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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.1995
Aktenzeichen: C-479/93
Rechtsgebiete: Richtlinie 80/987/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 80/987/EWG Art. 1 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Richtlinie 80/987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, daß sie für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der in ihrem Anhang genannten Gruppen gilt, deren Arbeitgeber nach dem für sie geltenden nationalen Recht einem Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger unterliegen können.

Die Tatsache, daß die Richtlinie somit nur Arbeitnehmer schützt, deren Arbeitgeber unter den genannten Voraussetzungen zahlungsunfähig wird, ist nicht geeignet, ihre Gültigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung in Frage zu stellen.

Denn zum einen ist den Gemeinschaftsorganen im Rahmen der ihnen durch Artikel 100 des Vertrages eingeräumten Befugnisse ein Ermessensspielraum insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit zuzubilligen, eine Harmonisierung nur in Etappen vorzunehmen, berücksichtigt man die Besonderheiten des Bereichs, in dem sie tätig werden, und die Schwierigkeiten jeder Harmonisierung.

Zum anderen stellt die Ausdehnung eines Garantiemechanismus, den nur einige Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Form kannten, auf alle Mitgliedstaaten unbestreitbar einen Fortschritt auf dem Weg zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte in der gesamten Gemeinschaft und zur schrittweisen Harmonisierung der einschlägigen Rechtsvorschriften dar.

Schließlich ist in Anbetracht der mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit selbst verbundenen Schwierigkeiten, die bei der Harmonisierung überwunden werden müssen, das zur Bestimmung der von dem Schutzmechanismus Begünstigten herangezogene objektive Kriterium gerechtfertigt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 9. NOVEMBER 1995. - ANDREA FRANCOVICH GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: PRETURA CIRCONDARIALE DI VICENZA - ITALIEN. - SOZIALPOLITIK - SCHUTZ DER ARBEITNEHMER BEI ZAHLUNGSUNFAEHIGKEIT DES ARBEITGEBERS - RICHTLINIE 80/987/EWG - GELTUNGSBEREICH - ARBEITNEHMER, DEREN ARBEITGEBER KEINEM VERFAHREN ZUR GEMEINSCHAFTLICHEN BEFRIEDIGUNG SEINER GLAEUBIGER UNTERLIEGT. - RECHTSSACHE C-479/93.

Entscheidungsgründe:

1 Der Pretore von Vicenza hat mit Beschluß vom 16. Dezember 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 1993, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit von Artikel 2 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23; im folgenden: die Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Francovich und der Italienischen Republik wegen einer aufgrund der verspäteten Umsetzung der Richtlinie gegen den Staat erhobenen Schadensersatzforderung.

3 Gemäß Artikel 11 Absatz 1 dieser Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie innerhalb einer Frist, die am 23. Oktober 1983 ablief, nachzukommen. Da die Italienische Republik diese Verpflichtung nicht erfuellt hatte, stellte der Gerichtshof mit Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 22/87 (Kommission/Italien, Slg. 1989, 143) ihre Vertragsverletzung fest.

4 Herr Francovich, der als Arbeitnehmer für ein Unternehmen in Vicenza tätig war und dafür nur gelegentliche Abschlagszahlungen auf seinen Lohn erhalten hatte, erhob bei der Pretura circondariale Vicenza Klage. Diese verurteilte das beklagte Unternehmen zur Zahlung von rund 6 Millionen LIT. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung nahm der zuständige Gerichtsvollzieher ein Protokoll über eine fruchtlose Pfändung auf.

5 Da die Richtlinie noch immer nicht in die italienische Rechtsordnung umgesetzt worden war, erhob Herr Francovich vor demselben Gericht eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung des italienischen Staates, in Anwendung der Richtlinie die Befriedigung seiner Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber sicherzustellen oder ihm hilfsweise den Schaden zu ersetzen, den er durch die Nichtumsetzung der Richtlinie erlitten hatte.

