Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.1993
Aktenzeichen: C-52/91
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2057/82 vom 29. Juni 1982, Verordnung Nr. 2374/86 vom 24. Juli 1986


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2057/82 vom 29. Juni 1982 Art. 10 Abs. 2
Verordnung Nr. 2057/82 vom 29. Juni 1982 Art. 1
Verordnung Nr. 2057/82 vom 29. Juni 1982 Art. 9
Verordnung Nr. 2374/86 vom 24. Juli 1986 Art. 5 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Zwar erlaubt Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 170/83 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen es den Mitgliedstaaten, die Einzelheiten für die ihnen zugeteilten Quoten festzulegen, er schreibt aber auch vor, daß die Festlegung der nationalen Vorschriften in Übereinstimmung mit den geltenden Gemeinschaftsbestimmungen zu erfolgen hat. Folglich dürfen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieser Einzelheiten nicht die Verpflichtungen ausser acht lassen, die ihnen insbesondere auch im Hinblick auf die zur Verhinderung von Quotenüberschreitungen vorgesehene vorläufige Einstellung des Fischfangs, wie sie Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2057/82 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten vorschreibt, obliegen.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten, denen die Gemeinschaftsregelung die Mittel an die Hand gibt, sich rasch über den tatsächlichen Stand der Fänge zu informieren, für eine rasche Einholung der Auskünfte zu sorgen, wodurch es ihnen ermöglicht wird, rechtzeitig die vorläufige Einstellung des Fischfangs anzuordnen, um Quotenüberschreitungen zu verhindern. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um einen Verstoß gegen seine Verpflichtungen auf diesem Gebiet zu rechtfertigen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 8. JUNI 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH DER NIEDERLANDE. - FISCHEREI - BEWIRTSCHAFTUNG DER QUOTEN - VERPFLICHTUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN. - RECHTSSACHE C-52/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 5. Februar 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich der Niederlande gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten (ABl. L 220, S. 1; hiernach: Verordnung über die Kontrolle) in Verbindung mit der Verordnung (EWG) Nr. 2374/86 des Rates vom 24. Juli 1986 zur vierten Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3721/85 zur Festlegung der zulässigen Gesamtfangmenge und bestimmter Fangbedingungen hinsichtlich der zulässigen Gesamtfangmengen für bestimmte Fischbestände oder Bestandsgruppen für 1986 (ABl. L 206, S. 4; hiernach: Verordnung zur vierten Änderung der Verordnung zur Festlegung der Quoten für 1986) verstossen hat, indem es die den Niederlanden für 1986 zugeteilten Fangquoten überschritten hat.

2 Mit seiner Verordnung (EWG) Nr. 170/83 vom 25. Januar 1983 (hiernach: Verordnung zur Einführung der Bewirtschaftungsregelung) hat der Rat eine gemeinschaftliche Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen eingeführt (ABl. L 24, S. 1). Nach den Artikeln 2, 3 und 4 dieser Verordnung kann er die Fänge beschränken. Die Menge der verfügbaren Fänge wird jedes Jahr zwischen den Mitgliedstaaten in Form von Quoten aufgeteilt. Nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung haben die Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit den geltenden Gemeinschaftsbestimmungen die Einzelheiten für die Nutzung der ihnen zugeteilten Quoten festzulegen.

3 Für 1986 wurden die Quoten durch die Verordnung (EWG) Nr. 3721/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 (ABl. L 361, S. 5; hiernach: Verordnung zur Festlegung der Quoten für 1986) festgelegt, die später viermal geändert wurde, zuletzt durch die genannte Verordnung Nr. 2374/86.

