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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.2008
Aktenzeichen: C-500/06
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 3 Abs. 1 Buchst. g
EG Art. 4
EG Art. 10
EG Art. 43
EG Art. 49
EG Art. 81
EG Art. 86
EG Art. 98
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

17. Juli 2008

"Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG, 4 EG, 10 EG, 43 EG, 49 EG, 81 EG, 86 EG und 98 EG - Nationale Rechtsvorschriften, nach denen die Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen auf kosmetischem Gebiet verboten ist"

Parteien:

In der Rechtssache C-500/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Giudice di pace di Genova (Italien) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Dezember 2006, in dem Verfahren

Corporación Dermoestética SA

gegen

To Me Group Advertising Media,

Beteiligte:

Cliniche Futura Srl,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter L. Bay Larsen, K. Schiemann, J. Makarczyk (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Corporación Dermoestética SA, vertreten durch G. Conte, G. Giacomini, E. Boglione und S. Cavanna, avvocati,

- der To Me Group Advertising Media, vertreten durch A. Fornesi und C. Prudenzano, avvocatesse,

- der Cliniche Futura Srl, vertreten durch S. Cavanna und E. Boglione, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Hubert als Bevollmächtigte,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Grave als Bevollmächtigte,

- der slowakischen Regierung, vertreten durch J. Corba als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und F. Amato als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG, 4 EG, 10 EG, 43 EG, 49 EG, 81 EG, 86 EG und 98 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Corporación Dermoestética SA (im Folgenden: Dermoestética), eine auf dem Gebiet der kosmetischen Behandlungen und der kosmetischen Medizin tätige Gesellschaft spanischen Rechts, und der Werbeagentur To Me Group Advertising Media (im Folgenden: To Me Group) wegen Nichterfüllung eines Vertrags über die Veranstaltung einer Werbekampagne für Dermoestética durch To Me Group.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23) in der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 202, S. 60) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/552) bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten können Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen nachzukommen."

4 Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 lautet:

"Fernsehwerbung ist untersagt für Arzneimittel und medizinische Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind."

Nationales Recht

5 Art. 1 Abs. 1 der Legge Nr. 175, recante norme in materia di pubblicità sanitaria e di repressione dell'esercizio abusivo delle professioni sanitarie (betreffend Vorschriften im Bereich der medizinischen Werbung und zur Bekämpfung der missbräuchlichen Ausübung von medizinischen Berufen) vom 5. Februar 1992 (GURI Nr. 50 vom 29. Februar 1992, S. 4) in der durch das Gesetz Nr. 112 vom 3. Mai 2004 (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 104 vom 5. Mai 2004) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz 175/1992) bestimmt:

"Werbung betreffend die Ausübung der in den geltenden Gesetzen vorgesehenen und reglementierten medizinischen Berufe und Hilfsberufe ist nur mit Schildern erlaubt, die an dem Gebäude angebracht werden, in dem die berufliche Tätigkeit ausgeübt wird, sowie mit Anzeigen in Telefonverzeichnissen, in allgemeinen Branchenadressbüchern, und mittels Zeitschriften, die ausschließlich für Personen bestimmt sind, die medizinische Berufe ausüben, mittels Tageszeitungen und Informationszeitschriften und örtlichen Rundfunk- und Fernsehsendern.

..."

6 Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes 175/1992 lautet:

"Werbung für genehmigungspflichtige Privatkliniken sowie Beratungs- und Behandlungspraxen mit mono- oder multidisziplinärer Ausrichtung ist mit Schildern oder Zeichen erlaubt, die an dem Gebäude angebracht sind, in dem die Berufstätigkeit ausgeübt wird, sowie mit Anzeigen in Telefonverzeichnissen und in allgemeinen Branchenadressbüchern, mittels Zeitschriften, die ausschließlich für Personen bestimmt sind, die medizinische Berufe ausüben, mittels Tageszeitungen und Informationszeitschriften und örtlichen Rundfunk- und Fernsehsendern; hierbei ist die Angabe spezieller medizinisch-chirurgischer Tätigkeiten und tatsächlich angewandter diagnostischer und therapeutischer Verfahren zulässig, vorausgesetzt, es werden die Namen, Vornamen und Berufsbezeichnungen der Verantwortlichen des jeweiligen Spezialgebiets angegeben."

7 Art. 5 des Gesetzes 175/1992 lautet:

"1. Werbung im Sinne von Art. 4 wird von der Region nach Anhörung der regionalen Verbände der Berufskammern oder der Berufsvereinigungen, sofern solche bestehen, genehmigt; diese Verbände müssen den Besitz und die Gültigkeit der akademischen und wissenschaftlichen Titel und die Übereinstimmung der gestalterischen Merkmale des Schildes, des Zeichens oder der Anzeige mit den durch die in Art. 2 Abs. 3 genannte Verordnung festgelegten Merkmalen gewährleisten.

