterschied macht dies?

15 Mit diesen Vorlagefragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob das Assoziierungsabkommen und die Richtlinie 77/93 dahin auszulegen sind, daß sie die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daran hindern, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten oder Kartoffeln aus dem Nordteil Zyperns Verkehrsbescheinigungen und Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden, oder ob sie sie vielmehr verpflichten, diese anzuerkennen, und ob etwas anderes gelten würde, wenn bestimmte, die besondere Situation der Insel Zypern betreffende Umstände als gegeben oder nicht gegeben anzusehen wären.

16 Die Vorlagefragen betreffen zwei Arten von Bescheinigungen, die bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten oder Kartoffeln aus Zypern in die Gemeinschaft erforderlich sind:

° die zum Nachweis der Ursprungseigenschaft der Waren im Sinne des Protokolls von 1977 erforderlichen Verkehrsbescheinigungen;

° die gemäß der Richtlinie 77/93 erforderlichen Pflanzengesundheitszeugnisse.

17 Nach Ansicht der Antragsteller des Ausgangsverfahrens und der griechischen Regierung ist die Praxis nationaler Behörden, Bescheinigungen anzuerkennen, die von den Behörden der im Nordteil Zyperns ansässigen türkischen Gemeinschaft und nicht von hierzu von der Republik Zypern ordnungsgemäß ermächtigten Beamten ausgestellt wurden, rechtswidrig. Eine solche Praxis verstosse nämlich hinsichtlich der Verkehrsbescheinigungen gegen die Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 1, Artikel 7 Absatz 1, Artikel 8 Absätze 1 und 3 und Artikel 9 des Protokolls von 1977 und hinsichtlich der Pflanzengesundheitszeugnisse gegen die Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/93.

18 Speziell zu den Verkehrsbescheinigungen machen die Antragsteller des Ausgangsverfahrens und die griechische Regierung geltend, die Bestimmungen des Protokolls von 1977 sähen ausdrücklich vor, daß nur die von den Zollbehörden der Republik Zypern ausgestellten Bescheinigungen zum Nachweis der Ursprungseigenschaft der zyprischen Waren dienen könnten.

19 Das Vereinigte Königreich und die Kommission bestreiten nicht, daß die fragliche Praxis normalerweise als unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht anzusehen wäre. Sie berufen sich jedoch darauf, daß das Protokoll von 1977 und die Richtlinie 77/93 angesichts der besonderen Situation Zyperns dahin auszulegen seien, daß die Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet seien, bei Waren, die aus dem Nordteil Zyperns stammten, Bescheinigungen anzuerkennen, die von dem in diesem Teil der Insel bestehenden Gebilde und nicht von den von der Republik Zypern ermächtigten Beamten ausgestellt worden seien, um unterschiedliche Behandlungen der zyprischen Staatsangehörigen oder Gesellschaften zu verhindern.

20 In tatsächlicher Hinsicht sei davon auszugehen, daß es für Exporteure aus dem Nordteil Zyperns praktisch unmöglich oder zumindest äusserst schwierig sei, für die von ihnen exportierten Waren andere als die von der türkischen Gemeinschaft dieses Teils der Insel ausgestellten Bescheinigungen zu erlangen. Im übrigen böten die Verfahren zur Prüfung sowohl des Ursprungs der Waren als auch ihres Gesundheitsstandards in der Praxis alle notwendigen Garantien.

21 Hinzu komme, daß die von den Antragstellern des Ausgangsverfahrens angeführten Bestimmungen des Protokolls von 1977 keine unmittelbare Wirkung besässen. Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs dienen sie zur Schaffung eines Verwaltungssystems zur Prüfung des Ursprungs der Waren und einer wirksamen Zusammenarbeit der Verwaltungen des Ausfuhr- und des Einfuhrstaats. In Anbetracht ihres Wortlauts und ihres Kontextes sei nicht davon auszugehen, daß die nationalen Gerichte diese Bestimmungen unmittelbar anwenden könnten.

22 Da somit die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der einschlägigen Bestimmungen des Protokolls von 1977 aufgeworfen wurde, ist diese als erstes zu prüfen.

23 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Zweck und die Art des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfuellung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängen (vgl. u. a. Urteil vom 30. September 1987 in der Rechtssache 12/86, Demirel, Slg. 1987, 3719, Randnr. 14).