4 Die Verordnung über die Kontrolle schreibt bestimmte Maßnahmen in bezug auf die Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten vor. Nach Artikel 1 Absatz 1 dieser Verordnung muß jeder Mitgliedstaat in seinen Gewässern die Fischereifahrzeuge aller Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Einhaltung aller Vorschriften bezueglich der Erhaltungs- und Kontrollmaßnahmen kontrollieren. Nach Artikel 1 Absatz 2 müssen die zuständigen Behörden, wenn ein Verstoß gegen diese Vorschriften festgestellt wird, gegen den Kapitän des Fahrzeugs ein Straf- oder Verwaltungsverfahren einleiten. Ausserdem hat nach Artikel 9 dieser Verordnung jeder Mitgliedstaat der Kommission monatlich die einer Quote unterliegenden Mengen der Bestände oder Bestandsgruppen, die während des vorangegangenen Monats angelandet worden sind, mitzuteilen und dabei den Ort der Fänge und die Nationalität der Fischereifahrzeuge anzugeben.

5 Nach Artikel 10 Absatz 1 dieser Verordnung werden alle Fänge, die einer Quotenregelung unterliegen, durch Fischereifahrzeuge, die die Flagge eines Mitgliedstaats führen oder in einem Mitgliedstaat registriert sind, unabhängig vom Anlandeort von der Quote dieses Staates in Abzug gebracht. Ausserdem müssen die Mitgliedstaaten nach Absatz 2 dieses Artikels den Zeitpunkt festsetzen, an dem aufgrund der Fänge, die einer Quotenregelung unterliegen, durch Fischereifahrzeuge, die die Flagge des jeweiligen Mitgliedstaats führen oder in dem jeweiligen Mitgliedstaat registriert sind, die betreffende Quote als ausgeschöpft gilt. Der Mitgliedstaat hat von diesem Zeitpunkt an bis auf weiteres den Fang von Fischen des betreffenden Bestands oder der betreffenden Bestandsgruppe sowie die Aufbewahrung an Bord, das Umladen und die Anlandung von Fängen, die nach diesem Zeitpunkt gemacht worden sind, zu untersagen. Diese Maßnahme ist unverzueglich der Kommission mitzuteilen, die die anderen Mitgliedstaaten hiervon unterrichtet.

6 Da die von der Kommission gegen das Königreich der Niederlande erhobenen Rügen hinsichtlich der Einhaltung dieser Vorschriften während des gesamten Verfahrens geändert worden sind, ist der Ablauf des Verfahrens darzustellen, um den Gegenstand der Vertragsverletzungsklage, über den der Gerichtshof letztlich zu entscheiden hat, abzugrenzen.

7 Am 2. Oktober 1986 richtete die Kommission zunächst an die niederländische Regierung ein Aufforderungsschreiben, das die Überschreitung dreier Quoten, die dem Königreich der Niederlande für das Jahr 1986 zugeteilt worden waren, und sechs Fänge bestimmter Fischarten in verschiedenen Zonen, für die dem Königreich der Niederlande keine Quote zugeteilt worden war, betraf. Sie behielt sich das Recht vor, diese Zahlen zu ändern, falls sie neue Angaben erhalten würde. Jedenfalls war sie der Ansicht, daß diese Überschreitungen auf einen Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung zur Einführung der Bewirtschaftungsregelung, gegen mehrere Vorschriften der Verordnung zur Festlegung der Quoten für 1986 sowie gegen die Artikel 1 und 10 der Verordnung über die Kontrolle zurückzuführen seien. Sie verlangte, daß ihr die straf- und verwaltungsrechtlichen Schritte gegen die Kapitäne der Schiffe mitgeteilt würden, die für diese Fänge verantwortlich gewesen seien.

8 Die niederländische Regierung antwortete mit Schreiben vom 17. Februar 1987. Sie räumte die Überschreitungen ein, trug aber vor, daß diese nicht darauf zurückzuführen seien, daß das Königreich der Niederlande den gemeinschaftlichen Maßnahmen zur Fangbeschränkung nicht nachgekommen sei. Sie seien durch Gründe zu erklären, die vom Willen der niederländischen Regierung unabhängig seien, wie unrechtmässige Fänge, unrichtige Erklärungen von Fischern oder den Umstand, daß den nationalen Behörden Angaben über Anlandungen erst nach der offiziellen Einstellung des Fischfangs zur Kenntnis gebracht worden seien. Sodann ging die niederländische Regierung im einzelnen auf die Verfahren zur Kontrolle der Fischereitätigkeit ein, die sie durchgeführt habe.

