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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: C-477/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 2001/12/EG vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, Richtlinie 2001/13/EG vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG über die Erteilung von Genehmigung


Vorschriften:

Richtlinie 2001/12/EG vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft Art. 2
Richtlinie 2001/13/EG vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen Art. 2
Richtlinie 2001/14/EG vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheid Art. 38 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)

21. Oktober 2004(1)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinien 2001/12/EG, 2001/13/EG und 2001/14/EG - Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft - Entwicklung - Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen - Zuweisung von Fahrwegkapazität, Erhebung von Entgelten für die Nutzung der Infrastruktur und Sicherheitsbescheinigung - Nichtumsetzung innerhalb der vorgeschriebenen Frist"

Parteien:

In der Rechtssache C-477/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG,

eingereicht am 17. November 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Schmidt und W. Wils als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet sowie der Richter J.-P. Puissochet und U. Lõhmus (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Richtlinien 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 75, S. 1), 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen (ABl. L 75, S. 26) und 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. L 75, S. 29) verstoßen hat, dass sie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um diesen Richtlinien nachzukommen, nicht erlassen oder der Kommission jedenfalls nicht mitgeteilt hat.

2 Nach Artikel 2 der Richtlinie 2001/12, Artikel 2 der Richtlinie 2001/13 und Artikel 38 Absatz 1 der Richtlinie 2001/14 setzen die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um diesen drei Richtlinien bis zum 15. März 2003 nachzukommen. Sie haben die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen.

3 Die Bundesrepublik Deutschland setzte die Kommission nicht davon in Kenntnis, welche Maßnahmen sie getroffen hatte, um die fristgerechte Umsetzung der Richtlinien 2001/12, 2001/13 und 2001/14 in ihre innerstaatliche Rechtsordnung zu gewährleisten. Da die Kommission auch über keine anderen Anhaltspunkte verfügte, aus denen sie hätte schließen können, dass die erforderlichen Vorschriften erlassen worden waren, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG ein.

4 Mit Mahnschreiben vom 2. April 2003 forderte die Kommission diesen Mitgliedstaat auf, sich innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe des Schreibens zu äußern. In ihrer Antwort vom 15. Mai 2003 teilte die deutsche Regierung mit, dass Maßnahmen zur Umsetzung der drei betreffenden Richtlinien in Vorbereitung seien und dass Referentenentwürfe in die Ressortabstimmung gebracht worden seien, ohne jedoch einen genauen Zeitplan anzugeben.

5 Am 9. Juli 2003 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie die Ansicht vertrat, dass der genannte Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen habe, und ihn aufforderte, dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. In ihrer Antwort vom 30. Juli 2003 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme führte die deutsche Regierung aus, wegen der Komplexität der Richtlinien seien nur bestimmte Teile von ihnen umgesetzt worden.

6 Da die Kommission von dem Mitgliedstaat keine weiteren Informationen erhielt und auch über keine Anhaltspunkte verfügte, aus denen sie hätte schließen können, dass die erforderlichen Vorschriften erlassen worden waren, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

7 Sie trägt vor, die Bundesrepublik Deutschland habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den einschlägigen Vorschriften der Richtlinien 2001/12, 2001/13 und 2001/14 verstoßen, dass sie die erforderlichen Maßnahmen, um diesen Richtlinien nachzukommen, nicht erlassen oder ihr jedenfalls nicht mitgeteilt habe.

8 Die deutsche Regierung bestreitet in ihrer Klagebeantwortung nicht, dass sie mit der Umsetzung der drei fraglichen Richtlinien in Verzug ist, und legt einen Zeitplan vor, wonach dem Bundestag am 2. Juni 2004 ein Gesetzentwurf zugeleitet werden sollte. Angesichts dieses Zeitplans wirft sie die Frage auf, ob die Kommission durch die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage nicht gegen die Loyalitätsverpflichtung aus Artikel 10 EG verstoßen habe, nach der sich die Kommission mitgliedstaatsfreundlich zu verhalten habe.

9 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 10 Absatz 1 EG die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen treffen, die sich aus dem EG-Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Zu diesen Handlungen gehören die Richtlinien, die nach Artikel 249 Absatz 3 EG für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet werden, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich sind. Dies bedeutet für jeden Mitgliedstaat, an den eine Richtlinie gerichtet ist, die Verpflichtung, im Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. Urteile vom 21. Juni 2001 in der Rechtssache C-119/00, Kommission/Luxemburg, Slg. 2001, I-4795, Randnr. 12, und vom 7. März 2002 in der Rechtssache C-29/01, Kommission/Spanien, Slg. 2002, I-2503, Randnr. 9).

10 Die bloße Durchführung des Verfahrens zum Erlass eines Gesetzes, das die Umsetzung der drei Richtlinien in nationales Recht gewährleisten soll, genügt diesen Anforderungen nicht.

11 Zweitens ist festzustellen, dass die Kommission im Rahmen der Ausübung der ihr nach Artikel 226 EG zustehenden Befugnisse über ein Ermessen verfügt (in diesem Sinne auch Urteil vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 247/87, Star Fruit/Kommission, Slg. 1989, 291, Randnr. 11). Sie braucht kein spezifisches Rechtsschutzinteresse nachzuweisen, sondern hat im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft die Aufgabe, von Amts wegen die Ausführung des Vertrages und der auf seiner Grundlage von den Gemeinschaftsorganen erlassenen Vorschriften durch die Mitgliedstaaten zu überwachen und etwaige Verstöße gegen die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen feststellen zu lassen, damit sie abgestellt werden (vgl. u. a. Urteile vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-431/92, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2189, Randnr. 21, und vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C-420/03, Kommission/Deutschland, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 8).

12 Schließlich ist nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteile vom 20. März 2003 in der Rechtssache C-143/02, Kommission/Italien, Slg. 2003, I-2877, Randnr. 11, vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C-446/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, I-6053, Randnr. 15, und vom 27. Mai 2004 in der Rechtssache C-398/02, Kommission/Spanien, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 17). Später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (vgl. u. a. Urteil vom 1. April 2004 in der Rechtssache C-375/03, Kommission/Luxemburg, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 7).

13 Im vorliegenden Fall steht fest, dass bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, nicht alle Maßnahmen erlassen worden waren, um die Umsetzung der Richtlinien 2001/12, 2001/13 und 2001/14 in die deutsche Rechtsordnung zu gewährleisten.

14 Unter diesen Umständen ist die Klage der Kommission begründet.

15 Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Richtlinien 2001/12, 2001/13 und 2001/14 verstoßen hat, dass sie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um diesen Richtlinien nachzukommen, nicht erlassen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Richtlinien 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung verstoßen, dass sie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um diesen Richtlinien nachzukommen, nicht erlassen hat.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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