24 Das fragliche Assoziierungsabkommen dient zur schrittweisen Beseitigung der Hindernisse für den Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Zypern. Nach dem Wortlaut des Abkommens gelten für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in Zypern bei ihrer Einfuhr in die Gemeinschaft Vorzugstarife.

25 Die einschlägigen Vorschriften des Protokolls von 1977 über den Ursprung der Waren spielen eine wesentliche Rolle bei der Ermittlung der Erzeugnisse, die unter das Abkommen fallen und damit eine Vorzugsbehandlung erfahren können. Sie enthalten insoweit klare, eindeutige und unbedingte Verpflichtungen.

26 Im übrigen ist schon den Urteilen des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 218/83 (Les Rapides Savoyards u. a., Slg. 1984, 3105) und vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C-12/92 (Huygen u. a., Slg. 1993, I-6381) unausgesprochen zu entnehmen, daß Bestimmungen über Verkehrsbescheinigungen in Handelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern, die den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen entsprechen, von den nationalen Gerichten angewandt werden können.

27 Aus diesen Erwägungen folgt, daß die einschlägigen Bestimmungen des Protokolls von 1977 unmittelbar anwendbar sind und vor einem nationalen Gericht herangezogen werden können.

28 Daher ist zu prüfen, ob sie die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daran hindern, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten oder Kartoffeln aus dem Nordteil Zyperns Verkehrsbescheinigungen und Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als denen der Republik Zypern ausgestellt wurden.

29 Die im Assoziierungsabkommen vorgesehene Vorzugsregelung gilt für Waren aus Zypern, soweit sie von einer Verkehrsbescheinigung begleitet werden, die ihre zyprische Herkunft bestätigt (Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls von 1977). Diese Bescheinigung wird bei der Ausfuhr der Waren, auf die sie sich bezieht, von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellt, wenn die Waren als Ursprungswaren im Sinne des Protokolls von 1977 angesehen werden können (Artikel 7 Absatz 1 und 8 Absatz 1). Die Republik Zypern und die Gemeinschaft leisten einander durch ihre Zollverwaltungen Amtshilfe bei der Prüfung der Echtheit dieser Bescheinigungen (Artikel 22 des Protokolls von 1977). Die Zollbehörden des Einfuhrstaats können eine nachträgliche Prüfung dieser Bescheinigungen vornehmen, wenn sie Zweifel an der Echtheit des Dokuments oder an der Richtigkeit der in ihm enthaltenen Angaben haben, wobei das Ergebnis dieser Prüfung den Zollbehörden des Ausfuhrstaats so schnell wie möglich mitzuteilen ist; können die Zollbehörden dieser beiden Staaten Beanstandungen nicht klären oder treten Fragen der Auslegung des Protokolls auf, so werden diese Fälle dem Ausschuß für Zusammenarbeit im Zollwesen vorgelegt (Artikel 24 des Protokolls von 1977).

30 Nach Ansicht der Antragsteller des Ausgangsverfahrens und der griechischen Regierung ergibt sich aus dem eindeutigen und unbedingten Wortlaut der genannten, den Nachweis und die Prüfung der Ursprungseigenschaft der Waren betreffenden Bestimmungen, daß nur die Zollbehörden der Republik Zypern zur Ausstellung der Verkehrsbescheinigungen und zur Durchführung der Zusammenarbeit mit den Zollbehörden des Einfuhrstaats befugt seien. Diese Bestimmungen stuenden folglich der Anerkennung von Bescheinigungen entgegen, die von anderen Behörden ausgestellt worden seien.

31 Das Vereinigte Königreich und die Kommission tragen dagegen vor, daß die fraglichen Bestimmungen bei einer an Artikel 5 des Assoziierungsabkommens orientierten und die besondere Situation der Insel berücksichtigenden Auslegung einem Mitgliedstaat die Anerkennung von Bescheinigungen ermöglichten, die von der türkischen Gemeinschaft im Nordteil Zyperns ausgestellt worden seien.

32 Sie weisen darauf hin, daß das Assoziierungsabkommen für das gesamte zyprische Hoheitsgebiet mit Ausnahme der Sovereign Base Areas, aber einschließlich des Nordteils Zyperns gelte und daß es das generelle Ziel habe, die Hindernisse für den Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Zypern schrittweise zu beseitigen. Diese Handelsregelung dürfe gemäß Artikel 5 des Abkommens nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung der zyprischen Staatsangehörigen oder Gesellschaften führen, so daß die sich aus dem Abkommen ergebenden wirtschaftlichen Vorteile der gesamten Bevölkerung Zyperns zugute kommen müssten.