9 Am 13. Mai 1987 übersandte die Kommission der niederländischen Regierung dann ein Schreiben, in dem sie nach Berufung auf die gleichen Verordnungen, die sie im Aufforderungsschreiben genannt hatte, dieses Mal vierzehn Fälle einer Überschreitung von Quoten anführte, die dem Königreich der Niederlande zugeteilt worden waren, also elf Fälle mehr, als im Aufforderungsschreiben erwähnt waren, sowie zwölf Fälle von Fischfängen, für die dem Königreich der Niederlande keine Quote zugeteilt worden war, also sechs Fälle mehr, als vorher genannt waren. In einem Antwortschreiben vom 7. Juli 1987 legte die niederländische Regierung noch einmal dar, welche Maßnahmen sie getroffen habe, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten.

10 Am 21. November 1988 richtete die Kommission an die niederländischen Behörden eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Diese bezog sich auf die Überschreitung von zwölf Quoten, nämlich die in ihrem Schreiben vom 13. Mai 1987 genannten, mit Ausnahme der Überschreitungen der Kabeljau- und Schellfischquote in bestimmten Zonen, die für zu geringfügig gehalten wurden. Die Kommission war der Ansicht, daß die Überschreitung auf zwei Ursachen zurückzuführen sei. Zunächst habe die niederländische Regierung die Verpflichtungen zur Kontrolle und Ahndung von Verstössen gemäß Artikel 1 der Verordnung über die Kontrolle missachtet. Sodann sei sie dafür verantwortlich, daß sie die Fänge nicht rechtzeitig untersagt habe. Die Kommission kam in dieser Stellungnahme zu der Schlußfolgerung, daß das Königreich der Niederlande gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung zur Einführung der Bewirtschaftungsregelung und aus den Artikeln 1 und 6 bis 10 der Verordnung über die Kontrolle in Verbindung mit der Verordnung zur Festlegung der Quoten für 1986 verstossen habe.

11 Die niederländische Regierung antwortete auf diese Rügen mit Schreiben vom 9. Januar 1989 und 13. Juni 1990.

12 Da sie diese Antworten für unbefriedigend hielt, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

13 In ihrer Klageschrift erklärt die Kommission, sie lasse ihre Rügen zum Fang von Fischen, für die dem Königreich der Niederlande keine Quote zugeteilt worden sei, fallen, und konzentriert ihre Beanstandungen auf die zwölf Fälle einer Quotenüberschreitung. Dazu wirft sie dem Königreich der Niederlande vor, es habe die Einstellung des Fischfangs in zehn Fällen nicht und in zwei weiteren Fällen zu spät angeordnet. Sie sieht darin einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle und aus den Verordnungen zur Festlegung der Quoten für 1986. Im übrigen verzichtet sie auf die Geltendmachung eventueller Versäumnisse bei der Verhängung von Strafen und Sanktionen.

14 Nach Kenntnisnahme von dem Verteidigungsvorbringen der niederländischen Regierung räumt die Kommission in ihrer Erwiderung ein, daß sie sich in ihrer Klageschrift geirrt habe, da neun der zehn Quoten, bezueglich deren sie der niederländischen Regierung die Nichteinstellung des Fischfangs vorgeworfen habe, doch Gegenstand eines vorläufigen Fangverbots gewesen seien. Sie trägt jedoch vor, die niederländischen Behörden hätten es unterlassen, ihr sieben dieser Verbote mitzuteilen, wie es Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle vorschreibe. Bezueglich der Quote, für die kein Verbot erlassen worden sei, nämlich die Quote für Heringsfänge in den Bereichen IV c (also südliche Nordsee) und VII d (östlicher Ärmelkanal), lasse sie ihre Rügen fallen. Sie trägt vor, daß die vorläufigen Fangverbote jedenfalls bei den elf weiterhin streitigen Fällen die Überschreitung der Quoten nicht hätten verhindern können und also ihren Zweck nicht erreicht hätten.

