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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: C-443/02
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 98/8/EGV des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, Decreto-legislativo Nr. 174 vom 25. Februar 2000 (Italien), Dekrets Nr. 392 des Präsidenten der Republik vom 6. Oktober 1998 über die Herstellung und das Inverkehrbringen von medizinisch-chirurgischen Mitteln (Italien)


Vorschriften:

EGV Art. 28
EGV Art. 30
Richtlinie 98/8/EGV des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten Art. 3 Abs. 2
Decreto-legislativo Nr. 174 vom 25. Februar 2000 (Italien) Art. 2
Decreto-legislativo Nr. 174 vom 25. Februar 2000 (Italien) Art. 3 Abs. 1
Dekrets Nr. 392 des Präsidenten der Republik vom 6. Oktober 1998 über die Herstellung und das Inverkehrbringen von medizinisch-chirurgischen Mitteln (Italien) Art. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 15. Juli 2004. - Nicolas Schreiber. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Pordenone - Italien. - Artikel 28 EG - Richtlinie 98/8/EG - Inverkehrbringen von Biozid-Produkten - Nationale Maßnahme, die eine Zulassung für das Inverkehrbringen von Holzstückchen aus roter Zeder mit natürlichen Mottenschutzeigenschaften vorschreibt. - Rechtssache C-443/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-443/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale di Pordenone (Italien) in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen

Nicolas Schreiber

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. L 123, S. 1) und des Artikels 28 EG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), der Richter A. Rosas und S. von Bahr sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters K. Lenaerts,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Herrn Schreiber, vertreten durch M. Casini und F. Capelli, avvocati,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström als Bevollmächtigte, Beistand: M. Moretto, avocat,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Nicolas Schreiber und der Kommission in der Sitzung vom 8. Januar 2004,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

12. Februar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Tribunale di Pordenone hat mit Beschluss vom 20. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Dezember 2002, gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. L 123, S. 1) und des Artikels 28 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren, das gegen Herrn Schreiber wegen eines Verstoßes gegen die nationale Regelung durchgeführt wird, nach der das Inverkehrbringen von Holzstückchen aus roter Zeder mit natürlichen Mottenschutzeigenschaften einer vorhergehenden Zulassung bedarf.

Rechtlicher Rahmen

Die gemeinschaftsrechtliche Regelung

Die Definitionen

3. Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 98/8 gelten als Biozid-Produkte Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie zum Verwender gelangen, und die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.

4. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b definiert als Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial [e]in Biozid-Produkt, das als Wirkstoff(e) nur einen oder mehrere der in Anhang IA aufgeführten Wirkstoffe und das keine bedenkliche Stoffe enthält.

5. Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 98/8 gilt als Grundstoff ein in Anhang IB aufgeführter Stoff, dessen hauptsächliche Verwendung nicht die Schädlingsbekämpfung ist, der jedoch in geringerem Maße - entweder unmittelbar oder in einem Produkt, das den Stoff sowie ein einfaches Verdünnungsmittel, das seinerseits kein bedenklicher Stoff ist, enthält - als Biozid zum Einsatz gelangt und der nicht direkt für diese Biozid-Verwendung vermarktet wird.

6. Die Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. 1967, 196, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/32/EWG des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 154, S. 1) geänderten Fassung, auf die die Richtlinie 98/8 verweist, definiert als Stoffe chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder hergestellt durch ein Produktionsverfahren.

Die materiellen Vorschriften

7. Durch die Richtlinie 98/8 soll nach der ersten, der dritten und der achten Begründungserwägung ein gemeinsames System für das Inverkehrbringen von nicht landwirtschaftlich genutzten Schädlingsbekämpfungsmitteln (Biozid-Produkten) geschaffen werden, um Belangen der öffentlichen Gesundheit Rechnung zu tragen, die unterschiedlichen einschränkenden Regelungen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zugrunde liegen.

8. Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie in Artikel 3 Absätze 1 und 2 vor:

(1) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass in ihrem Gebiet ein Biozid-Produkt erst in Verkehr gebracht und verwendet werden darf, wenn es nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen ist.

(2) Abweichend von Absatz 1

i) gestatten die Mitgliedstaaten, unter der Voraussetzung, dass eine Registrierung erfolgt ist, das Inverkehrbringen und die Verwendung eines Biozid-Produkts mit einem niedrigen Risikopotenzial, sofern die Unterlagen gemäß Artikel 8 Absatz 3 vorgelegt und von den zuständigen Behörden geprüft worden sind.

Soweit nichts anderes vorgesehen ist, finden alle die Zulassung betreffenden Bestimmungen dieser Richtlinie auch auf die Registrierung Anwendung;

ii) gestatten die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen und die Verwendung von bestimmten Wirkstoffen [Grundstoffen] zum Zweck der Verwendung als Biozide, sobald sie in Anhang IB aufgenommen worden sind.

9. Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 dieser Richtlinie sieht für gegenseitige Anerkennung der Zulassungen vor: Unbeschadet des Artikels 12 wird ein in einem Mitgliedstaat bereits zugelassenes oder registriertes Biozid-Produkt in einem anderen Mitgliedstaat innerhalb von 120 bzw. 60 Tagen nach Eingang eines Antrags bei dem anderen Mitgliedstaat zugelassen oder registriert, wenn der Wirkstoff des Biozid-Produkts in Anhang I oder IA aufgeführt ist und den dort festgelegten Anforderungen entspricht.

10. Somit muss in Anhang I die Liste der Wirkstoffe mit auf Gemeinschaftsebene vereinbarten Anforderungen zur Verwendung in Biozid-Produkten aufgestellt werden, während in Anhang IA die Liste der Wirkstoffe aufgestellt werden muss, die zur Verwendung in Biozid-Produkten mit niedrigem Risikopotenzial zugelassen sind, und in Anhang IB die Liste der Grundstoffe.

11. Artikel 16 der Richtlinie 98/8 sieht einen Übergangszeitraum von zehn Jahren vor. Dieser Zeitraum lässt u. a. die Erstellung der Anhänge I, IA und IB zu.

Die nationale Regelung

Die Definitionen

12. Die Begriffe Biozid-Produkt, Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial und Grundstoff sind in Artikel 2 des Decreto-legislativo (gesetzesvertretende Verordnung) Nr. 174 vom 25. Februar 2000 (Supplemento ordinario zum GURI Nr. 149 vom 28. Juni 2000; im Folgenden: Biozid-Verordnung) definiert.

Die materiellen Vorschriften

13. Durch die genannte Verordnung ist die Richtlinie 98/8 umgesetzt worden.

14. In den Artikeln 3 und 4 schreibt die Verordnung eine Zulassung für das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten und eine Registrierung für Biozid-Produkte mit niedrigem Risikopotenzial vor. Was die Produkte angeht, die nur einen Grundstoff enthalten, sieht diese Verordnung in Artikel 5 vor, dass das Inverkehrbringen und die Verwendung dieser Stoffe ohne Zulassung oder Registrierung möglich ist, sofern sie in die entsprechende auf Gemeinschaftsebene erstellte Liste aufgenommen sind.

15. Für den in Artikel 16 der Richtlinie 98/8 vorgesehenen Übergangszeitraum sieht Artikel 17 Absatz 1 der Biozid-Verordnung vor, dass das Ministero della Sanità (Gesundheitsministerium) die geltende Regelung über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, die sich aus dem Dekret Nr. 392 des Präsidenten der Republik vom 6. Oktober 1998 über die Herstellung und das Inverkehrbringen von medizinisch-chirurgischen Mitteln (GURI Nr. 266 vom 13. November 1998; im Folgenden: Verordnung über medizinisch-chirurgische Mittel) ergibt, anwenden kann.

