Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.10.1996
Aktenzeichen: C-435/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 119
EWG-Vertrag Protokoll Nr. 2 zu Art. 119
EWG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem fällt in den Anwendungsbereich des Artikels 119 des Vertrages und somit unter das in diesem Artikel niedergelegte Diskriminierungsverbot. Diese Auslegung hängt weder vom Zweck der nationalen Rechtsvorschriften ab, nach denen der Anschluß an ein solches Rentensystem für obligatorisch erklärt werden kann, noch davon, daß der Arbeitgeber gegen die Entscheidung, diesen Anschluß für obligatorisch zu erklären, Beschwerde eingelegt hat, oder davon, daß bei den Arbeitnehmern eine Untersuchung im Hinblick auf die mögliche Beantragung einer Befreiung von der Anschlusspflicht durchgeführt worden ist.

2. Die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber) gilt weder für den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem noch für den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein solches System ausgeschlossen worden ist. Die zeitliche Beschränkung der Wirkungen dieses Urteils betrifft nämlich nur die Formen einer Diskriminierung, die die Arbeitgeber und die Rentensysteme aufgrund der vorübergehenden Ausnahmeregelungen, die das auf Betriebsrenten anwendbare Gemeinschaftsrecht vorsieht, vernünftigerweise als zulässig ansehen konnten.

Hierzu zählen jedoch weder die Diskriminierung beim Anschluß an Betriebsrentensysteme, deren Unzulässigkeit nach Artikel 119 des Vertrages im Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 (Bilka) bestätigt worden ist, dessen Wirkungen selbst nicht zeitlich beschränkt worden sind, noch die Diskriminierungen bei der Gewährung von Leistungen aufgrund eines solchen Systems, die, wie dieses Urteil deutlich gemacht hat, mit der erstgenannten Diskriminierung untrennbar verbunden sind. Da die Wirkungen dieses Urteils zeitlich nicht beschränkt worden sind, kann die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 zur Stützung der Forderung nach rückwirkender Gleichbehandlung in bezug auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem und in bezug auf den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente aufgrund eines solchen Systems geltend gemacht werden, und zwar seit dem 8. April 1976, dem Tag des Erlasses des Urteils in der Rechtssache 43/75 (Defrenne), in dem erstmals die unmittelbare Wirkung dieses Artikels anerkannt worden ist.

Ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf den rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem hat, kann sich jedoch der Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlußzeitraum nicht entziehen.

Die nationalen Vorschriften über die Fristen für Rechtsbehelfe des nationalen Rechts können den Arbeitnehmern entgegengehalten werden, die ihren Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf Zahlung einer Altersrente geltend machen, sofern sie für diese Art von Rechtsbehelfen nicht weniger günstig sind als für entsprechende Rechtsbehelfe des nationalen Rechts und sofern sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren.

3. Die Verwalter eines Betriebsrentensystems haben, auch wenn sie mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun haben, gleichwohl Leistungen zu erbringen, die ein Entgelt im Sinne des Artikels 119 des Vertrages darstellen, und sind daher ebenso wie der Arbeitgeber gehalten, die Bestimmungen dieses Artikels in der Weise zu beachten, daß sie alles in ihrer Zuständigkeit Liegende tun, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf diesem Gebiet sicherzustellen, auf den sich die angeschlossenen Personen ihnen gegenüber berufen können müssen.

Die praktische Wirksamkeit von Artikel 119 würde nämlich beträchtlich geschmälert und der für eine wirkliche Gleichstellung notwendige Rechtsschutz stark eingeschränkt, wenn sich ein Arbeitnehmer auf diese Bestimmung nur gegenüber dem Arbeitgeber berufen könnte und nicht gegenüber den Verwaltern dieses Systems, die ausdrücklich mit der Erfuellung der Verpflichtungen des Arbeitgebers betraut sind.

4. Das dem Vertrag über die Europäische Union beigefügte Protokoll Nr. 2 zu Artikel 119 des Vertrages hat keine Auswirkung auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein Betriebsrentensystem ausgeschlossen worden ist; für diese Ansprüche ist weiterhin das Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 (Bilka) maßgebend.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 24. Oktober 1996. - Francina Johanna Maria Dietz gegen Stichting Thuiszorg Rotterdam. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Rotterdam - Niederlande. - Gleiches Entgelt für männliche und weibliche Arbeitnehmer - Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem - Anspruch auf Zahlung einer Altersrente - Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. - Rechtssache C-435/93.