15 In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Kommission die Rüge hinsichtlich der unterlassenen Mitteilung der vorläufigen Fangverbote fallengelassen und klargestellt, daß nur die Rüge in bezug auf die verspätete Einstellung des Fischfangs, also der Nichteinhaltung von Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle, bezueglich der elf Quoten aufrechterhalten werde. Auf zwei dieser elf Quoten habe sie im Aufforderungsschreiben und auf neun im Berichtigungsschreiben vom 13. Mai 1987 hingewiesen.

16 Daraus ist zu folgern, daß sich die Klage der Kommission jetzt auf den Antrag beschränkt, festzustellen, daß das Königreich der Niederlande durch Überschreitungen von elf Fangquoten, die ihm für 1986 zugeteilt worden waren, gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle verstossen hat.

17 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit der Klage

18 In der mündlichen Verhandlung hat die niederländische Regierung geltend gemacht, daß die Klage unzulässig sei, da sich der Klageantrag auf einen Verstoß gegen die Verordnung zur vierten Änderung der Verordnung zur Festlegung der Quoten für 1986 beziehe, während diese Änderungsverordnung die Quote für Hering im Bereich III a (also Skagerrak und Kattegat) betreffe, die dem Königreich der Niederlande nicht zugeteilt worden sei und in der seine Staatsangehörigen nicht gefischt hätten.

19 Diese Einrede ist gegenstandslos. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ihre Rügen nämlich auf die Nichtbeachtung einer Vorschrift der Verordnung über die Kontrolle beschränkt.

Zur Rüge der verspäteten Einstellung des Fischfangs

20 Zunächst ist das Argument der niederländischen Regierung zu prüfen, daß die Festlegung der Einzelheiten für die Nutzung der Quoten und damit die Organisierung ihrer Überwachung und das System der Fangregistrierung mangels gemeinschaftlicher Vorschriften in die ausschließliche Verantwortung der Mitgliedstaaten fielen. Sie stützt sich insoweit auf Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung zur Einführung der Bewirtschaftungsregelung.

21 Dieses Argument ist zurückzuweisen. Zwar erlaubt die genannte Vorschrift es den Mitgliedstaaten, die Einzelheiten für die Nutzung der Quoten festzulegen, sie schreibt aber auch vor, daß die Festlegung der nationalen Vorschriften in Übereinstimmung mit den geltenden Gemeinschaftsbestimmungen zu erfolgen hat. Folglich dürfen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieser Einzelheiten nicht die Verpflichtungen ausser acht lassen, die ihnen insbesondere auch im Hinblick auf die vorläufige Einstellung des Fischfangs, wie sie Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle vorschreibt, obliegen.

22 Die niederländische Regierung macht weiter geltend, daß zur Beurteilung des Verhaltens der nationalen Behörden in der Frage der vorläufigen Einstellung des Fischfangs nur die Angaben berücksichtigt werden könnten, die diesen Behörden in der Zeit, in der sie ihre Entscheidungen getroffen hätten, bekannt gewesen seien, und nicht die Informationen, die später mitgeteilt worden seien und aus denen hervorgehe, daß die Quoten schon zum Zeitpunkt der Entscheidungen überschritten gewesen seien. Dazu trägt sie vor, sie habe zu dem Zeitpunkt, als sie die Einstellung der Fänge beschlossen habe, nicht über die endgültigen Zahlen der Überschreitungen verfügt, auf die sich die Kommission in ihren Schreiben vom 2. Oktober 1986 und 13. Mai 1987 bezogen habe. Daher könnten diese nicht gegen sie verwendet werden.

