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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.10.1995
Aktenzeichen: C-44/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 4028/86


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 6
EG-Vertrag Art. 34
EG-Vertrag Art. 39
EG-Vertrag Art. 40
VO (EWG) Nr. 4028/86 Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Entscheidung 92/593 über das gemäß der Verordnung Nr. 4028/86 vom Vereinigten Königreich für den Zeitraum 1993°1996 vorgelegte mehrjährige Ausrichtungsprogramm für die Fischereiflotte ist dahin auszulegen, daß sie das Vereinigte Königreich zu einer Begrenzung der Tage, die Schiffe von über 10 Meter Länge auf See verbringen dürfen, ermächtigt, da das dort festgelegte Gesamtziel bis zu 45 % durch andere Maßnahmen als einen Abbau der Kapazitäten der Fischereiflotte verwirklicht werden kann. Diese Entscheidung schließt die Möglichkeit nicht aus, daß dieser Mitgliedstaat technische Erhaltungsmaßnahmen erlässt, sofern diese von der Kommission genehmigt worden sind.

Der Umstand, daß der betreffende Mitgliedstaat die im vorhergehenden mehrjährigen Ausrichtungsprogramm festgelegten Ziele nicht verwirklicht hat, ist insoweit ohne Bedeutung.

Weder die Artikel 6, 34, 39 und 40 Absatz 3 des Vertrages noch die Verordnungen Nr. 3759/92 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse und Erzeugnisse der Aquakultur und Nr. 3760/92 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur, noch der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Eigentumsrecht, das Recht der freien Berufsausübung oder der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verbieten es einem Mitgliedstaat, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen.

Es ist ohne Bedeutung für diese Ermächtigung und für das Recht, von ihr Gebrauch zu machen, welche Bestände mit einem Schiff befischt werden, in welchem Umfang sich die fraglichen Beschränkungen auf die normalen Fangtätigkeiten und die sonstigen Tätigkeiten der Fischer sowie auf den Markt für Fisch auswirken oder ob einer nationalen Behörde die Möglichkeit eingeräumt worden ist, Ausnahmeregelungen für besondere Zweige der nationalen Fischereiflotte zu treffen.

2. Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften kann nicht allein deshalb als Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit angesehen werden, weil andere Mitgliedstaaten weniger strenge Vorschriften anwenden.

3. Der Umstand, daß die Artikel 30 und 34 des Vertrages, die mengenmässige Beschränkungen der Einfuhr und der Ausfuhr sowie Maßnahmen gleicher Wirkung verbieten, Bestandteil der gemeinsamen Agrarmarktorganisationen sind, schließt nicht aus, daß die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats unter den in einer Gemeinschaftsregelung, die Bestandteil einer solchen Organisation ist, festgelegten Bedingungen nationale Maßnahmen erlassen können.

4. Die zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehörenden Grundrechte können keine allgemeine Geltung beanspruchen, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden. Folglich können die Ausübung des Eigentumsrechts und die freie Berufsausübung namentlich im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.

5. Lässt eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift den nationalen Behörden, denen ihre Durchführung übertragen ist, eine weitgehende Entscheidungsfreiheit, so darf das Gericht bei der Kontrolle über die Rechtmässigkeit der Ausübung einer solchen Freiheit nicht die Beurteilung, zu der die zuständige Behörde gelangt ist, durch seine eigene ersetzen; es muß sich auf die Prüfung beschränken, ob diese einen offensichtlichen Fehler oder einen Ermessensmißbrauch begangen hat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. OKTOBER 1995. - THE QUEEN GEGEN MINISTER OF AGRICULTURE, FISHERIES AND FOOD EX PARTE NATIONAL FEDERATION OF FISHERMEN'S ORGANIZATIONS U.A. UND FEDERATION OF HIGHLANDS AND ISLANDS FISHERMEN U.A.. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION, DIVISIONAL COURT - VEREINIGTES KOENIGREICH. - GEMEINSAME FISCHEREIPOLITIK - MEHRJAEHRIGE AUSRICHTUNGSPROGRAMME - BEGRENZUNG DER SEETAGE. - RECHTSSACHE C-44/94.

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice, Queen' s Bench Division, Divisional Court, hat mit Beschluß vom 2. Dezember 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Februar 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 6, 34, 39 und 40 Absatz 3 des Vertrages, der Verordnungen (EWG) Nr. 3759/92 des Rates vom 17. Dezember 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse und Erzeugnisse der Aquakultur (ABl. L 388, S. 1) und Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur (ABl. L 389, S. 1) sowie der Entscheidung 92/593/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1992 über das gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom Vereinigten Königreich für den Zeitraum 1993°1996 vorgelegte mehrjährige Ausrichtungsprogramm für die Fischereiflotte (ABl. L 401, S. 33) (im folgenden: Entscheidung 92/593) und bestimmter allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Verfahren der "judicial review", das die National Federation of Fishermen' s Organisations (Verband der Organisationen der Fischer, im folgenden: Verband) und andere vor dem High Court of Justice gegen den Minister of Agriculture, Fisheries and Food anhängig gemacht haben. In diesem Verfahren macht der Verband geltend, die Sea Fish Licensing (Time at Sea) (Principles) Order 1993, mit der die Zahl der Tage, die britische Fischereifahrzeuge von über 10 Meter Länge jährlich auf See verbringen dürften, beschränkt wird (im folgenden: Verordnung), sei wegen Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht ungültig, und erstrebt ein Feststellungsurteil. Mit Beschluß von 27. Mai 1994 hat der High Court of Justice die Federation of Highlands and Islands Fishermen und andere in dem Verfahren als Kläger zugelassen.

