Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: C-465/05
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 43
EG Art. 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

13. Dezember 2007(*)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freier Dienstleistungsverkehr - Niederlassungsrecht - Beruf des Wachmanns - Private Sicherheitsdienste - Treueid auf die Italienische Republik - Genehmigung durch den Präfekten - Geschäftsniederlassung - Mindestzahl von Bediensteten - Hinterlegung einer Sicherheit - Behördliche Kontrolle der Preise für die erbrachten Dienstleistungen"

Parteien:

In der Rechtssache C-465/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 23. Dezember 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und E. Montaguti als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter L. Bay Larsen, K. Schiemann, J. Makarczyk (Berichterstatter) und der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2007,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen hat, indem sie bestimmt hat, dass

- die Tätigkeit als privater Wachmann nur nach Ableistung eines Treueids auf die Italienische Republik ausgeübt werden kann;

- die Tätigkeit des privaten Sicherheitsdienstes nur nach Erteilung einer Erlaubnis durch den Prefetto (im Folgenden: Präfekt) ausgeübt werden kann;

- diese Erlaubnis in ihrer Geltung räumlich begrenzt ist und ihre Erteilung von der Zahl und der Größe der privaten Sicherheitsunternehmen abhängig ist, die in diesem Gebiet bereits tätig sind;

- die privaten Sicherheitsunternehmen eine Geschäftsniederlassung in jeder Provinz haben müssen, in der sie ihre Tätigkeit ausüben;

- jeder Angehörige des Personals dieser Unternehmen eine Erlaubnis zur Ausübung der Bewachungstätigkeit besitzen muss;

- die privaten Sicherheitsunternehmen als Voraussetzung für die Erlaubnis zur Ausübung ihrer Tätigkeit über eine Mindest- und/oder Höchstzahl von Mitarbeitern verfügen müssen;

- die privaten Sicherheitsunternehmen eine Sicherheit bei der örtlichen Cassa depositi e prestiti (Hinterlegungs- und Konsignationskasse) hinterlegen müssen;

- die Preise für die privaten Sicherheitsdienstleistungen in der Erlaubnis des Präfekten innerhalb einer bestimmten Bandbreite festgelegt werden.

Rechtlicher Rahmen

2 Der Testo unico delle leggi di pubblica sicurezza (kodifizierte Fassung der Gesetze über die öffentliche Sicherheit), der durch das Regio Decreto Nr. 773 vom 18. Juni 1931 (Königliches Dekret; GURI Nr. 146 vom 26. Juni 1931) genehmigt worden ist, bestimmt in seiner geänderten Fassung (im Folgenden: Testo unico) in Art. 134:

"Ohne Lizenz des Präfekten ist es Einrichtungen oder Privatpersonen untersagt, für Rechnung von Privatpersonen Dienstleistungen der Überwachung oder Bewachung von beweglichem oder unbeweglichem Eigentum zu erbringen, Untersuchungen oder Nachforschungen durchzuführen oder Informationen einzuholen.

Unbeschadet des Art. 11 kann die Lizenz nicht an Personen erteilt werden, die nicht die italienische Staatsangehörigkeit oder die eines Mitgliedstaats der Europäischen Union haben, die geschäftsunfähig sind oder die wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt worden sind.

Den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union kann die Lizenz gewährt werden, um unter den gleichen Voraussetzungen wie die italienischen Staatsangehörigen Dienstleistungen der Überwachung oder Bewachung von beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen zu erbringen.

Die Lizenz kann nicht für Leistungen erteilt werden, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt oder mit einer Beschränkung der individuellen Freiheit verbunden sind."

3 In Art. 135 Abs. 4 bis 6 des Testo unico heißt es:

"Die genannten Geschäftsleiter sind ... verpflichtet, ein Verzeichnis ihrer Leistungen unter Angabe des Entgelts hierfür in ihren Geschäftsräumen dauerhaft und sichtbar anzubringen.

Sie dürfen keine anderen als die in dem Verzeichnis angegebenen Leistungen erbringen und keine höheren als die in der Preistafel angegebenen Entgelte entgegennehmen. Sie dürfen gegenüber Personen, die nicht über einen Identitätsausweis oder ein anderes mit einer Fotografie versehenes Dokument verfügen, die von der staatlichen Verwaltung ausgestellt sein müssen, weder Leistungen erbringen noch von solchen Personen Provisionen entgegennehmen.

Das Verzeichnis der Leistungen muss den Sichtvermerk des Präfekten tragen."

4 Nach Art. 136 Abs. 2 des Testo unico kann die Lizenz angesichts der Zahl oder Größe der bereits vorhandenen Unternehmen verweigert werden.

5 Art. 137 des Testo unico sieht vor:

"Die Erteilung der Lizenz setzt die Hinterlegung einer Sicherheit bei der Cassa depositi e prestiti voraus, deren Höhe vom Präfekten festzusetzen ist.

...

Im Fall von Pflichtverletzungen ordnet der Präfekt durch Decreto den vollständigen oder teilweisen Verfall der Sicherheit zugunsten der Staatskasse an.

..."

6 Art. 138 des Testo unico lautet:

"Private Wachleute müssen:

1. die italienische oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union besitzen;

2. volljährig sein und ihren Verpflichtungen aus den Wehrgesetzen nachgekommen sein;

3. lesen und schreiben können;

4. nicht strafrechtlich verurteilt sein;

5. im uneingeschränkten Besitz ihrer bürgerlichen und politischen Rechte sein;

6. im Besitz eines Identitätsausweises sein;

7. der Sozialversicherung und der Arbeitsunfallversicherung angeschlossen sein.

Die Einstellung privater Wachleute bedarf der Genehmigung durch den Präfekten.

Vereidigten privaten Wachleuten, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sind, kann nach den Bestimmungen des Decreto legislativo Nr. 527 vom 30. Dezember 1992 und der durch das [Decreto] Nr. 635 des Innenministers vom 30. Oktober 1996 hierzu erlassenen Durchführungsverordnung die Erlaubnis erteilt werden, Waffen zu tragen ..."

7 Art. 250 des Regio Decreto Nr. 635 vom 6. Mai 1940 mit der Durchführungsverordnung zum Testo unico in der durch Art. 5 des Gesetzes Nr. 478 vom 23. Dezember 1946 geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) bestimmt:

"Hat der Präfekt festgestellt, dass die Anforderungen nach Art. 138 des Gesetzes erfüllt sind, händigt er den privaten Wachleuten die Zulassungsurkunde aus.

Nach der Zulassung legen die privaten Wachleute vor dem Pretore den Eid nach folgender Formel ab:

'Ich schwöre, der Italienischen Republik und ihrem Staatsoberhaupt treu zu dienen, die staatlichen Gesetze redlich zu beachten und die mir übertragenen Aufgaben gewissenhaft, sorgfältig und ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrzunehmen.'