33 Unter diesen Umständen liege eine gegen Artikel 5 verstossende Ungleichbehandlung vor, wenn die Vorzugsregelung für Waren aus dem Südteil Zyperns gewährt und für Waren aus dem Nordteil Zyperns versagt werde. Gleiches gelte, wenn die im Nordteil Zyperns ansässigen Zyprioten zur Erlangung der erforderlichen Bescheinigungen ein bedeutsames Hindernis überwinden müssten, während dies bei den im Südteil der Insel ansässigen Zyprioten nicht der Fall sei.

34 In Anbetracht der besonderen Situation Zyperns bedeute eine tatsächliche Anerkennung der fraglichen, von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellten Bescheinigungen keineswegs eine Anerkennung der "Türkischen Republik Nordzypern" als Staat, sondern sei die notwendige und vertretbare Folge der Berücksichtigung der Interessen der gesamten Bevölkerung Zyperns.

35 Nach Auffassung der Kommission steht diese Rechtsansicht eindeutig in Einklang mit dem vom Internationalen Gerichtshof in seinem Gutachten zu Namibia (Gutachten zu den rechtlichen Konsequenzen der fortdauernden Anwesenheit Südafrikas in Namibia [Südwestafrika] trotz der Resolution 276 [1970] des Sicherheitsrates, ICJ Reports 1991, S. 16) aufgestellten Auslegungsgrundsatz, nach dem eine Politik der Nichtanerkennung nicht so weit gehen könne, daß sie der zypriotischen Bevölkerung vertraglich eingeräumte Vergünstigungen versage. Von der gleichen Rechtsansicht hätten sich der Rat und die Kommission bei ihrer Auslegung und Anwendung des Assoziierungsabkommens selbst und der Finanzprotokolle leiten lassen.

36 Der vom Vereinigten Königreich und von der Kommission vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden.

37 Es ist zwar richtig, daß die De-facto-Teilung des zypriotischen Hoheitsgebiets infolge des Eingreifens der türkischen Armee im Jahr 1974 in eine Zone, in der die Behörden der Republik Zypern ihre Befugnisse weiterhin in vollem Umfang ausüben, und eine Zone, in der sie sie de facto nicht ausüben können, im Rahmen der Anwendung des Assoziierungsabkommens auf ganz Zypern schwer lösbare Probleme aufwirft; daraus folgt jedoch nicht, daß man von den klaren, eindeutigen und unbedingten Bestimmungen des Protokolls von 1977 über den Ursprung der Waren und die Zusammenarbeit der Verwaltungen abweichen dürfte.

38 Es ist darauf hinzuweisen, daß das System der Verkehrsbescheinigungen als Mittel zum Nachweis des Ursprungs der Waren auf dem Grundsatz des institutionellen Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaats und des Einfuhrstaats beruht (Urteile Les Rapides Savoyards und Huygen u. a., a. a. O.).

39 Die Anerkennung der Bescheinigungen durch die Zollbehörden des Einfuhrstaats zeigt, daß diese vollständiges Vertrauen in das von den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaats angewandte System der Prüfung des Warenursprungs haben. Sie zeigt auch, daß der Einfuhrstaat keine Zweifel daran hat, daß die nachträgliche Prüfung, die Konsultationen und die Lösung etwaiger Streitigkeiten über den Ursprung der Waren oder das Vorliegen von Betrügereien dank der Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Verwaltungen in wirksamer Weise erfolgen können.

40 Ein solches System kann somit nur funktionieren, wenn die Verfahren für die Zusammenarbeit der Verwaltungen strikt eingehalten werden. Eine solche Zusammenarbeit ist jedoch ausgeschlossen mit den Behörden eines Gebildes, wie es im Nordteil Zyperns besteht und das weder von der Gemeinschaft noch von den Mitgliedstaaten anerkannt wird, da diese keinen anderen zyprischen Staat als die Republik Zypern anerkennen.

41 Unter diesen Umständen würde die Zulassung von Verkehrsbescheinigungen, die nicht von der Republik Zypern ausgestellt wurden, mangels einer Möglichkeit zur Prüfung und zur Zusammenarbeit geradezu die Negation des Gegenstands und des Zwecks des durch das Protokoll von 1977 geschaffenen Systems darstellen.