Entscheidungsgründe:

1 Das Kantongerecht Rotterdam hat mit Urteil vom 18. Oktober 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 EWG-Vertrag sowie des dem Vertrag über die Europäische Union beigefügten Protokolls Nr. 2 zu Artikel 119 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im folgenden: Protokoll Nr. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Dietz (im folgenden: Klägerin) und der Stichting Thuiszorg Rotterdam (Stiftung Hausbetreuung Rotterdam; im folgenden: Beklagte) über den Anschluß der Klägerin an den Pensiönfonds voor Gezondheids-, Geestelijke en Maatschappelijke Belangen (Rentenfonds für gesundheitliche, geistliche und soziale Belange; im folgenden: Rentenfonds).

3 In den Niederlanden steht es Arbeitgebern und Arbeitnehmern des betreffenden gewerblichen Bereichs grundsätzlich frei, einem betrieblichen Rentenfonds beizutreten.

4 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Wet betreffende verplichte deelneming in een bedrijfspensiönfonds (niederländisches Gesetz über die Pflichtzugehörigkeit zu einem betrieblichen Rentenfonds; im folgenden: BPF-Gesetz; Staatsblad J 121) in ihrer geänderten Fassung kann der Sozial- und Arbeitsminister (im folgenden: Minister) auf Antrag eines von ihm für hinreichend repräsentativ angesehenen Berufsverbandes eines Wirtschaftszweigs den Anschluß aller Arbeitnehmer oder bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern dieses Zweiges an den betrieblichen Rentenfonds für obligatorisch erklären. Nach Artikel 16 dieses Gesetzes können durch Erlaß oder aufgrund eines Erlasses des Ministers Befreiungen von der Anschlusspflicht erteilt werden.

5 Nach Artikel 4 dieses Gesetzes wird jeder Antrag, den Anschluß an einen Betriebsrentenfonds für obligatorisch zu erklären, im Nederlandse Staatscourant bekanntgemacht, wobei ausserdem die Frist genannt wird, innerhalb deren schriftliche Beschwerden beim Minister eingereicht werden können.

6 Die Klägerin war vom 11. Dezember 1972 bis zum 6. November 1990 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der Stichting Katholieke Maatschappelijke Gezinszorg (Katholische soziale Familienfürsorge), als teilzeitbeschäftigte Haushaltshilfe für ältere Personen mit einer Arbeitszeit von sieben Stunden pro Woche tätig. Mit Wirkung vom 6. November 1990, dem Tag, an dem sie das 61. Lebensjahr erreichte, nahm sie gemäß einer mit der Beklagten am 18. Juli 1990 geschlossenen Vereinbarung eine Vorruhestandsregelung in Anspruch.

7 Der Anschluß der Arbeitnehmer der Beklagten an den Rentenfonds wurde nach dem BPF-Gesetz für obligatorisch erklärt.

8 Zunächst waren jedoch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die höchstens 40 % der normalen Arbeitszeit arbeiteten, vom Rentenfonds ausgeschlossen. Diese Einschränkung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1991 aufgehoben, um die Regelung den Anforderungen der Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ABl. L 225, S. 40) anzupassen. Bei dieser Änderung wurde eine Übergangsregelung eingeführt, die für die Arbeitnehmer, die bisher vom Rentenfonds ausgeschlossen waren, die Zuteilung einer fiktiven Anzahl von Versicherungszeiten für den Erwerb einer Rente vorsah.

9 Am 2. Dezember 1992 erhob die Klägerin beim Kantongerecht Rotterdam Klage, mit der sie geltend machte, daß sie zum Zeitpunkt der Vereinbarung über ihren Vorruhestand mit der Beklagten keine Kenntnis von der bevorstehenden Änderung der Regelung über den Rentenfonds gehabt habe und daß sie, wenn dies der Fall gewesen wäre, ihren Vorruhestand aufgeschoben hätte, um eine Rente nach der Übergangsregelung erhalten zu können. Die Beklagte, der diese Änderung bekannt gewesen sei, hätte sie hierüber unterrichten müssen. Im übrigen habe sie gemäß Artikel 119 des Vertrages Anspruch auf eine Rente auf der Grundlage ihrer Beschäftigungszeiten ab 8. April 1976, dem Tag des Erlasses des Urteils in der Rechtssache 43/75 (Defrenne, Slg. 1976, 455), hilfsweise, ab 17. Mai 1990, dem Tag des Erlasses des Urteils in der Rechtssache C-262/88 (Barber, Slg. 1990, I-1889).