Die Eidesleistung wird vom Pretore am unteren Rand der Urkunde des Präfekten bescheinigt.

Nach der Eidesleistung ist der private Wachmann zur Wahrnehmung seiner Aufgaben befugt."

8 Art. 252 der Durchführungsverordnung sieht vor:

"Befinden sich die Objekte, mit deren Bewachung die privaten Wachleute beauftragt sind, auf dem Gebiet unterschiedlicher Provinzen, bedarf es - unbeschadet spezialgesetzlicher Bestimmungen - einer Zulassungsurkunde des Präfekten der jeweiligen Provinz.

Die Eidesleistung erfolgt vor einem Pretore, in dessen Zuständigkeitsbereich sich die zu bewachenden Objekte befinden."

9 Art. 257 dieser Verordnung bestimmt:

"Im Antrag auf Erteilung der Lizenz nach Art. 134 des Gesetzes ist Folgendes anzugeben: die Gemeinde oder Gemeinden, in denen das Unternehmen seine Tätigkeit ausüben möchte, der Preis für die einzelnen Leistungen oder für Dauerleistungen, der Stellenplan der angestellten Wachleute, die ihnen gezahlten Vergütungen, die wöchentlichen Feierschichten, die Mittel zur Fürsorge im Krankheitsfall, der Dienstplan sowie sämtliche, für die Ausübung des Dienstes maßgebenden Modalitäten.

Dem Antrag ist ein Nachweis über die Versicherung der Wachleute gegen die Risiken von Arbeitsunfällen, der Invalidität und des Alters beizufügen.

Handelt es sich um ein Unternehmen, das für Rechnung Privater Untersuchungen oder Nachforschungen durchführen möchte, sind im Antrag auch die Leistungen anzugeben, für deren Ausführung eine Erlaubnis beantragt wird, sowie die entsprechenden Befähigungsnachweise beizufügen.

Die Genehmigungsurkunde muss die für den Antrag vorgeschriebenen Angaben sowie die Genehmigung der Preise, des Stellenplans, der Vergütungen, des Dienstplans und der Mittel für die Fürsorge im Krankheitsfall enthalten.

Abweichungen oder Änderungen im Unternehmensbetrieb bedürfen der Genehmigung durch den Präfekten."

10 Zu den gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften erlassenen Verwaltungsakten ist festzustellen, dass in zahlreichen der von den Präfekten zur Ausübung des privaten Sicherheitsgewerbes erteilten Erlaubnisse vorgesehen ist, dass die Unternehmen über eine Mindest- und/oder Höchstzahl von privaten Wachleuten verfügen müssen.

11 Im Übrigen ist einem Rundschreiben des Innenministeriums zu entnehmen, dass die Unternehmen ihre Tätigkeiten nicht außerhalb des Amtsbezirks der Präfektur ausüben dürfen, die die Erlaubnis erteilt hat.

Vorverfahren

12 Mit Schreiben vom 5. April 2002 forderte die Kommission die Italienische Republik auf, sich zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit dem freien Dienstleistungsverkehr und der Niederlassungsfreiheit zu äußern. 13 Nach den Antworten der Italienischen Republik vom 6. Juni 2002 richtete die Kommission am 14. Dezember 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat, in der sie ihn aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen. Eine von der Italienischen Republik beantragte Fristverlängerung lehnte die Kommission ab.

14 Da die Kommission die Antworten der Italienischen Republik für nicht ausreichend hielt, beschloss sie, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

15 Die Kommission stützt ihre Klage auf acht Rügen, die im Wesentlichen die Anforderungen betreffen, denen nach italienischem Recht die Ausübung der Tätigkeit eines privaten Sicherheitsdienstes in Italien unterliegt.

16 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass in einem auf Gemeinschaftsebene noch nicht vollständig harmonisierten Bereich, was, wie die Italienische Republik und die Kommission im Übrigen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend eingeräumt haben, bei den privaten Sicherheitsdiensten der Fall ist, die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich befugt bleiben, die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeiten auf diesem Gebiet festzulegen, sie jedoch ihre Befugnisse unter Beachtung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben müssen (vgl. insbesondere Urteile vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-514/03, Slg. 2006, I-963, Randnr. 23).

17 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs schreiben die Art. 43 EG und 49 EG die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vor. Als solche Beschränkungen sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheiten unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteile vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, C-439/99, Slg. 2002, I-305, Randnr. 22, vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France, C-442/02, Slg. 2004, I-8961, Randnr. 11, vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C-451/03, Slg. 2006, I-2941, Randnr. 31, und vom 26. Oktober 2006, Kommission/Griechenland, C-65/05, Slg. 2006, I-10341, Randnr. 48).

18 Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten beschränken, nur unter vier Voraussetzungen zulässig sind: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteile vom 4. Juli 2000, Haim, C-424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Kommission/Griechenland, Randnr. 49).

19 Die von der Kommission vorgebrachten Rügen sind im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

Erste Rüge: Verstoß gegen die Art. 43 EG und 49 EG aufgrund der Verpflichtung zur Eidesleistung

Vorbringen der Parteien

20 Die Kommission trägt vor, dass die in Art. 250 der Durchführungsverordnung mittelbar auf die Staatsangehörigkeit gestützte Verpflichtung der privaten Wachleute, einen Treueid auf die Italienische Republik zu leisten, für die im privaten Sicherheitsgewerbe tätigen Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten ein nicht gerechtfertigtes Hindernis sowohl für die Ausübung des Niederlassungsrechts als auch für den freien Dienstleistungsverkehr sei.

21 Auch im Hinblick auf das verfolgte Ziel, nämlich einen besseren Schutz der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten, könne diese Verpflichtung nicht als gerechtfertigt und verhältnismäßig angesehen werden.

22 Die Italienische Republik führt aus, dass die in Rede stehenden, im Testo unico aufgeführten Tätigkeiten zur Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Art. 45 EG und 55 EG zählten und daher von der Anwendung der Bestimmungen im Dritten Teil Titel III Kapitel 2 und 3 EG-Vertrag ausgenommen seien.

23 So seien die Unternehmen des privaten Sicherheitsgewerbes in zahlreichen Situationen direkt und unmittelbar an der Ausübung öffentlicher Gewalt beteiligt.

24 Diese Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sicherheit seien naturgemäß ein wichtiger Beitrag zur öffentlichen Sicherheit beispielsweise im Bereich der bewaffneten Überwachung von Kreditinstituten und der Begleitung von Geldtransportfahrzeugen.

25 Außerdem hätten die von vereidigten privaten Wachleuten in Ausübung ihrer Tätigkeit erstellten Protokolle einen höheren Beweiswert als die Erklärungen von Privaten. Zudem dürften diese Wachleute Personen festnehmen, die auf frischer Tat angetroffen würden.

