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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: C-456/04
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 3577/92


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 Art. 3 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

6. April 2006

"Seekabotage - Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 - Auf die Besatzung von Schiffen über 650 BRZ, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, anwendbares Recht - Begriff 'Fahrt, die [der Kabotagefahrt] folgt oder ... vorangeht'"

Parteien:

In der Rechtssache C-456/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Sicilia (Italien) mit Entscheidung vom 20. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Oktober 2004, in dem Verfahren

Agip Petroli SpA

gegen

Capitaneria di porto di Siracusa,

Capitaneria di porto di Siracusa - Sezione staccata di Santa Panagia,

Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J. Makarczyk, R. Schintgen, P. Kuris und J. Klucka (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Agip Petroli SpA, vertreten durch R. Longanesi Cattani, G. Pitruzzella und A. Cariola, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,

- der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch A. Hare als Bevollmächtigte,

- der norwegischen Regierung, vertreten durch A. Eide als Bevollmächtigten im Beistand von C. Galtung, attorney general for civil affairs,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Simonsson als Bevollmächtigten im Beistand von G. Conte und E. Boglione, avvocati,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Dezember 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7, im Folgenden: Verordnung).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Agip Petroli SpA (im Folgenden: Agip Petroli) gegen die Capitaneria di porto di Siracusa, die Capitaneria di porto di Siracusa - Sezione staccata di Santa Panagia (im Folgenden: Hafenamt) und das Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti über eine Entscheidung, mit der das Hafenamt einem unter griechischer Flagge fahrenden Tankschiff die Genehmigung zur Durchführung der Inselkabotagefahrt zwischen Magnisi und Gela verweigert hat.

Rechtlicher Rahmen

3 Die dritte, die vierte, die siebte und die achte Begründungserwägung der Verordnung lauten:

"Für die Vollendung des Binnenmarktes ist die Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr in den Mitgliedstaaten notwendig. Der Binnenmarkt umfasst einen Raum, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

Daher sollte der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs auch auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten angewandt werden.

...

Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollten die Gemeinschaftsreeder, die die Kabotagefreiheit in Anspruch nehmen, alle Voraussetzungen für die Zulassung zur Kabotage in dem Mitgliedstaat erfüllen, in dem ihre Schiffe registriert sind. Während einer Übergangszeit sollte diese Verordnung jedoch auch für diejenigen Gemeinschaftsreeder gelten, die in einem Mitgliedstaat registrierte Schiffe betreiben, in diesem Staat aber nicht zur Kabotage zugelassen sind.

Die Kabotagefreiheit sollte schrittweise eingeführt werden und braucht nicht unbedingt für alle betroffenen Dienstleistungen einheitlich zu sein; zu berücksichtigen wären die Beschaffenheit bestimmter spezifischer Dienstleistungen sowie der Umfang der Anstrengungen, die einigen Volkswirtschaften in der Gemeinschaft aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstandes abverlangt werden."

4 Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung bestimmt:

"Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gilt der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage) für Gemeinschaftsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, sofern diese Schiffe alle Voraussetzungen erfüllen, um zur Kabotage in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden ..."

5 Artikel 2 der Verordnung sieht vor:

"Im Sinne dieser Verordnung sind

1. 'Seeverkehrsdienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage)' Dienstleistungen, die gewöhnlich gegen Entgelt erbracht werden und insbesondere Folgendes umfassen:

...

c) Inselkabotage: die Beförderung von Passagieren oder Gütern auf dem Seeweg zwischen

- Häfen auf dem Festland und auf einer oder mehreren Inseln ein und desselben Mitgliedstaats;

- Häfen auf den Inseln innerhalb eines Mitgliedstaats.

...

..."

6 Artikel 3 der Verordnung bestimmt:

"(1) Bei Schiffen, die zur Festlandkabotage eingesetzt werden, sowie bei Kreuzfahrtschiffen ist für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung des Schiffes der Staat zuständig, in dem das Schiff registriert ist (Flaggenstaat): hiervon ausgenommen sind Schiffe von weniger als 650 BRZ, auf die die Bedingungen des Aufnahmestaats angewandt werden können.