6 Zur gleichen Zeit stellten Frau Bonifaci und dreiunddreissig andere Arbeitnehmer eines für zahlungsunfähig erklärten Unternehmens bei der Pretura circondariale Bassano del Grappa einen ähnlichen Antrag.

7 Die beiden angerufenen nationalen Gerichte legten gleichlautende Fragen nach der unmittelbaren Wirkung der Bestimmungen der Richtlinie und nach dem Anspruch auf Ersatz der erlittenen Schäden in bezug auf die Bestimmungen der Richtlinie, die keine unmittelbare Wirkung haben, zur Vorabentscheidung vor. In Beantwortung dieser Fragen hat der Gerichtshof mit Urteil vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich und Bonifaci u. a., Slg. 1991, I-5357) für Recht erkannt, daß die Betroffenen nach denjenigen Bestimmungen der Richtlinie, die die Rechte der Arbeitnehmer festlegen, die aus der Richtlinie erwachsenen Rechte mangels fristgemäß erlassener Durchführungsmaßnahmen nicht vor den nationalen Gerichten dem Staat gegenüber geltend machen können und daß der Mitgliedstaat die Schäden zu ersetzen hat, die dem einzelnen dadurch entstehen, daß die Richtlinie nicht umgesetzt worden ist.

8 Am 27. Januar 1992 erließ die italienische Regierung das Decreto-legge Nr. 80 zur Umsetzung der Richtlinie (GURI Nr. 36 vom 13. Februar 1992).

9 Wie dem Vorlagebeschluß zu entnehmen ist, hat dieses Decreto-legge die Möglichkeit, die durch die verspätete Umsetzung der Richtlinie in die italienische Rechtsordnung entstandenen Schäden ersetzt zu bekommen, für die Vergangenheit auf die Arbeitnehmer beschränkt, bei deren Arbeitgebern Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger durchgeführt worden waren. Für die Zukunft garantierte es dagegen den Arbeitnehmern aller zahlungsunfähigen Arbeitgeber, unabhängig davon, ob die Arbeitgeber Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger unterliegen, das Entgelt für die von ihnen während der letzten drei Monate ihres Arbeitsverhältnisses geleistete Arbeit.

10 Das vorlegende Gericht weist ausserdem darauf hin, daß es in der italienischen Rechtsordnung mehrere Gruppen von Arbeitgebern gebe, die von den Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger ausgenommen seien. Herr Francovich war gerade für einen von einem solchen Verfahren ausgenommenen Arbeitgeber tätig, dessen Zahlungsunfähigkeit aber offenkundig ist, wie sich u. a. aus der Fruchtlosigkeit der bei ihm durchgeführten Einzelvollstreckungen ergibt.

11 Unter diesen Umständen äussert der Pretore von Vicenza Zweifel an der von der Italienischen Republik vorgenommenen Auslegung von Artikel 2 der Richtlinie. Daher hat er dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist Artikel 2 der Richtlinie 80/987/EWG dahin auszulegen, daß von der Richtlinie einzig und allein Arbeitnehmer erfasst und geschützt werden, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die nach der für sie geltenden nationalen Rechtsordnung Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger unterliegen können?

2) Ist, falls die erste Frage bejaht wird ° d. h., falls die Richtlinie nur Arbeitnehmer schützt, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger unterliegen °, Artikel 2 der Richtlinie im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung als gültig anzusehen?

Erste Frage

12 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, daß sie nur für Arbeitnehmer gilt, bei deren Arbeitgebern nach dem für sie geltenden nationalen Recht über ihr Vermögen ein Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger durchgeführt werden kann.

13 Die ersten drei Begründungserwägungen der Richtlinie lauten:

"Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und insbesondere die Zahlung ihrer nichterfuellten Ansprüche unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft gewährleisten.

Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen in bezug auf den Umfang des Arbeitnehmerschutzes auf diesem Gebiet weiterhin Unterschiede; es empfiehlt sich, auf die Verringerung dieser Unterschiede, die sich auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes unmittelbar auswirken können, hinzuarbeiten.