26 Die Kommission entgegnet auf diese Argumente, dass die Art. 45 EG und 55 EG als Ausnahmebestimmungen zu den Grundfreiheiten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eng auszulegen seien.

27 Das Vorbringen der Italienischen Republik könne es im Übrigen auch nicht rechtfertigen, von der Beurteilung des Gerichtshofs abzuweichen, der in ständiger Rechtsprechung entscheide, dass die Tätigkeiten der Bewachung oder der privaten Sicherheitsdienste normalerweise keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellten.

28 Unabhängig von der Berufung auf die Art. 45 EG und 55 EG trägt die Italienische Republik zu ihrer Verteidigung Folgendes vor.

29 Die Verpflichtung zur Eidesleistung könne die Kommission nur im Hinblick auf die damit eventuell verbundenen Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, nicht aber auf der Grundlage der Art. 43 EG und 49 EG beanstanden, da die privaten Wachleute zwangsläufig Arbeitnehmer seien.

30 Ferner gewährleiste die Eidesleistung, bei der es sich um keinen objektiv schwierigen Vorgang handele, die ordnungsgemäße Ausübung der heiklen Aufgaben, die die Wachleute auf dem Gebiet der Sicherheit zu erfüllen hätten und die durch zwingende Gesetze des Staates geregelt würden, was den kausalen Zusammenhang zwischen dem Eid und der Verstärkung des vorbeugenden Schutzes der öffentlichen Ordnung deutlich mache.

Würdigung durch den Gerichtshof

31 In Anbetracht der mit der Anwendung der Art. 45 EG und 55 EG verbundenen Konsequenzen ist vorab zu prüfen, ob diese Bestimmungen im vorliegenden Fall tatsächlich anzuwenden sind.

32 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass sich die in den Art. 45 Abs. 1 EG und 55 EG vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränken muss, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien, C-114/97, Slg. 1998, I-6717, Randnr. 35, vom 9. März 2000, Kommission/Belgien, C-355/98, Slg. 2000, I-1221, Randnr. 25, und vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, C-283/99, Slg. 2001, I-4363, Randnr. 20).

33 Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass die Tätigkeit der Bewachungs- oder Sicherheitsunternehmen normalerweise keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt (vgl. Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 26, und vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, Randnr. 20).

34 Im Übrigen hat der Gerichtshof in Randnr. 22 des Urteils vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, festgestellt, dass die in Art. 55 Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 45 Abs. 1 EG) vorgesehene Ausnahmeregelung im gegebenen Fall nicht anzuwenden war.

35 Daher ist prüfen, ob das Vorbringen der Italienischen Republik in der vorliegenden Klage, das auf den gegenwärtigen Inhalt des Testo unico und der Durchführungsverordnung abstellt, dazu führen kann, die Lage in Italien anders zu beurteilen als in den Fällen, die zu den in den Randnrn. 33 und 34 des vorliegenden Urteils angeführten Urteilen geführt haben.

36 Nach Art. 134 des Testo unico führen die auf dem Sektor der privaten Sicherheit tätigen Einrichtungen grundsätzlich für Rechnung von Privatpersonen die Überwachung oder Bewachung von beweglichen oder unbeweglichen Objekten sowie Untersuchungen oder Nachforschungen durch.

37 Zwar müssen die privaten Sicherheitsunternehmen, wie die Italienische Republik in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, unter bestimmten Umständen und in Ausnahmefällen die mit der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit betrauten Amtsträger beispielsweise auf dem Sektor der Geldtransporte oder durch die Beteiligung an der Überwachung bestimmter öffentlicher Orte möglicherweise unterstützen, doch ist nicht dargetan worden, dass es sich dabei um die Ausübung öffentlicher Gewalt handelt.

38 Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der bloße Beitrag zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zu dem jeder verpflichtet sein kann, keine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt (vgl. Urteil vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien, Randnr. 37).

39 Außerdem wird der Ausübung der Überwachungstätigkeiten in Art. 134 des Testo unico eine strenge Grenze gezogen, da diese niemals die Ausübung öffentlicher Gewalt oder die Befugnis zur Beschränkung der individuellen Freiheit umfassen können. Somit sind den privaten Sicherheitsunternehmen keinerlei Zwangsbefugnisse verliehen.

40 Daher kann von der Italienischen Republik nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die privaten Sicherheitsunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit Aufgaben zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ausführten, die der Ausübung öffentlicher Gewalt sehr nahekämen.

41 Was das Vorbringen zum Beweiswert der von vereidigten privaten Wachleuten erstellten Protokolle betrifft, so kommt diesen Protokollen, wie die Italienische Republik im Übrigen selbst einräumt, anders als den in Ausübung öffentlicher Gewalt insbesondere von den Kriminalpolizeibeamten erstellten Protokollen keine volle Beweiskraft zu.

42 Das Vorbringen schließlich, die vereidigten privaten Wachleute hätten die Möglichkeit, Personen festzunehmen, die auf frischer Tat angetroffen würden, hat die Italienische Republik bereits in der Rechtssache geltend gemacht, in der das Urteil vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, ergangen ist. Der Gerichtshof hat dazu in Randnr. 21 des in jener Rechtssache ergangenen Urteils entschieden, dass die Wachleute hier nicht mehr Befugnisse haben als jede andere Privatperson. Daran ist auch im Rahmen der vorliegenden Klage festzuhalten.

43 Demnach nehmen die privaten Sicherheitsunternehmen in Italien beim Stand des geltenden Rechts nicht unmittelbar und spezifisch an der Ausübung öffentlicher Gewalt teil, da die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten auf dem Gebiet der privaten Sicherheit nicht den Aufgaben gleichgestellt werden können, die in die Zuständigkeit der für die öffentliche Sicherheit verantwortlichen Dienststellen fallen.

44 Folglich finden die in den Art. 45 EG und 55 EG vorgesehenen Ausnahmeregelungen im vorliegenden Fall keine Anwendung.

45 Speziell in Bezug auf die in Art. 250 der Durchführungsverordnung aufgestellten Anforderungen geht aus den italienischen Rechtsvorschriften hervor, dass die Unternehmen für die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen nur Wachleute einsetzen dürfen, die vor dem Präfekten einen Treueid auf die Italienische Republik und ihr Staatsoberhaupt in italienischer Sprache geleistet haben.

46 Auch wenn diese Regelung für die in Italien niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise gilt wie für die aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Wirtschaftsteilnehmer, die ihre Tätigkeiten auf italienischem Hoheitsgebiet ausüben wollen, bildet sie gleichwohl für jeden nicht in Italien niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer ein Hindernis für die Ausübung seiner Tätigkeiten in diesem Mitgliedstaat, das seinen Zugang zum Markt beeinträchtigt.