(2) Bei Schiffen, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, ist für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung des Schiffes der Staat zuständig, in dem das Schiff einen Seeverkehrsdienst erbringt (Aufnahmestaat).

(3) Bei Frachtschiffen über 650 BRZ, die zur Inselkabotage eingesetzt werden, ist für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung des Schiffes nach dem 1. Januar 1999 jedoch der Staat zuständig, in dem das Schiff registriert ist (Flaggenstaat), wenn die betreffende Fahrt auf eine Fahrt aus einem anderen Staat folgt oder einer Fahrt in einen anderen Staat vorangeht.

..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

7 Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass Agip Petroli das unter griechischer Flagge fahrende Tankschiff "Theodoros IV" (im Folgenden: Theodoros IV) charterte, um eine Ladung Rohöl von Magnisi nach Gela - beide auf Sizilien - zu befördern. Um die Abweichung vom Recht des Aufnahmestaats, d. h. der Italienischen Republik, und folglich die Anwendung des Rechts des Flaggenstaats, d. h. der Hellenischen Republik, zu rechtfertigen, berief sich Agip Petroli auf Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung. In ihrem Antrag auf Genehmigung dieser Inselkabotage gab sie an, dass das Schiff danach ohne Fracht an Bord ("in Ballast") eine direkte Fahrt ins Ausland unternehmen sollte.

8 Mit Entscheidung vom 6. Dezember 2001 verweigerte das Hafenamt der Theodoros IV die Genehmigung mit der Begründung, dass zur Besatzung dieses Schiffes unter Verstoß gegen Artikel 318 des italienischen Schifffahrtsgesetzbuchs Seeleute philippinischer Nationalität gehörten.

9 In seiner Entscheidung rechtfertigte das Hafenamt die Anwendung des italienischen Rechts unter Hinweis auf das Rundschreiben Nr. TMA3/CA/0230 des Ministeriums für Verkehr und Schifffahrt vom 31. Januar 2000, wonach Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung, der ausnahmsweise die Anwendung des Rechts des Flaggenstaats vorsehe, nur den Fall betreffe, dass "die Fahrt, die der Kabotagefahrt folgt oder vorangeht, funktional und kommerziell autonom ist, bei der also das Schiff mit Fracht an Bord fährt und Anfangs-/Endziel ein ausländischer Hafen ist". Auf diese Bestimmung könne man sich daher nicht berufen, wenn "das Schiff vor oder nach der Inselkabotagefahrt in Ballast oder mit einer Fracht an Bord gefahren ist, die der Fahrt in qualitativer oder quantitativer Hinsicht keinen autonomen Charakter verleihen können".

10 Agip Petroli erhob gegen diese Entscheidung Klage beim vorlegenden Gericht, nach dessen Auffassung zwei Auslegungen des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung denkbar sind. Das Bestreben, eine Umgehung dieser Bestimmung durch aufeinanderfolgende fiktive Kabotagefahrten zu verhindern, spreche für eine enge Auslegung. Jedoch enthalte der Wortlaut der Bestimmung nichts, was deren Tragweite auf Fahrten mit Fracht an Bord beschränke.

11 Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per la Sicilia beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Erfasst der Begriff "Fahrt, die der Kabotagefahrt folgt oder vorangeht", in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung nur die Fahrt, "die funktional und kommerziell autonom ist, bei der also das Schiff mit Fracht an Bord fährt und Anfangs-/Endziel ein ausländischer Hafen ist", wie in den im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Maßnahmen ausgeführt, oder erstreckt er sich auch auf die Fälle einer Fahrt ohne Fracht an Bord ("Ballastfahrt")?

Zur Vorlagefrage

12 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Begriff "Fahrt, die [der Kabotagefahrt] folgt oder ... vorangeht", im Bereich des Seetransports von Waren in den Mitgliedstaaten (im Folgenden: internationale Fahrt) in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung nur die Fahrt mit Fracht an Bord erfasst oder ob er sich auch auf eine Ballastfahrt erstrecken kann.