16. Die letztgenannte Verordnung macht in Artikel 1 das Inverkehrbringen von Erzeugnissen mit einer insektenabschreckenden Wirkung von einer vorherigen Zulassung abhängig.

Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen

17. Die italienischen Behörden haben gegen Herrn Schreiber in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Direktor der Firma Lidl-Italia Srl mit der Begründung ein Strafverfahren eingeleitet, dass seine Firma, ohne zuvor die nach der italienischen Regelung vorgeschriebene Zulassung erlangt zu haben, im März 2001 20 Packungen mit Holzstückchen aus roten Zedernholz mit natürlichen Mottenschutzeigenschaften aus Deutschland, einem als medizinisch-chirurgisches Mittel im Sinne der Verordnung über medizinisch-chirurgische Mittel anzusehenden Erzeugnis, in den Verkehr gebracht habe.

18. Herr Schreiber macht geltend, dass es sich bei diesen Holzstückchen um ein nur einen Grundstoff im Sinne der Richtlinie 98/8 enthaltendes Erzeugnis handele, das nach Artikel 3 Absatz 2 Ziffer ii dieser Richtlinie ohne Zulassung oder Registrierung in den Verkehr gebracht werden dürfen müsste. Hilfsweise macht er geltend, dass die nationale Regelung gegen Artikel 28 EG verstoße.

19. Unter diesen Voraussetzungen hat das Tribunale di Pordenone beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 98/8/EG im Licht der allgemeinen Regelung, die diese in die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeführt hat, dahin auszulegen, dass die Begriffe Biozid-Produkt und Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial allein die Erzeugnisse erfassen, deren schädlingsbekämpfende Funktion auf Wirkstoffen beruht, die mit chemischen oder biologischen Verfahren erzeugt worden sind, deren ausdrücklicher Zweck es ist, diesen Erzeugnissen eine schädlingsbekämpfende Funktion zu verleihen?

2. Ist Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 98/8 im Licht der allgemeinen Regelung, die diese in die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeführt hat, dahin auszulegen, dass sich der Ausdruck Grundstoff auf Stoffe bezieht, die einem Erzeugnis nicht hinzugefügt werden, damit dieses eine bestimmte schädlingsbekämpfende Funktion entfalten kann, die schädlingsbekämpfende Funktion sich vielmehr neben der normalen Funktion des Erzeugnisses während seiner Verwendung entfaltet?

3. Kann ein Holzstückchen aus rotem Zedernholz allein dadurch, dass es als Mottenschutz in den Verkehr gebracht wird, als Biozid-Produkt oder als Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial oder als Grundstoff im Sinne der Richtlinie 98/8 eingestuft werden, wenn a) das fragliche Holz in keiner Weise chemisch oder biologisch behandelt worden ist, b) die Substanz, von der die dem Holz zugeschriebenen Wirkungen abhängen können, in dem Erzeugnis natürlich vorkommt, c) das Erzeugnis im Wesentlichen so in den Verkehr gebracht wird, wie es in der Natur vorkommt?

4. Ist Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 98/8 dahin auszulegen, dass nur dann, wenn ein Grundstoff in die Liste des Anhangs IB aufgenommen wurde, dieser von der Zulassung und der Registrierung, die für das Inverkehrbringen von Produkten nach dem genannten Artikel 2 in den Mitgliedstaaten vorgesehen sind, befreit ist, und entfaltet so die Eintragung in die Liste des Anhangs IB in jeder Hinsicht eine konstitutive Wirkung?

5. Ist Artikel 4 der Richtlinie 98/8 mit Bezug auf die Artikel 28 EG und 30 EG dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis wie das in Frage 3 beschriebene, das in einem Mitgliedstaat ohne Zulassung oder Registrierung rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurde, in einem anderen Mitgliedstaat, in dem es anschließend in den Verkehr gebracht wird, deswegen der Zulassung oder der Registrierung unterworfen werden kann, weil es nicht in die Liste nach Anhang IB der Richtlinie 98/8 eingetragen ist?

