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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.1996
Aktenzeichen: C-47/95
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 3416/91/EWG vom 25.11.1991, Verordnung Nr. 1697/79/EWG vom 24.07.1979


Vorschriften:

Verordnung Nr. 3416/91/EWG vom 25.11.1991 Art. 1 Abs. 1
Verordnung Nr. 1697/79/EWG vom 24.07.1979 Art. 5 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die in Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 über 1991 im Rahmen des stufenweisen Abbaus gemäß der Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals anwendbare Restzölle vorgesehene Aussetzung der bei Einfuhren aus Spanien in die Zehnergemeinschaft nach Artikel 75 Ziffer 1 der Beitrittsakte anwendbaren Restzölle für die im Anhang der Verordnung Nr. 3835/90 zur Änderung der Verordnungen Nr. 3831/90, Nr. 3832/90 und Nr. 3833/90 hinsichtlich des Systems allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse gilt nicht für Einfuhren von Thunfisch in Olivenöl aus Spanien.

Zollaussetzungsnormen sind nämlich entsprechend ihrem Wortlaut eng auszulegen, so daß sie nicht über ihren Wortlaut hinaus auf Erzeugnisse angewandt werden können, die in ihnen nicht genannt sind.

Wenn auch die Verordnung Nr. 3416/91 nach ihrer dritten Begründungserwägung vermeiden sollte, daß die aus Spanien und Portugal versandten landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine ungünstigere Behandlung erführen als dieselben Erzeugnisse mit Ursprung in den in der Verordnung Nr. 3835/90 genannten vier Drittstaaten, die Zollpräferenzen genossen, und wenn auch Thunfisch in Olivenöl zu den im Anhang dieser letztgenannten Verordnung aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnissen gehört, so erwähnt Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 doch Artikel 173 der Beitrittsakte nicht, der sich in Kapitel 4 ° Fischerei ° findet, das sich von Kapitel 3 ° Landwirtschaft ° unterscheidet und den stufenweisen Abbau der Zölle für Fischereierzeugnisse vorsieht.

Im übrigen verlangt die Aussetzung der Zölle für Fischereierzeugnisse eine Handlung des Rates. Artikel 75 Ziffer 4 der Beitrittsakte, auf der die Verordnung beruht, ermächtigt die Kommission zwar, die Zölle für die dort genannten Erzeugnisse auszusetzen; hingegen ermächtigt die Beitrittsakte die Kommission nicht, eine solche Aussetzung für Fischereierzeugnisse zu beschließen.

2. "Auskünfte, die von den zuständigen Zollbehörden selbst erteilt worden sind", im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1697/79 betreffend die Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben sind nur Auskünfte über die Tarifierung von Waren, die die zuständigen Behörden einem bestimmten Kaufmann anläßlich eines Einzelfalls erteilen und die zu der mit der Verordnung Nr. 1715/90 abschließend festgelegten Gruppe gehören.

3. Nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 betreffend die Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben besteht ein Recht des Abgabenpflichtigen darauf, daß die zuständigen Behörden von der Nacherhebung absehen, wenn drei Voraussetzungen erfuellt sind, was das nationale Gericht zu beurteilen hat. Es müssen die zuständigen Behörden selbst geirrt haben, dieser Irrtum muß derart gewesen sein, daß der Abgabenpflichtige ihn nicht erkennen konnte, und der Abgabenpflichtige muß gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben.