42 Diese Feststellung kann weder durch den Grundsatz entkräftet werden, nach dem das Assoziierungsabkommen gemäß Artikel 5 in gleicher Weise auf die gesamte zyprische Bevölkerung anzuwenden ist, noch durch die Praxis der Kommission, die ° ausgehend von diesem Grundsatz ° den Mitgliedstaaten Muster von Stempeln und Unterschriftsproben übermittelt haben soll, die von der türkischen Gemeinschaft im Nordteil Zyperns bei der Ausstellung der fraglichen Bescheinigungen verwendet und von einigen Mitgliedstaaten anerkannt werden.

43 Auch wenn nämlich nach den Regeln über die Auslegung von Verträgen (vgl. Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969; im folgenden: Wiener Übereinkommen) dem Ziel und dem Zweck eines Vertrages sowie jeder späteren Übung bei seiner Anwendung eine grosse Bedeutung beigemessen werden kann, so ist doch darauf hinzuweisen, daß Artikel 5 des Assoziierungsabkommens nur eines der Ziele dieses Abkommens wiedergibt und mit den anderen allgemeinen Zielen des Abkommens sowie mit den auszulegenden Bestimmungen selbst in Einklang gebracht werden muß. Dies gilt um so mehr, als die einschlägigen Bestimmungen des Protokolls von 1977 keine blossen Verwaltungsvereinbarungen darstellen, sondern Bestimmungen, die zum ordnungsgemässen Funktionieren der im Assoziierungsabkommen vorgesehenen Handelsregelung erforderlich sind.

44 In diesem Zusammenhang kann die durch Artikel 5 des Assoziierungsabkommens vorgeschriebene Nichtdiskriminierung zwischen zyprischen Staatsangehörigen oder Gesellschaften nicht dazu führen, daß die Grundregeln dieses Abkommens unangewandt bleiben, von denen das Funktionieren des Abkommens in dem von den Vertragsparteien gewollten Sinn abhängt. Anstrengungen, die Vorteile des Assoziierungsabkommens der gesamten zyprischen Bevölkerung zugute kommen zu lassen, müssen, wie der Generalanwalt unter Nr. 53 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, im Rahmen des Abkommens und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der anderen Vertragspartei unternommen werden.

45 Insoweit zeigt die Prüfung der Akten, daß die sich aus dem Assoziierungsabkommen ergebenden Vorteile mehrfach der gesamten zyprischen Bevölkerung zugute gekommen sind. So werden die gemäß diesem Abkommen geschlossenen Finanzprotokolle in der Weise umgesetzt, daß die von der Gemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel zu Zwecken verwendet werden, von denen auch die im Nordteil Zyperns ansässige Bevölkerung profitiert. Dies gilt z. B. für die Fonds zur Finanzierung der Durchführung von Projekten, die den "Einheitlichen Raumordnungsplan für Nikosia" und den "Abwasserplan für Nikosia" betreffen, von denen sich ein Teil auf das Gebiet des Nordteils Zyperns erstreckt.

46 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Gemeinschaft im Hinblick darauf, daß der genannte Artikel 5 in einem internationalen Abkommen enthalten ist, bei dessen Auslegung und Anwendung besondere Rücksicht auf ihren Vertragspartner nehmen muß. In diesem Zusammenhang hat die vertragliche Verpflichtung der Gemeinschaft, die Verwirklichung der Ziele des Abkommens nicht zu gefährden (Artikel 3 des Assoziierungsabkommens), zur Folge, daß die Gemeinschaft nicht einseitig ein anderes als das im Protokoll von 1977 ausdrücklich vorgesehene Mittel zum Nachweis des Ursprungs der Waren anwenden kann. Jedes andere Beweismittel muß von der Gemeinschaft und der Republik Zypern im Rahmen der aufgrund des Assoziierungsabkommens geschaffenen Einrichtungen erörtert und beschlossen und dann von beiden Vertragsparteien einheitlich angewandt werden.

47 Artikel 5 kann der Gemeinschaft jedenfalls nicht das Recht geben, in die inneren Angelegenheiten Zyperns einzugreifen. Die Probleme, die sich aus der De-facto-Teilung der Insel ergeben, sind allein Sache der Republik Zypern, des einzigen international anerkannten Staates.

48 Im übrigen ist den Akten eindeutig zu entnehmen, daß die Gemeinschaft bisher weder geltend gemacht hat, daß die Geschehnisse auf der Insel Zypern das ordnungsgemässe Funktionieren des Abkommens verhinderten, noch sich darauf berufen hat, daß die Republik Zypern durch eine unterschiedliche Behandlung der im Nordteil Zyperns ansässigen türkisch-zyprischen Exporteure gegen die Bestimmungen des Assoziierungsabkommens verstossen habe.