47 Die in einer italienischen Provinz angesiedelten Wirtschaftsteilnehmer haben nämlich weniger Schwierigkeiten, Personal zu finden, das bereit ist, den nach italienischem Recht erforderlichen Eid zu leisten, als die Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, die ihre Tätigkeiten in Italien ausüben möchten. So ist offensichtlich, dass ein solches feierliches Versprechen der Treue zur Italienischen Republik und zum Staatsoberhaupt wegen seiner symbolischen Bedeutung eher bei den Angehörigen dieses Mitgliedstaats oder der in diesem Staat bereits ansässigen Personen auf Zustimmung stoßen wird. Die ausländischen Wirtschaftsteilnehmer befinden sich daher gegenüber den italienischen, in Italien ansässigen Wirtschaftsteilnehmern in einer weniger vorteilhaften Lage.

48 Somit ist die den Arbeitnehmern der privaten Sicherheitsunternehmen auferlegte Eidesleistung für die nicht in Italien niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit wie auch für den freien Dienstleistungsverkehr.

49 Was den Schutz der öffentlichen Ordnung angeht, den die Italienische Republik zur Rechtfertigung des insoweit festgestellten Hindernisses für die durch die Art. 43 EG und 49 EG garantierten Freiheiten hilfsweise geltend gemacht hat, so ist daran zu erinnern, dass der Begriff der öffentlichen Ordnung eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraussetzt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Wie bei allen Abweichungen von einem Grundprinzip des Vertrags ist jedoch auch bei der Berufung auf die öffentliche Ordnung eine enge Auslegung geboten (vgl. Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Es kann aber nicht angenommen werden, dass die in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik niedergelassenen privaten Sicherheitsunternehmen durch die Ausübung ihres Rechts auf Niederlassungsfreiheit und auf freien Dienstleistungsverkehr sowie durch den Einsatz von Personal, das keinen Treueid auf die Italienische Republik und ihr Staatsoberhaupt geleistet hat, eine tatsächliche und schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft herbeiführen könnten.

51 Demnach verstößt das sich aus dem italienischen Recht ergebende Erfordernis der Eidesleistung gegen die Art. 43 EG und 49 EG.

52 Somit ist die erste Rüge, auf die die Kommission ihre Klage stützt, begründet.

Zweite Rüge: Verstoß gegen Art. 49 EG aufgrund der Verpflichtung zum Besitz einer gebietsbezogenen Lizenz

Vorbringen der Parteien

53 Nach Auffassung der Kommission stellt die Verpflichtung, gemäß Art. 134 des Testo unico eine für einen bestimmten Teil des italienischen Staatsgebiets geltende Erlaubnis für einfache, sporadisch erbrachte private Sicherheitsdienstleistungen vorher einzuholen, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 49 EG dar.

54 Solche Beschränkungen seien nur zu rechtfertigen, soweit sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhten und dieses Interesse insbesondere nicht durch Vorschriften geschützt werde, denen der Dienstleistungserbringer bereits in dem Mitgliedstaat unterliege, in dem er niedergelassen sei.

55 Die Italienische Republik beruft sich in erster Linie auf die Anwendung der in den Art. 45 EG und 55 EG vorgesehenen Ausnahmeregelungen.

56 Hilfsweise trägt sie vor, solange der betreffende Gewerbebereich nicht harmonisiert sei und auch keine Regelung der gegenseitigen Anerkennung Anwendung finde, sei die Verwaltung des Aufnahmemitgliedstaats weiterhin befugt, die Zulassung in anderen Mitgliedstaaten niedergelassener Unternehmen von einer innerstaatlichen Erlaubnis abhängig zu machen.

57 Die Italienische Republik ergänzt schließlich, dass die zuständige Verwaltung bei der Beurteilung, ob die Erlaubnis erteilt werden könne, in der Praxis jedenfalls Verpflichtungen berücksichtige, denen die Dienstleistungserbringer bereits in ihrem Herkunftsstaat unterworfen seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

58 Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Regelung eines Mitgliedstaats, die die Erbringung bestimmter Dienstleistungen durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen im Inland von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG dar (vgl. u. a. Urteile vom 9. August 1994, Vander Elst, C-43/93, Slg. 1994, I-3803, Randnr. 15, Kommission/Belgien, Randnr. 35, vom 7. Oktober 2004, Kommission/Niederlande, C-189/03, Slg. 2004, I-9289, Randnr. 17, und vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, C-134/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 23).

59 Zudem erschwert die Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs der Erlaubnis, die den Dienstleistungserbringer verpflichtet, gemäß Art. 136 des Testo unico in jeder Provinz, in der er seine Tätigkeiten ausüben möchte, eine Erlaubnis zu beantragen - wobei daran zu erinnern ist, dass Italien in 103 Provinzen aufgeteilt ist - die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit noch zusätzlich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2002, Kommission/Italien, C-298/99, Slg. 2002, I-3129, Randnr. 64).

60 Daraus folgt, dass Rechtsvorschriften wie die in der vorliegenden Rechtssache fraglichen grundsätzlich Art. 49 EG zuwiderlaufen und daher durch diesen Artikel untersagt sind, sofern sie nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und im Übrigen in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 24).

61 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis einer behördlichen Erlaubnis oder einer Lizenz vor der Ausübung von Tätigkeiten auf dem Gebiet der privaten Sicherheit in Anbetracht der spezifischen Art dieser Tätigkeiten an sich durch die Notwendigkeit des Schutzes der öffentlichen Ordnung bedingt sein kann.

62 Jedoch kann nach ständiger Rechtsprechung ein Hindernis nur gerechtfertigt werden, soweit das geltend gemachte Allgemeininteresse nicht bereits durch Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistungserbringer in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er niedergelassen ist (vgl. Urteil vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, Randnr. 43).

63 So kann eine Maßnahme eines Mitgliedstaats, mit der im Wesentlichen Kontrollen wiederholt werden, die bereits in dem Mitgliedstaat durchgeführt worden sind, in dem der Dienstleistungserbringer niedergelassen ist, nicht als zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich angesehen werden.

64 Indem die italienischen Rechtsvorschriften im vorliegenden Fall für die Erteilung einer Lizenz nicht die Berücksichtigung der Verpflichtungen vorsehen, denen der grenzüberschreitende Dienstleistungserbringer im Mitgliedstaat seiner Niederlassung bereits unterliegt, gehen sie über das hinaus, was zur Erreichung des vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziels, eine strenge Kontrolle der in Frage stehenden Tätigkeiten zu gewährleisten, erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 38, vom 29. April 2004, Kommission/Portugal, C-171/02, Slg. 2004, I-5645, Randnr. 60, Kommission/Niederlande, Randnr. 18, und vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 25).

65 Für die von der Italienischen Republik behauptete Verwaltungspraxis, wonach die zuständige Behörde bei der Entscheidung über die Genehmigungsanträge die im Herkunftsmitgliedstaat vorgesehenen Verpflichtungen berücksichtige, ist kein Beweis erbracht worden. Jedenfalls kann nach ständiger Rechtsprechung eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, nicht als rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag angesehen werden (vgl. insbesondere Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 19).