Zu den Vorabentscheidungsfragen

Vorbemerkungen

20. Zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt war die in der Richtlinie 98/8 vorgesehene Harmonisierung noch nicht in vollem Umfang durchgeführt, da die Erstellung der Anhänge I, IA und IB dieser Richtlinie, in denen die Wirkstoffe aufgezählt sind, deren Verwendung in Biozid-Produkten, in Biozid-Produkten mit niedrigem Risikopotenzial und in Produkten, die nur Grundstoffe enthalten, erlaubt ist, auf Gemeinschaftsebene noch in Gang war. Die Prüfung der zur eventuellen Aufnahme in diese Anhänge notifizierten Wirkstoffe sollte nämlich erst zwischen 2006 und 2010 abgeschlossen werden.

21. Aus der Verordnung (EG) Nr. 2032/2003 der Kommission vom 4. November 2003 über die zweite Phase des Zehn-Jahres-Arbeitsprogramms gemäß Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 98/8 und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2000 (ABl. L 307, S. 1) geht jedoch hervor, dass die Kommission in der Zwischenzeit eine Liste derjenigen Wirkstoffe erstellt hat, die nicht in einen dieser drei Anhänge aufgenommen werden, entweder weil keine sie betreffende Notifizierung von der Kommission anerkannt worden ist oder weil kein Mitgliedstaat sein Interesse für sie bekundet hat. Aus Artikel 4 Absatz 2 dieser Verordnung in Verbindung mit dem Anhang III derselben Verordnung ergibt sich, dass ab 1. September 2006 bestimmte Biozid-Produkte, die Wirkstoffe enthalten, bei denen es sich um natürliche ätherische Öle handelt, wie z. B. Zedernöl und Zedernholzöl, auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen.

22. In Anbetracht des Inhalts der Fragen des vorlegenden Gerichts braucht der Gerichtshof jedoch nicht zu prüfen, ob das vollständige Verbot der Vermarktung von Biozid-Produkten, die diese ätherischen Öle enthalten, eine in Bezug auf die mit dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung verfolgten Ziele angemessene Maßnahme darstellt.

Zu den ersten vier Fragen: Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von nur Grundstoffe enthaltenden Erzeugnissen zuzulassen

23. Die ersten vier Fragen des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen im Wesentlichen dahin, ob Artikel 3 Absatz 2 Ziffer ii der Richtlinie 98/8 einem Mitgliedstaat verwehrt, das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den im Ausgangsverfahren betroffenen von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen (im Folgenden: im Ausgangsverfahren bet roffenes System der vorherigen Zulassung).

In diesem Rahmen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob derartige Hölzchen als ein Erzeugnis qualifiziert werden können, das nur einen Grundstoff enthält, so dass sie nach Artikel 3 Ziffer ii dieser Richtlinie in Italien ohne vorherige Zulassung oder Registrierung in den Verkehr gebracht werden dürfen müssten, oder ob sie als Biozid-Produkt oder als Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial im Sinne der Richtlinie 98/8 zu qualifizieren sind.

24. In diesem Zusammenhang sieht Artikel 3 Absatz 2 Ziffer ii dieser Richtlinie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die nur Grundstoffe enthalten, ohne vorherige Zulassung oder Registrierung zu gestatten, sobald sie in Anhang IB aufgenommen worden sind.

25. Nach der Definition in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 98/8 muss ein Stoff, um als Grundstoff qualifiziert werden zu können, drei Voraussetzungen erfüllen: Er muss in den Anhang IB aufgenommen sein, seine hauptsächliche Verwendung darf nicht die Schädlingsbekämpfung sein, er muss aber gleichzeitig in geringerem Maße als Biozid zum Einsatz gelangen, und er darf nicht unmittelbar für diese Biozid-Verwendung vermarktet werden.