10 Das Kantongerecht Rotterdam hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die gleichen Fragen, wie sie bereits vom Kantongerecht Utrecht in der Rechtssache C-128/93, die zum Urteil vom 28. September 1994 (Fisscher, Slg. 1994, I-4583) geführt hat, vorgelegt worden sind, nebst einigen ergänzenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der vollständige Wortlaut der Fragen ist folgender:

1. Fällt unter das Recht auf (gleiches) Entgelt im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag auch der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem, das wie das vorliegende staatlich angeordnet wurde?

1a) Macht es für die Beantwortung von Frage 1, wie sie das Kantongerecht Utrecht im genannten Urteil gestellt hat, einen Unterschied,

a) daß der maßgebende Beweggrund für den Erlaß des BPF-Gesetzes neben sozialpolitischen Überlegungen (bei einer nach Gewerbebereichen aufgebauten Rentenregelung werden die Kosten von allen Unternehmen des betreffenden Gewerbebereichs gemeinschaftlich getragen) der Umstand war, daß dem Wettbewerb innerhalb des Gewerbebereichs entgegengetreten werden sollte;

b) daß eine Pflichtzugehörigkeit von Amts wegen zwar im ursprünglichen Entwurf des BPF-Gesetzes, aber nicht mehr im schließlich ergangenen Gesetz vorgesehen war (Tweede Kamer 1948-1949, 785, Nr. 6);

c) ob die Stichting Thuiszorg Rotterdam gegen die Anordnung der Pflichtzugehörigkeit Beschwerde eingelegt hat (die der Minister übergangen hat);

d) ob die Stichting Thuiszorg bei den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern eine Untersuchung durchgeführt hat, deren Ergebnisse begründeten Anlaß dazu hätten geben können, eine Befreiung zu beantragen oder die Arbeitnehmer über die Möglichkeit einer Befreiung zu informieren?

2. Falls die vorhergehende Frage bejaht wird, gilt dann die zeitliche Beschränkung, die der Gerichtshof in der Rechtssache Barber für eine Rentenversorgung, wie sie in dieser Rechtssache in Rede stand ("contracted out schemes"), festgelegt hat, auch für einen Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem wie das vorliegende, von dem die Klägerin als verheiratete Frau ausgeschlossen war?

2a) Falls die vorhergehende Frage bejaht wird, gilt dann die zeitliche Beschränkung, die der Gerichtshof in der Rechtssache Barber für eine Rentenversorgung, wie sie in dieser Rechtssache in Rede stand ("contracted out schemes"), festgelegt hat, auch für die Zahlung einer Altersrente?

3. Ist in Fällen, in denen der Anschluß an das für ein Unternehmen bestehende Rentensystem kraft Gesetzes zur Pflicht gemacht wurde, der Betreiber und Verwalter dieses Systems (der Betriebsrentenfonds) gehalten, den in Artikel 119 EWG-Vertrag verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung anzuwenden, und kann ein Arbeitnehmer, der durch die Nichtbeachtung dieser Norm benachteiligt wird, Ansprüche unmittelbar gegen den Rentenfonds geltend machen, als ob es sich um den Arbeitgeber handelte?

Zur Erläuterung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, daß das Kantongerecht nicht befugt ist, über Ansprüche aus unerlaubter Handlung zu entscheiden, da die Bedeutung des Anspruchs die Grenzen seiner Zuständigkeit überschreitet. Im vorliegenden Verfahren kommt es daher darauf an, ob die Klägerin aufgrund ihres Arbeitsvertrags einen Anspruch gegen den Rentenfonds geltend machen kann.