49 Was ausserdem die Auslegung betrifft, die die Kommission dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes über Namibia entnimmt und die sie ihrer Anwendung des Assoziierungsabkommens zugrunde gelegt haben soll, so genügt die Feststellung, daß ° wie der Generalanwalt unter Nrn. 57 bis 59 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat ° die besonderen Verhältnisse in Namibia und in Zypern weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vergleichbar sind. Folglich ist jede Auslegung, die sich auf die Vergleichbarkeit dieser Verhältnisse stützt, ausgeschlossen.

50 Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die nach den erwähnten Geschehnissen bei der Anwendung des Abkommens verfolgte Praxis nicht im Sinne von Artikel 31 des Wiener Übereinkommens zweifelsfrei den Schluß auf das Vorliegen einer Übereinkunft der Parteien über die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Protokolls von 1977 zulässt.

51 Die Praxis der Kommission steht nämlich eindeutig im Widerspruch zum offiziellen Standpunkt der Regierung der Republik Zypern, der aus einer 1983 an die Kommission gerichteten Verbalnote hervorgeht, in der deutlich gemacht wurde, daß nur Waren, die von Verkehrsbescheinigungen der offiziellen Regierung begleitet und unter ihrer Kontrolle auf dem See- oder Luftweg ausgeführt würden, die Voraussetzungen des Assoziierungsabkommens erfuellten.

52 Ausserdem ergibt sich aus den Akten, daß die nach den erwähnten Geschehnissen verfolgte Praxis durch das Fehlen einer einheitlichen Beurteilung seitens der Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Während einige Mitgliedstaaten die von anderen Behörden als denen der Republik Zypern ausgestellten Bescheinigungen anerkannt haben, haben andere sie zurückgewiesen.

53 Die Existenz unterschiedlicher Praktiken der Mitgliedstaaten schafft somit eine Situation der Unsicherheit, die den Bestand einer gemeinsamen Handelspolitik sowie die Erfuellung der Verpflichtungen, die sich für die Gemeinschaft aus dem Assoziierungsabkommen ergeben, gefährden kann.

54 In Anbetracht einer solchen Situation sind die einschlägigen Vorschriften des Protokolls von 1977 eng auszulegen, um eine einheitliche Anwendung des Assoziierungsabkommens in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Daher ist der Begriff "Zollbehörden des Ausfuhrstaats" in den Artikeln 7 Absatz 1 und 8 Absatz 1 des Protokolls so zu verstehen, daß er sich ausschließlich auf die zuständigen Behörden der Republik Zypern bezieht, wenn es sich um Ausfuhren in die Gemeinschaft handelt.

55 Das Assoziierungsabkommen hindert die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats somit daran, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten oder Kartoffeln aus Zypern Verkehrsbescheinigungen anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

56 In bezug auf die Pflanzengesundheitszeugnisse ist vorab darauf hinzuweisen, daß die Richtlinie 77/93 die Harmonisierung der von den Mitgliedstaaten als Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Gemeinschaft zu erlassenden Rechtsvorschriften bezweckt. Hierzu führt die Richtlinie eine gemeinsame Regelung ein, durch die verhindert werden soll, daß Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse aus Drittländern in das Gebiet der Mitgliedstaaten verbracht werden, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfuellt sind.

57 Eine dieser Voraussetzungen besteht darin, daß die fragliche Pflanze oder das fragliche Pflanzenerzeugnis von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet ist, das im Anschluß an eine Untersuchung, durch die das Fehlen von Krankheiten und Parasiten sichergestellt werden kann, anhand eines bestimmten Formulars ausgestellt wurde.

58 Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie in seiner geänderten Fassung müssen die Pflanzengesundheitszeugnisse von den Dienststellen erteilt werden, die hierzu aufgrund von Rechtsvorschriften des Ausfuhrlands befugt sind.

59 Die Antragsteller und die griechische Regierung tragen vor, im Fall von Waren mit Ursprung in Zypern könnten die Pflanzengesundheitszeugnisse nur aufgrund von Rechtsvorschriften der Republik Zypern erteilt werden.