3 Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom 18. Dezember 1986 über Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpassung der Strukturen im Bereich der Fischerei und der Aquakultur (ABl. L 376, S. 7, im folgenden: Grundverordnung) kann die Kommission, um die strukturelle Entwicklung des Fischereisektors im Rahmen der für die Gemeinsame Fischereipolitik aufgestellten Leitlinien zu erleichtern, für Maßnahmen in den in diesem Artikel aufgezählten Bereichen einen Gemeinschaftszuschuß gewähren. Zu diesen Bereichen gehört gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe d die Anpassung der Fangkapazitäten durch vorübergehende oder endgültige Stillegung bestimmter Fischereifahrzeuge.

4 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 3946/92 des Rates vom 19. Dezember 1992 zur dritten Änderung der Grundverordnung (EWG) Nr. 4028/86 (ABl. L 401, S. 1) wurde der Begriff der "Anpassung der Fangkapazitäten" in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe d durch den Begriff der "Anpassung des Fischereiaufwands" ersetzt. Der zweiten Begründungserwägung dieser Verordnung zufolge wurde der Begriff der "Anpassung des Fischereiaufwands" aufgenommen, um "die Palette der Mittel, die von den Mitgliedstaaten zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Flottenkapazitäten und verfügbaren Meeresschätzen eingesetzt werden können, zu vervollständigen".

5 Ferner wurde durch diese Verordnung ein Artikel 1a in die Grundverordnung eingefügt. Nach dieser Bestimmung bestehen die nationalen Maßnahmen, mit denen der Fischereiaufwand auf einen Umfang begrenzt werden soll, der mit der ausgewogenen Bewirtschaftung der Fischbestände vereinbar ist, aus einer kombinierten Aktion, die eine Reduzierung der Kapazitäten der gemeinschaftlichen Fischereiflotte und eine Anpassung ihrer Fangtätigkeit umfasst.

6 Nach Artikel 1 Absatz 2 der Grundverordnung müssen sich einige von diesen Maßnahmen, darunter die in dem geänderten Absatz 1 Buchstabe d genannte Maßnahme, in den Rahmen der mehrjährigen Ausrichtungsprogramme gemäß Titel I einfügen.

7 Eine Definition dieser mehrjährigen Ausrichtungsprogramme (im folgenden: MAP) enhält Artikel 2 Absatz 1 der Grundverordnung:

"Im Sinne dieser Verordnung sind 'mehrjährige Ausrichtungsprogramme'... umfassende Zielsetzungen mit einer Aufstellung der zu ihrer Durchführung erforderlichen Mittel, die es gestatten, im Rahmen einer langfristigen Gesamtperspektive die Entwicklung des Fischereisektors zu steuern."

8 Gemäß den Artikeln 3 und 4 der Grundverordnung übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission Programme zur Genehmigung. Artikel 4 Absatz 2 lautet: "Die Kommission prüft, ob die Programme unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung der Fischbestände und des Marktes für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur sowie im Hinblick auf die im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik erlassenen Maßnahmen und die für diese Politik aufgestellten Leitlinien die Bedingungen des Artikels 2 erfuellen, und als Rahmen für eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten in dem betreffenden Sektor dienen können."

9 Die Kommission hat das vom Vereinigten Königreich für den Zeitraum 1993 bis 1996 vorgelegte MAP (im folgenden: drittes MAP) mit der Entscheidung 92/593 genehmigt. Artikel 3 dieser Entscheidung lautet:

"(1) Die Reduzierung des Fischereiaufwands kann durch Maßnahmen zum Abbau der Kapazitäten und durch Maßnahmen zur Einschränkung der Fangtätigkeit erreicht werden.

(2) Die Verwirklichung des Gesamtziels des Programms als Summe der Teilziele für die einzelnen Flottenzweige muß zu mindestens 55 % über einen Abbau der Kapazitäten erfolgen.

(3) Die restliche Reduzierung kann durch Maßnahmen zur Einschränkung der Tätigkeit erreicht worden sein, etwa durch Maßnahmen zur Begrenzung der Seetage, sofern diesen auf Dauer erlassene und von der Kommission gebilligte Rechts- und Verwaltungsvorschriften zugrunde liegen und die entsprechenden Techniken von der Kommission genehmigt worden sind.