23 Um die Stichhaltigkeit dieses Arguments beurteilen zu können, sind die elf streitigen Quoten in drei Gruppen aufzuteilen, wobei von den Angaben, die der niederländischen Regierung nach ihrem Vorbringen bekannt waren, als sie die Einstellung des Fischfangs verfügte, und vom tatsächlichen Stand der Fänge zu diesem Zeitpunkt nach den von der Kommission vorgelegten Zahlen auszugehen ist.

Zur ersten Quotengruppe

24 Die erste Gruppe umfasst die Quoten, bei denen sich, ohne daß auf die Zahlen der Kommission eingegangen werden müsste, aus den von der niederländischen Regierung selbst mitgeteilten Angaben ergibt, daß sie die vorläufige Einstellung des Fischfangs zu einem Zeitpunkt angeordnet hat, als sie wusste, daß die Quoten bereits ausgeschöpft waren.

25 Dies gilt zunächst für die im Bereich VIII (EG) (gewöhnlich als Golf von Biskaya bezeichnet) gefischte Seezunge, für die den Niederlanden 1986 eine Quote von 105 Tonnen zugeteilt wurde und für die am 2. April 1986 ein vorläufiges Fangverbot beschlossen wurde, während die niederländischen Behörden schon am 18. März Fänge in Höhe von 161 Tonnen registriert hatten. Das gleiche gilt für den im Bereich VII, ausgenommen VII a (also westlich Irlands und Porcupine Bank, südlich Irlands, Bristolkanal und Ärmelkanal), gefischten Wittling, für den eine Quote von 100 Tonnen zugeteilt worden war und für den am 29. April 1986 die vorläufige Fangeinstellung verfügt wurde, während die niederländischen Behörden schon am 15. April 117 Tonnen Fänge registriert hatten. Das gleiche gilt auch für den im Bereich III a, b, c, d (EG) (also Skagerrak, Kattegat, Sund, Belte und Ostsee) gefischten Schellfisch, dessen Quote sich auf 10 Tonnen belief und für den am 3. Juli 1986 die vorläufige Fangeinstellung verfügt wurde, während die niederländischen Behörden schon seit dem 15. Juni wussten, daß diese Quote überschritten war. Das gleiche gilt schließlich für Wittling in den Bereichen II a (EG) (Norwegische See) und IV (Nordsee), für den eine Quote von 12 422 Tonnen zugeteilt worden war und für den die vorläufige Fangeinstellung am 10. Dezember 1986 angeordnet wurde, während die niederländischen Behörden schon zu diesem Zeitpunkt wussten, daß diese Quote ausgeschöpft war.

26 Aus den Urteilen vom 20. März 1990 in der Rechtssache C-62/89 (Kommission/Frankreich, Slg. 1990, I-925, Randnrn. 17 und 18) und 31. Januar 1991 in der Rechtssache C-244/89 (Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-163, Randnr. 17) ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben, um die Überschreitung der betreffenden Quoten zu verhindern, damit die Beachtung der den Mitgliedstaaten zum Zweck der Erhaltung der Fischereiressourcen zugeteilten Quoten sichergestellt wird. Daraus folgt, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, schon vor der Ausschöpfung der Quoten zwingende Maßnahmen zu ergreifen, um jede Fangtätigkeit bis auf weiteres zu untersagen.

27 Daher ist festzustellen, daß die niederländische Regierung die durch Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle vorgeschriebenen Maßnahmen offensichtlich zu spät getroffen hat, als sie die Einstellung des Fischfangs für die betreffenden vier Quoten zu einem Zeitpunkt beschloß, zu dem ihr die Überschreitung bekannt war.

Zur zweiten Quotengruppe

28 Die zweite Gruppe umfasst sechs Quoten, bei denen die Fangzahlen, auf deren Grundlage die niederländische Regierung die vorläufige Einstellung des Fischfangs angeordnet hat, keine Überschreitung erkennen lassen. Die Kommission hat ihrerseits die bis zum Zeitpunkt der Entscheidungen über die vorläufigen Fangverbote tatsächlich erreichten Fangzahlen vorgelegt, die diese Überschreitung nach ihrer Ansicht belegen. Das Königreich der Niederlande hat in seiner Antwort geltend gemacht, daß es sich dabei um Angaben handele, die erst nach den Einstellungsentscheidungen bekanntgeworden seien.

29 So verfügte die niederländische Regierung in bezug auf Makrelen in den Bereichen II (bis auf die EG-Zone, also Norwegische See, Spitzbergen und Bäreninsel), V b (EG, Faroeer), VI (Rockall und westlich Schottlands), VII, VIII (EG) und XII (nördliche Azoren), deren Quote 31 170 Tonnen betrug, die Einstellung des Fischfangs am 2. Juni 1986 auf der Grundlage von Informationen über Fänge von 22 271 Tonnen, während nach den Angaben der Kommission im Mai 51 312 Tonnen dieses Fisches gefangen worden waren. Für Scholle im Bereich III a (Skagerrak und Kattegat), deren Quote 2 170 Tonnen betrug, wurde die Einstellung am 13. August 1986 auf der Grundlage von Informationen über 2 160 bisher gefischte Tonnen angeordnet, während der Fischfang nach den Angaben der Kommission schon im Juni 2 752 Tonnen erreicht hatte. In bezug auf Makrelen in den Bereichen II a (EG), III a, III b, c, d (EG) (Sund, Belte und Ostsee) und IV, deren Quote 1 200 Tonnen betrug, ordnete das Königreich der Niederlande die Einstellung des Fischfangs am 10. Oktober 1986 an, während es bis dahin Fänge in Höhe von 919 Tonnen registriert hatte; es waren aber zu diesem Zeitpunkt schon 1 746 Tonnen gefischt worden. In bezug auf Hering in den Bereichen VI a (Rockall) und VII b und c (westlich Irlands und Porcupine Bank), dessen Quote 1 550 Tonnen betrug, ordnete die niederländische Regierung die Einstellung des Fischfangs am 31. Oktober 1986 an, wobei sie erklärte, sie habe lediglich von Fängen im Umfang von 1 391 Tonnen Kenntnis, während sich die Fänge nach den Angaben der Kommission zu der Zeit schon auf 2 109 Tonnen beliefen. Bei Hering in den Bereichen V b (EG), VI a (westlich Irlands) und VI b (Rockall), dessen Quote auf 5 160 Tonnen festgelegt war, gibt die niederländische Regierung an, sie habe von Fängen in Höhe von 4 763 Tonnen gewusst, als sie am 21. November 1986 die vorläufige Einstellung des Fischfangs verfügte, während nach den Angaben der Kommission zu diesem Zeitpunkt schon 8 314 Tonnen gefischt worden waren. In bezug auf Kabeljau in den Bereichen II a (EG) und IV, dessen Quote 18 670 Tonnen beträgt, verfügte die niederländische Regierung die Einstellung des Fischfangs am 21. November 1986, weil ihr Fänge in Höhe von 16 264 Tonnen bekannt waren, während die Fänge zu diesem Zeitpunkt 22 276 Tonnen erreichten.

30 Um die Divergenzen zwischen ihren Zahlen und denen der Kommission zu rechtfertigen, gibt die niederländische Regierung drei Gründe an.

31 Sie trägt erstens vor, daß sie, wenn sie die Einstellung des Fischfangs anordne, drei Faktoren berücksichtige: zunächst die verfügbaren Informationen über die bereits erfolgten und registrierten Fänge, sodann die Schätzungen der bereits erfolgten, aber noch nicht registrierten Fänge und schließlich die Vorausberechnungen der Fänge, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Einstellung noch erfolgen könnten. Ihre Entscheidungen würden also zum grossen Teil anhand von Schätzungen getroffen, was erkläre, daß die endgültige Fangzahl zuweilen höher sei als die zum Zeitpunkt der Einstellung bekannten Angaben.