4. Falls die Klägerin aufgrund von Artikel 119 EWG-Vertrag ab einem vor dem 1. Januar 1991 liegenden Zeitpunkt Anspruch auf Anschluß an den Betriebsrentenfonds hat, bedeutet dies dann auch, daß sie nicht verpflichtet ist, die Beiträge zu zahlen, die sie hätte zahlen müssen, wenn sie früher in den Rentenfonds aufgenommen worden wäre?

5. Ist es von Bedeutung, daß die Klägerin nicht früher tätig geworden ist, um die Rechte durchzusetzen, die sie jetzt geltend macht?

6. Haben das dem Vertrag von Maastricht beigefügte Protokoll zu Artikel 119 EWG-Vertrag (das Barber-Protokoll) sowie der (Gesetzentwurf zur Änderung von) Übergangsartikel III des Gesetzentwurfs 20 890, der zur Umsetzung der Vierten Richtlinie dient, Auswirkungen auf die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache, die mit Klage vom 2. Dezember 1992 beim Kantongerecht anhängig gemacht wurde?

Zur ersten Frage

11 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem in den Anwendungsbereich des Artikels 119 des Vertrages und damit unter das in diesem Artikel aufgestellte Diskriminierungsverbot fällt. Das Gericht will weiter wissen, ob die Beantwortung dieser Frage vom Zweck der nationalen Rechtsvorschriften abhängt, nach denen der Anschluß an ein solches Rentensystem für obligatorisch erklärt werden kann, oder aber davon, daß die Möglichkeit, diesen Anschluß von Amts wegen für obligatorisch zu erklären, im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen war, davon, daß der Arbeitgeber gegen die Entscheidung, diesen Anschluß für obligatorisch zu erklären, Beschwerde eingelegt hat, oder davon, daß bei den Arbeitnehmern eine Untersuchung im Hinblick auf die mögliche Beantragung einer Befreiung von der Anschlusspflicht durchgeführt worden ist.

12 Im Urteil vom 28. September 1994 in der Rechtssache C-57/93 (Vröge, Slg. 1994, I-4541) und im Urteil Fisscher hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem in den Anwendungsbereich von Artikel 119 des Vertrages und damit unter das dort aufgestellte Diskriminierungsverbot fällt.

13 Das Urteil Fisscher betraf einen ähnlichen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens, bei dem der Anschluß an das Betriebsrentensystem staatlicherseits für obligatorisch erklärt worden war. Es ist also zu prüfen, ob die vom vorlegenden Gericht in seiner Frage angeführten Umstände zu einer anderen Auslegung führen können.

14 Erstens ist die Tatsache, daß mit den nationalen Rechtsvorschriften, nach denen der Anschluß an Betriebsrentensysteme für obligatorisch erklärt werden kann, nicht nur ein sozialpolitischer Zweck verfolgt wird, sondern daß ihnen vor allem Erwägungen in bezug auf die Wettbewerbsbedingungen in einem bestimmten Wirtschaftssektor zugrunde liegen, irrelevant, da die Anwendung von Artikel 119 des Vertrages auf Systeme der sozialen Sicherheit von objektiven, insbesondere im Urteil Barber aufgeführten Kriterien abhängt.

15 Zweitens ist der Umstand, daß nach dem ursprünglichen Entwurf dieses Gesetzes der Anschluß an ein Betriebsrentensystem von Amts wegen für obligatorisch erklärt werden konnte, nicht zu prüfen, da das vorlegende Gericht selbst klargestellt hat, daß eine solche Bestimmung im endgültigen Gesetz nicht mehr enthalten ist.

16 Drittens kommt es für die Anwendung des Artikels 119 nicht darauf an, ob der betreffende Arbeitgeber eine Beschwerde gegen die Maßnahme eingereicht hat, mit der der Anschluß an das Betriebsrentensystem für obligatorisch erklärt wurde, oder ob er eine Untersuchung bei den Arbeitnehmern im Hinblick auf die mögliche Beantragung einer Befreiung von der Anschlusspflicht durchgeführt hat. Denn das Verhalten eines bestimmten Arbeitgebers kann sich nicht auf die Art einer Regelung auswirken, die für den gesamten betreffenden Berufszweig gilt.