(4) Die endgültigen Ziele für die einzelnen Flottenzweige und die jährlichen indikativen Zwischenziele werden entsprechend den Punkten 2 und 4 der ergänzenden Bestimmungen im Anhang festgelegt."

10 Im Vereinigten Königreich wurde mit Section 4 des Sea Fish (Conservation) Act 1967 (im folgenden: Gesetz) ein Lizenzsystem für Fischereifahrzeuge eingeführt. Die Erteilung einer solchen Lizenz kann gemäß Section 4 (6) (c) von Auflagen bezueglich der auf See verbrachten Zeit abhängig gemacht werden. Nach Section 4 (6 C) können diese Auflagen durch Ministerialverordnung näher bestimmt werden.

11 Die Verordnung wurde auf der Grundlage der letztgenannten Bestimmung erlassen. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 dieser Verordnung hängt die Erteilung oder Erneuerung von Fanglizenzen für britische Fischereifahrzeuge davon ab, daß die Zahl der von den Schiffen von 1993 bis 1996 jährlich auf See verbrachten Tage die Zahl der Seetage des Jahres 1991 nicht überschreitet. In Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung wird "Schiff" als ein Fischereifahrzeug von über 10 Meter Länge definiert.

12 Der Verband macht vor dem High Court of Justice geltend, die Verordnung verletze die Entscheidung 92/593, die Verordnungen Nrn. 3759/92 und 3760/92, die Artikel 6, 34, 39 und 40 Absatz 3 des Vertrages sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismässigkeit sowie das Eigentumsrecht und das Recht der freien Berufsausübung.

13 Da der High Court of Justice Zweifel hinsichtlich der Auslegung dieser Bestimmungen hat, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1) (1) Berechtigt und/oder ermächtigt die Entscheidung 92/593 der Kommission das Vereinigte Königreich zu einer Begrenzung der Tage, die alle britischen Fischereifahrzeuge von über 10 Meter Länge auf See verbringen dürfen, wie sie nach der Sea Fish Licensing (Time at Sea) (Principles) Order 1993 festgelegt worden ist, die die Tage, die diese Fahrzeuge auf See verbringen dürfen, grundsätzlich auf die 1991 auf See verbrachten Tage beschränkt?

(2) Schließt diese Entscheidung die Möglichkeit aus, auf technische Erhaltungsmaßnahmen zurückzugreifen, um den Teil des Gesamtziels (d. h. 45 %) zu erreichen, der mit anderen Maßnahmen als durch Kapazitätsabbau verwirklicht werden soll?

2) Ist für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, daß das Vereinigte Königreich die Kapazität seiner Fischereiflotte nicht gemäß den Zahlen abgebaut hat, die im Anhang zur Entscheidung 88/141 in der durch die Entscheidung der Kommission vom 1. August 1991 geänderten Fassung angegeben sind?

3) Verstossen nationale Maßnahmen der in der ersten Frage genannten Art in jedem Fall gegen den EG-Vertrag (insbesondere die Artikel 6, 34, 39 und 40 Absatz 3 dieses Vertrages) und die Verordnungen über die gemeinsame Fischereipolitik (insbesondere die Verordnungen Nrn. 3760/92 und 3759/92 des Rates) sowie gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrecht (insbesondere das Recht auf ungestörte Nutzung des Eigentums, das Recht, Handel zu treiben oder eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben, das Recht auf Gleichbehandlung und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit)?

4) Ist für die Beantwortung der oben genannten Fragen von Bedeutung,

(1) welche Bestände mit solchen Fahrzeugen hauptsächlich befischt werden, insbesondere ob für diese Bestände irgendwelche zulässigen Gesamtfangmengen festgelegt worden sind,

(2) in welchen Umfang sich derartige Beschränkungen auf die normalen Fangtätigkeiten und die sonstigen Tätigkeiten der einzelnen Fischer sowie auf den Markt für Fisch auswirken;

(3) ob der Minister in Zukunft vielleicht Ausnahmeregelungen für besondere Zweige der Fischereiflotte des Vereinigten Königreichs erlassen wird?

14 Vor der Beantwortung dieser Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sich aus den zitierten Artikeln 1 Absatz 1 und 4 der Grundverordnung ergibt, daß ein MAP nur deshalb von der Kommission genehmigt werden muß, damit sichergestellt ist, daß für die darin vorgesehenen Maßnahmen innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen, die mit der Genehmigung festgelegt worden sind, ein Zuschuß der Gemeinschaft und gegebenenfalls des Mitgliedstaats gewährt wird.

15 Ein Mitgliedstaat muß somit ein MAP und die Auflagen in der Genehmigung nur befolgen, wenn er einen Zuschuß zu seinen Maßnahmen im Rahmen dieses MAP begehrt.

16 Die Reduzierung des Fischereiaufwands, wie sie Artikel 3 der Entscheidung 92/593 der Kommission vorsieht, wurde den Mitgliedstaaten erst durch Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung 94/15/EG des Rates vom 20 Dezember 1993 bezueglich der Ziele und Einzelheiten für die Umstrukturierung des Fischereisektors der Gemeinschaft zur Herstellung eines dauerhaften Gleichgewichts zwischen den Beständen und ihrer Nutzung während des Zeitraums vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1996 (ABl. L 10, S. 20) verbindlich vorgeschrieben.