Bei der Entscheidung, ob ein Irrtum der Behörden vom Abgabenschuldner erkannt werden konnte, sind insbesondere die Art des Irrtums, die Berufserfahrung des betroffenen Kaufmanns und die von ihm an den Tag gelegte Sorgfalt zu berücksichtigen. Hierfür sind die Komplexität des einschlägigen Rechts, der Ausdruck, den das Ziel der fraglichen Bestimmungen fand, die Bestätigung des fraglichen Irrtums durch andere Handlungen des betroffenen Mitgliedstaats und abweichende Meinungen der Mitgliedstaaten über die richtige Auslegung der fraglichen Bestimmungen von Bedeutung.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. Dezember 1996. - Olasagasti & C. Srl (C-47/95), Comarcon SNC (C-48/95), Ghezzi Alimentari Srl (C-49/95), Fredo Srl (C-50/95), Cateringros Srl (C-60/95), Intercod Srl (C-81/95), Nuova Castelli SpA (C-92/95) und Igino Mazzola SpA (C-148/95) gegen Amministrazione delle finanze dello Stato. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Genova - Italien. - Verordnung (EWG) Nr. 3835/90 - Verordnung (EWG) Nr. 3587/91 - Verordnung (EWG) Nr. 3416/91 - Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals - Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 - Verordnung (EWG) Nr. 1715/90 - Verordnung (EWG) Nr. 2164/91 - Zölle - Zollpräferenzen - Landwirtschaftliche Erzeugnisse - Nacherhebung - Bindende Auskünfte - Thunfisch in Olivenöl. - Verbundene Rechtssachen C-47/95, C-48/95, C-49/95, C-50/95, C-60/95, C-81/95, C-92/95 und C-148/95.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale Genua hat mit Beschlüssen vom 26. Januar, vom 16., 17. und 23. Februar sowie vom 9. und 30. März 1995, die beim Gerichtshof in der Zeit vom 23. Februar bis zum 12. Mai 1995 eingegangen sind, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3416/91 der Kommission vom 25. November 1991 über 1991 im Rahmen des stufenweisen Abbaus gemäß der Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals anwendbare Restzölle (ABl. L 324, S. 11) und des Artikels 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen den italienischen Firmen Olasagasti & C. Srl (C-47/95), Comarcon SNC (C-48/95), Ghezzi Alimentari Srl (C-49/95), Fredo Srl (C-50/95), Cateringros Srl (C-60/95), Intercod Srl (C-81/95), Nuova Castelli SpA (C-92/95) und Igino Mazzola SpA (C-148/95) und den italienischen Behörden wegen der Nacherhebung von Zöllen auf die Einfuhr von Thunfisch in Olivenöl aus Spanien in der Zeit vom 30. November 1991 bis zum 31. Dezember 1992.

3 Nach Artikel 75 Ziffer 1 der Akte über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Gemeinschaften (ABl. 1985, L 302, S. 23; Beitrittsakte) werden die Einfuhrzölle zwischen der Zehnergemeinschaft und Spanien stufenweise abgebaut. Dieser Abbau vollzieht sich generell in acht Stufen, für bestimmte, in den Buchstaben a, b, c und d der Bestimmung aufgeführte Erzeugnisse jedoch in einer unterschiedlichen Anzahl von Stufen.

4 Nach Artikel 75 Ziffer 4 kann bei den einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegenden Erzeugnissen in einem bestimmten Verfahren beschlossen werden, daß das Königreich Spanien oder die Zehnergemeinschaft Zölle auf die dort genannten Erzeugnisse abschafft oder ganz oder teilweise aussetzt.

5 Artikel 75 ist Teil des Kapitels 3 ° Landwirtschaft, für das Artikel 67 Absatz 1 bestimmt:

"Dieses Kapitel betrifft die landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit Ausnahme der Erzeugnisse der Verordnung (EWG) Nr. 3796/81 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse."

6 In Anwendung des Artikels 75 Ziffer 4 der Beitrittsakte heisst es in Artikel 1 der Verordnung Nr. 3416/91:

"(1) Bis zum 31. Dezember 1991 werden die bei Einfuhren in die Zehnergemeinschaft nach Artikel 75 Ziffer 1 und Artikel 243 Ziffer 1 der Beitrittsakte anwendbaren Restzölle für die im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3835/90 aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse vollständig ausgesetzt.

Von der im ersten Unterabsatz genannten Aussetzung ausgenommen sind die in Artikel 94 Absatz 1 der Beitrittsakte angeführten Erzeugnisse des Kapitels 15 der Kombinierten Nomenklatur.

(2) Sollten die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für die im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3835/90 aufgeführten Erzeugnisse mir Ursprung in Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru erneut ausgesetzt werden, so gelten die Bestimmungen von Absatz 1 entsprechend für die Zeit dieser Aussetzung."

7 Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3416/91 sollte mit dieser vermieden werden, daß die aus Spanien und Portugal versandten landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine ungünstigere Behandlung erführen als dieselben Erzeugnisse, die unter die Verordnung (EWG) Nr. 3835/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3831/90, (EWG) Nr. 3832/90 und (EWG) Nr. 3833/90 hinsichtlich des Systems allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru (ABl. L 370, S. 126) fielen. Nach Artikel 3 dieser Verordnung wurden die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für die im Anhang zu dieser Verordnung genannten Erzeugnisse mit Ursprung in diesen Ländern vollständig ausgesetzt. Der Anhang schließt Fische, zubereitet oder haltbar gemacht (Nr. 16.04 der Kombinierten Nomenklatur), ein.

8 Mit der Verordnung (EWG) Nr. 3587/91 des Rates vom 3. Dezember 1991 (ABl. L 341, S. 1) wurde die mit der Verordnung Nr. 3835/90 eingeführte Zollpräferenz bis zum 31. Dezember 1992 verlängert.

9 In der Zeit vom 30. November 1991 bis zum 31. Dezember 1992 führten die Klägerinnen Thunfisch in Olivenöl aus Spanien nach Italien ein. Zur Zeit der Einfuhr wurden von ihnen keine Zölle erhoben, da die italienischen Zollbehörden der Auffassung waren, daß die Zollsätze durch die Verordnung Nr. 3416/91 ausgesetzt seien. Diese Auffassung fand in den Rundschreiben Nr. 6507/UCTD vom 29. November 1991 und Nr. 1914/UCTD vom 22. Februar 1992 Ausdruck. Im Anschluß an einen Vermerk, den die Dienststellen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften übersandt hatten (Vermerk vom 14. Oktober 1992 für alle Taric-Korrespondenten in den Mitgliedstaaten), erließen die italienischen Behörden jedoch das Rundschreiben Nr. 1632/III vom 27. Oktober 1992, nach dem die Aussetzungsregelung nur auf landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ausnahme von Fischen Anwendung finden sollte.

10 In diesem Vermerk stellt die Kommission zum einen fest, daß einige Mitgliedstaaten Zweifel an den auf Fischereierzeugnisse zu erhebenden Zöllen hätten, und bestätigt zum anderen, daß die in Artikel 1 der Verordnung Nr. 3416/91 vorgesehene Aussetzung der Zölle nur für die aus Portugal und Spanien in die Gemeinschaft versandten landwirtschaftlichen Erzeugnisse gelte, die ° im Falle Portugals ° unter Artikel 243 Ziffer 1 und ° im Falle Spaniens ° unter Artikel 75 Ziffer 1 der Beitrittsakte fielen.

11 1993 kamen die Zollbehörden von Ventimiglia und Genua zu der Auffassung, daß die in der Verordnung Nr. 3416/91 vorgesehene Aussetzung auf Fischereierzeugnisse der Nr. 16.04 der Kombinierten Nomenklatur keine Anwendung finde, da ihr Artikel 1 ausdrücklich auf Artikel 75, nicht aber auf Artikel 173 der Beitrittsakte Bezug nehme, unter den Fischereierzeugnisse fielen. Deshalb verlangten sie mit je eigenen Beschlüssen von den Klägern die Zahlung der nicht entrichteten Zölle sowie Verzugszinsen.

12 Gegen diese Zahlungsverlangen legten die Kläger Klage vor dem Tribunale Genua ein. Sie brachten vor, nach Gemeinschaftsrecht seien unter landwirtschaftlichen Erzeugnissen auch Fischereierzeugnisse sowie die mit diesen in Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe, namentlich "Fische, zubereitet oder haltbar gemacht", zu verstehen, die im Anhang der Verordnung Nr. 3835/90 aufgeführt seien. Auch sei der Tatbestand des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 erfuellt.

13 Die Verordnung Nr. 1697/79 war bis zum 31. Dezember 1993 anwendbar und wurde dann durch den Zollkodex der Gemeinschaften ersetzt, der mit der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 (ABl. L 302, S. 1) festgelegt worden war. Nach dieser Verordnung erhoben die Zollbehörden der Mitgliedstaaten, wenn sie feststellten, daß die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Abgaben vom Abgabenschuldner nicht angefordert worden waren, diese binnen drei Jahren nach.

14 Artikel 5 dieser Verordnung lautet wie folgt:

"(1) Eine Nacherhebung durch die zuständigen Behörden ist ausgeschlossen, wenn bei der Festsetzung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben, die sich nachträglich als niedriger erweisen als die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Abgaben,

° entweder von Auskünften ausgegangen worden ist, die von den zuständigen Behörden selber erteilt worden sind und diese Behörden binden,

° oder allgemeine Vorschriften zugrunde gelegt worden sind, die später durch eine gerichtliche Entscheidung ausser Kraft gesetzt worden sind.

(2) Die zuständigen Behörden können von einer Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben absehen, deren Nichterhebung auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen ist, sofern dieser Irrtum vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und letzterer gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat.

Die Fälle, in denen Unterabsatz 1 angewandt werden kann, werden nach den Durchführungsbestimmungen, die nach dem Verfahren des Artikels 10 erlassen werden, festgelegt."

15 Das nationale Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und in den bei ihm anhängigen Rechtssachen jeweils folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Gilt die in Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3416/91 vom 25. November 1991 vorgesehene Aussetzung der bei Einfuhren aus Spanien in die Zehnergemeinschaft nach Artikel 75 Ziffer 1 der Beitrittsakte dieses Landes anwendbaren Restzölle für die "im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3835/90 aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse" auch für Einfuhren von Thunfisch in Olivenöl aus Spanien?

2. Können die zuständigen Zollbehörden gemäß Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 vom 24. Juli 1979, ergänzt durch die Verordnung (EWG) Nr. 1715/90 vom 20. Juni 1990, und gemäß Artikel 2 der Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 2164/91 vom 23. Juli 1991 Zollabgaben nacherheben, die bei der Einfuhr nicht erhoben wurden, weil sie infolge einer fehlerhaften Auslegung der geltenden Gemeinschaftsvorschriften für vollständig ausgesetzt gehalten wurden, von denen sich aber später herausgestellt hat, daß sie nach einer anderen, von der EWG-Kommission aufgrund der Stellungnahme ihres Juristischen Dienstes vorgenommenen Auslegung derselben Gemeinschaftsvorschriften geschuldet waren, wenn der Abgabenschuldner dabei alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat und ihm, soweit festgestellt werden kann, nicht bekannt war, daß die zunächst von den italienischen Behörden vorgenommene Auslegung der Gemeinschaftsvorschriften fehlerhaft war?

16 Der Präsident des Gerichtshofes hat am 16. Juni 1995 die Rechtssachen C-47/95, C-48/95, C-49/95, C-50/95, C-60/95, C-81/95, C-92/95 und C-148/95 zu gemeinsamem Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Die erste Frage

17 Nach Artikel 38 EG-Vertrag sind auch Fischereierzeugnisse landwirtschaftliche Erzeugnisse.

18 Die Beitrittsakte verwendet den Ausdruck "landwirtschaftliche Erzeugnisse" im selben Sinn wie der EG-Vertrag. Kapitel 3 ihres Vierten Teils enthält jedoch eine Regelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die keine Fischereierzeugnisse sind, Kapitel 4 eine Regelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die Fischereierzeugnisse sind.

19 Die mit Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 ausgesetzten Restzölle sind die in Artikel 75 Ziffer 1 der Beitrittsakte genannten. Diese Bestimmung gehört zu Kapitel 3 des Vierten Teils der Beitrittsakte und betrifft daher gemäß Artikel 67 Absatz 1 nur die landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit Ausnahme der Fischereierzeugnisse, die unter die Verordnung (EWG) Nr. 3796/81 des Rates vom 29. Dezember 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse (ABl. L 379, S. 1) fallen.

20 Zollaussetzungsnormen sind entsprechend ihrem Wortlaut eng auszulegen, so daß sie nicht über ihren Wortlaut hinaus auf Erzeugnisse angewandt werden können, die in ihnen nicht genannt sind (in diesem Sinn Urteil vom 18. März 1986 in der Rechtssache 58/85, Ethicon, Slg. 1986, 1131, Randnr. 13).

21 Wenn auch die Verordnung Nr. 3416/91 nach ihrer dritten Begründungserwägung vermeiden sollte, daß die aus Spanien und Portugal versandten landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine ungünstigere Behandlung erführen als dieselben Erzeugnisse mit Ursprung in den in der Verordnung Nr. 3835/90 genannten vier Drittstaaten, die Zollpräferenzen genossen, und wenn auch Thunfisch in Olivenöl zu den im Anhang dieser letztgenannten Verordnung aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnissen gehört, so erwähnt Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 doch Artikel 173 der Beitrittsakte nicht, der den stufenweisen Abbau der Zölle für Fischereierzeugnisse vorsieht.

22 Das gleiche gilt im übrigen auch für Portugal. Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 nennt zwar Artikel 243 Ziffer 1 der Beitrittsakte, der ° insoweit identisch mit Artikel 75 Ziffer 1 ° landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ausnahme der Fischereierzeugnisse betrifft, nicht aber Artikel 360, der Fischereierzeugnisse betrifft.

23 Die Kommission hat im übrigen die Aussetzung der Zölle nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 auf der Grundlage des Artikels 75 Ziffer 4 der Beitrittsakte beschlossen, der sie, wie im Falle Portugals Artikel 243 Ziffer 4, ermächtigte, die Zölle für die in jenem Artikel genannten Erzeugnisse auszusetzen. Hingegen ermächtigt die Beitrittsakte die Kommission nicht, eine solche Aussetzung für Fischereierzeugnisse zu beschließen.

24 Wie der Generalanwalt in Nummer 18 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verlangt die Aussetzung der Zölle für Fischereierzeugnisse eine Handlung des Rates. Die Kommission ist somit nicht befugt, für Fischereierzeugnisse eine solche Aussetzung auszusprechen.

25 Die in Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3416/91 vorgesehene Aussetzung der bei Einfuhren aus Spanien in die Zehnergemeinschaft nach Artikel 75 Ziffer 1 der Beitrittsakte anwendbaren Restzölle für die im Anhang der Verordnung Nr. 3835/90 aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse gilt somit nicht für Einfuhren von Thunfisch in Olivenöl aus Spanien.

Die zweite Frage

26 Die zweite Frage geht dahin, ob die zuständigen Zollbehörden nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 1697/79 im Zeitpunkt der Einfuhr aufgrund einer irrigen Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts durch diese Behörden nicht erhobene Zölle nacherheben dürfen, wenn der Abgabenpflichtige alle gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat und ihm, soweit festgestellt werden kann, nicht bekannt war, daß die vorgenommene Auslegung fehlerhaft war.

27 Artikel 5 der Verordnung Nr. 1697/79 enthält zwei Regelungen.

28 Die erste Regelung findet sich in Artikel 5 Absatz 1. Sie betrifft Fälle, in denen entweder der Berechnung von Abgaben, die sich nachträglich als niedriger erweisen als die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Abgaben, allgemeine Vorschriften zugrunde gelegt worden sind, die später durch eine gerichtliche Entscheidung ausser Kraft gesetzt worden sind (zweiter Gedankenstrich), oder bei dieser Berechnung von Auskünften ausgegangen worden ist, die von den zuständigen Zollbehörden selbst erteilt worden sind und diese Behörden binden (erster Gedankenstrich).

29 Nach ständiger Rechtsprechung sind solche Auskünfte nur Auskünfte über die Tarifierung von Waren, die die zuständigen Behörden einem bestimmten Kaufmann anläßlich eines Einzelfalls erteilen (in diesem Sinn Urteil vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-80/89, Behn Verpackungsbedarf, Slg. 1990, I-2659, Randnr. 22).

30 Wie der Gerichtshof weiter im Urteil vom 8. April 1992 in der Rechtssache C-371/90, Beirafrio, Slg. 1992, I-2715, Randnr. 15, ausgeführt hat, sind die Handlungen der Zollbehörden, die unter diese Bestimmung fallen, mit der Verordnung (EWG) Nr. 1715/90 des Rates vom 20. Juni 1990 über die von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten erteilten Auskünfte über die Einreihung von Waren in der Zollnomenklatur (ABl. L 160, S. 1) abschließend festgelegt worden.

31 Da es in den Rundschreiben Nrn. 6507/UCTD und 1914/UCTD nicht um die Einreihung der streitigen Waren geht und diese Rundschreiben keine Maßnahmen zur Tarifierung von Waren darstellen, die von den zuständigen Behörden in einem konkreten Einzelfall an einen bestimmten Kaufmann gerichtet worden wären, ist Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 in einem Fall der vorliegenden Art nicht anwendbar.

32 Was die Regelung in Artikel 5 Absatz 2 dieser Verordnung betrifft, so besteht ein Recht des Zollpflichtigen darauf, daß die zuständigen Behörden von der Nacherhebung absehen, wenn drei Voraussetzungen erfuellt sind. Hierzu gibt es ständige Rechtsprechung (siehe zuletzt Urteil vom 14. Mai 1996 in den Rechtssachen C-153/94 und C-204/94, Faroe Seafood u. a., Slg. 1996, I-2465).

33 Zunächst müssen die zuständigen Behörden selbst geirrt haben. Dabei kann das vorlegende Gericht unabhängig von der Frage der Bindungswirkung der Rundschreiben Nrn. 6507/UCTD und 1914/UCTD in Rechnung stellen, daß die zuständigen italienischen Behörden zunächst bestätigt haben, daß sie während der Geltungsdauer der Verordnung den Einfuhrzoll für Waren wie Thunfisch in Olivenöl mit Ursprung in Spanien nicht erheben würden.

34 Dann muß der Irrtum der zuständigen Behörden der Art gewesen sein, daß der Abgabenpflichtige ihn trotz seiner Berufserfahrung und der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Hierbei kann das vorlegende Gericht die Komplexität der einschlägigen Bestimmungen, namentlich den Umstand berücksichtigen, daß der in Artikel 38 EG-Vertrag verwendete Ausdruck "landwirtschaftliche Erzeugnisse" Fischereierzeugnisse einschließt. Es kann weiter das Ziel der Verordnung Nr. 3416/91 berücksichtigen, auf Erzeugnisse mit Ursprung in Spanien dieselbe Aussetzungsregelung anzuwenden, wie sie kraft einer anderen Verordnung für bestimmte Erzeugnisse ° einschließlich haltbar gemachter Fische ° mit Ursprung in Bolivien, Kolumbien und Ecuador und Peru gilt. Schließlich kann es den Umstand berücksichtigen, daß die Verordnung Nr. 3416/91 ausdrücklich die Verordnung erwähnt, die die Aussetzung für Erzeugnisse mit Ursprung in den vier vorgenannten südamerikanischen Ländern vorsah.

35 Schließlich muß der Abgabenschuldner nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 1697/79 gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben. Auch dies ist vom vorlegenden Gericht zu würdigen.

36 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, daß es Sache des nationalen Gerichts ist, festzustellen, ob der Tatbestand des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 erfuellt ist. Bei der Entscheidung, ob ein Irrtum der Behörden vom Abgabenschuldner erkannt werden konnte, sind insbesondere die Art des Irrtums, die Berufserfahrung des betroffenen Kaufmanns und die von ihm an den Tag gelegte Sorgfalt zu berücksichtigen. Hierfür sind die Komplexität des einschlägigen Rechts, der Ausdruck, den das Ziel der fraglichen Bestimmungen fand, die Bestätigung des fraglichen Irrtums durch andere Handlungen des betroffenen Mitgliedstaats und abweichende Meinungen der Mitgliedstaaten über die richtige Auslegung der fraglichen Bestimmungen von Bedeutung.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunale Genua mit Beschlüssen vom 26. Januar, vom 16., 17. und 23. Februar sowie vom 9. und 30. März 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die in Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3416/91 der Kommission vom 25. November 1991 über 1991 im Rahmen des stufenweisen Abbaus gemäß der Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals anwendbare Restzölle vorgesehene Aussetzung der bei Einfuhren aus Spanien in die Zehnergemeinschaft nach Artikel 75 Ziffer 1 der Beitrittsakte anwendbaren Restzölle für die im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3835/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3831/90, (EWG) Nr. 3832/90 und (EWG) Nr. 3833/90 hinsichtlich des Systems allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse gilt nicht für Einfuhren von Thunfisch in Olivenöl aus Spanien.

2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob der Tatbestand des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, erfuellt ist. Bei der Entscheidung, ob ein Irrtum der Behörden vom Abgabenschuldner erkannt werden konnte, sind insbesondere die Art des Irrtums, die Berufserfahrung des Kaufmanns und die von ihm an den Tag gelegte Sorgfalt zu berücksichtigen. Hierfür sind die Komplexität des einschlägigen Rechts, der Ausdruck, den das Ziel der fraglichen Bestimmungen fand, die Bestätigung des fraglichen Irrtums durch andere Handlungen des betroffenen Mitgliedstaats und abweichende Meinungen der Mitgliedstaaten über die richtige Auslegung der fraglichen Bestimmungen von Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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