Daher muß auf die Ausgleichung der Rechtsvorschriften in diesem Bereich auf dem Wege des Fortschritts im Sinne des Artikels 117 des Vertrages hingewirkt werden."

14 Die Hauptpflicht, die sich für die Mitgliedstaaten aus der Richtlinie ergibt, besteht gemäß ihrem Artikel 3 darin, Garantieeinrichtungen zu schaffen, die die Befriedigung der nichterfuellten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen.

15 Abschnitt I der Richtlinie, der die Artikel 1 und 2 umfasst, betrifft den Geltungsbereich dieser Richtlinie und einige Begriffsbestimmungen.

16 Gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1 gilt die Richtlinie "für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind". Nach dieser Bestimmung "gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig,

a) wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Ansprüche gestattet, und

b) wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde

° entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat,

° oder festgestellt hat, daß das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen".

17 In Randnummer 14 seines oben genannten Urteils Francovich und Bonifaci u. a. hat der Gerichtshof ausgeführt, daß das Gericht, um festzustellen, ob jemand zu dem Personenkreis gehört, dem die Richtlinie zugute kommen soll, zu prüfen hat, ob der Betreffende nach nationalem Recht die Arbeitnehmereigenschaft besitzt und nicht gemäß Artikel 1 Absatz 2 und dem Anhang der Richtlinie von deren Geltungsbereich ausgeschlossen ist und ob einer der in Artikel 2 der Richtlinie vorgesehenen Fälle der Zahlungsunfähigkeit gegeben ist.

18 Wie sich aus dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung ergibt, gilt ein Arbeitgeber aber nur dann als zahlungsunfähig, wenn erstens die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats ein Verfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger vorsehen, zweitens im Rahmen dieses Verfahrens die Berücksichtigung der Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gestattet ist, drittens die Eröffnung des Verfahrens beantragt worden ist und viertens die aufgrund der genannten nationalen Vorschriften zuständige Behörde entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat oder festgestellt hat, daß das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

19 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat den Geltungsbereich der Richtlinie somit ausdrücklich in der Weise eingeschränkt, daß sich Arbeitnehmer, die durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis an einen Arbeitgeber gebunden sind, der nach den in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Vorschriften keinem Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger unterliegen kann, nicht auf die durch die Richtlinie geschaffenen Rechte berufen können. Ein solcher Arbeitgeber kann nämlich nicht "zahlungsunfähig" in dem speziellen Sinn sein, den dieser Begriff in der Richtlinie hat.

20 Auch wenn die wörtliche Auslegung von Artikel 2 der Richtlinie dazu führen kann, daß der durch die Richtlinie ausgestaltete Schutz wegen der unterschiedlichen nationalen Regelungen zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger von einem Mitgliedstaat zum anderen variiert, so kann sie doch nicht durch Argumente in bezug auf das in der ersten Begründungserwägung der Richtlinie genannte Ziel in Frage gestellt werden. Denn der Gesetzgeber hat zwar einerseits allgemein die Auffassung vertreten, daß Bestimmungen notwendig seien, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen; er hat aber andererseits das konkrete Ziel seiner Maßnahme auf eine Verringerung der zwischen den Mitgliedstaaten in bezug auf den Arbeitnehmerschutz auf diesem Gebiet weiterhin bestehenden Unterschiede beschränkt. Diese wörtliche Auslegung steht daher mit dem Teilcharakter der mit der Richtlinie angestrebten Harmonisierung in Einklang.

21 Auf die erste Frage ist somit zu antworten, daß die Richtlinie dahin auszulegen ist, daß sie für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der in ihrem Anhang genannten Gruppen gilt, deren Arbeitgeber nach dem für sie geltenden nationalen Recht einem Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger unterliegen können.

Zweite Frage

22 Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie insoweit, als sie nur Arbeitnehmer schützt, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger unterliegen, im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gültig ist.

23 Zunächst ist daran zu erinnern, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung nach ständiger Rechtsprechung verlangt, daß vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, sofern eine solche Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1994 in der Rechtssache C-306/93, SMW Winzersekt, Slg. 1994, I-5555, Randnr. 30).

24 Ausserdem ist festzustellen, daß die Richtlinie auf der Grundlage von Artikel 100 EWG-Vertrag erlassen wurde und daß sie auf die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften auf dem Wege des Fortschritts im Sinne von Artikel 117 dieses Vertrages hinwirken soll.

25 Den Gemeinschaftsorganen ist aber im Rahmen der Ausübung der ihnen durch Artikel 100 des Vertrages eingeräumten Befugnisse ein Ermessensspielraum insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit zuzubilligen, eine Harmonisierung nur in Etappen vorzunehmen, berücksichtigt man die Besonderheiten des zu koordinierenden Bereichs und die Tatsache, daß der Erlaß derartiger Harmonisierungsbestimmungen im allgemeinen schwierig ist, weil er voraussetzt, daß die zuständigen Gemeinschaftsorgane auf der Grundlage von unterschiedlichen und komplexen nationalen Vorschriften gemeinsame Regeln ausarbeiten, die den im Vertrag festgelegten Zielen entsprechen und die Zustimmung aller Mitglieder des Rates erhalten (vgl. Urteile vom 29. Februar 1984 in der Rechtssache 37/83, Rewe-Zentrale, Slg. 1984, 1229, und vom 18. April 1991 in der Rechtssache C-63/89, Assurances du Crédit/Rat und Kommission, Slg. 1991, I-1799).

26 Aus dem Richtlinienvorschlag, den die Kommission dem Rat am 13. April 1978 vorgelegt hat (ABl. 1978, C 135, S. 2), geht hervor, daß schon vor dem Erlaß der Richtlinie in mehreren Mitgliedstaaten Einrichtungen zur Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bestanden, deren Regelungen jedoch sehr unterschiedlich waren, daß in einigen Mitgliedstaaten diese Einrichtungen aber fehlten.

27 Angesichts dieser Sachlage stellt es zweifellos einen Fortschritt auf dem Weg zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte in der gesamten Gemeinschaft und zur schrittweisen Harmonisierung der einschlägigen Rechtsvorschriften dar, daß die Verpflichtung zur Schaffung von Einrichtungen zur Sicherung der Arbeitnehmeransprüche bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt wird.

28 Unter diesen Umständen ist auch in Anbetracht der Schwierigkeiten, einen Begriff der Zahlungsunfähigkeit zu entwickeln, der in den verschiedenen Mitgliedstaaten trotz der erheblichen Unterschiede, die zwischen ihren Regelungen bestehen, einheitlich angewandt werden kann, festzustellen, daß sich im Rahmen des den Arbeitnehmern durch die Richtlinie gewährten Schutzes die Unterscheidung der Arbeitnehmer danach, ob ihr Arbeitgeber einem Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger unterliegen kann, aus einem Begriff der Zahlungsunfähigkeit ergibt, der auf einem an sich objektiven Kriterium beruht und seine Rechtfertigung in den genannten Harmonisierungsschwierigkeiten findet.

29 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß die Prüfung der Richtlinie insoweit, als sie nur Arbeitnehmer schützt, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger unterliegen, nichts ergeben hat, was ihre Gültigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung in Frage stellen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Die Auslagen der italienischen, der deutschen und der griechischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm von der Pretura circondariale Vicenza mit Beschluß vom 16. Dezember 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, daß sie für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der in ihrem Anhang genannten Gruppen gilt, deren Arbeitgeber nach dem für sie geltenden nationalen Recht einem Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger unterliegen können.

2) Die Prüfung dieser Richtlinie insoweit, als sie nur Arbeitnehmer schützt, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die Verfahren über ihr Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Gläubiger unterliegen, hat nichts ergeben, was ihre Gültigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung in Frage stellen könnte.

Ende der Entscheidung

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