Zur ersten Frage

17 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob die Entscheidung 92/593 das Vereinigte Königreich zu einer Begrenzung der Tage, die Schiffe von über 10 Meter Länge auf See verbringen dürfen, ermächtigt und ob sie die Möglichkeit ausschließt, daß dieser Mitgliedstaat zur Erreichung von 45 % des dort festgelegten Gesamtziels technische Erhaltungsmaßnahmen wie etwa eine Vergrösserung der Maschen erlässt.

18 Bezueglich des ersten Teils dieser Frage ergibt sich aus Artikel 1a der Grundverordnung in der geänderten Fassung, daß die Begrenzung des Fischereiaufwands durch eine Reduzierung der Kapazitäten der Fischereiflotte und durch eine Anpassung ihrer Fangtätigkeit erfolgen kann. Artikel 3 Absatz 3 der Entscheidung 92/593 bestimmt demgemäß, daß das Gesamtziel des dritten MAP, das gemäß Artikel 3 Absatz 2 zu mindestens 55 % über einen Abbau der Kapazitäten verwirklicht werden muß, hinsichtlich des restlichen Teils durch Maßnahmen zur Einschränkung der Fangtätigkeit, etwa durch Maßnahmen zur Begrenzung der Seetage, erreicht werden kann.

19 Auf den ersten Teil der Frage ist somit zu antworten, daß die Entscheidung 92/593 das Vereinigte Königreich zu einer Begrenzung der Tage, die Schiffe von über 10 Meter Länge auf See verbringen dürfen, ermächtigt, da das dort festgelegte Gesamtziel bis zu 45 % durch andere Maßnahmen als einen Abbau der Kapazitäten der Fischereiflotte verwirklicht werden kann.

20 Zu dem zweiten Teil der Frage ist zu bemerken, daß der betreffende Mitgliedstaat gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Entscheidung 92/593 die Maßnahmen zur Einschränkung der Fangtätigkeit wählen kann, die zur Erreichung des dort festgelegten Gesamtziels am besten geeignet sind, soweit dieses Ziel nicht über einen Abbau der Kapazitäten verwirklicht wird; Voraussetzung ist dabei jedoch, daß diese Maßnahmen auf von der Kommission genehmigten Techniken beruhen.

21 Auf den zweiten Teil der Frage ist somit zu antworten, daß die Entscheidung 92/593 die Möglichkeit nicht ausschließt, daß das Vereinigte Königreich zur Erreichung des dort festgelegten Gesamtziels, soweit es durch andere Maßnahmen als einen Abbau von Kapazitäten verwirklicht werden kann, technische Erhaltungsmaßnahmen erlässt, sofern diese von der Kommission genehmigt worden sind.

Zur zweiten Frage

22 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, inwieweit der Umstand, daß der betreffende Mitgliedstaat die im vorhergehenden MAP festgelegten Ziele nicht verwirklicht hat, für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung ist.

23 Der Verband macht in diesem Zusammenhang geltend, die Regierung des Vereinigten Königreichs habe während des zweiten MAP für den Zeitraum von 1987 bis 1991 nichts unternommen, um für einen Abbau der Flotte zu sorgen; sie habe die Kräfte des Marktes sich frei entfalten lassen und ein völlig ungeeignetes Lizenzsystem beibehalten. Diese Untätigkeit habe dazu geführt, daß sich die Verpflichtung des Vereinigten Königreichs zum Flottenabbau während des dritten MAP um den während des zweiten MAP nicht erfuellten Teil erhöht habe. Da jedoch Maßnahmen zur Einschränkung der Fangtätigkeit im Rahmen dieses zweiten MAP noch nicht zulässig gewesen seien, sondern erst zur Verwirklichung der Ziele des dritten MAP eingeführt worden seien, hätte der während des zweiten MAP nicht erfuellte Teil vorrangig durch einen Kapazitätsabbau und nicht durch eine Einschränkung der Fangtätigkeit erfuellt werden müssen.

24 Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzustellen, daß das zweite MAP, das durch die Entscheidung 88/141/EWG der Kommission vom 11. Dezember 1987 über das vom Vereinigten Königreich vorgelegte mehrjährige Ausrichtungsprogramm für die Fischereiflotte (1987 bis 1991) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 (ABl. L 67, S. 22) genehmigt wurde, entgegen den Ausführungen des Verbandes nicht verbindlich war. Wie sich aus Randnummer 15 dieses Urteils ergibt, musste das Vereinigte Königreich das zweite MAP nur befolgen, wenn es einen Zuschuß zu den Maßnahmen im Rahmen dieses Programms begehrte.