32 Zweitens macht die niederländische Regierung geltend, daß zwischen dem Zeitpunkt der Anlandung und dem der Registrierung der Fänge eine gewisse Zeit verstreiche. Nach dem niederländischen System würden die Anlandungen dem Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei grundsätzlich einmal im Monat gemeldet, in der Regel um den 15. des Monats. So bekämen die nationalen Behörden Einblick in den Stand der Fänge bis zum Ende des Vormonats. Daß bei den monatlichen Meldungen eine gewisse Zeit verstreiche, sei nicht ungewöhnlich. Artikel 9 der Verordnung über die Kontrolle habe für die der Kommission zugehenden Mitteilungen über die Anlandungen ein gleichartiges System eingeführt.

33 Drittens weist die niederländische Regierung darauf hin, daß Anlandungen zuweilen in erheblichem Umfang in anderen Mitgliedstaaten erfolgt seien und das Mitteilungssystem der Kommission 1986 mit Verzögerung funktioniert habe: So habe es in der Regel einen Monat gedauert, bis die Auskünfte über die Anlandungen niederländischer Fischereifahrzeuge in anderen Mitgliedstaaten den nationalen Behörden vorgelegen hätten, weshalb es unmöglich gewesen sei, diese Informationen bei den Entscheidungen über die vorläufige Einstellung des Fischfangs zu berücksichtigen.

34 Dazu ist festzustellen, daß die Unterschiede zwischen den Zahlen bei den Angaben, von denen die niederländische Regierung nach ihrem Vorbringen zu dem Zeitpunkt Kenntnis hatte, als sie die Entscheidungen über die Einstellung des Fischfangs traf, und den endgültigen Zahlen der bis zu diesem Zeitpunkt getätigten Fänge, die die Kommission vorgelegt hat und die die Niederlande nicht bestritten haben, beträchtlich sind.

35 Diese erheblichen Divergenzen sind nur dadurch zu erklären, daß entweder die Fänge zu spät registriert wurden oder daß die niederländische Regierung den Umfang der noch nicht registrierten oder noch während der Durchführung des Verfahrens der vorläufigen Fangeinstellung zu registrierenden Fänge falsch beurteilt hat.

36 Es ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, nach der ein Mitgliedstaat sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen, die sich aus den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ergeben.

37 Jedenfalls ist festzustellen, daß die Gemeinschaftsregelung den niederländischen Behörden die Mittel an die Hand gab, sich rasch über den tatsächlichen Stand der Fänge zu informieren.

38 So ergibt sich aus Punkt 4.2.1 des Anhangs IV der Verordnung (EWG) Nr. 2807/83 der Kommission vom 22. September 1983 zur Festlegung der Einzelheiten der Aufzeichnung von Informationen über den Fischfang durch die Mitgliedstaaten (ABl. L 276, S. 1), daß bei Anlandungen im Hafen des Mitgliedstaats, dessen Flagge das Schiff führt oder in dem es registriert ist, das Original oder die Originale des Logbuchs, das die an Bord behaltenen Fangmengen enthält, und der Anlandeerklärung vom Kapitän des Schiffes an die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ausgehändigt oder innerhalb von 48 Stunden nach Beendigung der Entladungsarbeiten geschickt werden müssen. Dieses System ermöglicht daher die Registrierung der Fänge praktisch schon im Zeitpunkt der Anlandung. Darüber hinaus sind gemäß Anhang VIII dieser Verordnung dann, wenn die Anlandung oder Umlandung später als 15 Tage nach dem Fang erfolgt, die Mengen jeder Fischart, die gefangen, an Bord behalten, umgeladen oder ausserhalb der Fischereizone der Gemeinschaft angelandet wurden, sowie das Gebiet, aus dem die Fänge stammen, über die gewöhnlich benutzten Funkstationen mitzuteilen. Die Schiffskapitäne müssen dann die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die den Funkstationen übermittelten Auskünfte schriftlich an die zuständigen Behörden weitergeleitet werden können. Dieses System ermöglicht es den nationalen Behörden also, von weit entfernten Fängen sogar schon vor ihrer Anlandung Kenntnis zu erlangen.

