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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: C-52/00
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Anders als Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) begründet Artikel 100 EWG-Vertrag (nach Änderung Artikel 100 EG-Vertrag, jetzt Artikel 94 EG) keine Befugnis für die Mitgliedstaaten, von den Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichende Vorschriften beizubehalten oder einzuführen.

( vgl. Randnr. 14 )

2. Artikel 153 EG ist als an die Gemeinschaft gerichtete Anweisung für ihre zukünftige Politik gefasst und kann den Mitgliedstaaten wegen der unmittelbaren Gefährdung des gemeinschaftlichen Besitzstandes keine Befugnis verleihen, selbständig Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stuenden, wie es sich aus den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 153 EG bereits erlassenen Richtlinien ergibt. Die den Mitgliedstaaten durch Absatz 5 dieser Vorschrift verliehene Befugnis, strengere Verbraucherschutzmaßnahmen als die Gemeinschaftsmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, betrifft nämlich nur die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe b EG genannten Maßnahmen. Sie bezieht sich nicht auf die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe a EG genannten Maßnahmen, also die nach Artikel 95 EG erlassenen Maßnahmen, denen die auf der Grundlage des Artikels 94 EG erlassenen Maßnahmen in diesem Zusammenhang gleichzustellen sind.

( vgl. Randnr. 15 )

3. Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte wird zur Gänze von der Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte selbst festgelegt und ist aus deren Wortlaut, Zweck und Systematik abzuleiten. Der Umstand, dass diese Richtlinie bestimmte Ausnahmen vorsieht oder in manchen Punkten auf das nationale Recht verweist, bedeutet nicht, dass die Harmonisierung in den durch sie geregelten Punkten nicht vollständig ist. Folglich bezweckt die Richtlinie 85/374 für diese Punkte eine vollständige Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.

( vgl. Randnrn. 16, 19 und 24 )

4. Artikel 13 der Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Regelung abweicht.

Denn die Bezugnahme in dieser Vorschrift auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund vertraglicher oder außervertraglicher Haftung geltend machen kann, ist dahin auszulegen, dass die durch die Richtlinie eingeführte Regelung nicht die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung ausschließt, die wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden auf anderen Grundlagen beruhen. Auch die Bezugnahme in Artikel 13 auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, ist dahin zu verstehen, dass damit auf eine besondere Regelung abgestellt wird, die auf einen bestimmten Produktionssektor begrenzt ist.

( vgl. Randnrn. 21-23 )

5. Das Klagesystem des EG-Vertrags unterscheidet zwischen den in den Artikeln 226 EG und 227 EG vorgesehenen Klagen, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und den in den Artikeln 230 EG und 232 EG vorgesehenen Klagen, mit denen die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane überprüft werden soll. Diese Klagemöglichkeiten verfolgen verschiedene Ziele und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein Mitgliedstaat kann sich daher mangels einer Vorschrift des EG-Vertrags, die ihn dazu ausdrücklich ermächtigt, nicht mit Erfolg zur Verteidigung gegenüber einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen.

( vgl. Randnr. 28 )

6. Die vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommenen Abgrenzungen des Geltungsbereichs der Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte sind das Ergebnis einer komplexen Abwägung der verschiedenen Interessen. Wie aus der ersten und der neunten Begründungserwägung der Richtlinie hervorgeht, umfassen diese Interessen die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs, die Erleichterung des Handels innerhalb des Gemeinsamen Marktes, den Verbraucherschutz und das Bemühen um eine geordnete Rechtspflege.

Die Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers bedeutet implizit, dass die durch fehlerhafte Produkte Geschädigten zur Vermeidung einer übermäßigen Anzahl an Rechtsstreitigkeiten eine Klage bei geringfügigen materiellen Schäden nicht auf die durch die Richtlinie aufgestellten Haftungsregeln, sondern nur auf die vertragliche oder außervertragliche Haftung des allgemeinen Rechts stützen können.

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Selbstbeteiligung nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie das Recht der Geschädigten auf Zugang zu den Gerichten beeinträchtigt.

Desgleichen stellt der Umstand, dass für die Hersteller fehlerhafter Produkte und für die durch diese Geschädigten verschiedene Haftungsregelungen gelten können, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dar, da die Differenzierung nach Maßgabe von Natur und Höhe des erlittenen Schadens objektiv gerechtfertigt ist.

( vgl. Randnrn. 29-32 )

7. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen zwar die in der Klageschrift angeführten Rügen mit denen im Aufforderungsschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme übereinstimmen; dieses Erfordernis kann jedoch, wenn der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist, nicht so weit gehen, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen.

( vgl. Randnr. 44 )


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 25. April 2002. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 85/374/EWG - Haftung für fehlerhafte Produkte - Nicht ordnungsgemäße Umsetzung. - Rechtssache C-52/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-52/00

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia und B. Mongin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, zunächst vertreten durch K. Rispal-Bellanger und R. Loosli-Surrans, dann durch R. Loosli-Surrans und J.-F. Dobelle als Bevollmächtigte,

Beklagte,

"wegen Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 9, 3 Absatz 3 und 7 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29) verstoßen hat, dass sie

- in Artikel 3 des Gesetzes Nr. 98-389 vom 19. Mai 1998 über die Haftung für fehlerhafte Produkte (JORF vom 21. Mai 1998, S. 7744) Schäden unter 500 Euro aufgenommen hat,

- in Artikel 8 dieses Gesetzes bestimmt hat, dass der Verteiler eines fehlerhaften Produktes in jedem Fall und in gleicher Weise wie der Hersteller haftet, und

- in Artikel 13 dieses Gesetzes vorgesehen hat, dass der Hersteller, um sich auf die Entlastungsgründe gemäß Artikel 7 Buchstaben d und e der genannten Richtlinie berufen zu können, beweisen muss, dass er geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um den Auswirkungen eines fehlerhaften Produktes vorzubeugen,

erlässt DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter S. von Bahr und C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 3. Mai 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. September 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 17. Februar 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 9, 3 Absatz 3 und 7 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29, nachfolgend: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie

- in Artikel 3 des Gesetzes Nr. 98-389 vom 19. Mai 1998 über die Haftung für fehlerhafte Produkte (JORF vom 21. Mai 1998, S. 7744) Schäden unter 500 Euro aufgenommen hat,

- in Artikel 8 dieses Gesetzes bestimmt hat, dass der Verteiler eines fehlerhaften Produktes in jedem Fall und in gleicher Weise wie der Hersteller haftet, und

- in Artikel 13 dieses Gesetzes vorgesehen hat, dass der Hersteller, um sich auf die Entlastungsgründe gemäß Artikel 7 Buchstaben d und e der Richtlinie berufen zu können, beweisen muss, dass er geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um den Auswirkungen eines fehlerhaften Produktes vorzubeugen.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

2 Die Richtlinie bezweckt eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind. Nach ihrer ersten Begründungserwägung ist die Angleichung erforderlich geworden, weil die Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften "den Wettbewerb verfälschen, den freien Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen und zu einem unterschiedlichen Schutz des Verbrauchers vor Schädigungen seiner Gesundheit und seines Eigentums durch ein fehlerhaftes Produkt führen kann".

3 Artikel 1 der Richtlinie lautet:

"Der Hersteller eines Produkts haftet für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist."

4 Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie lautet:

"Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, so wird jeder Lieferant als dessen Hersteller behandelt, es sei denn, dass er dem Geschädigten innerhalb angemessener Zeit den Hersteller oder diejenige Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat. Dies gilt auch für eingeführte Produkte, wenn sich bei diesen der Importeur im Sinne des Absatzes 2 nicht feststellen lässt, selbst wenn der Name des Herstellers angegeben ist."

5 Artikel 7 der Richtlinie sieht vor, dass der Hersteller aufgrund der Richtlinie nicht haftet, wenn er beweist,

"...

d) dass der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt verbindlichen hoheitlich erlassenen Normen entspricht;

e) dass der vorhandene Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem er das betreffende Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte;

..."

6 Nach Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie umfasst der Begriff "Schaden" im Sinne des Artikels 1

"...

b) die Beschädigung oder Zerstörung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produktes - bei einer Selbstbeteiligung von 500 [Euro] -, sofern diese Sache

i) von einer Art ist, wie sie gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt ist, und

ii) von dem Geschädigten hauptsächlich zum privaten Ge- oder Verbrauch verwendet worden ist".