60 Das Vereinigte Königreich und die Kommission sind der Auffassung, daß Auslegung und Anwendung der fraglichen Bestimmungen der Richtlinie 77/93 nicht zu willkürlichen Ungleichbehandlungen der Bevölkerungsgruppen Zyperns führen dürften. Sie machen insoweit geltend, daß die von dem Gebilde im Nordteil Zyperns erteilten Zeugnisse in der Praxis ebenso zuverlässig seien wie die von der Republik Zypern erteilten und daß die Zuverlässigkeit dieser Zeugnisse immer von den Behörden des Einfuhrmitgliedstaats an der Grenze überprüft werden könne. Eine Zurückweisung der von der türkischen Gemeinschaft im Nordteil Zyperns erteilten Pflanzengesundheitszeugnisse würde daher eine willkürliche Ungleichbehandlung der Bevölkerung in diesem Teil der Insel darstellen.

61 Es ist festzustellen, daß die in der Richtlinie 77/93 vorgesehene gemeinsame Regelung zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen in den aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen im wesentlichen auf einem System von Untersuchungen beruht, die von hierzu von der Regierung des Exportlands gesetzlich ermächtigten Sachverständigen durchgeführt werden und die durch die Erteilung des entsprechenden Pflanzengesundheitszeugnisses garantiert werden. Die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Zeugnisse als eines einheitlichen Beweismittels müssen deshalb in allen Mitgliedstaaten streng identisch sein.

62 Die Mitgliedstaaten können zwar im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 77/93 an der Grenze Kontrollen der aus Drittländern stammenden Erzeugnisse vornehmen. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen eingeräumt hat, ist eine solche Kontrolle jedoch in der Praxis nur sehr eingeschränkt möglich und kann jedenfalls die Pflanzengesundheitszeugnisse nicht ersetzen.

63 Überdies muß der Einfuhrmitgliedstaat den Behörden des Ausfuhrstaats jede Schwierigkeit und jeden Zweifel hinsichtlich eines Zeugnisses mitteilen. Diese zur Erreichung der Ziele der Richtlinie notwendige Zusammenarbeit kann jedoch nicht mit Behörden erfolgen, die weder von der Gemeinschaft noch von deren Mitgliedstaaten anerkannt werden. Es wäre nämlich für einen Einfuhrstaat unmöglich, sich z. B. wegen befallener Erzeugnisse oder nicht ordnungsgemässer oder gefälschter Zeugnisse an Dienststellen oder Beamte eines nicht anerkannten Gebildes zu wenden. Es ist klar, daß nur die Behörden der Republik Zypern in der Lage sind, aufgrund von Beschwerden wegen eines Schädlingsbefalls von aus Zypern ausgeführten Pflanzenerzeugnissen tätig zu werden.

64 Der Begriff "befugte Dienststellen" in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/93 ist folglich dahin auszulegen, daß er sich in bezug auf die Einfuhren von Erzeugnissen aus Zypern ausschließlich auf die von der Republik Zypern mit der Erteilung der Pflanzengesundheitszeugnisse betrauten Dienststellen bezieht.

65 Die Richtlinie 77/93 hindert die Behörden eines Mitgliedstaats somit daran, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten oder Kartoffeln aus Zypern Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

66 Die besondere Situation Zyperns, die mit seiner De-facto-Teilung zusammenhängt und die in der dritten, der vierten und der fünften Vorlagefrage genannten Fallgestaltungen erklärt, kann hinsichtlich der Ausfuhren von Waren aus seinem Nordteil nicht die Auslegungen ändern, die sich letztlich sowohl in bezug auf die Verkehrsbescheinigungen als auch in bezug auf die Pflanzengesundheitszeugnisse ergeben haben.

67 Nach alledem ist auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß das Assoziierungsabkommen und die Richtlinie 77/93 dahin auszulegen sind, daß sie die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daran hindern, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten und Kartoffeln aus dem Nordteil Zyperns Verkehrsbescheinigungen und Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

Kostenentscheidung:

Kosten

68 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs, der griechischen und der irischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom High Court of Justice (Queen' s Bench Division) mit Beschluß vom 2. Dezember 1992 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Das der Verordnung (EWG) Nr. 1246/73 des Rates vom 14. Mai 1973 beigefügte Abkommen vom 19. Dezember 1972 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern sowie die Richtlinie 77/93/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten sind dahin auszulegen, daß sie die nationalen Behörden eines Mitgliedstaats daran hindern, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten und Kartoffeln aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns Verkehrsbescheinigungen und Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

Ende der Entscheidung

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