25 Die Tatsache, daß die Nichtverwirklichung der Ziele zur Aussetzung der Beihilfe führte, stützt entgegen der Ansicht des Verbandes nicht das Argument, daß es sich um eine zwingende Verpflichtung gehandelt habe, sondern bestätigt, daß die Verwirklichung dieser Ziele nur Voraussetzung für die Gewährung eines Zuschusses war.

26 Gemäß der siebten Begründungserwägung der Entscheidung 92/593 bilden die im zweiten MAP für den 31. Dezember 1991 festgesetzten Ziele für den Abbau der Flottenkapazitäten den Bezugsrahmen für die Beurteilung sowohl der tatsächlichen Entwicklung als auch der noch erforderlichen Anstrengungen zur Verwirklichung der Gemeinschaftsziele.

27 Der Verband bestreitet im übrigen nicht, daß die mit dem zweiten MAP geplante Verringerung der Tonnage der britischen Flotte um 4,6 % in Höhe von 1,6 % dem nicht verwirklichten Teil des ersten MAP entsprach.

28 Das gleiche muß für die Berücksichtigung der nicht verwirklichten Teile des zweiten MAP bei der Festsetzung der im Rahmen des dritten MAP zu verwirklichenden Ziele gelten. Bei der Genehmigung des dritten MAP hatte die Kommission zu entscheiden, welche Beschränkungen einem Mitgliedstaat im Rahmen dieses MAP aufzuerlegen waren, und den Prozentsatz zu bestimmen, um den der Flottenaufwand zum einen durch einen Abbau der Kapazitäten und zum anderen durch eine Einschränkung der Fangtätigkeit reduziert werden sollte.

29 Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, daß der Umstand, daß der betreffende Mitgliedstaat die im vorhergehenden MAP festgelegten Ziele nicht verwirklicht hat, für die Beantwortung der ersten Frage ohne Bedeutung ist.

Zur dritten Frage

30 Vor der Beantwortung der dritten Frage ist zunächst festzustellen, daß der Gerichtshof im Rahmen des Artikels 177 des Vertrages nicht über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Vertrag zu entscheiden hat; er ist jedoch dafür zuständig, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen können, zur Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits über die Frage der Vereinbarkeit zu befinden (Urteil vom 11. Oktober 1990 in der Rechtssache C-196/89, Nespoli und Crippa, Slg. 1990, I-3647, Randnr. 8).

31 Die dritte Frage geht folglich dahin, ob die Artikel 6, 34, 39 und 40 Absatz 3 des Vertrages, die Verordnungen Nrn. 3759/92 und 3760/92 sowie bestimmte allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts einem Mitgliedstaat verbieten, nationale Vorschriften der in der ersten Frage genannten Art zu erlassen.

32 Zwar hat die Kommission in der Entscheidung 92/593, deren Gültigkeit in dem Verfahren vor dem vorlegenden Gericht nicht in Frage gestellt wird, dem betreffenden Mitgliedstaat die Wahl gelassen, bis zu 45 % des Gesamtziels durch andere Mittel als einen Kapazitätsabbau zu verwirklichen, doch ist dieser Staat beim Erlaß dieser Maßnahmen verpflichtet, die Bestimmungen des Vertrages und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrecht zu beachten.

Zu Artikel 39 des Vertrages und den Durchführungsverordnungen

33 Der Verband macht zunächst geltend, die streitigen nationalen Maßnahmen stuenden im Widerspruch zu den Vorschriften über die gemeinsame Fischereipolitik, insbesondere zur Verordnung Nr. 3760/92, da ihre Wirkungen den grundlegenden Zielen dieser gemeinsamen Politik völlig entgegengesetzt seien.

34 Zur Stützung seines Vorbringens beruft sich der Verband auf einen Bericht des Landwirtschaftsausschusses des House of Commons, aus dem sich unter anderem ergebe, daß sich die streitige nationale Verordnung nachteilig auf die finanzielle Stabilität und die Rentabilität der Fischereifahrzeuge sowie die besonderen regionalen Bedürfnisse auswirke, daß die Gefahr einer Zerstörung von Fischbeständen gegeben sei und daß die Fischereitätigkeit in entfernten Fischereigewässern abnehmen und dafür in den nächstgelegenen Gebieten zunehmen werde.

35 Die streitigen nationalen Maßnahmen verletzten ferner die in der Verordnung Nr. 3759/92 enthaltenen Vorschriften über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse vor allem deshalb, weil diese nationalen Maßnahmen das Quotensystem beeinträchtigten.

36 Schließlich verletzten die streitigen Maßnahmen durch ihre vorstehend beschriebenen Wirkungen Artikel 39 des Vertrages.

37 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Gemeinschaftsorgane bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik "für den ständigen Ausgleich sorgen..., den etwaige Widersprüche zwischen diesen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet werden, erforderlich machen können, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen den zeitweiligen Vorrang einräumen..., den die wirtschaftlichen Tatsachen oder Umstände, im Hinblick auf die sie ihre Entscheidungen erlassen, gebieten" (vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 47).

38 Der Verband räumt im vorliegenden Fall ein, daß der Rat, auch wenn er in seiner Grundverordnung eine Begrenzung des Fischereiaufwands in Betracht gezogen habe, die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität, die Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung und die Versorgung als vorrangige Ziele berücksichtigt habe, so daß sich die Rüge eines Verstosses gegen Artikel 39 des Vertrages nur auf die nationalen Maßnahmen zur Begrenzung der Seetage gründet, die sich auf diese drei Ziele angeblich nachteilig auswirken.

39 Wie die Kommission dadurch, daß sie sich auf Artikel 1a der geänderten Grundverordnung gestützt hat, anerkannt hat, stellt die Begrenzung der Seetage eine geeignete Maßnahme dar, um das Gesamtziel des dritten MAP bis zu 45 % durch eine Verminderung der Fangtätigkeit zu verwirklichen.

40 Demnach steht Artikel 39 Maßnahmen der im Ausgangsverfahren streitigen Art nicht entgegen.

41 Die Auslegung der Verordnungen Nrn. 3759/92 und 3760/92 kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Tatsächlich wird in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d der letztgenannten Verordnung die Beschränkung der auf See verbrachten Zeit als eine der Gemeinschaftsmaßnahmen angeführt, die zur rationellen, verantwortungsvollen und dauerhaften Nutzung der Ressourcen festgelegt werden können. Was die Verordnung Nr. 3759/92 betrifft, so soll sie nicht die Modalitäten der Fischerei regeln.

42 Ergibt sich insbesondere aus den nach Artikel 5 der Grundverordnung der Kommission vom betreffenden Mitgliedstaat jährlich zu übermittelnden zusammenfassenden Dokumenten, daß sich die getroffenen Maßnahmen nachteilig auf die Ziele der gemeinsamen Fischereipolitik auswirken, so haben die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat nach der genannten Bestimmung eine Überprüfung und Anpassung des genehmigten Programms zu beantragen. Jedenfalls ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofes, sich zu möglichen künftigen Auswirkungen von Maßnahmen zu äussern, die in einem von der Kommission genehmigten nationalen Programm festgelegt worden sind.

43 Somit ist zu antworten, daß weder Artikel 39 des Vertrages noch die Verordnungen Nrn. 3759/92 und 3760/92 so ausgelegt werden können, daß sie nationalen Maßnahmen der in der ersten Frage genannten Art entgegenstehen, die im Rahmen einer Entscheidung der Kommission getroffen wurden, die auf der Grundlage einer vom Rat zur Erreichung der Ziele des Artikels 39 Absatz 1 Buchstaben a, b und c des Vertrages erlassenen Verordnung erging.

Zum Gleichbehandlungsgrundsatz

44 Der Verband macht geltend, die streitige Verordnung verletze zum einen das in Artikel 6 des Vertrages niedergelegte Diskriminierungsverbot, da die Fischer des Vereinigten Königreichs ohne objektiven Grund anders behandelt würden als die Fischer der anderen Mitgliedstaaten, und zum anderen das in Artikel 40 Absatz 3 des Vertrages verankerte Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern, da die Verordnung die Unterschiede hinsichtlich der verwendeten Fangmethoden oder hinsichtlich der Arten der gefangenen Fische nicht berücksichtige.

45 Zu Artikel 6 des Vertrages ist festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht allein deshalb als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot angesehen werden kann, weil andere Mitgliedstaaten weniger strenge Vorschriften anwenden (Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-379/92, Peralta, Slg. 1994, I-3453, Randnr. 48).

46 Das in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages niedergelegte Diskriminierungsverbot, das auch das in Artikel 6 Absatz 1 des Vertrages enthaltene Diskriminierungsverbot umfasst, untersagt es, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, daß eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28).

47 Die in der Verordnung enthaltenen Maßnahmen sehen für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1996 die Zuteilung ebenso vieler Seetage jährlich wie für 1991 vor und gehen damit von einem tatsächlich bestehenden Sachverhalt aus, der nicht das Ergebnis gemeinschaftlicher oder nationaler Maßnahmen ist.

48 Das Fehlen einer Unterscheidung nach den Fangmethoden kann folglich nicht als ein Verstoß gegen das in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 verankerte Diskriminierungsverbot angesehen werden.

49 Im übrigen hat der nationale Gesetzgeber, wie der Generalanwalt in Nummer 22 seiner Schlussanträge bemerkt, durch das "Einfrieren" der Situation auf dem Stand von 1991 ein dem Mindestziel entsprechendes einheitliches Nullwachstum in allen Zweigen sichergestellt und ist damit innerhalb der mit der Entscheidung 92/593 gezogenen Grenzen geblieben.

50 Die Artikel 6 und 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages stehen folglich dem Erlaß nationaler Maßnahmen der in der ersten Frage genannten Art nicht entgegen.

Zum Verstoß gegen Artikel 34 des Vertrages

51 Der Verband räumt ein, daß Artikel 34 des Vertrages grundsätzlich nur für Maßnahmen gelte, die eine unterschiedliche Behandlung des Binnen-und des Aussenhandels eines Mitgliedstaats vorsähen; jedoch gälten andere Regeln im Zusammenhang mit den gemeinsamen Marktorganisationen, die auf der Freiheit des Handels beruhten und jede nationale Maßnahme, die den innergemeinschaftlichen Handel behindern könne, untersagten.

52 Zwar sind die Artikel 30 und 34 über die Beseitigung von mengenmässigen Beschränkungen der Einfuhr und der Ausfuhr sowie von Maßnahmen gleicher Wirkung als Bestandteil der gemeinsamen Marktorganisation anzusehen, und die Mitgliedstaaten sind folglich ° sobald die Gemeinschaft gemäß Artikel 40 eine solche Regelung für einen bestimmten Sektor erlassen hat ° verpflichtet, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser Regelung abweichen oder sie verletzten können (vgl. Urteil vom 29. November 1978 in der Rechtssache 83/78, Pigs Marketing Board, Slg. 1978, 2347, Randnrn. 55 und 56).

53 Dies schließt jedoch nicht aus, daß die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats unter den Bedingungen, die in einer Gemeinschaftsregelung festgelegt sind, die Bestandteil einer gemeinsamen Marktorganisation ist, nationale Maßnahmen erlassen können.

54 Artikel 34 des Vertrages steht folglich dem Erlaß nationaler Maßnahmen der in der ersten Frage genannten Art nicht entgegen, soweit diese den Einschränkungen und Bedingungen der auf die Verordnung Nr. 4028/86 gestützten Entscheidung 92/593 der Kommission entsprechen.

Zum Eigentumsrecht, zum Recht der freien Berufsausübung und zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz

55 Zu dem Vorwurf einer Verletzung dieser Grundsätze ist festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung sowohl das Eigentumsrecht als auch die freie Berufsausübung zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehören. Diese Grundsätze können jedoch keine allgemeine Geltung beanspruchen, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden. Folglich können die Ausübung des Eigentumsrecht und die freie Berufsausübung namentlich im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (Urteil Deutschland/Rat, a. a. O., Randnr. 78).

56 Die streitigen nationalen Maßnahmen, die von der Genehmigungsentscheidung der Kommission erfasst werden, deren Gültigkeit nicht in Abrede gestellt wird, entsprechen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft im Fischereisektor, da sie auf eine strukturelle Verbesserung dieses Sektors gerichtet sind. Sie stellen keinen unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff dar, der die gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.

57 Diese Maßnahmen verletzen auch nicht den Verhältnismässigkeitsgrundsatz. Die Entscheidung der Kommission zur Genehmigung des MAP lässt nämlich der Regierung des Vereinigten Königreichs eine weitgehende Entscheidungsfreiheit bei der Wahl der Maßnahmen zur Durchführung des Programms. Bei der Kontrolle über die Rechtmässigkeit der Ausübung einer solchen Freiheit dürfen die Gerichte nicht die Beurteilungen, zu denen die zuständige Behörde gelangt ist, durch ihre eigenen ersetzen. Sie müssen sich auf die Prüfung beschränken, ob jene Beurteilungen offensichtlich irrig oder mit einem Ermessensmißbrauch behaftet sind (vgl. u. a. Urteile vom 14. März 1973 in der Rechtssache 57/72, Westzucker, Slg. 1973, 321, Randnr. 14, und vom 18. März 1975 in der Rechtssache 78/74, Deuka, Slg. 1975, 421, Randnr. 9).

58 Die streitigen nationalen Maßnahmen sind jedoch im Hinblick auf das angestrebte Ziel nicht offensichtlich unverhältnismässig. Der Umstand, daß das Vereinigte Königreich diesen Maßnahmen gegenüber anderen den Vorzug gab ° wie es ihm der Ermessensspielraum erlaubte, der ihm durch die Entscheidung der Kommission eingeräumt wurde °, spricht als solcher nicht gegen dieses Ergebnis.

59 Das Vereinigte Königreich hat ferner mit den streitigen nationalen Maßnahmen nicht den Ermessensspielraum überschritten, der ihm durch die Entscheidung der Kommission eingeräumt wurde, die diese in Ausübung der ihr im Bereich der Fischereipolitik übertragenen Befugnisse erlassen hatte und deren Gültigkeit im Ausgangsverfahren nicht in Abrede gestellt wird. Gegen die Feststellung, daß die streitigen Maßnahmen verhältnismässig sind, spricht im übrigen auch nicht, daß andere Maßnahmen hätten erlassen werden können, da die Wahl der zu erlassenden Maßnahmen eine politische Entscheidung ist, die innerhalb der in der Entscheidung 92/593 festgelegten Grenzen in die Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats fällt.

60 Somit ist zu antworten, daß es das Eigentumsrecht, das Recht der freien Berufsausübung und der Verhältnismässigkeitsgrundsatz einem Mitgliedstaat nicht verbieten, im Einklang mit einer Entscheidung der Kommission Maßnahmen zur Begrenzung der Seetage zu erlassen.

61 Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, daß es weder die Artikel 6, 34, 39, 40 Absatz 3 des Vertrages noch die Verordnungen Nrn. 3759/92 und 3760/92, noch der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Eigentumsrecht, das Recht der freien Berufsausübung oder der Verhältnismässigkeitsgrundsatz einem Mitgliedstaat verbieten, Maßnahmen der in der ersten Frage genannten Art zu erlassen.

Zur vierten Frage

62 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob für die Beantwortung der vorangehenden Fragen von Bedeutung ist, erstens, welche Bestände mit einem Schiff befischt werden, und insbesondere, ob für diese Bestände eine Hoechstgrenze festgelegt ist, zweitens, in welchem Umfang sich die fraglichen Beschränkungen auf die normalen Fangtätigkeiten und die sonstigen Tätigkeiten der einzelnen Fischer sowie auf den Markt für Fisch auswirken, und schließlich, ob einer nationalen Behörde die Möglichkeit eingeräumt worden ist, Ausnahmeregelungen für besondere Zweige der Fischereiflotte zu treffen.

63 Zum ersten Teil dieser Frage genügt die Bezugnahme auf die Antwort auf die dritte Frage, soweit sie Artikel 40 Absatz 3 des Vertrages betrifft, und die Feststellung, daß die Entscheidung 92/593, wie im übrigen die Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragen hat, eine Begrenzung der Erhöhung des Fischereiaufwands für alle Zweige der Flotte zulässt.

64 Der zweite Teil der Frage ist ebenfalls zu verneinen, da es offensichtlich ganz unvermeidlich ist, daß die im Rahmen eines Umstrukturierungsprogramms erlassenen Maßnahmen Auswirkungen auf den Fischfang, die Tätigkeit der Fischer und den Markt für Fisch haben.

65 Zum letzten Teil dieser Frage ist festzustellen, daß die in der streitigen Verordnung vorgesehene Möglichkeit von Ausnahmeregelungen für die vorstehend gegebenen Antworten keinerlei Bedeutung haben kann, da die Entscheidung, mit der der Minister von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, mit dem dritten MAP im Rahmen der in der Entscheidung 92/593 festgelegten Einschränkungen und Bedingungen vereinbar sein muß.

66 Auf die letzte Frage ist somit zu antworten, daß es für die Beantwortung der anderen Fragen ohne Bedeutung ist, welche Bestände mit einem Schiff befischt werden, in welchem Umfang sich die fraglichen Beschränkungen auf die normalen Fangtätigkeiten und die sonstigen Tätigkeiten der Fischer sowie auf den Markt für Fisch auswirken oder ob einer nationalen Behörde die Möglichkeit eingeräumt worden ist, Ausnahmerelungen für besondere Zweige der Fischereiflotte des Vereinigten Königreichs zu treffen.

Kostenentscheidung:

Kosten

67 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom High Court of Justice, Queen' s Bench Division, Divisional Court, mit Beschluß vom 2. Dezember 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Entscheidung 92/593/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1992 über das gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom Vereinigten Königreich für den Zeitraum 1993°1996 vorgelegte mehrjährige Ausrichtungsprogramm für die Fischereiflotte ist dahin auszulegen, daß sie das Vereinigte Königreich zu einer Begrenzung der Tage, die Schiffe von über 10 Meter Länge auf See verbringen dürfen, ermächtigt, da das dort festgelegte Gesamtziel bis zu 45 % durch andere Maßnahmen als einen Abbau der Kapazitäten der Fischereiflotte verwirklicht werden kann. Die Entscheidung schließt die Möglichkeit nicht aus, daß dieser Mitgliedstaat technische Erhaltungsmaßnahmen erlässt, sofern diese von der Kommission genehmigt worden sind.

2) Der Umstand, daß der betreffende Mitgliedstaat die im vorhergehenden MAP festgelegten Ziele nicht verwirklicht hat, ist für die Beantwortung der ersten Frage ohne Bedeutung.

3) Weder die Artikel 6, 34, 39 und 40 Absatz 3 EG-Vertrag noch die Verordnungen (EWG) Nr. 3759/92 des Rates vom 17. Dezember 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse und Erzeugnisse der Aquakultur und Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur, noch der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Eigentumsrecht, das Recht der freien Berufsausübung oder der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verbieten es einem Mitgliedstaat, Maßnahmen der in der ersten Frage genannten Art zu erlassen.

4) Es ist ohne Bedeutung für die Beantwortung der anderen Fragen, welche Bestände mit einem Schiff befischt werden, in welchem Umfang sich die fraglichen Beschränkungen auf die normalen Fangtätigkeiten und die sonstigen Tätigkeiten der Fischer sowie auf den Markt für Fisch auswirken oder ob einer nationalen Behörde die Möglichkeit eingeräumt worden ist, Ausnahmeregelungen für besondere Zweige der Fischereiflotte des Vereinigten Königreichs zu treffen.

Ende der Entscheidung

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