66 Schließlich finden, wie in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die in den Art. 45 EG und 55 EG vorgesehenen Ausnahmeregelungen hier keine Anwendung.

67 Somit ist die zweite Rüge, dass die Verpflichtung zum Besitz einer gebietsbezogenen Lizenz gegen Art. 49 EG verstößt, mangels einer ausdrücklichen Bestimmung im italienischen Recht, die die Berücksichtigung der im Mitgliedstaat der Niederlassung vorgesehenen Anforderungen vorschreibt, begründet.

Dritte Rüge: Verstoß gegen die Art. 43 EG und 49 EG aufgrund der Gebietsbezogenheit der Lizenz und aufgrund der Berücksichtigung der Zahl und der Größe der in dem betreffenden Gebiet bereits tätigen Unternehmen bei der Erteilung dieser Lizenz

68 Art. 136 des Testo unico ist, wie in Randnr. 59 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zu entnehmen, dass der Lizenzinhaber die Tätigkeit privater Sicherheitsdienste nur in dem Bereich des Hoheitsgebiets ausüben kann, für den die Lizenz erteilt wurde.

69 Im Übrigen hat der Präfekt zu beurteilen, ob es unter Berücksichtigung der Zahl und der Größe der in dem betreffenden Gebiet bereits tätigen Unternehmen angebracht ist, die Lizenz zu erteilen.

Vorbringen der Parteien

70 Nach Auffassung der Kommission stellen diese Bestimmungen eine nicht gerechtfertigte und unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und - wegen der Lizenz - des freien Dienstleistungsverkehrs dar.

71 Der Präfekt schaffe durch die Beurteilung der möglichen Gefahr für die öffentliche Ordnung durch eine übergroße Zahl von Unternehmen des privaten Sicherheitsgewerbes in einem bestimmten Gebiet für den Wirtschaftsteilnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat eine Situation der Rechtsunsicherheit. Im Übrigen sei der Nachweis einer tatsächlichen und schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht erbracht worden.

72 Die Italienische Republik vertritt die Ansicht, dass eine solche Begrenzung des Geltungsgebiets Art. 43 EG nicht zuwiderlaufe und dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beurteilung der Situation im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung stehe, von der die Erteilung der Lizenz durch den Präfekten abhänge. Diese Beurteilung stütze sich zwangsläufig auf rein gebietsbezogene Umstände wie die Kenntnis von der organisierten Kriminalität in einem bestimmten Gebiet.

73 Schließlich sei darauf zu achten, dass die privaten Sicherheitsunternehmen nicht an die Stelle der Träger öffentlicher Gewalt träten.

Würdigung durch den Gerichtshof

74 Die Italienische Republik bestreitet nicht, dass die Begrenzung des Geltungsgebiets der Lizenz eine Beschränkung sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne der in Randnr. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs darstellt. Zu ihrer Verteidigung beruft sie sich in erster Linie auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und betont insoweit, dass die Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste geschützt gegen das Einsickern lokaler krimineller Organisationen ausgeübt werden müsse.

75 Betrachtet man die in Randnr. 49 des vorliegenden Urteils angeführte ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, so hat die Italienische Republik im Rahmen ihrer zur Rechtfertigung dieser Beschränkung herangezogenen Gründe der öffentlichen Ordnung - selbst wenn man von der Gefahr des Einsickerns der besagten Organisationen ausgehen könnte - weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass allein das System der gebietsbezogenen Lizenzen diese Gefahr bannen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gewährleisten kann.

76 Die Italienische Republik hat nicht dargetan, dass es zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der wirksamen Kontrolle der Tätigkeiten privater Sicherheitsdienste notwendig ist, eine Erlaubnis für den Bereich einer jeden Provinz zu erteilen, auf den ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat diese Tätigkeiten im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs ausweiten will, wobei daran zu erinnern ist, dass diese Tätigkeiten an sich nicht geeignet sind, die öffentliche Ordnung zu stören.

77 Insoweit könnten weniger einschränkende Maßnahmen als die, die die Italienische Republik getroffen hat, beispielsweise die Einführung regelmäßiger behördlicher Kontrollen, zusätzlich zum Erfordernis einer vorherigen, räumlich nicht begrenzten Erlaubnis zum gleichen Ergebnis führen und die Kontrolle der Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste sicherstellen, wobei diese Erlaubnis im Übrigen bei Pflichtverletzungen der privaten Sicherheitsunternehmen oder bei Störungen der öffentlichen Ordnung ausgesetzt oder widerrufen werden könnten.

78 Schließlich kann auch das Argument, es dürfe nicht einer übergroßen Zahl ausländischer Unternehmen erlaubt werden, sich niederzulassen, um Tätigkeiten privater Sicherheitsdienste auszuüben oder ihre Dienstleistungen auf dem italienischen Markt für private Sicherheitsdienste anzubieten, damit diese Unternehmen nicht an die Stelle der für die öffentliche Sicherheit verantwortlichen Behörden träten, nicht greifen, weil insbesondere die in Rede stehenden Tätigkeiten und diejenigen, die unter die Ausübung öffentlicher Gewalt fallen, wie in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht identisch sind.

79 Folglich sind die sich aus den beanstandeten Rechtsvorschriften ergebenden Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nicht gerechtfertigt.

80 Somit ist die dritte Rüge, dass die Gebietsbezogenheit der Lizenz gegen die Art. 43 EG und 49 EG verstößt, begründet.

Vierte Rüge: Verstoß gegen Art. 49 EG aufgrund der Verpflichtung der privaten Sicherheitsdienste in jeder Provinz, in der sie ihre Tätigkeiten ausüben, über eine Geschäftsniederlassung zu verfügen

81 Aus der Anwendung des Testo unico und der Durchführungsverordnung ergibt sich die Verpflichtung der privaten Sicherheitsunternehmen, in jeder Provinz, in der sie ihre Tätigkeit ausüben wollen, eine Geschäftsniederlassung zu haben.

Vorbringen der Parteien

82 Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei der vorgenannten Verpflichtung um eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, die durch keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

83 Die Italienische Republik, die weder diese Praxis der Präfekten noch die durch sie verursachte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in Abrede stellt, macht geltend, dass die Verpflichtung, über eine solche Geschäftsniederlassung oder über Geschäftsräume zu verfügen, insbesondere eine zweckentsprechende Nähe zwischen dem Einsatzbereich der vereidigten privaten Wachleute und der Wahrnehmung der Leitungs-, Befehls- und Kontrollverantwortung des Lizenzinhabers gewährleisten solle.