...

3. Werbeanzeigen im Sinne dieses Artikels müssen die in der regionalen Genehmigung genannten Angaben enthalten.

4. Die Inhaber und die medizinischen Leiter, die für die Einrichtungen im Sinne von Art. 4 verantwortlich sind, die Werbung in den zugelassenen Formen ohne die regionale Genehmigung treiben, werden mit der Disziplinarstrafe des Verweises oder der Aussetzung der Ausübung des medizinischen Berufs gemäß Art. 40 der mit Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 221 vom 5. April 1950 genehmigten Verordnung belegt.

5. Enthält die Werbeanzeige falsche Angaben über die Tätigkeiten oder die Leistungen, die zu erbringen die Einrichtung berechtigt ist, oder ist in ihr der medizinische Leiter nicht angegeben, so wird die Verwaltungsgenehmigung zur Ausübung der medizinischen Tätigkeit für eine Frist von sechs Monaten bis zu einem Jahr ausgesetzt.

..."

8 Art. 9bis des Gesetzes 175/1992 bestimmt:

"Personen, die medizinische Berufe im Sinne von Art. 1 ausüben, und medizinische Einrichtungen im Sinne von Art. 4 können Werbung in den durch dieses Gesetz zugelassenen Formen und innerhalb eines Ausgabenrahmens von 5 % des für das Vorjahr erklärten Einkommens treiben."

9 In der Durchführungsregelung zum Gesetz 175/1992, dem Decreto ministeriale Nr. 657 vom 16. September 1994 (GURI Nr. 280 vom 30. November 1994, S. 18, im Folgenden: Ministerialdekret 657/1994), sind die gestalterischen Merkmale des Schildes, des Zeichens oder der Anzeige im Bereich der medizinischen Werbung geregelt. Diese Verordnung enthält jedoch keine spezifische Bestimmung über Fernsehwerbung.

10 Die Legge Nr. 248 "Conversione in legge, con modificazioni, del decreto-legge 4 luglio 2006, n. 223, recante disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonché interventi in materia di entrate e di contrasto all'evasione fiscale" (Umwandlung des Gesetzesdekrets Nr. 223 vom 4. Juli 2006 betreffend Dringlichkeitsmaßnahmen für den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufschwung, für die Begrenzung und Zweckausrichtung der öffentlichen Ausgaben, für Maßnahmen auf der Einnahmenseite sowie zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung) vom 4. August 2006 (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 186 vom 11. August 2006, im Folgenden: Gesetz 248/2006) erging nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens.

11 Art. 2 Abs. 1 und 2 in Titel I ("Dringlichkeitsmaßnahmen für die Entwicklung, das Wachstum und die Förderung des Wettbewerbs und der Wettbewerbsfähigkeit, für den Verbraucherschutz und für die Liberalisierung von Produktionssektoren") des Gesetzes 248/2006 lautet:

"1. Gemäß dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des freien Wettbewerbs und dem des freien Personen- und Dienstleistungsverkehrs sowie zu dem Zweck, den Nutzern eine effektive Wahlmöglichkeit bei der Ausübung ihrer Rechte und eine Vergleichsmöglichkeit in Bezug auf die auf dem Markt angebotenen Leistungen zu ermöglichen, werden mit Inkrafttreten des vorliegenden Dekrets die Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen aufgehoben, die im Hinblick auf freiberufliche und geistige Tätigkeit Folgendes vorsehen:

...

b) das - auch nur teilweise - Verbot, über Berufstitel und Spezialisierungen, die Merkmale der angebotenen Dienstleistung sowie den Preis und die Gesamtkosten der Leistungen informierende Werbung zu treiben, nach Maßgabe der Grundsätze der Transparenz und Wahrhaftigkeit der Werbemitteilung, deren Einhaltung von der Berufskammer kontrolliert wird;

...

2. Bestimmungen über die Berufsausübung im Bereich des nationalen Gesundheitsdienstes oder im Rahmen von Tätigkeiten, die mit dem nationalen Gesundheitsdienst in einer vertraglichen Beziehung stehen, sowie Bestimmungen über etwaige Höchsttarife zum allgemeinen Schutz der Benutzer bleiben unberührt ..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12 Am 10. Oktober 2005 erteilte Dermoestética To Me Group den Auftrag, eine Werbekampagne durchzuführen, die über den nationalen italienischen Fernsehsender Canale 5 verbreitet werden und Dienstleistungen der kosmetischen Medizin zum Gegenstand haben sollte. Der Vertrag wurde in den Geschäftsräumen der Cliniche Futura Srl, der italienischen Tochtergesellschaft von Dermoestética, geschlossen.