17 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, daß der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem in den Anwendungsbereich des Artikels 119 und somit unter das in diesem Artikel niedergelegte Diskriminierungsverbot fällt. Diese Auslegung hängt weder vom Zweck der nationalen Rechtsvorschriften ab, nach denen der Anschluß an ein solches Rentensystem für obligatorisch erklärt werden kann, noch davon, daß der Arbeitgeber gegen die Entscheidung, diesen Anschluß für obligatorisch zu erklären, Beschwerde eingelegt hat, oder davon, daß bei den Arbeitnehmern eine Untersuchung im Hinblick auf die mögliche Beantragung einer Befreiung von der Anschlusspflicht durchgeführt worden ist.

Zur zweiten Frage

18 Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage so zu verstehen, daß mit ihr geklärt werden soll, ob die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber einerseits für den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende und andererseits für den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers gilt, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein solches System ausgeschlossen worden ist.

19 In den Urteilen Vröge (Randnrn. 20 bis 27) und Fisscher (Randnrn. 17 bis 24) hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber nur die Formen einer Diskriminierung betrifft, die die Arbeitgeber und die Rentensysteme aufgrund der vorübergehenden Ausnahmeregelungen, die das auf Betriebsrenten anwendbare Gemeinschaftsrecht vorsieht, insbesondere aufgrund der Richtlinie 86/378, vernünftigerweise als zulässig ansehen konnten.

20 Zum Anspruch auf Anschluß an Betriebsrentensysteme hat der Gerichtshof festgestellt, daß es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß sich die betroffenen Kreise über die Anwendbarkeit von Artikel 119 irren konnten. Denn seit dem Erlaß des Urteils vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 (Bilka, Slg. 1986, 1607) steht eindeutig fest, daß ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bei der Zuerkennung dieses Anspruchs unter Artikel 119 fällt (Urteile Vröge, Randnrn. 28 und 29, und Fisscher, Randnrn. 26 und 26).

21 Wie der Gerichtshof hinzugefügt hat, kann, da die Wirkungen des Urteils Bilka zeitlich nicht beschränkt worden sind, die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 zur Stützung der Forderung nach rückwirkender Gleichbehandlung in bezug auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem geltend gemacht werden, und zwar seit dem 8. April 1976, dem Tag des Erlasses des Urteils Defrenne, in dem unter zeitlicher Beschränkung der Wirkungen dieser Auslegung erstmals die unmittelbare Wirkung dieses Artikels anerkannt worden ist (Urteile Vröge, Randnr. 30, und Fisscher, Randnr. 27).

22 Demgemäß hat der Gerichtshof entschieden, daß die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber nicht für den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem gilt (Urteile Vröge, Randnr. 32, und Fisscher, Randnr. 28).

23 Zum Anspruch auf Zahlung einer Altersrente aufgrund eines Betriebsrentensystems ist festzustellen, daß er mit dem Anspruch auf Anschluß an dieses System untrennbar verbunden ist. Der Anschluß wäre für den Arbeitnehmer völlig bedeutungslos, wenn er ihm keinen Anspruch auf Gewährung der Leistungen aufgrund dieses Systems verschaffen würde.

24 Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil Bilka ausgeführt, daß die den Arbeitnehmern aufgrund eines Betriebsrentensystems gewährten Leistungen eine Vergütung darstellen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß Artikel 119 Absatz 2 aufgrund des Dienstverhältnisses zahlt (Randnr. 22), woraus er hergeleitet hat, daß Diskriminierungen in bezug auf den Anschluß an dieses System ebenfalls unter Artikel 119 fallen (Randnrn. 27 und 31).

25 Daher steht zumindest seit dem Urteil Bilka eindeutig fest, daß Artikel 119 Diskriminierungen bei der Gewährung von Leistungen aufgrund eines Betriebsrentensystems verbietet, die sich aus Diskriminierungen in bezug auf den Anspruch auf Anschluß an dieses System ergeben, und daß somit die Arbeitgeber und die Rentensysteme solche Diskriminierungen vernünftigerweise nicht als zulässig ansehen konnten. Folglich sind die Gründe, die den Gerichtshof zu einer zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber veranlasst haben, im vorliegenden Fall nicht gegeben.