39 Daher sind die Einwände der niederländischen Regierung zurückzuweisen, und es ist festzustellen, daß die Regierung bei den betreffenden sechs Quoten die durch Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Kontrolle vorgeschriebenen Maßnahmen früher hätte treffen können, wenn sie für eine rasche Einholung der Auskünfte über die Fänge gesorgt hätte.

Zur dritten Gruppe

40 Die dritte Gruppe betrifft nur eine einzige Quote, nämlich die 50 Tonnen umfassende Quote für Seezunge in den Bereichen III a und III b, c, d (EG).

41 Für diese Quote hat die Kommission die Zahlen über die bis zum 17. April 1986, dem Zeitpunkt der niederländischen Entscheidung über die Einstellung des Fischfangs, getätigten Fänge nicht vorgelegt, sondern nur die Gesamtzahl aller Fänge dieses Jahres, nämlich 111 Tonnen.

42 Wie schon im Urteil vom 5. Oktober 1989 in der Rechtssache 290/87 (Kommission/Niederlande, Slg. 1989, 3083, Randnr. 13) ausgeführt worden ist, kann der Gerichtshof daher nicht feststellen, ob die ermittelten Überschreitungen ihre Ursache in einer verspäteten Einstellung der Fangtätigkeit haben oder ob sie vielmehr auf rechtswidrigen Fängen beruhen, die nach der Entscheidung der nationalen Behörden getätigt wurden.

43 Somit ist festzustellen, daß die Kommission für diese Quote nicht das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachgewiesen hat.

44 Aufgrund all dieser Erwägungen ist festzustellen, daß das Königreich der Niederlande gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten verstossen hat, soweit es 1986 nicht rechtzeitig die Einstellung des Fischfangs für Seezunge im Bereich VIII (EG), Wittling im Bereich VII mit Ausnahme von VII a, Schellfisch im Bereich III a, b, c, d (EG), Wittling in den Bereichen II a (EG) und IV, Makrele in den Bereichen II, V b (EG), VI, VII, VIII (EG) und XII, Scholle im Bereich III a, Makrele in den Bereichen II a (EG), III a, III b, c, d (EG) und IV, Hering in den Bereichen VI a und VII b, c, Hering in den Bereichen V b (EG), VI a und VI b und Kabeljau in den Bereichen II a (EG) und IV verfügt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

45 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß § 3 dieses Artikels kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist.

46 Von dieser Möglichkeit ist in der vorliegenden Rechtssache Gebrauch zu machen. Es ist nämlich offensichtlich, daß die vorliegende Klage von der Kommission ohne angemessene Sachverhaltsermittlung erhoben worden ist, was sie dazu veranlasst hat, ihre Rügen ständig zu ändern und die Verteidigung der niederländischen Regierung zu erschweren. Die Kosten sind daher zu teilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Königreich der Niederlande hat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten verstossen, soweit es 1986 nicht rechtzeitig die Einstellung des Fischfangs für Seezunge im Bereich VIII (EG), Wittling im Bereich VII mit Ausnahme von VII a, Schellfisch im Bereich III a, b, c, d (EG), Wittling in den Bereichen II a (EG) und IV, Makrele in den Bereichen II, V b (EG), VI, VII, VIII (EG) und XII, Scholle im Bereich III a, Makrele in den Bereichen II a (EG), III a, III b, c, d (EG) und IV, Hering in den Bereichen VI a und VII b, c, Hering in den Bereichen V b (EG), VI a und VI b und Kabeljau in den Bereichen II a (EG) und IV verfügt hat.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück