Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: C-468/03
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2913/92, Zollkodex


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 Art. 29
Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 Art. 32
Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 Art. 33
Zollkodex Art. 78 Abs. 3
Zollkodex Art. 65
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C-468/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom VAT and Duties Tribunal, London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 29. September 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2003, in dem Verfahren

Overland Footwear Ltd

gegen

Commissioners of Customs Excise

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J. Makarczyk, C. Gulmann (Berichterstatter), R. Schintgen und J. Klucka,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Overland Footwear Ltd, vertreten durch R. Cordara, QC,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von S. Moore, Barrister,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 29, 32, 33, 78 und 236 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Overland Footwear Ltd (im Folgenden: Klägerin) und den Commissioners of Customs Excise (im Folgenden: Commissioners) über die Erstattung von Einfuhrzöllen, die auf im angemeldeten Zollwert enthaltene Einkaufsprovisionen entrichtet worden waren. Es ergeht im Anschluss an ein vom vorlegenden Gericht im selben Rechtsstreit vorgelegtes früheres Vorabentscheidungsersuchen, das zum Urteil vom 5. Dezember 2002 in der Rechtssache C-379/00 (Overland Footwear, Slg. 2002, I-11133) geführt hat.

Rechtlicher Rahmen

3. Artikel 29 Absatz 1 des Zollkodex bestimmt:

"Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß den Artikeln 32 und 33 ..."

4. Artikel 32 des Zollkodex schreibt vor:

"(1) Bei der Ermittlung des Zollwerts nach Artikel 29 sind dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzurechnen:

a) folgende Kosten, soweit sie für den Käufer entstanden, aber nicht in dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten sind:

i) Provisionen und Maklerlöhne ausgenommen Einkaufsprovisionen;

...

(3) Zuschläge zu dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis dürfen bei der Ermittlung des Zollwerts nur vorgenommen werden, wenn dies in diesem Artikel vorgesehen ist.

(4) Unter dem Begriff 'Einkaufsprovisionen' sind in diesem Kapitel Beträge zu verstehen, die ein Einführer jemandem dafür zahlt, dass er für ihn beim Kauf der zu bewertenden Waren tätig wird.

..."

5. Artikel 33 Buchstabe e stellt klar:

"Die nachstehenden Aufwendungen oder Kosten werden nicht in den Zollwert einbezogen, vorausgesetzt, dass sie getrennt von dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen werden:

...

e) Einkaufsprovisionen;

..."

6. Artikel 65 sieht vor:

"Dem Anmelder wird auf Antrag bewilligt, eine oder mehrere Angaben in der Anmeldung zu berichtigen, nachdem diese von den Zollbehörden angenommen worden ist. Die Berichtigung darf nicht zur Folge haben, dass sich die Anmeldung auf andere als die ursprünglich angemeldeten Waren bezieht.

Eine Berichtigung wird jedoch nicht mehr zugelassen, wenn der Antrag gestellt wird, nachdem die Zollbehörden

...

c) die Waren dem Anmelder bereits überlassen haben."

7. Unter der Überschrift "Nachträgliche Prüfungen der Anmeldungen" bestimmt Artikel 78:

"(1) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen.

(2) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren die Geschäftsunterlagen und anderes Material, das im Zusammenhang mit den betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrgeschäften sowie mit späteren Geschäften mit diesen Waren steht, prüfen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung zu überzeugen. Diese Prüfung kann beim Anmelder, bei allen in geschäftlicher Hinsicht mittelbar oder unmittelbar beteiligten Personen oder bei allen anderen Personen durchgeführt werden, die diese Unterlagen oder dieses Material aus geschäftlichen Gründen in Besitz haben. Die Zollbehörden können auch eine Überprüfung der Waren vornehmen, sofern diese noch vorgeführt werden können.

(3) Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so treffen die Zollbehörden unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln."

8. Artikel 236 sieht vor:

"(1) Einfuhr...abgaben werden insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.

...

Eine Erstattung ... wird nicht gewährt, wenn die Zahlung oder buchmäßige Erfassung eines gesetzlich nicht geschuldeten Betrags auf ein betrügerisches Vorgehen des Beteiligten zurückzuführen ist.

(2) Die Erstattung ... der Einfuhr...abgaben erfolgt auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.

Diese Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.

..."

Ausgangsverfahren, vorangegangenes Vorabentscheidungsverfahren und Vorlagefragen

9. Zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit kaufte die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, außerhalb der Gemeinschaft hergestellte Waren, insbesondere Schuhe, ein, die sie sodann in die Gemeinschaft einführte und dort vertrieb. Die Firma Wolverine Far East (im Folgenden: Makler) war ihr Einkaufsmakler im Fernen Osten.

10. Die Klägerin vergütete die Dienstleistungen des Maklers mit einer Einkaufsprovision in Höhe von 4 % des Kaufpreises der Waren. Sie zahlte diese Provision an den Hersteller, der sie in ihrem Namen an den Makler weiterleitete.

11. Vor dem 1. Januar 1998 war in den Einfuhrzollanmeldungen, die die Klägerin bei der Überführung der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Waren in den zollrechtlich freien Verkehr abgab, der auf der Rechnung des Herstellers genannte Betrag angegeben. Dieser Betrag umfasste auch die Einkaufsprovision, die allerdings nicht getrennt ausgewiesen war. Der Einfuhrzoll wurde somit auch auf diese Provision berechnet.

12. Ab 1. Januar 1998 wies die Klägerin in ihren Einfuhrzollanmeldungen mit Zustimmung der Commissioners die Einkaufsprovision getrennt vom Kaufpreis der eingeführten Waren aus. Fortan erhoben die Commissioners auf die Beträge, die auf die Einkaufsprovision entfielen, keine Abgaben mehr.

13. Unter Berufung auf Artikel 236 des Zollkodex stellte die Klägerin bei den Commissioners vier Anträge auf Erstattung von insgesamt 38 085,45 GBP an Einfuhrabgaben, die sie für die vor 1998 eingeführten Waren gezahlt hatte. Sie machte geltend, dass ein Teil des auf jeder Einfuhrzollanmeldung angegebenen Wertes einer Einkaufsprovision entspreche und dass auf diese keine Abgaben geschuldet gewesen seien.

14. Mit Schreiben vom 5. Mai, 1. Juli und 24. Juli 1998 gaben die Commissioners den ersten drei Anträgen auf Erstattung von insgesamt 4 384,29 GBP statt, woraufhin dieser Betrag erstattet wurde. Aufgrund einer erneuten Prüfung vertraten sie jedoch die Auffassung, dass ihre Entscheidungen, die Erstattung an die Klägerin zu bewilligen, irrig gewesen seien, weil die fraglichen Abgaben gesetzlich geschuldet gewesen seien. Mit Entscheidungen vom 30. November und 16. Dezember 1998 forderten die Commissioners die Klägerin zur Rückzahlung des Gesamtbetrags von 4 384,29 GBP auf. Mit Entscheidungen vom 4. und 5. Februar 1999 hielten sie an ihrer Aufforderung fest.

15. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1998 verwarfen die Commissioners außerdem den vierten Antrag der Klägerin auf Erstattung eines Betrages von 33 701,16 GBP. Diese ablehnende Entscheidung bestätigten sie mit einer zweiten Entscheidung vom 5. Februar 1999.

16. Die Klägerin erhob gegen die Entscheidung vom 4. Februar 1999 und die beiden Entscheidungen vom 5. Februar 1999 Klage beim VAT and Duties Tribunal, London.

17. Mit Beschluss vom 24. März 2000 setzte das VAT and Duties Tribunal, London, das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

Gesetzt den Fall, dass ein Einführer im Zeitpunkt der Zollabfertigung versehentlich als für die Waren gezahlten oder zu zahlenden Preis einen Betrag einschließlich einer Einkaufsprovision anmeldet und die Einkaufsprovision in der Einfuhrzollanmeldung versehentlich nicht getrennt von dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausweist, aber nach Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr den Zollbehörden nachweist, dass der angemeldete für die Waren gezahlte oder zu zahlende Preis eine wirkliche Einkaufsprovision enthielt, die bei der Einfuhr ordnungsgemäß hätte abgezogen werden können, und binnen drei Jahren nach Mitteilung der Höhe der Abgabenschuld einen Antrag auf Erstattung der auf die Einkaufsprovision entrichteten Abgaben stellt, und auf der Grundlage der Verordnung Nr. 2913/92 des Rates ("Zollkodex"), insbesondere ihrer Artikel 29, 32 und 33, und der Rechtsprechung des Gerichtshofes -

1. Kann die wirkliche Einkaufsprovision als Bestandteil des für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises nach Artikel 29 des Zollkodex abgabenpflichtig sein?