26 Zwar können sich Arbeitnehmer, die Betriebsrentensystemen angeschlossen sind, wegen der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber bei bestimmten Diskriminierungen in bezug auf die Gewährung von Leistungen, die aufgrund von vor dem 17. Mai 1990 liegenden Beschäftigungszeiten geschuldet werden, nicht auf Artikel 119 des Vertrages berufen. Diese Beschränkung wäre jedoch nicht gerechtfertigt, wenn die Diskriminierung bei der Gewährung dieser Leistungen die Folge einer Diskriminierung in bezug auf den Anspruch auf Anschluß an dieses System wäre.

27 Da schließlich die Wirkungen des Urteils Bilka nicht zeitlich beschränkt worden sind, kann sich ein Arbeitnehmer, der hinsichtlich des Anspruchs auf Zugang zu einem Betriebsrentensystem diskriminiert worden ist, rückwirkend auf die unmittelbare Wirkung des Artikels 119 berufen, um ab 8. April 1976, dem Tag des Erlasses des Urteils Defrenne, die Gewährung von Leistungen aufgrund dieses Systems zu erhalten.

28 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber weder für den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende noch für den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers gilt, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein solches System ausgeschlossen worden ist.

Zur dritten Frage

29 Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verwalter eines Betriebsrentensystems ebenso wie der Arbeitgeber gehalten sind, Artikel 119 des Vertrages zu beachten, und ob der diskriminierte Arbeitnehmer seine Ansprüche unmittelbar gegen diese Verwalter geltend machen kann.

30 Insoweit hat der Gerichtshof im Urteil Barber nach der Feststellung, daß die Renten, die im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 fallen, ausgeführt, daß diese Schlußfolgerung gültig bleibt, wenn das System treuhänderisch ausgestaltet ist und von Treuhändern verwaltet wird, die vom Arbeitgeber formal unabhängig sind, da Artikel 119 auch für Vergütungen gilt, die der Arbeitgeber mittelbar zahlt (Randnrn. 28 und 29).

31 Ausserdem hat der Gerichtshof im Urteil Fisscher festgestellt, daß die Verwalter eines Betriebsrentensystems, die Leistungen zu erbringen haben, die ein Entgelt im Sinne von Artikel 119 darstellen, gehalten sind, diese Bestimmung in der Weise zu beachten, daß sie alles in ihrer Zuständigkeit Liegende tun, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf diesem Gebiet sicherzustellen, und daß die angeschlossenen Personen die Möglichkeit haben müssen, sich ihnen gegenüber auf diesen Grundsatz zu berufen. Die praktische Wirksamkeit von Artikel 119 würde beträchtlich geschmälert und der für eine wirkliche Gleichstellung notwendige Rechtsschutz stark eingeschränkt, wenn sich ein Arbeitnehmer auf diese Bestimmung nur gegenüber dem Arbeitgeber berufen könnte und nicht gegenüber den Verwaltern des Systems, die ausdrücklich mit der Erfuellung der Verpflichtungen des Arbeitgebers betraut sind (Randnr. 31).

32 Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, daß die Verwalter eines Betriebsrentensystems ebenso wie der Arbeitgeber gehalten sind, Artikel 119 des Vertrages zu beachten, und daß der diskriminierte Arbeitnehmer seine Ansprüche unmittelbar gegen diese Verwalter geltend machen kann.

Zur vierten Frage

33 Die vierte Frage geht dahin, ob sich ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf den rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem hat, der Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlußzeitraum entziehen kann.

34 Wie der Gerichtshof im Urteil Fisscher für Recht erkannt hat, kann sich ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf den rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem hat, der Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlußzeitraum nicht entziehen.

Zur fünften Frage

35 Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die nationalen Vorschriften über die Fristen für Rechtsbehelfe des nationalen Rechts den Arbeitnehmern entgegengehalten werden können, die ihren Anspruch auf rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf die Zahlung einer Altersrente geltend machen.

36 Insoweit genügt die Feststellung, daß nach ständiger Rechtsprechung die nationalen Vorschriften über die Rechtsbehelfsfristen in Ermangelung einer Gemeinschaftsregelung auf diesem Gebiet auch auf die auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Rechtsbehelfe anwendbar sind, sofern sie für diese nicht weniger günstig sind als für entsprechende Rechtsbehelfe des nationalen Rechts und sofern sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren (vgl. insbesondere Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82, San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12).