7 Artikel 13 der Richtlinie lautet:

"Die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund der Vorschriften über die vertragliche und außervertragliche Haftung oder aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, werden durch diese Richtlinie nicht berührt."

8 Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat kann

...

b) abweichend von Artikel 7 Buchstabe e in seinen Rechtsvorschriften die Regelung beibehalten oder - vorbehaltlich des Verfahrens nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels - vorsehen, dass der Hersteller auch dann haftet, wenn er beweist, dass der vorhandene Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem er das betreffende Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte."

9 Nach Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um der Richtlinie spätestens am 30. Juli 1988 nachzukommen.

Die nationale Regelung

10 Durch das Gesetz Nr. 98-389 wurden folgende Bestimmungen in den französischen Code civil (nachfolgend: Code civil) eingefügt:

Artikel 1386-1:

"Der Hersteller eines Produktes haftet unabhängig davon, ob er in einer vertraglichen Beziehung zu dem Geschädigten steht, für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produktes verursacht worden ist."

Artikel 1386-2:

"Die Vorschriften des... Titels [über die Haftung für fehlerhafte Produkte] gelten für den Ersatz des Schadens, der aufgrund der Verletzung einer Person oder aufgrund der Beschädigung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produktes entstanden ist."

Artikel 1386-7 Absatz 1:

"Der Verkäufer, der Vermieter mit Ausnahme des Leasinggebers oder des Vermieters, der einem Leasinggeber gleichzustellen ist, sowie jeder gewerblich tätige Lieferant haftet für Sicherheitsmängel eines Produktes unter denselben Bedingungen wie der Hersteller."

Artikel 1386-11 Absatz 1:

"Der Hersteller haftet zwingend, falls er nicht beweist,

...

4o dass der vorhandene Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem er das betreffende Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte;

5o oder dass der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt verbindlichen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften entspricht."

Artikel 1386-12 Absatz 2:

"Der Hersteller kann sich auf die Entlastungsgründe gemäß Artikel 1386-11 Nummern 4o und 5o nicht berufen, wenn er beim Auftreten eines Fehlers, der sich innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem das betreffende Produkt in den Verkehr gebracht wurde, gezeigt hat, keine geeigneten Vorkehrungen ergriffen hat, um dem Eintritt eines Schadens vorzubeugen."

Das Vorverfahren

11 Da die Kommission der Auffassung war, dass die Richtlinie innerhalb der gesetzten Frist nicht ordnungsgemäß in französisches Recht umgesetzt worden sei, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren ein. Nachdem sie die Französische Republik zur Äußerung aufgefordert hatte, gab sie am 6. August 1999 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Da die Kommission die Antwort der Französischen Republik auf diese Stellungnahme für unzureichend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründetheit

12 Die Kommission erhebt drei Rügen, die vorab die Frage aufwerfen, ob mit der Richtlinie für die darin geregelten Punkte das Ziel einer vollständigen oder nur einer Mindestharmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten verfolgt wird.

Zum Grad der mit der Richtlinie verwirklichten Harmonisierung

13 Nach Ansicht der französischen Regierung ist die Richtlinie unter Berücksichtigung der wachsenden Bedeutung auszulegen, die dem Verbraucherschutz, wie er sich in seiner jüngsten Ausgestaltung gemäß Artikel 153 EG darstellt, in der Gemeinschaft zukommt. Die Formulierung von Artikel 13 der Richtlinie, der den Begriff "Ansprüche" verwende, bestätige, dass die Richtlinie nicht der Verwirklichung eines höheren nationalen Schutzniveaus entgegenstehen solle. Diese Analyse werde auch dadurch gestützt, dass die Richtlinie selbst es den Mitgliedstaaten erlaube, in einigen Punkten von den in ihr aufgestellten Regeln abzuweichen.

14 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie vom Rat einstimmig auf der Grundlage des Artikels 100 EWG-Vertrag (nach Änderung Artikel 100 EG-Vertrag, jetzt Artikel 94 EG) erlassen wurde, der die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten betrifft, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Anders als Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG), der nach Erlass der Richtlinie in den EG-Vertrag eingefügt wurde und die Möglichkeit bestimmter Abweichungen vorsieht, begründet die Rechtsgrundlage Artikel 94 EG keine Befugnis für die Mitgliedstaaten, von den Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichende Vorschriften beizubehalten oder einzuführen.

15 Auch Artikel 153 EG, der ebenfalls nach Erlass der Richtlinie in den EG-Vertrag eingefügt wurde, kann nicht für eine Auslegung der Richtlinie dahin angeführt werden, dass diese eine Mindestharmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezweckt, die der Beibehaltung oder dem Erlass strengerer Schutzmaßnahmen als der Gemeinschaftsmaßnahmen durch einen Mitgliedstaat nicht entgegensteht. Die den Mitgliedstaaten hierbei durch Artikel 153 Absatz 5 EG verliehene Befugnis betrifft nämlich nur die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe b EG genannten Maßnahmen, also Maßnahmen zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten. Sie bezieht sich nicht auf die in Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe a EG genannten Maßnahmen, also die im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts nach Artikel 95 EG erlassenen Maßnahmen, denen die auf der Grundlage des Artikels 94 EG erlassenen Maßnahmen in diesem Zusammenhang gleichzustellen sind. Wie außerdem der Generalanwalt in Nummer 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist Artikel 153 EG als an die Gemeinschaft gerichtete Anweisung für ihre zukünftige Politik gefasst und kann den Mitgliedstaaten wegen der unmittelbaren Gefährdung des gemeinschaftlichen Besitzstandes keine Befugnis verleihen, selbständig Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stuenden, wie es sich aus den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 153 EG bereits erlassenen Richtlinien ergibt.

16 Daraus folgt, dass der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte zur Gänze von der Richtlinie selbst festgelegt wird und aus deren Wortlaut, Zweck und Systematik abzuleiten ist.

17 Dazu ist erstens festzustellen, dass die Richtlinie, wie aus ihrer ersten Begründungserwägung hervorgeht, mit der Errichtung einer harmonisierten Regelung der Haftung von Herstellern für die durch fehlerhafte Produkte verursachten Schäden dem Ziel Rechnung trägt, einen unverfälschten Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsbeteiligten zu gewährleisten, den freien Warenverkehr zu erleichtern und einen unterschiedlichen Verbraucherschutz zu vermeiden.

18 Zweitens enthält die Richtlinie anders als z. B. die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29) keine Bestimmung, die die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt, in den durch die Richtlinie geregelten Punkten strengere Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.

19 Drittens bedeutet der Umstand, dass die Richtlinie bestimmte Ausnahmen vorsieht oder in manchen Punkten auf das nationale Recht verweist, nicht, dass die Harmonisierung in den durch sie geregelten Punkten nicht vollständig ist.

20 Wenn es nämlich den Mitgliedstaaten nach den Artikeln 15 Absatz 1 Buchstaben a und b und 16 der Richtlinie gestattet ist, von Regelungen der Richtlinie abzuweichen, so betreffen diese eng definierten Abweichungsmöglichkeiten nur abschließend aufgezählte Punkte. Außerdem unterliegen sie insbesondere einer Beurteilung im Hinblick auf eine umfassendere Harmonisierung, von der in der vorletzten Begründungserwägung der Richtlinie ausdrücklich die Rede ist. Die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 zur Änderung der Richtlinie 85/374 (ABl. L 141, S. 20), die durch die Einbeziehung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in den Geltungsbereich der Richtlinie die Wahlmöglichkeit gemäß Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie aufgehoben hat, veranschaulicht dabei dieses fortschreitende Harmonisierungssystem.

21 Vor diesem Hintergrund kann Artikel 13 der Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Regelung abweicht.

22 Die Bezugnahme in Artikel 13 der Richtlinie auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund vertraglicher oder außervertraglicher Haftung geltend machen kann, ist dahin auszulegen, dass die durch die Richtlinie eingeführte Regelung, nach der der Geschädigte gemäß Artikel 4 der Richtlinie Schadensersatz verlangen kann, wenn er den Schaden, den Fehler des Produktes und den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Fehler und dem Schaden beweist, nicht die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung ausschließt, die wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden auf anderen Grundlagen beruhen.

23 Auch die Bezugnahme in Artikel 13 auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, ist gemäß der dreizehnten Begründungserwägung Satz 3 der Richtlinie dahin zu verstehen, dass damit auf eine besondere Regelung abgestellt wird, die auf einen bestimmten Produktionssektor begrenzt ist.

24 Folglich bezweckt die Richtlinie für die darin geregelten Punkte entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik eine vollständige Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten (siehe Urteile von diesem Tag in den Rechtssachen C-154/00, Kommission/Griechenland, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 10 bis 20, und C-183/00, González Sánchez, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 23 bis 32).

25 Diese Erwägungen bilden den Hintergrund, vor dem die von der Kommission erhobenen Rügen zu prüfen sind.

Zur ersten Rüge: Keine ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie

26 Die Kommission weist darauf hin, dass Artikel 1386-2 des Code civil, anders als Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, alle Schäden an privaten und nicht privaten Gütern erfasse, ohne eine Selbstbeteiligung von 500 Euro vorzusehen.

27 Die französische Regierung bestreitet diese Abweichung nicht, macht aber vier Rechtfertigungsgründe dafür geltend. Erstens beeinträchtige die Selbstbeteiligung dadurch, dass dem Geschädigten ein Klagerecht genommen werde, das nach Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 verbürgte Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten. Zweitens verstoße die Selbstbeteiligung auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da sie ein ungerechtfertigtes Ungleichgewicht sowohl im Verhältnis der Hersteller untereinander als auch im Verhältnis der Verbraucher untereinander schaffe. Drittens habe sie dieselbe Wirkung wie eine Regel zur vollständigen Freistellung von der Haftung für unerlaubte Handlung, was nach französischem Recht gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Viertens würden diese Bedenken dadurch bestätigt, dass die Kommission in ihrem Grünbuch vom 28. Juli 1999 über die Haftung für fehlerhafte Produkte (KOM[1999] 396 endg.) die Abschaffung der Selbstbeteiligung in Erwägung ziehe.

28 Zu den ersten beiden Gründen, mit denen die Rechtmäßigkeit der von der Richtlinie vorgesehenen Selbstbeteiligung in Frage gestellt wird, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Klagesystem des EG-Vertrags unterscheidet zwischen den in den Artikeln 226 EG und 227 EG vorgesehenen Klagen, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und den in den Artikeln 230 EG und 232 EG vorgesehenen Klagen, mit denen die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane überprüft werden soll. Diese Klagemöglichkeiten verfolgen verschiedene Ziele und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein Mitgliedstaat kann sich daher mangels einer Vorschrift des EG-Vertrags, die ihn dazu ausdrücklich ermächtigt, nicht mit Erfolg zur Verteidigung gegenüber einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen. Ebenso wenig kann er sich auf die Rechtswidrigkeit einer Richtlinie berufen, deren Verletzung die Kommission ihm vorwirft (Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-74/91, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-5437, Randnr. 10).

29 Wie zudem der Generalanwalt in den Nummern 66 bis 68 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommenen Abgrenzungen des Geltungsbereichs der Richtlinie das Ergebnis einer komplexen Abwägung der verschiedenen Interessen. Wie aus der ersten und der neunten Begründungserwägung der Richtlinie hervorgeht, umfassen diese Interessen die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs, die Erleichterung des Handels innerhalb des Gemeinsamen Marktes, den Verbraucherschutz und das Bemühen um eine geordnete Rechtspflege.

30 Die Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers bedeutet implizit, dass die durch fehlerhafte Produkte Geschädigten zur Vermeidung einer übermäßigen Anzahl an Rechtsstreitigkeiten eine Klage bei geringfügigen materiellen Schäden nicht auf die durch die Richtlinie aufgestellten Haftungsregeln, sondern nur auf die vertragliche oder außervertragliche Haftung des allgemeinen Rechts stützen können.

31 Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Selbstbeteiligung nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie das Recht der Geschädigten auf Zugang zu den Gerichten beeinträchtigt (Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 31).