13 Nach Erhalt eines Vorschusses von 2 000 Euro teilte To Me Group Dermoestética mit, dass die Verbreitung der vorgesehenen Werbespots über nationale Fernsehkanäle aufgrund des Gesetzes 175/1992 unmöglich sei, erklärte sich aber bereit, sich um Werbezeiten auf lokalen Fernsehkanälen zu bemühen.

14 Da To Me Group sich weigerte, den Vorschuss zurückzuzahlen, weil dieser nicht einmal die Kosten der für den Start der Werbekampagne geleisteten Arbeitsstunden decke, klagte Dermoestética vor dem vorlegenden Gericht auf Aufhebung des streitigen Vertrags wegen Nichterfüllung, die To Me Group zu vertreten habe. Ferner beantragte sie, To Me Group zur Rückzahlung des Vorschusses zu verurteilen.

15 To Me Group machte zu ihrer Verteidigung unter Bezugnahme auf das Gesetz 175/1992 und das Ministerialdekret 657/1994 geltend, ihr sei die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen unmöglich.

16 Dermoestética und die Cliniche Futura Srl machten im Ausgangsverfahren geltend, die italienische Regelung über die Werbung medizinischer Einrichtungen, insbesondere die Bestimmungen, nach denen die Verbreitung einer solchen Werbung über landesweite Fernsehsender verboten sei, sei mit den Art. 43 EG und 49 EG unvereinbar.

17 Das vorlegende Gericht weist hierzu darauf hin, dass das Verbot der medizinischen Werbung über landesweite Fernsehsender nicht mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehe. Es handele sich um eine ungerechtfertigte Beschränkung sowohl nach Art. 43 EG als auch nach Art. 49 EG.

18 Der Giudice di pace di Genova hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 49 EG mit nationalen Vorschriften wie den Art. 4, 5 und 9bis des Gesetzes 175/1992 und dem Ministerialdekret 657/1994 und/oder mit einer Verwaltungspraxis vereinbar, die landesweit ausgestrahlte Fernsehwerbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen, die in hierzu ordnungsgemäß zugelassenen privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommen werden, verbieten, während eine solche Werbung über lokale Fernsehsender zulässig ist, und die gleichzeitig für die Verbreitung solcher Werbung eine Begrenzung der Ausgaben dafür auf 5 % der für das Vorjahr erklärten Einkünfte vorschreiben?

2. Ist Art. 43 EG mit nationalen Vorschriften wie den Art. 4, 5 und 9bis des Gesetzes 175/1992 und dem Ministerialdekret 657/1994 und/oder mit einer Verwaltungspraxis vereinbar, die landesweit ausgestrahlte Fernsehwerbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen, die in hierzu ordnungsgemäß zugelassenen privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommen werden, verbieten, während eine solche Werbung über lokale Fernsehsender zulässig ist, und die gleichzeitig für die letztgenannte Form der Werbung eine vorherige Genehmigung der jeweiligen Gemeinde, eine Anhörung des jeweiligen Berufsverbands der Provinz und eine Begrenzung der Ausgaben auf 5 % der für das Vorjahr erklärten Einkünfte vorschreiben?

3. Läuft es den Art. 43 EG und/oder 49 EG zuwider, dass für die Ausstrahlung von informativer Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen kosmetischer Natur, die in hierzu ordnungsgemäß zugelassenen privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommen werden, eine weitere vorherige Genehmigung der örtlichen Verwaltungsbehörden und/oder der Berufsverbände erforderlich ist?

4. Haben die Federazione nazionale degli ordini dei medici (nationale Vereinigung der ärztlichen Berufsverbände, im Folgenden: FNOMCEO) und die mit ihr verbundenen Berufsverbände dadurch, dass sie eine Berufsordnung erlassen haben, die die Werbung der medizinischen Berufe beschränkt, und dass sie für die geltenden Vorschriften über medizinische Werbung einer Auslegungspraxis folgen, die das Recht der Ärzte, für ihre Tätigkeiten zu werben, stark einschränkt - beides Maßnahmen, die für alle Ärzte bindend sind -, den Wettbewerb über das nach den zugrunde liegenden nationalen Rechtsvorschriften Zulässige hinaus und unter Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG beschränkt?

5. Läuft jedenfalls die Auslegungspraxis der FNOMCEO den Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG, 4 EG, 98 EG, 10 EG, 81 EG und - möglicherweise - 86 EG zuwider, da diese Praxis nationale Rechtsvorschriften zur Ermächtigungsgrundlage hat, die den Berufsverbänden der Provinzen die Kontrolle der Transparenz und der Wahrhaftigkeit von Werbemitteilungen der Ärzte aufgeben, ohne Kriterien und Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnis festzulegen?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

19 Die italienische Regierung macht die Unzulässigkeit des gesamten Vorabentscheidungsersuchens geltend. Die Kommission macht die Unzulässigkeit der vierten und der fünften Vorlagefrage geltend.

20 Erstens ist zu dem Vorbringen, das vorlegende Gericht habe zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht das Inkrafttreten des Decreto-legge 223/2006 berücksichtigt, festzustellen, dass es nach ständiger Rechtsprechung nicht Sache des Gerichtshofs ist, über die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften zur Entscheidung eines solchen Rechtsstreits zu befinden; er hat vielmehr im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsgerichten und den nationalen Gerichten den rechtlichen Kontext der Vorabentscheidungsfrage, wie er in der Vorlageentscheidung definiert ist, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner, C-475/99, Slg. 2001, I-8089, Randnr. 10, vom 13. November 2003, Neri, C-153/02, Slg. 2003, I-13555, Randnrn. 34 und 35, und vom 30. Juni 2005, Tod's und Tod's France, C-28/04, Slg. 2005, I-5781, Randnr. 14).

21 Im Rahmen des in Art. 234 EG vorgesehenen Verfahrens sind nämlich die Aufgaben des Gerichtshofs und diejenigen des vorlegenden Gerichts klar getrennt, und es ist ausschließlich Sache des Letztgenannten, sein nationales Recht auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 1999, Piaggio, C-295/97, Slg. 1999, I-3735, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22 Folglich kann sich der Gerichtshof nicht zur Anwendbarkeit des Decreto-legge 223/2006 auf den Fall des Ausgangsverfahrens äußern.

23 Zweitens ist daran zu erinnern, dass die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit der von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen nur in Ausnahmefällen widerlegt werden kann, und zwar u. a. dann, wenn die erbetene Auslegung der in diesen Fragen erwähnten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht (vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman, C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 61, vom 7. September 1999, Beck und Bergdorf, C-355/97, Slg. 1999, I-4977, Randnr. 22, sowie vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a., C-222/05 bis C-225/05, Slg. 2007, I-4233, Randnr. 22).

24 Dies ist bei den ersten drei Vorlagefragen nicht der Fall, da die Problematik, wie die streitigen Bestimmungen des Gesetzes 175/1992 im Licht der Art. 43 EG und 49 EG auszulegen sind, im Mittelpunkt des Ausgangsrechtsstreits steht.

25 Folglich ist das Vorbringen der italienischen Regierung zur Unzulässigkeit dieser Fragen zurückzuweisen.

26 Dagegen legt das vorlegende Gericht zur vierten und zur fünften Frage nicht dar, inwiefern eine Prüfung der Berufsordnung für Ärzte und der Auslegungspraxis, der die FNOMCEO im Bereich der Werbung folgt, durch den Gerichtshof für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nützlich wäre. Es gibt auch nicht an, worin der Zusammenhang zwischen diesen Elementen des nationalen Rechts und den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, um deren Auslegung es ersucht, bestehen soll.

27 Jedenfalls enthält der Vorlagebeschluss weder die Bestimmungen der fraglichen Berufsordnung noch eine Beschreibung der Auslegungspraxis der FNOMCEO (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 34).

28 Daher sind die vierte und die fünfte Vorlagefrage für unzulässig zu erklären.

Zu den Vorlagefragen 1 bis 3

29 Mit den ersten drei Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 43 EG und 49 EG einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, soweit sie auf ein Verbot hinausläuft, für medizinisch-chirurgische Behandlungen, die in privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommen werden, über nationale Fernsehsender zu werben.

30 Wie nämlich aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ist nach dem Gesetz 175/1992 Fernsehwerbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen, die in privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommen werden, vorbehaltlich einer nach Anhörung der Berufskammern gewährten Genehmigung der örtlichen Verwaltung und vorbehaltlich der Einhaltung eines Ausgabenrahmens von 5 % des für das Vorjahr erklärten Einkommens nur über lokale Fernsehsender erlaubt, was nach Auffassung des vorlegenden Gerichts einem Verbot dieser Werbung über nationale Fernsehsender gleichkommt.

31 Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, enthält eine Regelung über Werbung, wie sie das Gesetz 175/1992 vorsieht, ein Werbeverbot, das über das nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 89/552 hinausgeht. Zwar können die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie in den von ihr erfassten Bereichen ausführlichere oder strengere Bestimmungen vorsehen, doch sind bei der Ausübung dieser Befugnisse die durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 1999, ARD, C-6/98, Slg. 1999, I-7599, Randnr. 49).

32 Hierzu ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Art. 43 EG und 49 EG solche Maßnahmen sind, die die Ausübung dieser Freiheiten verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, C-439/99, Slg. 2002, I-305, Randnr. 22, vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C-451/03, Slg. 2006, I-2941, Randnr. 31, vom 26. Oktober 2006, Kommission/Griechenland, C-65/05, Slg. 2006, I-10341, Randnr. 48, und vom 13. März 2008, Kommission/Spanien, C-248/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 21).

33 Somit stellt eine Regelung über Werbung wie die nach dem Gesetz 175/1992, soweit sie die Verbreitung von Werbung für von privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommene medizinisch-chirurgische Behandlungen bedingt über lokale Fernsehsender zulässt, was einem Verbot dieser Werbung über nationale Fernsehsender gleichkommt, für Unternehmen wie Dermoestética, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik haben, ein ernsthaftes Hindernis für die Ausübung ihrer Tätigkeiten durch eine in diesem letztgenannten Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft dar. Diese Regelung ist daher geeignet, den Zugang dieser Marktteilnehmer zum italienischen Markt zu erschweren (vgl. entsprechend Urteile vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France, C-442/02, Slg. 2004, I-8961, Randnrn. 12 bis 14, und vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421, Randnr. 58). Zudem stellt eine Regelung über Werbung, wie sie das Gesetz 175/1992 vorsieht, soweit sie Unternehmen wie Dermoestética daran hindert, in der Verbreitung von Fernsehwerbung bestehende Leistungen zu empfangen, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar.

34 Daher ist die Regelung über Werbung, die in der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung vorgesehen ist, als eine Maßnahme anzusehen, die die Ausübung der in den Art. 43 EG und 49 EG garantierten Grundfreiheiten verbietet, behindert oder weniger attraktiv macht.

35 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können solche Maßnahmen jedoch unter vier Voraussetzungen zulässig sein: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteile vom 31. März 1993, Kraus, C-19/92, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32, vom 30. November 1995, Gebhard, C-55/94, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37, vom 4. Juli 2000, Haim, C-424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 57, vom 1. Februar 2001, Mac Quen u. a., C-108/96, Slg. 2001, I-837, Randnr. 26, und vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnrn. 64 und 65).

36 Dazu ist erstens festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren streitige Regelung über Werbung unabhängig davon gilt, in welchem Mitgliedstaat die Unternehmen, die Adressaten der Regelung sind, ihren Sitz haben.

37 Zweitens gehört der Gesundheitsschutz zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die nach Art. 46 Abs. 1 EG und nach dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 55 EG Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit bzw. der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können.

38 Damit könnte die Regelung über Fernsehwerbung für von privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommene medizinisch-chirurgische Behandlungen im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden.

39 Was drittens die Frage angeht, ob eine Regelung, wie sie sich aus den im Ausgangsverfahren streitigen Rechtsvorschriften ergibt, zur Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geeignet ist, so ist festzustellen, dass diese Regelung dadurch, dass sie zu einem Verbot von Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen über nationale Fernsehsender führt, zugleich aber die Möglichkeit eröffnet, eine solche Werbung über lokale Fernsehsender zu verbreiten, einen Widerspruch aufweist, den die italienische Regierung nicht zu rechtfertigen versucht hat, und damit nicht geeignet ist, dem genannten Ziel in sachgerechter Weise zu dienen.

40 Folglich sind nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen nicht zur Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geeignet und stellen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung im Sinne der Art. 43 EG und 49 EG dar.

41 Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass die Art. 43 EG und 49 EG in Verbindung mit den Art. 48 EG und 55 EG dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die die Werbung für von privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommene medizinisch-chirurgische Behandlungen über landesweite Fernsehsender verbieten, während sie eine solche Werbung unter bestimmten Bedingungen über lokale Fernsehsender erlauben.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 43 EG und 49 EG in Verbindung mit den Art. 48 EG und 55 EG sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, soweit sie die Werbung für von privaten Gesundheitseinrichtungen vorgenommene medizinisch-chirurgische Behandlungen über landesweite Fernsehsender verbieten, während sie eine solche Werbung unter bestimmten Bedingungen über lokale Fernsehsender erlauben.



Ende der Entscheidung

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