26. Dagegen sind Biozid-Produkte nach der Begriffsbestimmung in Absatz 1 Buchstabe a Wirkstoffe in der Form, in welcher sie zum Verwender gelangen, und die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Weg Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken oder unschädlich zu machen. Eine abschließende Liste der Biozid-Produktarten findet sich in Anhang V der Richtlinie 98/8.

27. Schließlich wird in Absatz 1 Buchstabe b ein Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial als ein Biozid-Produkt definiert, das als Wirkstoffe nur einen oder mehrere der in Anhang IA aufgeführten Wirkstoffe und das keine bedenklichen Stoffe enthält.

28. Im Ausgangsverfahren steht fest, dass die betroffenen Holzstückchen als Mottenschutzmittel verkauft wurden, dass sie ätherisches Zedernöl enthielten - einen Wirkstoff, der bei seiner Verdunstung eine diese Lepidopteren abschreckende Wirkung entfaltet - und schließlich dass sie zu einer der Produktarten gehörten, die in der Liste in Anhang V der Richtlinie 98/8 aufgeführt sind. Dagegen war zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt eine Eintragung des in diesen Holzstückchen enthaltenen Wirkstoffs, nämlich ätherisches Zedernöl, in einen der Anhänge IA oder IB dieser Richtlinie noch nicht vorhersehbar, da die Erstellung dieser Anhänge noch nicht abgeschlossen war.

29. Unter diesen Voraussetzungen können diese Holzstückchen weder als Produkt, das nur einen Grundstoff enthält, noch als Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial im Sinne der Richtlinie 98/8 qualifiziert werden. Sie sind vielmehr als Biozid-Produkt im Sinne dieser Richtlinie anzusehen.

30. Außerdem ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die abschreckende Wirkung eines Wirkstoffs natürlicher Art ist oder ob sie auf einer chemischen oder biologischen Behandlung beruht. Die Tatsache allein, dass es sich um einen natürlichen Stoff handelt, kann nicht ausschließen, dass eine Gefahr für Menschen, für Tiere oder für die Umwelt besteht. Im Übrigen werden aufgrund der Verweisung in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a dieser Richtlinie auf die Begriffsbestimmungen des Artikels 2 der Richtlinie 67/548 Stoffe als chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder so, wie sie von der Industrie hergestellt werden, definiert.

31. Darüber hinaus ist heute sicher, dass Zedernholzstückchen wie die hier betroffenen weder ein Produkt, das nur einen Grundstoff enthält, noch ein Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial im Sinne der Richtlinie 98/8 sind. Aus dem Anhang III der Verordnung Nr. 2032/2003 ergibt sich nämlich, dass Zedernöl nicht in einen der Anhänge IA oder IB dieser Richtlinie aufgenommen werden wird. Trotz seiner Identifizierung als alter Wirkstoff im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1896/2000 der Kommission vom 7. September 2000 über die erste Phase des Programms gemäß Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 98/8 (ABl. L 228, S. 6) ist keine es betreffende Notifizierung von der Kommission anerkannt worden und kein Mitgliedstaat hat sein Interesse für es bekundet.

32. Auf die ersten vier Fragen ist folglich zu antworten, dass Artikel 3 Absatz 2 Ziffer ii der Richtlinie 98/8 einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den im Ausgangsverfahren betroffenen von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.

33. Derartige Holzstückchen können nämlich nicht als Produkt, das nur einen Grundstoff enthält, qualifiziert werden, so dass sie in Italien ohne vorherige Zulassung oder Registrierung in den Verkehr gebracht werden könnten, sondern sie sind als Biozid-Produkt im Sinne der Richtlinie 98/8 zu qualifizieren.

Zum ersten Teil der fünften Frage: Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Zulassungen und Registrierungen durch einen anderen Mitgliedstaat anzuerkennen

34. Der erste Teil der fünften Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 98/8 einem Mitgliedstaat verwehrt, das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den im Ausgangsverfahren betroffenen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, ohne dass dort eine Zulassung oder Registrierung erforderlich wäre, von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.

35. Artikel 4 Absatz 1 sieht eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, Zulassungen und Registrierungen durch einen anderen Mitgliedstaat anzuerkennen, wenn der Wirkstoff des Produkts in Anhang I oder IA aufgeführt ist.

36. Im Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass die betroffenen Zedernholzstückchen weder Gegenstand einer Zulassung für das Inverkehrbringen noch einer Registrierung in einem anderen Mitgliedstaat sind.

37. Darüber hinaus war zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorhersehbar, ob (ätherisches) Zedernöl in einen der Anhänge I oder IA dieser Richtlinie aufgenommen werden würde.

38. Im Übrigen geht aus Anhang III der Verordnung Nr. 2032/2003 hervor, dass (ätherisches) Zedernöl nicht in einen der Anhänge I oder IA dieser Richtlinie aufgenommen werden wird.

39. Auf den ersten Teil der fünften Frage ist folglich zu antworten, dass Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 98/8 einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den im Ausgangsverfahren betroffenen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, ohne dass dort eine Zulassung oder Registrierung erforderlich wäre, von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.

Zum zweiten Teil der fünften Frage: das Recht auf freien Warenverkehr

40. Der zweite Teil der fünften Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob Artikel 28 EG einem Mitgliedstaat verwehrt, das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den im Ausgangsverfahren betroffenen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, ohne dass dort eine Zulassung oder Registrierung erforderlich wäre, von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.

41. Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Regelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen und damit nach Artikel 28 EG grundsätzlich verboten (Urteile vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, und vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-0000, Randnr. 66).

42. Gibt es jedoch keine gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen, so kann der freie Verkehr eines Erzeugnisses durch nationale Regelungen beschränkt werden, die entweder durch einen der in Artikel 30 EG vorgesehenen Gründe oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sind (Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78, Rewe-Zentral, Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649, Randnr. 8).

43. Beim Erlass nationaler Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Artikel 30 EG ist es Sache der Mitgliedstaaten, darüber zu entscheiden, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit gewährleisten wollen (siehe in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 272/80, Frans-Nederlandse Maatschappij voor Biologische Producten, Slg. 1981, 3277, Randnr. 12, vom 27. Juni 1996 in der Rechtssache C-293/94, Brandsma, Slg. 1996, I-3159, Randnr. 11, und vom 17. September 1998 in der Rechtssache C-400/96, Harpegnies, Slg. 1998, I-5121, Randnr. 33). Diese nationalen Regelungen müssen jedoch gemessen an den verfolgten Zielen verhältnismäßig sein (siehe Urteil vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 174/82, Sandoz, Slg. 1983, 2445, Randnr. 18, und Urteil Harpegnies, Randnr. 34).

44. Im Ausgangsverfahren sind daher nacheinander vier Punkte zu prüfen, nämlich ob eine Beschränkung im Sinne von Artikel 28 EG vorliegt, ob es auf dem betreffenden Gebiet gemeinschaftliche Harmonisierungsmaßnahmen gibt, ob eine Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren betroffenen Regelung über die vorherige Zulassung nach Artikel 30 EG möglich ist und ob diese Regelung verhältnismäßig ist.

45. Erstens stellt eine Regelung, die das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten ohne vorherige Zulassung verbietet, eine Beschränkung des freien Warenverkehrs im Sinne von Artikel 28 EG dar (siehe in diesem Sinne Urteile Brandsma, Randnr. 6, und Harpegnies, Randnr. 30).

46. Zweitens war das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den hier betroffenen zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht Gegenstand einer vollständigen Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene, da zum einen die Erstellung der Anhänge I, IA und IB der Richtlinie 98/8 noch nicht abgeschlossen war und zum anderen keine andere Regelung für dieses Produkt vorgesehen war. Jedoch definierte die Richtlinie 98/8 zu dieser Zeit bereits den Begriff Biozid-Produkt in harmonisierter Weise.

47. Drittens verfolgt ein System der vorherigen Zulassung wie das im Ausgangsverfahren betroffene ein Ziel, das unter den Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Artikel 30 EG fällt. Da Zedernholzstückchen wie die im Ausgangsverfahren betroffenen als Biozid-Produkte im Sinne der Richtlinie 98/8 anzusehen sind und da nach der dritten Begründungserwägung dieser Richtlinie von Biozid-Produkten aufgrund ihrer Eigenschaften und der hiermit in Verbindung stehenden Formen der Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen kann, entspricht eine Regelung, die eine dem Inverkehrbringen dieser Produkte vorausgehende Zulassung vorschreibt, Zielen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit.

48. Viertens ist das im Ausgangsverfahren betroffene System der vorherigen Zulassung gemessen an dem angestrebten legitimen Ziel verhältnismäßig. Zwar können Zedernholzstückchen wie die im Ausgangsverfahren betroffenen in Deutschland ohne vorherige Zulassung oder Registrierung in den Verkehr gebracht werden, doch bedeutet der Umstand, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer Mitgliedstaat, nicht, dass diese Vorschriften unverhältnismäßig sind (siehe in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141, Randnr. 51).

49. Unter diesen Umständen ist eine Regelung, die das Inverkehrbringen von Holzstückchen aus roter Zeder mit Mottenschutzeigenschaften von einer vorherigen Zulassung abhängig macht, als eine gegen Artikel 28 EG verstoßende Maßnahme gleicher Wirkung zu qualifizieren. Da eine solche Regelung jedoch dem Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, das der betreffende Mitgliedstaat, was das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten betrifft, gewährleisten will, und da sie gemessen an diesem Ziel nicht unverhältnismäßig ist, kann sie als nach Artikel 30 EG gerechtfertigt angesehen werden.

50. Auf den zweiten Teil der fünften Frage ist folglich zu antworten, dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat das Inverkehrbringen von Zedernholzstückchen wie den im Ausgangsverfahren betroffenen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, ohne dass eine Zulassung oder Registrierung im letztgenannten Staat erforderlich wäre, von einer vorherigen Zulassung abhängig macht, eine gegen Artikel 28 EG verstoßende Maßnahme gleicher Wirkung darstellt, die jedoch aus mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zusammenhängenden Gründen nach Artikel 30 EG gerechtfertigt werden kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

51. Die Auslagen der belgischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

auf die ihm vom Tribunale di Pordenone mit Beschluss vom 20. November 2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 3 Absatz 2 Ziffer ii der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten verwehrt einem Mitgliedstaat nicht, das Inverkehrbringen von Holzstückchen aus rotem Zedernholz mit natürlichen Mottenschutzeigenschaften von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.

Derartige Holzstückchen können nämlich nicht als Produkt, das nur einen Grundstoff enthält, qualifiziert werden, so dass sie in Italien ohne vorherige Zulassung oder Registrierung in den Verkehr gebracht werden dürfen müssten, sondern sie sind als Biozid-Produkt im Sinne der Richtlinie 98/8 zu qualifizieren.

2. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 98/8 verwehrt einem Mitgliedstaat nicht, das Inverkehrbringen von Holzstückchen aus roter Zeder mit natürlichen Mottenschutzeigenschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, ohne dass dort eine Zulassung oder Registrierung erforderlich wäre, von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.

3. Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat das Inverkehrbringen von Holzstückchen aus roter Zeder mit natürlichen Mottenschutzeigenschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, ohne dass dort eine Zulassung oder Registrierung erforderlich wäre, von einer vorherigen Zulassung abhängig macht, stellt eine gegen Artikel 28 EG verstoßende Maßnahme gleicher Wirkung dar, die jedoch aus mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zusammenhängenden Gründen nach Artikel 30 EG gerechtfertigt werden kann.

Ende der Entscheidung

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