2. Kann, wenn die erste Frage zu verneinen ist, die wirkliche Einkaufsprovision unter Berücksichtigung der Artikel 32 Absatz 3 und 33 des Zollkodex von dem angemeldeten Transaktionswert abgezogen werden?

3. Sind die Zollbehörden in einem solchen Fall nach dem Zollkodex, insbesondere nach dessen Artikel 78 Absatz 3, verpflichtet, die Änderung des für die eingeführten Waren gezahlten oder zu zahlenden Preises und den dadurch herabgesetzten Zollwert anzuerkennen?

4. Hat der Einführer somit nach dem Zollkodex, insbesondere nach dessen Artikel 236, Anspruch auf Erstattung der auf die Einkaufsprovision entrichteten Abgaben?

18. In der Einleitung dieses Beschlusses erklärte das vorlegende Gericht, dass die Klägerin Klage gegen drei Entscheidungen der Commissioners erhoben habe, "die jeweils eine Entscheidung über die Aufforderung nach Artikel 242 des Zollkodex ... zur Entrichtung von Abgaben bestätigen, die [ihr] zuvor zu Unrecht nach Artikel 236 des Zollkodex erstattet worden seien". Das vorlegende Gericht fügte hinzu, dass die "vorliegenden Fragen" ausschließlich dem Gemeinschaftsrecht unterlägen.

19. Nachdem es zunächst den Sachverhalt beschrieben hatte, der dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit zugrunde lag, stellte das vorlegende Gericht fest, dass die ersten drei bei den Commissioners gestellten Erstattungsanträge der Klägerin zu einer Erstattung der fraglichen Zölle geführt hätten. Der vierte Antrag sei abgelehnt worden.

20. Sodann führte es die Entscheidungen der Commissioners vom 30. November und 16. Dezember 1998 an, mit denen die Klägerin aufgefordert worden sei, die zuvor aufgrund ihrer ersten drei Anträge erstatteten Beträge zurückzuzahlen.

21. Schließlich fasste das vorlegende Gericht das Vorbringen der Parteien zu den anwendbaren Vorschriften zusammen.

22. Sein Vorabentscheidungsersuchen hat zum Urteil Overland Footwear geführt, in dem der Gerichtshof für Recht erkannt hat:

- Die Artikel 29, 32 und 33 des Zollkodex sind dahin auszulegen, dass eine Einkaufsprovision, die im angemeldeten Zollwert enthalten und in der Einfuhrzollanmeldung nicht getrennt vom Kaufpreis der Waren ausgewiesen ist, als Bestandteil des Transaktionswerts im Sinne des Artikels 29 des Zollkodex anzusehen und damit abgabenpflichtig ist.

- Haben die Zollbehörden sich bereit erklärt, eine Einfuhrzollanmeldung zu überprüfen, und, um den Fall im Sinne des Artikels 78 Absatz 3 des Zollkodex "zu regeln", eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Tatsache erlassen, dass die Anmeldung aufgrund eines Versehens des Anmelders unvollständig war, so können sie diese Entscheidung nicht zurücknehmen.

23. In Randnummer 22 dieses Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, dass dahinstehen kann, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Zollbehörden verpflichtet sind, auf Antrag von Anmeldern Überprüfungen gemäß Artikel 78 des Zollkodex vorzunehmen.

24. Dazu hat der Gerichtshof in Randnummer 23 des Urteils festgestellt, dass die Commissioners dem Erstattungsantrag der Klägerin zunächst stattgegeben hatten, nachdem sie zwangsläufig eine Überprüfung der Zollanmeldungen unter Berücksichtigung des von der Klägerin geltend gemachten neuen Umstands vorgenommen hatten. Er hat daraus geschlossen, dass diese Behörden sich bereit erklärt hatten, die Anmeldungen zu überprüfen, und dass sie entsprechend dem Ergebnis dieser Überprüfung die erforderlichen Entscheidungen erlassen hatten, um den Fall unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Anmeldungen aufgrund eines Versehens des Anmelders unvollständig waren, im Sinne des Artikels 78 Absatz 3 des Zollkodex "zu regeln".

25. In Randnummer 24 des Urteils ist der Gerichtshof zur Schlussfolgerung gelangt, dass die Zollbehörden unter diesen Umständen ihre Entscheidungen nicht zurücknehmen konnten.