Würdigung durch den Gerichtshof

84 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Erfordernis, dass ein Bewachungsunternehmen seine Geschäftsniederlassung in dem Mitgliedstaat haben muss, in dem die Dienstleistung erbracht wird, dem freien Dienstleistungsverkehr geradewegs zuwiderläuft, da es die Erbringung von Dienstleistungen in diesem Staat durch in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Dienstleistungserbringer unmöglich macht (vgl. u. a. Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 27, und vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85 Es steht fest, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Praxis ein grundsätzlich verbotenes Hindernis für den durch Art. 49 EG garantierten freien Dienstleistungsverkehr darstellt, was die Italienische Republik im Übrigen einräumt.

86 Diese Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs lässt sich aber nicht rechtfertigen, da sie den in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen insoweit nicht genügt, als die Voraussetzung einer Geschäftsniederlassung über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels, nämlich der Gewährleistung einer wirksamen Kontrolle der Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste, erforderlich ist.

87 Die Kontrolle der Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste hängt nämlich keineswegs davon ab, dass in jeder Provinz dieses Staates, in deren Gebiet die Unternehmen ihre Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben wollen, eine Geschäftsniederlassung besteht. Eine Erlaubnisregelung und die sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen sind zur Erreichung des Ziels einer Kontrolle der Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste ausreichend, sofern, wie in Randnr. 62 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Voraussetzungen, die für die Erteilung der Erlaubnis erfüllt sein müssen, keine Wiederholung der gleichwertigen Voraussetzungen darstellen, die der grenzüberschreitende Dienstleistungserbringer im Niederlassungsstaat bereits erfüllt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2004, Kommission/Frankreich, C-496/01, Slg. 2004, I-2351, Randnr. 71).

88 Daher ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat, dass sie die Dienstleistungserbringer verpflichtet, in jeder Provinz, in der sie die Tätigkeiten eines privaten Sicherheitsdienstes ausüben, über eine Geschäftsniederlassung zu verfügen.

89 Folglich ist der vierten Rüge stattzugeben.

Fünfte Rüge: Verstoß gegen Art. 49 EG aufgrund der Verpflichtung des Personals der privaten Sicherheitsunternehmen, eine Erlaubnis zu besitzen

90 Nach Art. 138 des Testo unico ist die Ausübung der Tätigkeit als vereidigter privater Wachmann an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft. Darüber hinaus bedarf die Einstellung privater Wachleute der Genehmigung durch den Präfekten.

Vorbringen der Parteien

91 Nach Ansicht der Kommission läuft die Einführung einer solchen Erlaubnis für das Personal von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen privaten Sicherheitsunternehmen Art. 49 EG zuwider, da in den nationalen Rechtsvorschriften nicht die Kontrollen berücksichtigt würden, denen die vereidigten privaten Wachleute im Herkunftsmitgliedstaat unterlägen.

92 Die Italienische Republik trägt vor, diese Rüge könne allein unter dem Blickwinkel der Freizügigkeit der Arbeitnehmer geprüft werden. Darüber hinaus wiederholt sie das Verteidigungsvorbringen, das sie bereits auf der Grundlage von Art. 55 EG in Bezug auf die Teilnahme der Betroffenen an der Ausübung öffentlicher Gewalt geltend gemacht hat.

Würdigung durch den Gerichtshof

93 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Bedingung, wonach die Angehörigen des Personals eines privaten Sicherheitsunternehmens einer erneuten besonderen Erlaubnis im Aufnahmemitgliedstaat bedürfen, eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dieses Unternehmens im Sinne von Art. 49 EG darstellt, da sie nicht die im Herkunftsmitgliedstaat bereits durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen berücksichtigt (Urteile Kommission/Portugal, Randnr. 66, Kommission/Niederlande, Randnr. 30, und vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, Randnr. 55).

94 Dies trifft auch auf den Testo unico zu. Da das Vorbringen der Italienischen Republik zur Anwendung des Art. 55 EG, wie im Vorstehenden dargelegt, unerheblich ist, ist folglich auch die fünfte Rüge begründet.

Sechste Rüge: Verstoß gegen die Art. 43 EG und 49 EG aufgrund der Festlegung von Bedingungen hinsichtlich der Personalstärke

Vorbringen der Parteien

95 Die Kommission trägt vor, Art. 257 der Durchführungsverordnung setze für jedes private Sicherheitsunternehmen eine Mindest- und/oder Höchstzahl von vereidigten privaten Wachleuten voraus.

96 Sie verweist zudem auf drei, von den Präfekten verschiedener Provinzen erteilte Erlaubnisse, in denen die Zahl der von den privaten Sicherheitsunternehmen beschäftigten Wachleute genannt sei.

97 Auf der Geschäftsleitung der privaten Sicherheitsunternehmen ruhe eine sehr schwere Belastung, da zum einen die genaue Zahl der Beschäftigten in jeder Provinzniederlassung unerlässlicher Bestandteil des Lizenzantrags sei und zum anderen jede Änderung der Personalstärke vom Präfekten genehmigt werden müsse. Eine solche Belastung sei ein nicht gerechtfertigtes und unverhältnismäßiges Hindernis für die Ausübung des Niederlassungsrechts wie auch für den freien Dienstleistungsverkehr.

98 Der Italienischen Republik zufolge ist in den Vorschriften nur die Verpflichtung festgelegt, dem Präfekten die Zusammensetzung der Belegschaft mitzuteilen, damit die für die öffentliche Sicherheit verantwortliche Behörde zum Zweck der Durchführung der erforderlichen Kontrollen Kenntnis von der Zahl der bewaffneten Personen erlangen kann, die in einem bestimmten Gebiet Dienstleistungen erbringen.

99 Zudem berücksichtigten die durch die Präfekten ausgestellten Erlaubnisse, die die Kommission beispielhaft vorgelegt habe, lediglich die von den Verantwortlichen der privaten Sicherheitsunternehmen selbst angegebenen Beschäftigtenzahlen, sähen aber an sich keinerlei Verpflichtung vor.

Würdigung durch den Gerichtshof

100 Es steht fest, dass nach Art. 257 der Durchführungsverordnung jede Abweichung oder Änderung im Unternehmensbetrieb, insbesondere eine Änderung der Zahl der beschäftigten Wachleute, dem Präfekten mitgeteilt und von diesem genehmigt werden muss. Die für die Ausübung der Tätigkeiten der privaten Sicherheitsdienste erforderliche Genehmigung wird vom Präfekten somit insbesondere im Hinblick auf den Stellenplan erteilt.

101 Ein solches Erfordernis kann mittelbar zum Verbot der Erhöhung oder Verringerung der Zahl der von den privaten Sicherheitsunternehmen beschäftigten Personen führen.

102 Dies kann den Zugang ausländischer Wirtschaftsteilnehmer zum italienischen Markt für private Sicherheitsdienste beeinträchtigen. In Anbetracht der Beschränkungen, denen die Organisations- und Leitungsbefugnisse des Wirtschaftsteilnehmers damit unterworfen werden, und ihrer Folgen auf der Kostenseite können die ausländischen privaten Sicherheitsunternehmen nämlich abgeschreckt werden, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften in Italien zu gründen oder ihre Dienstleistungen auf dem italienischen Markt anzubieten.