37 Daher ist auf die fünfte Frage zu antworten, daß die nationalen Vorschriften über die Fristen für Rechtsbehelfe des nationalen Rechts den Arbeitnehmern entgegengehalten werden können, die ihren Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf Zahlung einer Altersrente geltend machen, sofern sie für diese Art von Rechtsbehelfen nicht weniger günstig sind als für entsprechende Rechtsbehelfe des nationalen Rechts und sofern sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren.

Zur sechsten Frage

38 Mit der sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob sich der Entwurf des nationalen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 86/378 und das Protokoll Nr. 2 auf das bei ihm anhängige Verfahren auswirken können.

39 Was den Entwurf eines nationalen Gesetzes angeht, so genügt der Hinweis darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshof im Verfahren des Artikels 177 des Vertrages weder das nationale Recht auszulegen noch seine Wirkungen zu würdigen hat (vgl. insbesondere Urteil vom 3. Februar 1977 in der Rechtssache 52/76, Benedetti, Slg. 1977, 163, Randnr. 25). Dies gilt erst recht für einen blossen Gesetzentwurf.

40 Zum Protokoll Nr. 2 hat der Gerichtshof in den Urteilen Vröge und Fisscher entschieden, daß es keine Auswirkung auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem hat, für den weiterhin das Urteil Bilka maßgebend ist.

41 Aus den im Rahmen der Antwort auf die zweite Frage angeführten Gründen gilt dies auch für den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein Betriebsrentensystem ausgeschlossen worden ist.

42 Somit ist auf die sechste Frage zu antworten, daß das Protokoll Nr. 2 keine Auswirkung auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers hat, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein Betriebsrentensystem ausgeschlossen worden ist; für diese Ansprüche ist weiterhin das Urteil Bilka maßgebend.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Kantongerecht Rotterdam mit Urteil vom 18. Oktober 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Der Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem fällt in den Anwendungsbereich des Artikels 119 EWG-Vertrag und somit unter das in diesem Artikel niedergelegte Diskriminierungsverbot. Diese Auslegung hängt weder vom Zweck der nationalen Rechtsvorschriften ab, nach denen der Anschluß an ein solches Rentensystem für obligatorisch erklärt werden kann, noch davon, daß der Arbeitgeber gegen die Entscheidung, diesen Anschluß für obligatorisch zu erklären, Beschwerde eingelegt hat, oder davon, daß bei den Arbeitnehmern eine Untersuchung im Hinblick auf die mögliche Beantragung einer Befreiung von der Anschlusspflicht durchgeführt worden ist.

2. Die zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils Barber vom 17. Mai 1990 (C-262/88) gilt weder für den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende noch für den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein solches System ausgeschlossen worden ist.

3. Die Verwalter eines Betriebsrentensystems sind ebenso wie der Arbeitgeber gehalten, Artikel 119 des Vertrages zu beachten, und der diskriminierte Arbeitnehmer kann seine Ansprüche unmittelbar gegen diese Verwalter geltend machen.

4. Ein Arbeitnehmer, der Anspruch auf den rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem hat, kann sich der Zahlung der Beiträge für den betreffenden Anschlußzeitraum nicht entziehen.

5. Die nationalen Vorschriften über die Fristen für Rechtsbehelfe des nationalen Rechts können den Arbeitnehmern entgegengehalten werden, die ihren Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf Zahlung einer Altersrente geltend machen, sofern sie für diese Art von Rechtsbehelfen nicht weniger günstig sind als für entsprechende Rechtsbehelfe des nationalen Rechts und sofern sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren.

6. Das dem Vertrag über die Europäische Union beigefügte Protokoll Nr. 2 zu Artikel 119 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft hat keine Auswirkung auf den Anspruch auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem oder auf den Anspruch auf Zahlung einer Altersrente im Fall eines Arbeitnehmers, der unter Verstoß gegen Artikel 119 des Vertrages vom Anschluß an ein Betriebsrentensystem ausgeschlossen worden ist; für diese Ansprüche ist weiterhin das Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 (Bilka) maßgebend.

Ende der Entscheidung

Zurück