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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.01.1996
Aktenzeichen: C-480/93 P
Rechtsgebiete: EWG-Satzung


Vorschriften:

EWG-Satzung Art. 49
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Entscheidung, durch die lediglich eine frühere Entscheidung bestätigt wird, ist keine Handlung, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden kann.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 11. Januar 1996. - Zunis Holding SA, Finan Srl und Massinvest SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Wettbewerb - Kontrolle von Zusammenschlüssen - Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, mit der die Wiedereröffnung des Verfahrens abgelehnt wird. - Rechtssache C-480/93 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Zunis Holding SA, die Finan Srl und die Massinvest SA (im folgenden: Rechtsmittelführerinnen) haben mit Rechtsmittelschrift, die am 28. Dezember 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EWG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-83/92 (Zunis Holding u. a./Kommission, Slg. 1993, II-1169; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht erster Instanz ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung abgewiesen hat, die angeblich in dem Schreiben der Kommission an die Rechtsmittelführerinnen vom 31. Juli 1992 enthalten ist, mit dem die Wiedereröffnung des Verfahrens in der Sache Nr. IV/M.159 ° Mediobanca/Generali (ABl. 1991, C 334, S. 23) abgelehnt wurde.

2 Aus dem angefochtenen Urteil (Randnrn. 1 bis 6) geht hervor, daß die Mediobanca°Banca di Credito Finanziario SpA (im folgenden: Mediobanca) am 27. November 1991 gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung im ABl. 1990, L 257, S. 14) bei der Kommission eine Erhöhung ihres Anteils am Kapital der Assicurazioni Generali SpA (im folgenden: Generali) von 5,98 % auf 12,84 % anmeldete.

3 Mit Entscheidung vom 19. Dezember 1991 stellte die Kommission auf der Grundlage von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 4064/89 fest, daß die angemeldete Transaktion nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung falle, weil sie Mediobanca nicht in die Lage versetze, allein oder gemeinsam mit anderen einen "bestimmenden Einfluß" auf Generali auszuüben.

4 Am 19. März 1992 veröffentlichte die italienische Tageszeitung Il Sole 24 Ore einen Artikel, in dem der vollständige Text einer am 26. Juni 1985 in Paris unterzeichneten und bis dahin angeblich geheimen Vereinbarung zwischen Generali, deren grösstem Aktionär Mediobanca und Lazard Frères de Paris (im folgenden: Lazard), deren Tochtergesellschaft Euralux SA mit einem Kapitalanteil von 4,77 % zweitgrösster Aktionär von Generali war, wiedergegeben wurde. Diese Vereinbarung sah u. a. die Bildung eines aus Vertretern von Generali und ihrer beiden Hauptaktionäre bestehenden Lenkungsausschusses vor, der Generali betreffende Probleme von gemeinsamem Interesse prüfen und auf die Ernennung bestimmter Mitglieder der Verwaltungs- und Leitungsgremien von Generali Einfluß nehmen sollte.

5 Die Rechtsmittelführerinnen, die nach eigenen Angaben "Ende März oder Anfang April 1992" von diesem Artikel erfuhren, nahmen am 6. Mai 1992 informell mit der Kommission Kontakt auf und stellten mit Schreiben vom 26. Juni 1992 einen förmlichen Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens in dieser Sache. In ihrem Antrag trugen sie im wesentlichen vor, daß die Entscheidung vom 19. Dezember 1991 auf einer fehlerhaften Beurteilung des Einflusses und der Kontrolle beruhe, die Mediobanca vor der Erhöhung ihrer Beteiligung, allein oder gemeinsam mit Lazard, tatsächlich ausgeuebt habe, was sich nur auf eine unvollständige oder unzutreffende Unterrichtung der Kommission über den Inhalt der Vereinbarung zwischen Mediobanca, Lazard und Generali zurückführen lasse.

6 Mit einem vom Generaldirektor für Wettbewerb unterzeichneten Schreiben vom 31. Juli 1992 lehnte die Kommission diesen Antrag u. a. mit der Begründung ab, daß die Entscheidung vom 19. Dezember 1991 nicht, wie behauptet worden sei, auf unzutreffenden Informationen beruhe, da "die Kommission Kenntnis von der 1985 in Paris geschlossenen Vereinbarung hatte und sie bei Erlaß ihrer Entscheidung berücksichtigt hat".

7 Die Rechtsmittelführerinnen haben am 30. September 1992 beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der angeblich in dem Schreiben vom 31. Juli 1992 enthaltenen Entscheidung erhoben. Die Klagegründe sind in den Randnummern 19 bis 21 des angefochtenen Urteils dargestellt.

8 Die Kommission hat gegen diese Klage eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben, die sie insbesondere darauf stützte (Randnrn. 14 bis 18 des angefochtenen Urteils), daß das Schreiben vom 31. Juli 1992 keine Handlung darstelle, die die Rechtsmittelführerinnen unmittelbar und individuell betreffe, da diese nicht befugt seien, die ursprüngliche Entscheidung vom 19. Dezember 1991 anzufechten oder die Wiedereröffnung des Verfahrens zu beantragen, das zu dieser Entscheidung geführt habe.

9 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht der Einrede der Kommission stattgegeben und die Klage als unzulässig abgewiesen.

10 Die Rechtsmittelführerinnen beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben, die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Rechtssache zur Entscheidung über die Hauptsache an das Gericht zurückzuverweisen.

11 Zunächst ist zu prüfen, ob das Schreiben vom 31. Juli 1992 eine anfechtbare Handlung darstellt. Diese Frage ist im übrigen von der Kommission sowohl vor dem Gericht wie vor dem Gerichtshof aufgeworfen worden.

12 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Veröffentlichung des Artikels der Tageszeitung Il Sole 24 Ore, die die Rechtsmittelführerinnen veranlasste, sich an die Kommission zu wenden, unter den Umständen dieses Falles keine neue Tatsache darstellte. Es ergibt sich nämlich schon aus dem veröffentlichten Wortlaut der Entscheidung vom 19. Dezember 1991 und noch deutlicher aus der vertraulichen Fassung dieser Entscheidung, von der die Rechtsmittelführerinnen im Verfahren vor dem Gericht Kenntnis erhielten, daß die Kommission beim Erlaß der Entscheidung vom 19. Dezember 1991 die von der italienischen Zeitung erwähnte Vereinbarung kannte. Im übrigen bestreiten die Rechtsmittelführerinnen im Rechtsmittelverfahren nicht mehr ernsthaft, daß die Kommission diese Vereinbarung kannte, als sie ihre Entscheidung erließ. In Wirklichkeit wenden sie sich gegen die Beurteilung dieser Vereinbarung durch die Kommission.

13 Unter diesen Umständen stellte das Antwortschreiben der Kommission vom 31. Juli 1992, wie die Kommission vorträgt, eine Entscheidung dar, durch die lediglich ihre Entscheidung vom 19. Dezember 1991 bestätigt wurde. Es enthält nämlich nur die Mitteilung an die Rechtsmittelführerinnen, daß die Kommission die Vereinbarung gekannt habe und es daher nicht für erforderlich halte, diese Entscheidung zu ändern.

14 Nach ständiger Rechtssprechung des Gerichtshofes ist eine Entscheidung, durch die lediglich eine frühere Entscheidung bestätigt wird, keine anfechtbare Handlung (siehe insbesondere Urteile vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76, Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875, Randnr. 4, und vom 15. Dezember 1988 in den Rechtssachen 166/86 und 220/86, Irish Cement Ltd/Kommission, Slg. 1988, 6473, Randnr. 16).

15 Unter diesen Umständen war die von den Rechtsmittelführerinnen beim Gericht erhobene Klage unzulässig und musste abgewiesen werden. Folglich stellt sich der Tenor des angefochtenen Urteils, wenn auch aus einem anderen als dem vom Gericht angeführten Rechtsgrund, als richtig dar (vgl. Beschluß vom 3. Dezember 1992 in der Rechtssache C-32/92 P, Moat/Kommission, Slg. 1992, I-6379, Randnr. 11).

16 Somit ist das Rechtsmittel zurückzuweisen, ohne daß die geltend gemachten Rechtsmittelgründe geprüft werden müssten.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsmittelführerinnen tragen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Ende der Entscheidung

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