26. Mit Beschluss vom 29. September 2003 hat das VAT and Duties Tribunal, London, im Rahmen des ihm vorliegenden Rechtsstreits erneut beschlossen, das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsersuchens anzurufen.

27. In dieser Entscheidung stellt das vorlegende Gericht fest, dass der Gerichtshof, ohne dass ihm dies zurechenbar sei, sein Urteil Overland Footwear auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt habe, so dass die Antworten auf die vorgelegten Fragen nicht zu einer Entscheidung des Rechtsstreits beitrügen.

28. Mit Schreiben vom 7. und 8. Juli 1999 hätten die Commissioners der Klägerin mitgeteilt, dass sie die Entscheidungen, mit denen sie die Rückzahlung des Gesamtbetrags von 4 384,29 GBP verlangt hätten, mit der Begründung zurückgenommen hätten, dass gemäß Artikel 221 Absatz 3 des Zollkodex die Mitteilung der Zollbeträge an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen dürfe.

29. Zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Vorlageentscheidung habe daher nur noch die Entscheidung über die Ablehnung des vierten Antrags der Klägerin, die ebenfalls im Rahmen des beim vorlegenden Gericht anhängig gemachten Verfahrens angefochten worden sei, im Streit gestanden, mit dem die Klägerin die Erstattung von 33 701,16 GBP begehrt habe.

30. Über diese Gesichtspunkte sei der Gerichtshof nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt worden.

31. Demgemäß könnten die Prämissen, von denen der Gerichtshof in Randnummer 23 des Urteils Overland Footwear ausgegangen sei, dass nämlich

- die Commissioners dem Erstattungsantrag der Klägerin zunächst stattgegeben hätten,

- die Zollbehörden sich bereit erklärt hätten, die Anmeldungen zu überprüfen, und dass sie die erforderlichen Entscheidungen erlassen hätten, um den "Fall ... zu regeln",

für den vierten Erstattungsantrag nicht gelten, da dieser von den Commissioners abgelehnt worden sei und zu keiner Erstattung geführt habe.

32. In diesem Kontext gelangt das VAT and Duties Tribunal, London, zu dem Schluss, dass die im Vorlagebeschluss vom 24. März 2000 enthaltenen Fragen dem Gerichtshof mit derselben Formulierung erneut vorzulegen seien.

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

33. Im ersten Vorlagebeschluss vom 24. März 2000 hieß es, die Berufung der Klägerin sei gegen drei Entscheidungen der Commissioners gerichtet, die jeweils eine Entscheidung über die Aufforderung zur Rückzahlung von Einfuhrzöllen bestätigt hätten, die der Klägerin zuvor zu Unrecht nach Artikel 236 des Zollkodex erstattet worden seien.

34. Von der Ablehnung des vierten Erstattungsantrags war nur inzidenter bei der chronologischen Schilderung des Sachverhalts die Rede, der der Erhebung der Klage im Rahmen des Ausgangsverfahrens zugrunde lag. Im Vorlagebeschluss wurde nicht ausdrücklich gesagt, dass die ablehnende Entscheidung zu den angefochtenen Entscheidungen gehöre.

35. Im Vorlagebeschluss wurde schließlich auch nicht erwähnt, dass die Entscheidungen, mit denen die Rückzahlung des Betrages von insgesamt 4 384,29 GBP verlangt wurde, im Laufe des Verfahrens zurückgenommen worden seien.

36. Somit ist festzustellen, dass das Urteil Overland Footwear aus den vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Vorlageentscheidung dargelegten Gründen die Vorlagefragen nicht in einer Weise beantwortet hat, die der Entscheidung des Ausgangsverfahrens nach dessen Stand zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Vorlageentscheidung dienlich gewesen wäre.

37. Daher sind dieselben Fragen im Licht der dem Gerichtshof nunmehr zur Kenntnis gebrachten tatsächlichen Umstände zu prüfen.

Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

38. Der Gerichtshof hat im Urteil Overland Footwear in Beantwortung der ersten beiden Fragen des vorlegenden Gerichts für Recht erkannt, dass die Artikel 29, 32 und 33 des Zollkodex dahin auszulegen sind, dass eine Einkaufsprovision, die im angemeldeten Zollwert enthalten und in der Einfuhrzollanmeldung nicht getrennt vom Kaufpreis der Waren ausgewiesen ist, als Bestandteil des Transaktionswerts im Sinne des Artikels 29 des Zollkodex anzusehen und damit abgabenpflichtig ist.

39. Wie der Generalanwalt in den Nummern 23 bis 25 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, lässt der Umstand, dass der Ausgangsrechtsstreit nur die Entscheidung der Commissioners betrifft, den vierten Antrag der Klägerin, mit dem diese die Erstattung von 33 701,16 GBP begehrt hat, zurückzuweisen, und dass dieser Betrag nicht zunächst von den Zollbehörden erstattet worden war, die Prämissen unberührt, von denen der Gerichtshof bei seiner Antwort ausgegangen ist.

40. Dieser Umstand ist, was die vier Erstattungsanträge der Klägerin angeht, nach den maßgebenden Tatsachen, nämlich der Zollanmeldung und der Anwendung der Einfuhrabgaben, eingetreten.

41. Die Frage, ob auch eine Einkaufsprovision, die vom Importeur in den Zollwert einbezogen wird, ohne getrennt vom Verkaufspreis ausgewiesen zu werden, in die Bemessungsgrundlage für die Einfuhrabgaben einzubeziehen ist, stellte sich bei den ersten drei Erstattungsanträgen in gleicher Weise wie beim vierten Antrag.

42. Da insoweit

- der Anmelder nach Artikel 62 Absatz 1 des Zollkodex in seiner Zollanmeldung "alle Angaben [zu machen hat], die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind",

- für die Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren nach Artikel 71 des Zollkodex die in der Anmeldung enthaltenen Angaben zugrunde gelegt werden, sofern keine Überprüfung der Anmeldung stattfindet oder aufgrund erfolgter Überprüfung diese Angaben nicht in Frage gestellt werden können,

handeln die Zollbehörden rechtmäßig, wenn sie die Abgaben auf die Waren auf der Grundlage des angemeldeten Zollwerts einschließlich einer etwaigen Einkaufsprovision erheben, die vom Anmelder irrtümlich in den Zollwert einbezogen wurde und deren Existenz von den Zollbehörden mangels entsprechender Unterrichtung auch nicht vermutet werden kann.

43. Unter diesen Umständen muss die Antwort auf die ersten beiden Vorlagefragen ungeachtet der dem Gerichtshof mit der zweiten Vorlageentscheidung zur Kenntnis gebrachten Umstände ebenso lauten wie die in Randnummer 38 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Antwort des Gerichtshofes im Urteil Overland Footwear.

Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

44. Mit der dritten und der vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen, ob die Artikel 78 und 236 des Zollkodex dahin auszulegen sind, dass nach der Überlassung der eingeführten Waren die Zollbehörden, bei denen der Anmelder eine Überprüfung seiner Zollanmeldung hinsichtlich dieser Waren beantragt hat, zur Vornahme der beantragten Überprüfung verpflichtet sind und dass sie, wenn sie aufgrund der Überprüfung feststellen, dass der angemeldete Zollwert irrtümlich eine Einkaufsprovision enthält, den Fall durch Erstattung der auf diese Provision entfallenden Einfuhrabgaben zu regeln haben.

45. Nach Artikel 78 Absatz 1 des Zollkodex "können" die Zollbehörden von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen, d. h. diese erneut prüfen.

46. Beantragt der Anmelder eine Überprüfung, so ist sein Antrag von den Zollbehörden zumindest hinsichtlich der Frage zu prüfen, ob diese Überprüfung vorzunehmen ist oder nicht.

47. Bei dieser ersten Prüfung haben die Zollbehörden insbesondere die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die in der zu überprüfenden Anmeldung und dem Überprüfungsantrag enthaltenen Angaben nachzuprüfen.

48. Sie können eine Überprüfung z. B. dann ablehnen, wenn die nachzuprüfenden Angaben eine physische Kontrolle erfordern und die Waren aufgrund ihrer Überlassung nicht mehr vorgeführt werden können.

49. Erfordern dagegen die vorzunehmenden Prüfungen keine Vorführung der Waren, beispielsweise wenn der Überprüfungsantrag nur die Prüfung von Buchungs- oder Vertragsunterlagen voraussetzt, ist eine Überprüfung grundsätzlich möglich.

50. Am Ende ihrer Prüfung haben die Zollbehörden somit - unter Vorbehalt des Rechtswegs - entweder den Antrag des Anmelders durch mit Gründen zu versehende Entscheidung abzulehnen oder die beantragte Überprüfung vorzunehmen.

51. Geben sie dem Antrag statt, nehmen sie eine erneute Prüfung der Anmeldung vor und prüfen dabei die Richtigkeit der Angaben des Anmelders anhand der mitgeteilten Umstände.

52. Stellt sich bei der Überprüfung heraus, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so haben die Zollbehörden nach Artikel 78 Absatz 3 des Zollkodex die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln.

53. Zeigt sich, dass die vom Anmelder entrichteten Einfuhrabgaben letztlich die Abgaben übersteigen, die zum Zeitpunkt der Zahlung gesetzlich geschuldet waren, so kann die zur Regelung des Falles erforderliche Maßnahme nur in der Erstattung des zu viel gezahlten Betrages bestehen.

54. Diese Erstattung ist nach Artikel 236 des Zollkodex vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind, d. h. insbesondere, wenn kein betrügerisches Vorgehen des Anmelders vorliegt und die für die Einreichung des Erstattungsantrags vorgesehene Frist, die grundsätzlich drei Jahre beträgt, eingehalten worden ist.

55. Die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs vertreten die Ansicht, Artikel 78 Absatz 3 des Zollkodex sei nur in Fällen wie denen einer irrigen Einstufung der Waren, des Vorliegens von Rechenfehlern, der Verwendung falscher Devisenkodes oder der Angabe unrichtiger Mengen anwendbar.

56. Diese Bestimmung sei nicht anwendbar, wenn eine Einkaufsprovision nicht getrennt vom Preis der Waren ausgewiesen worden sei. In diesem Fall sei die Provision Bestandteil des Zollwerts, so dass die auf sie entfallenden Einfuhrabgaben gesetzlich geschuldet seien.

57. Nach Ansicht der deutschen Regierung hat die Klägerin ein Wahlrecht ausgeübt, indem sie die Einkaufsprovision nicht in der Zollanmeldung ausgewiesen habe. Wegen der insoweit bestehenden Wahlfreiheit habe die Klägerin nicht fehlerhaft gehandelt.

58. Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, eine Anwendung von Artikel 78 Absatz 3 des Zollkodex bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens nehme Artikel 65 des Zollkodex jede Wirkung. Artikel 78 stelle eine Abweichung vom Verbot des Artikels 65 dar, deren Geltung jedoch beschränkt sei.

59. Die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs halten auch Artikel 236 des Zollkodex nicht auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens für anwendbar.

60. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

61. Zunächst ist daran zu erinnern, dass es einem Anmelder nach Artikel 65 des Zollkodex verwehrt ist, seine Anmeldung nach der Überlassung der Waren zu berichtigen. Ein entsprechendes Verbot bestand auch schon vor Beginn der Geltung des Zollkodex am 1. Januar 1994.

62. Artikel 78 des Zollkodex hat mit Wirkung von dem genannten Tag ausdrücklich die Möglichkeit einer vom Anmelder nach Überlassung der Waren beantragten Überprüfung einer Zollanmeldung durch die Zollbehörden eingeführt.

63. Artikel 78 Absatz 3 des Zollkodex unterscheidet nicht zwischen Irrtümern oder Unterlassungen, die einer Berichtigung zugänglich wären, und solchen, die es nicht wären. Die Wendung "unrichtige oder unvollständige Grundlagen" ist so zu verstehen, dass sie sich sowohl auf tatsächliche Irrtümer oder Unterlassungen als auch auf Irrtümer bei der Auslegung des anwendbaren Rechts bezieht.

64. Es kann daher nicht angenommen werden, dass Artikel 65 des Zollkodex durch eine Anwendung von Artikel 78 des Zollkodex auf eine Situation wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, ganz oder teilweise die Wirkung genommen wird. Vielmehr sehen die beiden Bestimmungen zwei unterschiedliche Regelungen vor, die vor bzw. nach der Überlassung der Waren für eventuelle Änderungen der Angaben gelten, die bei der Bestimmung des Zollwerts und damit der Bemessung der Einfuhrabgaben Berücksichtigung finden.

65. Artikel 65 des Zollkodex erlaubt die einseitige Berichtigung der Zollanmeldung durch den Anmelder selbst, solange die Waren noch nicht überlassen worden sind. Dieses Recht erklärt sich daraus, dass bis zu dieser Überlassung die Richtigkeit der Berichtigungen erforderlichenfalls von den Zollbehörden leicht anhand einer physischen Kontrolle der Waren nachgeprüft werden kann. Die Berichtigung kann außerdem gegebenenfalls zu einer Zeit erfolgen, zu der der Betrag der Einfuhrabgaben noch nicht von den Zollbehörden festgesetzt worden ist.

66. Eine restriktivere Regelung ist mit Artikel 78 des Zollkodex eingeführt worden. Diese Bestimmung gilt für die Zeit nach Überlassung der Waren, zu der sich deren Vorführung als unmöglich erweisen kann und die Einfuhrabgaben bereits festgesetzt worden sind. In diesem Sinne betraut sie die Zollbehörden mit der Vornahme einer Überprüfung auf Antrag des Anmelders, die sowohl hinsichtlich der Frage, ob sie überhaupt vorgenommen werden soll, als auch hinsichtlich ihres Ergebnisses im Ermessen der Zollbehörden liegt.

67. Zudem hat der Umstand, dass, formal betrachtet, eine Einkaufsprovision in einer Zollanmeldung nicht getrennt ausgewiesen ist, obwohl sie vom Preis der Waren zu unterscheiden ist, nur zur Folge, dass diese Provision rechtsgültig als abgabenpflichtig anzusehen ist und dass infolgedessen die auf sie angewandten Einfuhrabgaben rechtmäßig erhoben werden.

68. Dieser Umstand kann aber wegen der Möglichkeit einer späteren Überprüfung der Zollanmeldung auf Antrag des Anmelders nicht dazu führen, dass Abgaben, die lediglich aus Gründen bloßer Beweisregeln rechtmäßig erhoben worden sind, trotz der Vorlage hinreichender Beweismittel nachträglich gesetzlich geschuldeten Abgaben im Sinne von Artikel 236 Absatz 1 des Zollkodex gleichgestellt werden.

69. Schließlich ist festzustellen, dass ein Irrtum in Form einer versehentlichen Unterlassung jedenfalls nicht als Ausübung eines Wahlrechts angesehen werden kann, die per definitionem bewusstes Handeln voraussetzt.

70. Daraus folgt, dass die Artikel 78 und 236 des Zollkodex auf den Fall einer Zollanmeldung anwendbar sind, bei der eine Einkaufsprovision irrtümlich in den Zollwert einbezogen wurde.

71. Mithin ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass die Artikel 78 und 236 des Zollkodex dahin auszulegen sind, dass

- nach der Überlassung der eingeführten Waren die Zollbehörden, bei denen der Anmelder eine Überprüfung seiner Zollanmeldung hinsichtlich dieser Waren beantragt hat, - unter Vorbehalt des Rechtswegs - entweder den Antrag des Anmelders durch mit Gründen zu versehende Entscheidung abzulehnen oder die beantragte Überprüfung vorzunehmen haben;

- die Zollbehörden, wenn sie aufgrund der Überprüfung feststellen, dass der angemeldete Zollwert irrtümlich eine Einkaufsprovision enthält, den Fall durch Erstattung der auf diese Provision entfallenden Einfuhrabgaben zu regeln haben.

Kostenentscheidung:

Kosten

72. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Artikel 29, 32 und 33 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften sind dahin auszulegen, dass eine Einkaufsprovision, die im angemeldeten Zollwert enthalten und in der Einfuhrzollanmeldung nicht getrennt vom Kaufpreis der Waren ausgewiesen ist, als Bestandteil des Transaktionswerts im Sinne des Artikels 29 dieser Verordnung anzusehen und damit abgabenpflichtig ist.

2. Die Artikel 78 und 236 der Verordnung Nr. 2913/92 sind dahin auszulegen, dass

- nach der Überlassung der eingeführten Waren die Zollbehörden, bei denen der Anmelder eine Überprüfung seiner Zollanmeldung hinsichtlich dieser Waren beantragt hat, - unter Vorbehalt des Rechtswegs - entweder den Antrag des Anmelders durch mit Gründen zu versehende Entscheidung abzulehnen oder die beantragte Überprüfung vorzunehmen haben;

- die Zollbehörden, wenn sie aufgrund der Überprüfung feststellen, dass der angemeldete Zollwert irrtümlich eine Einkaufsprovision enthält, den Fall durch Erstattung der auf diese Provision entfallenden Einfuhrabgaben zu regeln haben. nach oben

Ende der Entscheidung

Zurück