13 Vorab ist daran zu erinnern, dass das Ziel der mit der Verordnung verfolgten Liberalisierung, wie es sich insbesondere aus deren dritter und vierter Begründungserwägung ergibt, nämlich die Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr in den Mitgliedstaaten, noch nicht vollständig erreicht ist. Eine der in der Verordnung vorgesehenen Grenzen für die Liberalisierung betrifft die Inselkabotage. Während nämlich die Artikel 1 und 3 Absatz 1 der Verordnung festlegen, dass grundsätzlich auf die Bedingungen des Rechts des Flaggenstaats abzustellen ist, enthält Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung eine Ausnahme für die Inselkabotage insofern, als bei Schiffen, die für diese Art der Beförderung eingesetzt werden, für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung des Schiffes das Recht des Aufnahmestaats maßgebend ist. Das Prinzip der Geltung der Vorschriften des Flaggenstaats für die Zusammensetzung der Besatzung ist jedoch in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung für den Fall vorgesehen, dass der Inselkabotage eine internationale Fahrt eines Schiffes über 650 BRZ vorangeht oder folgt.

14 Zum Begriff "internationale Fahrt" ist von vornherein festzustellen, dass Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung lediglich verlangt, dass der Inselkabotage eine internationale Fahrt vorangeht oder folgt, ohne irgendeine Angabe zum Begriff "Fahrt" an sich oder zum eventuellen Vorhandensein einer Ladung an Bord der Schiffe über 650 BRZ zu machen.

15 Da die Verordnung also weder eine Definition des Begriffes "Fahrt" noch irgendeine Angabe enthält, die die Annahme erlaubt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien wie das Erfordernis einer Ladung oder einer funktionalen oder kommerziellen Autonomie der internationalen Fahrt zulassen wollte, ist dieser Begriff dahin zu verstehen, dass er grundsätzlich jede Fahrt unabhängig davon, ob sich eine Ladung an Bord befindet, erfasst.

16 Diese Auslegung entspricht im Übrigen dem Ziel der Verordnung, d. h. der Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs im Bereich der Seekabotage unter den Voraussetzungen und mit den Ausnahmen, die die Verordnung vorsieht (vgl. u. a. Urteil vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache C-205/99, Analir u. a., Slg. 2001, I-1271, Randnr. 19). Sie ermöglicht nämlich die vollständige Anwendung des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung, der dadurch, dass er die Vorschriften des Flaggenstaats für anwendbar erklärt, zur unmittelbaren Weiterführung dieses Zieles beiträgt.

17 Diese Auslegung wird auch durch die Praxis des Seetransports bestätigt, bei der es üblicherweise gelegentlich zu Ballastfahrten kommt.

18 Doch können ungeachtet dieser Feststellung Ballastfahrten, die missbräuchlich unternommen werden, um die Bestimmungen des Artikels 3 der Verordnung und das mit der Verordnung selbst verfolgte Ziel, wie es in Randnummer 13 des vorliegenden Urteils dargestellt ist, zu umgehen, nicht zugelassen werden.

19 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Rechtsbürger nach ständiger Rechtsprechung nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf das Gemeinschaftsrecht berufen können (vgl. u. a. Urteile vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-367/96, Kefalas u. a., Slg. 1998, I-2843, Randnr. 20, vom 23. März 2000 in der Rechtssache C-373/97, Diamantis, Slg. 2000, I-1705, Randnr. 33, und vom 21. Februar 2006 in der Rechtssache C-255/02, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 68).

20 Die Anwendung der Gemeinschaftsregelung darf nämlich nicht so weit gehen, dass die missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern, d. h. die Vorgänge, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck stattfinden, Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu umgehen, gedeckt werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 11. Oktober 1977 in der Rechtssache 125/76, Cremer, Slg. 1977, 1593, Randnr. 21, vom 3. März 1993 in der Rechtssache C-8/92, General Milk Products, Slg. 1993, I-779, Randnr. 21, und Halifax u. a., Randnr. 69).

21 Die nationalen Gerichte können daher auf der Grundlage objektiver Umstände dem missbräuchlichen Verhalten des Betroffenen Rechnung tragen, um ihm gegebenenfalls den Vorteil aus der herangezogenen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu versagen. Dabei haben sie jedoch die mit der fraglichen Bestimmung verfolgten Ziele zu berücksichtigen (vgl. Urteil Diamantis, Randnr. 34 und die dort zitierte Rechtsprechung).

22 Es ist daher nicht zulässig, dass der Reeder die Voraussetzungen für eine internationale Ballastfahrt künstlich herbeiführt, damit auf ihn Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung und demnach die Rechtsvorschriften des Flaggenstaats und nicht Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung und damit die Rechtsvorschriften des Aufnahmestaats angewandt werden.

23 Die Feststellung einer solchen missbräuchlichen Praxis verlangt zum einen, dass die internationale Ballastfahrt trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung dazu führt, dass der Reeder für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung unter Verstoß gegen das Ziel des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung, nämlich bei der Inselkabotage die Geltung der Vorschriften des Aufnahmestaats für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung zu ermöglichen, in den Genuss der Anwendung der Vorschriften des Flaggenstaats gelangt. Zum anderen muss sich auch aus einer Reihe objektiver Umstände ergeben, dass der wesentliche Zweck dieser internationalen Ballastfahrt darin besteht, die Anwendung des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung zugunsten des Absatzes 3 dieses Artikels zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne Urteil Halifax u. a., Randnr. 86).

24 Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts, soweit dadurch die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt wird, festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis im Ausgangsverfahren erfüllt sind (vgl. Urteile vom 21. Juli 2005 in der Rechtssache C-515/03, Eichsfelder Schlachtbetrieb, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 40, und Halifax u. a., Randnr. 76).

25 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass der Begriff "internationale Fahrt" in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung unabhängig von der Beladung des Schiffes grundsätzlich jede Fahrt aus einem oder in einen anderen Staat umfasst. Nicht zulässig sind jedoch Fahrten ohne Ladung an Bord, die missbräuchlich durchgeführt werden, um die Vorschriften der Verordnung zu umgehen. Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt zum einen, dass die internationale Ballastfahrt trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung dazu führt, dass der Reeder für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung unter Verstoß gegen das Ziel des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung, nämlich bei der Inselkabotage die Geltung der Vorschriften des Aufnahmestaats für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung zu ermöglichen, in den Genuss der Anwendung der Vorschriften des Flaggenstaats gelangt. Zum anderen muss sich auch aus einer Reihe objektiver Umstände ergeben, dass der wesentliche Zweck dieser internationalen Ballastfahrt darin besteht, die Anwendung des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung zugunsten des Absatzes 3 dieses Artikels zu vermeiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Der Begriff "Fahrt, die [der Kabotagefahrt] folgt oder ... vorangeht", in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) umfasst unabhängig von der Beladung des Schiffes grundsätzlich jede Fahrt aus einem oder in einen anderen Staat. Nicht zulässig sind jedoch Fahrten ohne Ladung an Bord, die missbräuchlich durchgeführt werden, um die Vorschriften der Verordnung Nr. 3577/92 zu umgehen. Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt zum einen, dass die internationale Ballastfahrt trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung dazu führt, dass der Reeder für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung unter Verstoß gegen das Ziel des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung, nämlich bei der Inselkabotage die Geltung der Vorschriften des Aufnahmestaats für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung zu ermöglichen, in den Genuss der Anwendung der Vorschriften des Flaggenstaats gelangt. Zum anderen muss sich auch aus einer Reihe objektiver Umstände ergeben, dass der wesentliche Zweck dieser internationalen Ballastfahrt darin besteht, die Anwendung des Artikels 3 Absatz 2 der Verordnung zugunsten des Absatzes 3 dieses Artikels zu vermeiden.



Ende der Entscheidung

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