103 Zu dem Grund, den die Italienische Republik zur Rechtfertigung der Beschränkung der durch die Art. 43 EG und 49 EG garantierten Freiheiten anführt, ist festzustellen, dass die Verpflichtung, jede Änderung im Unternehmensbetrieb vom Präfekten genehmigen zu lassen, nicht von vornherein als ungeeignet angesehen werden kann, um das damit verfolgte Ziel einer wirksamen Kontrolle der betreffenden Tätigkeiten zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 59).

104 Die Italienische Republik hat jedoch nicht rechtlich hinreichend dargetan, dass die im geltenden Recht vorgeschriebene Kontrolle der Zahl der Arbeitnehmer zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sei.

105 Daher ist der sechsten Rüge stattzugeben.

Siebte Rüge: Verstoß gegen die Art. 43 EG und 49 EG aufgrund der Verpflichtung zur Hinterlegung einer Sicherheit bei der Cassa depositi e prestiti

106 Nach Art. 137 des Testo unico sind die privaten Sicherheitsunternehmen verpflichtet, in jeder Provinz, in der sie über die Erlaubnis zur Ausübung ihrer Tätigkeit verfügen, bei der staatlichen Provinzkasse zugunsten der Cassa depositi e prestiti eine Sicherheit zu hinterlegen. Diese soll sicherstellen, dass bei Nichteinhaltung der Bedingungen für die Erteilung der Genehmigung eventuell verhängte verwaltungsrechtliche Sanktionen gezahlt werden.

Vorbringen der Parteien

107 Nach Ansicht der Kommission erlegt diese Bedingung den Unternehmen, die nicht ihren Hauptsitz in Italien haben, eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung auf, da das italienische Gesetz eine gleichartige Verpflichtung, die im Herkunftsmitgliedstaat bereits bestehen könne, nicht berücksichtige.

108 Die Italienische Republik weist darauf hin, dass die Tätigkeit der privaten Sicherheitsdienste auf Gemeinschaftsebene nicht harmonisiert sei und daher der Möglichkeit, dass das in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen im Herkunftsmitgliedstaat bei Kreditinstituten, die der italienischen Cassa depositi e prestiti entsprächen, bereits ausreichende Sicherheiten gestellt habe, nur im Einzelfall Rechnung getragen werden könne.

Würdigung durch den Gerichtshof

109 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass im Bereich der privaten Sicherheit die Verpflichtung, bei einer Hinterlegungs- und Konsignationskasse eine Sicherheit zu hinterlegen, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Art. 43 EG und 49 EG behindern oder weniger attraktiv machen kann, da sie die Erbringung von Dienstleistungen oder die Gründung einer Tochtergesellschaft oder einer Zweigniederlassung für die privaten Sicherheitsunternehmen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, im Vergleich zu den im Bestimmungsmitgliedstaat ansässigen Unternehmen verteuert (vgl. Urteil vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, Randnr. 41).

110 Im vorliegenden Fall ist in jeder Provinz, in der das Unternehmen seine Tätigkeit ausüben will, erneut eine Sicherheit zu hinterlegen.

111 Eine derartige Beschränkung kann nur gerechtfertigt sein, soweit das angeführte Allgemeininteresse - nämlich die Beträge zur Sicherstellung der Einhaltung aller im geltenden nationalen Recht festgelegten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur Verfügung der italienischen Behörden zu halten - nicht bereits durch die Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistungserbringer in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er niedergelassen ist.

112 Die in Rede stehende italienische Regelung verlangt die Hinterlegung von Sicherheiten, ohne eine eventuelle, im Herkunftsmitgliedstaat bereits gestellte Sicherheit zu berücksichtigen.

113 Aus der Stellungnahme der Italienischen Republik geht jedoch hervor, dass die zuständigen Präfekturen in der Praxis im Einzelfall Sicherheiten berücksichtigen, die bei der Cassa depositi e prestiti entsprechenden Finanzeinrichtungen anderer Mitgliedstaaten hinterlegt worden sind.

114 Mit dieser Praxis erkennt die Italienische Republik selbst an, dass die Hinterlegung einer neuen Sicherheit in jeder Provinz, in der der Wirtschaftsteilnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat seine Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben will, zur Erreichung des angestrebten Ziels nicht erforderlich ist.

115 Demnach ist die siebte Rüge begründet.

Achte Rüge: Verstoß gegen Art. 49 EG aufgrund der Anordnung einer behördlichen Preiskontrolle

116 Nach Art. 257 der Durchführungsverordnung hat der Präfekt die Preise der Unternehmen für die einzelnen Dienstleistungen der privaten Sicherheit zu genehmigen. Jede Änderung dieser Preise ist unter den gleichen Voraussetzungen zu genehmigen.

117 Dem Rundschreiben Nr. 559/C. 4770.10089. D des Innenministeriums vom 8. November 1999 zufolge legen die Präfekten für jede Art von Dienstleistung einen gesetzlichen Preis sowie eine in Prozenten ausgedrückte Preisbandbreite fest, innerhalb deren jedes Unternehmen seinen eigenen Preis für die jeweilige Dienstleistung wählen kann.

118 Bevor die Präfekten die vorgeschlagenen Preise genehmigen, haben sie sich zu vergewissern, dass diese sich innerhalb dieser Bandbreite halten. Wird diese nicht eingehalten, müssen die Verantwortlichen der Unternehmen die Festsetzung der nicht konformen Preise begründen, und die Präfekten haben zu prüfen, ob die Unternehmen auf dieser Grundlage tätig werden können. Lässt sich nicht mit letzter Gewissheit feststellen, ob diese Voraussetzung gegeben ist, werden die Preise nicht genehmigt, und es kann dementsprechend keine Lizenz erteilt werden.

Vorbringen der Parteien

119 Die Kommission hält diese Regelung für mit dem freien Dienstleistungsverkehr nicht vereinbar. Angesichts der damit verbundenen Preiskontrolle hinderten die in Italien angewandten Preise einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer daran, auf dem italienischen Markt aufzutreten oder seine Dienstleistungen zu Preisen anzubieten, die günstiger als die seiner Wettbewerber in Italien seien oder aber teurere Dienstleistungen anzubieten, die jedoch einen höheren Mehrwert hätten und damit wettbewerbsfähiger seien.

120 Eine solche Regelung sei eine Maßnahme, die den Zugang zum Markt für private Sicherheitsdienstleistungen dadurch erschweren könne, dass sie einen wirksamen Preiswettbewerb verhindere.