32 Desgleichen stellt der Umstand, dass für die Hersteller fehlerhafter Produkte und für die durch diese Geschädigten verschiedene Haftungsregelungen gelten können, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dar, da die Differenzierung nach Maßgabe von Natur und Höhe des erlittenen Schadens objektiv gerechtfertigt ist (siehe u. a. Urteile vom 21. Juni 1958 in der Rechtssache 8/57, Groupement des hauts fourneaux et aciéries belges/Hohe Behörde, Slg. 1958, 233, 257, und Kommission/Griechenland, Randnr. 32).

33 Zum dritten Grund, mit dem sich die französische Regierung auf die angebliche Unvereinbarkeit der nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie vorgesehenen Selbstbeteiligung mit der französischen öffentlichen Ordnung beruft, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften mit dem Ziel, die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts zu schmälern, im Ergebnis dessen Einheit und Wirksamkeit beeinträchtigen würde und daher nicht zugelassen werden kann (siehe u. a. Urteile vom 2. Juli 1996 in der Rechtssache C-473/93, Kommission/Luxemburg, Slg. 1996, I-3207, Randnr. 38, und Kommission/Griechenland, Randnr. 24).

34 Soweit sich die französische Regierung auf das Grünbuch der Kommission beruft, genügt ebenfalls der Hinweis, dass der Umstand, dass die Kommission im Hinblick auf eine etwaige Änderung der Richtlinie beschlossen hat, die betroffenen Kreise zur Zweckmäßigkeit einer Abschaffung der in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie vorgesehenen Selbstbeteiligung zu befragen, die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung entbinden kann, das jeweils geltende Gemeinschaftsrecht zu beachten (siehe u. a. Urteile vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-236/88, Kommission/Frankreich, Slg. 1990, I-3163, Randnr. 19, und Kommission/Griechenland, Randnr. 26).

35 Die erste Rüge der Kommission ist folglich begründet.

Zur zweiten Rüge: Keine ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie

36 Die Kommission macht geltend, dass Artikel 1386-7 des Code civil den Lieferanten dem Hersteller gleichstelle, während nach Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie der Lieferant nachrangig nur dann hafte, wenn der Hersteller unbekannt sei.

37 Die französische Regierung bestreitet diese Abweichung nicht. Sie macht geltend, sie folge aus einer nationalen Verfahrensvorschrift, die als solche zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft gefallen sei und daher von der Gemeinschaftsgesetzgebung nicht habe geändert werden können. Außerdem führe Artikel 1386-7 des Code civil zu dem von der Richtlinie vorgesehenen Ergebnis, da der vom Geschädigten belangte Lieferant auf den Hersteller Rückgriff nehmen könne, der auch nach der Systematik der Richtlinie den Schadensersatz zu tragen habe.

38 Soweit die französische Regierung die Zuständigkeit des Rates für den Erlass von Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie in Frage stellt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat, wie oben in Randnummer 28 ausgeführt worden ist, nicht zur Verteidigung in einem Vertragsverletzungsverfahren auf die Rechtswidrigkeit einer Richtlinie berufen kann, deren Nichtbeachtung die Kommission ihm vorwirft.

39 Darüber hinaus greift dieses Vorbringen auch inhaltlich nicht durch. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber für die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte zuständig war, war er auch dafür zuständig, zu bestimmen, wem diese Haftung aufzuerlegen ist und unter welchen Voraussetzungen sie ausgelöst wird.

40 Was die behauptete Gleichwertigkeit der Haftungsregelung nach der Richtlinie und derjenigen nach dem Gesetz Nr. 98-389 im Hinblick auf ihr Ergebnis anbelangt, so löst die von dem genannten Gesetz für den Lieferanten vorgesehene Möglichkeit, Rückgriff auf den Hersteller zu nehmen, eine Kette von Inanspruchnahmen aus, die durch die Möglichkeit des Geschädigten, den Hersteller unter den Voraussetzungen des Artikels 3 der Richtlinie unmittelbar zu belangen, gerade vermieden werden soll.

41 Die zweite Rüge der Kommission greift somit durch.

Zur dritten Rüge: Keine ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 7 der Richtlinie

42 Die Kommission bringt vor, während Artikel 7 Buchstaben d und e der Richtlinie Fälle vorsehe, in denen der Hersteller ohne weitere Voraussetzungen von der Haftung freigestellt werde, machten die Artikel 1386-11 Absatz 1 und 1386-12 Absatz 2 des Code civil diese Haftungsfreistellungen davon abhängig, dass der Hersteller einer Produktbeobachtungspflicht nachkomme.

43 Die französische Regierung macht vorab geltend, die beiden Argumente, auf die die Kommission diese dritte Rüge stütze, seien nicht zulässig, da sie nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme enthalten seien.

44 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen zwar die in der Klageschrift angeführten Rügen mit denen im Aufforderungsschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme übereinstimmen. Dieses Erfordernis kann jedoch, wenn der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist, nicht so weit gehen, dass sie in jedem Fall völlig übereinstimmend formuliert sein müssen (Urteil vom 9. November 1999 in der Rechtssache C-365/97, Kommission/Italien, Slg. 1999, I-7773, Randnr. 25). Diese Anforderung ist hier erfuellt, so dass das Vorbringen der französischen Regierung zur Unzulässigkeit nicht durchgreift.

45 Zur Begründetheit macht die französische Regierung geltend, bei der dritten Rüge gehe es um einen Punkt, dessen Änderung die Kommission selbst in ihrem Grünbuch in Erwägung ziehe. Artikel 15 der Richtlinie eröffne den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Haftungsfreistellung, die an den Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Produktes geknüpft sei, eine Wahlmöglichkeit, da eine solche Freistellung ausgeschlossen werden könne. Es sei daher denkrichtig, dass ein solcher Ausschluss einer Voraussetzung wie der Produktbeobachtungspflicht unterworfen werden könne, die sich durch die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Richtlinie 92/59/EWG des Rates vom 29. Juni 1992 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 228, S. 24) rechtfertigen lasse.

46 Zur Bezugnahme auf das Grünbuch der Kommission genügt es, auf Randnummer 34 dieses Urteils zu verweisen.

47 Was das Vorbringen zu Artikel 15 der Richtlinie anbelangt, so ist es den Mitgliedstaaten nach dieser Vorschrift zwar gestattet, die Haftungsfreistellung nach Artikel 7 Buchstabe e der Richtlinie auszuschließen, nicht aber, die Tatbestandsvoraussetzungen für diese Freistellung zu ändern. Artikel 15 erlaubt es den Mitgliedstaaten auch nicht, die Freistellungsregelung nach Artikel 7 Buchstabe d auszuschließen oder zu ändern. Diese Auslegung kann auch nicht durch die Richtlinie 92/59 in Frage gestellt werden, die nicht die Haftung des Herstellers für von ihm in Verkehr gebrachte Produkte betrifft.

48 Mithin ist auch die dritte Rüge der Kommission begründet.

49 Daher ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 9 Absatz 1 Buchstabe b, 3 Absatz 3 und 7 der Richtlinie verstoßen hat, dass sie

- in Artikel 1386-2 des französischen Code civil Schäden unter 500 Euro aufgenommen hat,

- in Artikel 1386-7 Absatz 1 des Code civil bestimmt hat, dass der Verteiler eines fehlerhaften Produktes in jedem Fall und in gleicher Weise wie der Hersteller haftet, und

- in Artikel 1386-12 Absatz 2 des Code civil vorgesehen hat, dass der Hersteller, um sich auf die Entlastungsgründe gemäß Artikel 7 Buchstaben d und e der Richtlinie berufen zu können, beweisen muss, dass er geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um den Auswirkungen eines fehlerhaften Produktes vorzubeugen.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 9 Absatz 1 Buchstabe b, 3 Absatz 3 und 7 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte verstoßen, dass sie

- in Artikel 1386-2 des französischen Code civil Schäden unter 500 Euro aufgenommen hat,

- in Artikel 1386-7 Absatz 1 des Code civil bestimmt hat, dass der Verteiler eines fehlerhaften Produktes in jedem Fall und in gleicher Weise wie der Hersteller haftet, und

- in Artikel 1386-12 Absatz 2 des Code civil vorgesehen hat, dass der Hersteller, um sich auf die Entlastungsgründe gemäß Artikel 7 Buchstaben d und e der genannten Richtlinie berufen zu können, beweisen muss, dass er geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um den Auswirkungen eines fehlerhaften Produktes vorzubeugen.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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