121 Die Italienische Republik macht geltend, die streitige Regelung sei durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Erbringung von Dienstleistungen zu übertrieben niedrigen Preisen zu verhindern, die unausweichlich zu sinkender Qualität der Dienstleistungen führen würden, was insbesondere den Schutz der grundlegenden Interessen im Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigen könnte.

Würdigung durch den Gerichtshof

122 Nach ständiger Rechtsprechung steht Art. 49 EG der Anwendung jeder nationalen Regelung entgegen, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten im Ergebnis gegenüber der Leistung von Diensten im Inneren eines Mitgliedstaats erschwert (vgl. Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 70).

123 Zu verbindlichen Mindestpreisen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Regelung, die es verbietet, im Wege einer Vereinbarung von den Mindesthonoraren abzuweichen, welche durch eine Rechtsanwaltsgebührenordnung für Leistungen festgelegt sind, die zum einen Gerichtsbezug aufweisen und zum anderen Rechtsanwälten vorbehalten sind, eine Beschränkung des in Art. 49 EG vorgesehenen freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl. Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421, Randnr. 70, und vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 71).

124 Im vorliegenden Fall räumt das in Randnr. 117 des vorliegenden Urteils erwähnte Rundschreiben Nr. 559/C.4770.10089.D den Präfekten die Befugnis ein, über die Höhe eines Referenzpreises und die Genehmigung der von den Wirtschaftsteilnehmern vorgeschlagenen Preise zu entscheiden, wobei die Nichtgenehmigung der Preise der Erteilung einer Lizenz entgegensteht.

125 Die dadurch herbeigeführte Beschränkung der Freiheit der Preisfestsetzung ist geeignet, den Zugang zum italienischen Markt für private Sicherheitsdienstleistungen für die Wirtschaftsteilnehmer zu beschränken, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind und ihre Dienstleistungen in Italien anbieten wollen. Diese Beschränkung nimmt nämlich diesen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit, durch niedrigere als die verbindlich festgesetzten Preise den Wirtschaftsteilnehmern, die in Italien bereits dauerhaft ansässig sind und daher leichter als im Ausland ansässige Wirtschaftsteilnehmer sich einen Kundenstamm aufbauen können, in wirksamer Weise Konkurrenz zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnr. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Beschränkung ist auch geeignet, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer daran zu hindern, bestimmte Kosten, die die in Italien ansässigen Wirtschaftsteilnehmer nicht zu tragen haben, in den Preis ihrer Dienstleistungen einfließen zu lassen.

126 Schließlich kann die den Wirtschaftsteilnehmern belassene Preisbandbreite nicht die Wirkungen der dadurch herbeigeführten Beschränkung der Freiheit der Preisfestsetzung ausgleichen.

127 Folglich liegt eine Beschränkung des durch Art. 49 EG garantierten freien Dienstleistungsverkehrs vor.

128 Die Italienische Republik hat in Bezug auf die von ihr zur Rechtfertigung dieser Beschränkung geltend gemachten Gründe nichts vorgetragen, was die positiven Folgen der Preisfestsetzungsregelung sowohl für die Qualität der den Verbrauchern erbrachten Dienstleistungen als auch für die öffentliche Sicherheit belegen könnte.

129 Daher ist die achte Rüge begründet.

130 Nach alledem ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch, dass sie im Testo unico vorsieht, dass

- die Tätigkeit als privater Wachmann nur nach Ableistung eines Treueids auf die Italienische Republik ausgeübt werden kann, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen hat;

- die Tätigkeit des privaten Sicherheitsdienstes durch in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Dienstleistungserbringer nur nach Erteilung einer gebietsbezogenen Erlaubnis durch den Präfekten ausgeübt werden kann, ohne dass die Verpflichtungen berücksichtigt werden, denen diese Dienstleistungserbringer bereits im Herkunftsmitgliedstaat unterliegen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat;

- diese Erlaubnis in ihrer Geltung räumlich begrenzt ist und ihre Erteilung von der Berücksichtigung der Zahl und der Größe der privaten Sicherheitsunternehmen abhängig ist, die in diesem Gebiet bereits tätig sind, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen hat;

- die privaten Sicherheitsunternehmen eine Geschäftsniederlassung in jeder Provinz haben müssen, in der sie ihre Tätigkeit ausüben, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat;

- jeder Angehörige des Personals dieser Unternehmen eine Erlaubnis zur Ausübung der Bewachungstätigkeit besitzen muss, ohne dass die im Herkunftsmitgliedstaat bereits durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen berücksichtigt werden, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat;

- die privaten Sicherheitsunternehmen als Voraussetzung für die Erlaubnis zur Ausübung ihrer Tätigkeit über eine Mindest- und/oder Höchstzahl von Mitarbeitern verfügen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen hat;

- diese Unternehmen eine Sicherheit bei der Cassa depositi e prestiti hinterlegen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen hat;

- die Preise für die privaten Sicherheitsdienstleistungen in der Erlaubnis des Präfekten innerhalb einer bestimmten Bandbreite festgelegt werden, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

131 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Italienischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Italienische Republik hat dadurch, dass sie im Testo unico delle leggi di pubblica sicurezza, der durch das Regio Decreto Nr. 773 vom 18. Juni 1931 genehmigt worden ist, in seiner geänderten Fassung vorsieht, dass

- die Tätigkeit als privater Wachmann nur nach Ableistung eines Treueids auf die Italienische Republik ausgeübt werden kann, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen;

- die Tätigkeit des privaten Sicherheitsdienstes durch in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Dienstleistungserbringer nur nach Erteilung einer gebietsbezogenen Erlaubnis durch den Präfekten ausgeübt werden kann, ohne dass die Verpflichtungen berücksichtigt werden, denen diese Dienstleistungserbringer bereits im Herkunftsmitgliedstaat unterliegen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen;

- diese Erlaubnis in ihrer Geltung räumlich begrenzt ist und ihre Erteilung von der Berücksichtigung der Zahl und der Größe der privaten Sicherheitsunternehmen abhängig ist, die in diesem Gebiet bereits tätig sind, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen;

- die privaten Sicherheitsunternehmen eine Geschäftsniederlassung in jeder Provinz haben müssen, in der sie ihre Tätigkeit ausüben, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen;

- jeder Angehörige des Personals dieser Unternehmen eine Erlaubnis zur Ausübung der Bewachungstätigkeit besitzen muss, ohne dass die im Herkunftsmitgliedstaat bereits durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen berücksichtigt werden, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen;

- die privaten Sicherheitsunternehmen als Voraussetzung für die Erlaubnis zur Ausübung ihrer Tätigkeit über eine Mindest- und/oder Höchstzahl von Mitarbeitern verfügen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen;

- diese Unternehmen eine Sicherheit bei der Cassa depositi e prestiti hinterlegen müssen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG verstoßen;

- die Preise für die privaten Sicherheitsdienstleistungen in der Erlaubnis des Präfekten innerhalb einer bestimmten Bandbreite festgelegt werden, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück