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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.07.2006
Aktenzeichen: C-53/05
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/100/EWG, EG


Vorschriften:

Richtlinie 92/100/EWG Art. 1
Richtlinie 92/100/EWG Art. 5
EG Art. 226
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

6. Juli 2006

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 92/100/EWG - Urheberrecht - Vermiet- und Verleihrecht - Nichtumsetzung innerhalb der vorgesehenen Frist"

Parteien:

In der Rechtssache C-53/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 9. Februar 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Andrade und W. Wils als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes und N. Gonçalves als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, A. Borg Barthet und A. Ó Caoimh,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. April 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 1 und 5 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61; im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie der Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung an die Urheber im Rahmen des öffentlichen Verleihs alle Kategorien von öffentlichen Verleiheinrichtungen entzogen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Die siebte Begründungserwägung der Richtlinie lautet wie folgt:

"Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden."

3 Artikel 1 der Richtlinie bestimmt:

"(1) In Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Kapitels sehen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich Artikel 5 das Recht vor, die Vermietung und das Verleihen von Originalen und Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke und anderer in Artikel 2 Absatz 1 bezeichneter Schutzgegenstände zu erlauben oder zu verbieten.

(2) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet 'Vermietung' die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung zu unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen.

(3) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet 'Verleihen' die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung, die nicht einem unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen dient und durch der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen vorgenommen wird.

(4) Die in Absatz 1 genannten Rechte werden weder durch die Veräußerung von in Artikel 2 Absatz 1 bezeichneten Originalen und Vervielfältigungsstücken von urheberrechtlich geschützten Werken und anderen Schutzgegenständen noch durch andere darauf bezogene Verbreitungshandlungen erschöpft."

4 Artikel 5 Absätze 1 bis 3 der Richtlinie sieht vor:

"(1) Die Mitgliedstaaten können hinsichtlich des öffentlichen Verleihwesens Ausnahmen von dem ausschließlichen Recht nach Artikel 1 vorsehen, sofern zumindest die Urheber eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten. Es steht den Mitgliedstaaten frei, diese Vergütung entsprechend ihren kulturpolitischen Zielsetzungen festzusetzen.

(2) Bringen die Mitgliedstaaten das ausschließliche Verleihrecht im Sinne von Artikel 1 in Bezug auf Tonträger, Filme und Computerprogramme nicht zur Anwendung, so führen sie eine Vergütung zumindest für die Urheber ein.

(3) Die Mitgliedstaaten können bestimmte Kategorien von Einrichtungen von der Zahlung der Vergütung im Sinne der Absätze 1 und 2 ausnehmen."

Nationales Recht

5 Die Richtlinie ist in der portugiesischen Rechtsordnung durch die gesetzesvertretende Verordnung (Decreto-lei) Nr. 332/97 vom 27 November 1997 (Diário da República I, Serie A, Nr. 275, vom 27. November 1997, S. 6393, im Folgenden: Verordnung) umgesetzt worden. In der Präambel dieser Verordnung heißt es:

"Diese gesetzesvertretende Verordnung schafft ein Recht des öffentlichen Verleihs von urheberrechtlich geschützten Werken, ihr Inkrafttreten in der portugiesischen Rechtsordnung erfolgt aber in den durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorgegebenen Grenzen und unter Beachtung der kulturellen Besonderheit und des Entwicklungsstandes des Landes sowie der sich daraus ergebenden Maßnahmen und Leitlinien auf dem Gebiet der Kulturpolitik."

6 Artikel 6 der Verordnung sieht vor:

"1. Der Urheber hat beim öffentlichen Verleih des Originals oder von Vervielfältigungsstücken seines Werkes Anspruch auf eine Vergütung.

2. Der Eigentümer der Einrichtung, die das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, haftet für die Zahlung der Vergütung ...

3. Dieser Artikel gilt nicht für öffentliche, Schul- oder Universitätsbibliotheken, Museen, öffentliche Archive, öffentliche Stiftungen und private Einrichtungen ohne Gewinnzweck."

Das vorprozessuale Verfahren

7 Am 19. Dezember 2003 richtete die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 226 Absatz 1 EG an die Portugiesische Republik ein Mahnschreiben, mit dem sie diese aufforderte, die Vorschriften der Richtlinie umzusetzen.

8 Nachdem die Kommission von der Antwort der Portugiesischen Republik auf dieses Schreiben Kenntnis genommen hatte, gab sie am 9. Juli 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung der Stellungnahme nachzukommen.

9 In dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme vertrat die Kommission unter Bezugnahme auf die Verordnung die Auffassung, dass die Portugiesische Republik die erforderlichen Maßnahmen, um die Umsetzung der Artikel 1 und 5 der Richtlinie sicherzustellen, nicht erlassen habe.

10 Da die Portugiesische Republik auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme nicht geantwortet hat, hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

11 Die Kommission vertritt die Auffassung, Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung befreie von der Verpflichtung zur Zahlung der Abgabe für den öffentlichen Verleih alle Dienststellen der Zentralverwaltung des Staates, alle zur mittelbaren Staatsverwaltung gehörenden Einrichtungen wie die öffentlichen Anstalten und die öffentlichen Verbände sowie alle Dienststellen und Einrichtungen der dezentralisierten Verwaltungen und der Gebietskörperschaften. Dieser Liste seien alle juristischen Personen des Privatrechts hinzuzufügen, die öffentliche Aufgaben wahrnähmen, wie z. B. gemeinnützige juristische Personen in der Verwaltung und sogar private Schulen und Hochschulen, sowie alle privaten Einrichtungen ohne Gewinnzweck im Allgemeinen. Es handele sich letzten Endes darum, dieser Zahlungsverpflichtung alle öffentlichen Verleiheinrichtungen zu entziehen.

12 Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie bestimme aber, dass die Mitgliedstaaten nicht alle Kategorien von Einrichtungen, wie es die Verordnung vorsehe, sondern nur einige Kategorien ausnehmen dürften. Die Portugiesische Republik sei damit über die von der Richtlinie gesetzten Grenzen hinausgegangen und die Verordnung verhindere schlicht und einfach, dass das mit der Richtlinie angestrebte Ziel erreicht werde, nämlich sicherzustellen, dass für schöpferisches und künstlerisches Arbeiten eine angemessene Vergütung gezahlt werde.

13 Die Kommission weist außerdem auf die enge Verwandtschaft hin, die zwischen dem Verleih von Werken durch öffentliche Dienststellen oder Einrichtungen und der Vermietung von Werken durch Geschäftsleute bestehe. In beiden Fällen handele es sich um eine Nutzung geschützter Werke. Der Unterschied beim gesetzlichen Schutz, den die geschützten Werke in den Mitgliedstaaten erhielten, habe eine Auswirkung auf das Funktionieren des Binnenmarktes und könne Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben. Das Verleihen von Werken, Büchern, Tonträgern und Videogrammen stelle eine Tätigkeit von erheblichem Umfang dar. Diejenigen, die diese Werke und Gegenstände nutzten, kauften sie aber nicht, und daraus ergebe sich ein entgangener Gewinn für die Urheber und Schöpfer.

14 Zudem seien die Mitgliedstaaten, um die kulturellen Werke ihren Bürgern kostenlos zur Verfügung stellen zu können, verpflichtet, all denen eine Vergütung zu zahlen, die zum Funktionieren der Bibliotheken beitrügen, d. h. nicht nur dem Personal, sondern vor allem den Urhebern dieser Werke. Die Vergütung für die Letztgenannten entspreche dem Allgemeininteresse der Gemeinschaft.

15 In ihrer Klagebeantwortung macht die Portugiesische Republik geltend, Artikel 5 der Richtlinie, insbesondere Artikel 5 Absatz 3, stelle eine "Kompromissfassung" dar, die ungenau und schwer auszulegen sei und die zu Streitigkeiten über ihre Bedeutung und ihre Tragweite führen könne. Die Fassung dieser Vorschrift habe auch offener und flexibler sein sollen, um die spezifischen Niveaus der kulturellen Entwicklung der verschiedenen Mitgliedstaaten berücksichtigen zu können. Darüber hinaus enthalte die Richtlinie keinen Hinweis, was die Bedeutung dieses Artikels angehe.

16 Die Portugiesische Republik vertritt außerdem die Auffassung, dass die Umsetzung der Richtlinie unmittelbar das Problem der Auswahl der "Kategorien von Einrichtungen" aufwerfe, und mittelbar das Problem, ob und inwieweit diejenigen, die mittelbar Adressaten der Richtlinie seien, in gleicher oder praktisch gleicher Weise aus den Vorschriften dieser Richtlinie Nutzen ziehen könnten, die die Mitgliedstaaten dazu ermächtigten, Befreiungen von der Zahlung der in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehenen Vergütung vorzusehen. Diese Frage verweise auf das Problem der Konfliktbeziehung zwischen Artikel 5 Absatz 3 und den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Unparteilichkeit, der Solidarität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Bestimmte "Kategorien von Einrichtungen" von der Zahlung der Gebühr für den öffentlichen Verleih freizustellen, hätte zur Folge, dass die portugiesischen Bürger nicht unter den gleichen Voraussetzungen Zugang zu den geistigen Werken hätten und in deren Genuss kommen könnten. Außerdem müssten die Rechtsinhaber grundsätzlich im Rahmen ihres Vervielfältigungsrechts und ihres Verbreitungsrechts angemessene Einkünfte erzielt haben.

17 Darüber hinaus seien die Handlungen des öffentlichen Verleihs residual, da der betroffene Markt auf das Inland beschränkt und seine wirtschaftliche Bedeutung gering sei, so dass der Binnenmarkt dadurch nicht beeinträchtigt werden könne. Es sei daher möglich, zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Zielsetzungen der kulturellen Entwicklung wichtiger seien als die Nachteile für den Binnenmarkt. Dies sei der Grund, aus dem die Beseitigung dieser Nachteile gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

18 Schließlich müsse der Erlass einer neuen Regelung des öffentlichen Verleihs und deren Aufnahme in die nationalen Rechtsordnungen in Anbetracht der kulturellen Besonderheiten und der unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Subsidiarität im Zuständigkeitsbereich dieser Staaten verbleiben.

Würdigung durch den Gerichtshof

19 Gegenstand des Rechtsstreits zwischen der Kommission und der Portugiesischen Republik ist die Frage, welche Bedeutung Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie beizumessen ist, nach dem die Mitgliedstaaten "bestimmte Kategorien von Einrichtungen" von der Zahlung der Vergütung im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 ausnehmen können.

20 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (siehe u. a. Urteile vom 18. Mai 2000 in der Rechtssache C-301/98, KVS International, Slg. 2000, I-3583, Randnr. 21, und vom 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-6857, Randnr. 50).

21 Was zunächst den Wortlaut des Artikels 5 Absatz 3 der Richtlinie angeht, ist festzustellen, dass durch ihn "bestimmte Kategorien von Einrichtungen" erfasst werden. Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber den Mitgliedstaaten nicht gestatten wollte, alle Kategorien von Einrichtungen von der Zahlung der Vergütung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 zu befreien.

22 Sodann erlaubt die Richtlinie aufgrund von Artikel 5 Absatz 3 den Mitgliedstaaten, im Rahmen des öffentlichen Verleihs von der allgemeinen Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung an die Urheber im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 abzuweichen. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen einer Richtlinie, die von einem in dieser Richtlinie aufgestellten allgemeinen Grundsatz abweichen, aber eng auszulegen (Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-476/01, Kapper, Slg. 2004, I-5205, Randnr. 72).

23 Darüber hinaus kann Artikel 5 Absatz 3 nicht dahin ausgelegt werden, dass er eine vollständige Abweichung von dieser Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung zuließe, da eine solche Auslegung dazu führen würde, dass Artikel 5 Absatz 1 ausgehöhlt und damit dieser Vorschrift jede praktische Wirksamkeit genommen würde.

24 Schließlich soll die Richtlinie nach ihrem Hauptziel, so wie dieses sich speziell aus der siebten Begründungserwägung ergibt, gewährleisten, dass Urheber und ausübende Künstler ein angemessenes Einkommen erhalten, und soll die außerordentlich hohen und risikoreichen Investitionen absichern, die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlich sind (Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-200/96, Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953, Randnr. 22).

25 Daraus folgt, dass die Befreiung aller Kategorien von Einrichtungen, die einen derartigen Verleih vornehmen, von der in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie niedergelegten Verpflichtung den Urhebern eine Vergütung entziehen würde, mit der deren Investitionen abgesichert werden könnten, was auf jeden Fall auch Auswirkungen auf die Tätigkeit der Schaffung neuer Werke hätte (siehe Urteil Metronome Musik, Randnr. 24). Unter diesen Voraussetzungen würde eine Umsetzung der Richtlinie, die zu einer solchen Befreiung aller Kategorien von Einrichtungen führen würde, dem Ziel dieser Richtlinie unmittelbar zuwiderlaufen.

26 Die Portugiesische Republik bestreitet nicht wirklich, dass die Umsetzung der Richtlinie, so wie sie sich aus der Verordnung ergibt, zur Befreiung aller in Randnummer 11 dieses Urteils aufgezählten Kategorien von Einrichtungen führt.

27 Somit kann bejaht werden, dass die portugiesische Regelung zur Folge hat, dass alle Kategorien von öffentlichen Verleiheinrichtungen von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 befreit sind.

28 Um eine derartige Maßnahme zu rechtfertigen, beruft sich dieser Mitgliedstaat auf verschiedene Argumente, von denen jedoch keines als stichhaltig angesehen werden kann.

29 Erstens macht die Portugiesische Republik geltend, der Markt des öffentlichen Verleihs sei im Wesentlichen national und wirtschaftlich unbedeutend. Daraus folge, dass das normale Funktionieren des Binnenmarktes durch diese Situation nicht berührt werden könne und dass die Tätigkeit des öffentlichen Verleihs nach dem Grundsatz der Subsidiarität im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben müsse.

30 Unter der Annahme, dass dieser Mitgliedstaat damit die Ungültigkeit der Richtlinie geltend machen wollte, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass er nach Ablauf der in Artikel 230 EG vorgesehenen Frist die Rechtmäßigkeit eines vom Gemeinschaftsgesetzgeber erlassenen Rechtsakts, der ihm gegenüber bestandskräftig geworden ist, nicht in Frage stellen kann. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Mitgliedstaat zur Verteidigung gegenüber einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung oder Verletzung einer Richtlinie nicht mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung oder dieser Richtlinie berufen (siehe u. a. Urteile vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-74/91, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-5437, Randnr. 10, vom 25. April 2002 in der Rechtssache C-154/00, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I-3879, Randnr. 28, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-194/01, Kommission/Österreich, Slg. 2004, I-4579, Randnr. 41).

31 Auf jeden Fall hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass wie die anderen gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechte auch die durch das Eigentum an literarischen und künstlerischen Werken verliehenen ausschließlichen Rechte den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft berühren können. Aus diesem Grund unterliegen diese Rechte, obwohl sie in den nationalen Rechtsvorschriften geregelt sind, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes den Erfordernissen des EG-Vertrags und fallen somit in dessen Anwendungsbereich (Urteil vom 20. Oktober 1993 in den Rechtssachen C-92/92 und C-326/92, Phil Collins u. a., Slg. 1993, I-5145, Randnr. 22).

32 Entgegen dem Vorbringen der Portugiesischen Republik kann daher der Unterschied beim rechtlichen Schutz, den geschützte kulturelle Werke in den Mitgliedstaaten in Bezug auf den öffentlichen Verleih genießen, das normale Funktionieren des Binnenmarktes der Gemeinschaft berühren und Wettbewerbsverzerrungen schaffen.

33 Zweitens macht dieser Mitgliedstaat geltend, dass die Inhaber von Urheberrechten grundsätzlich bereits eine Vergütung im Rahmen der Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung ihrer Werke behalten hätten.

34 Die Handlungen der Nutzung des geschützten Werkes, wie z. B. das öffentliche Verleihen, unterscheiden sich aber vom Verkauf oder irgendeiner anderen erlaubten Verbreitungshandlung. Das Verleihrecht verbleibt nämlich ungeachtet des Verkaufs des das Werk verkörpernden materiellen Trägers dem Urheber. Außerdem erschöpft sich das Verleihrecht nicht mit der Veräußerung oder einer anderen Handlung der Verbreitung, während das Verbreitungsrecht sich eben nur mit dem Erstverkauf in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung erschöpft (siehe in diesem Sinne Urteil Metronome Musik, Randnrn. 18 und 19).

35 Drittens macht die Portugiesische Republik geltend, Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie sei offen und flexibel, um der kulturellen Entwicklung jedes einzelnen Mitgliedstaats Rechnung tragen zu können, und der Ausdruck "bestimmte Kategorien von Einrichtungen" verlange nach einer Auslegung "mit variabler Geometrie".

36 Wie in Randnummer 22 dieses Urteils ausgeführt worden ist, kann Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass er eine vollständige Ausnahme von der in Artikel 5 Absatz 1 niedergelegten Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung zuließe.

37 Viertens vertritt die Portugiesische Republik die Auffassung, es bestehe ein Konfliktverhältnis zwischen Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie und den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Unparteilichkeit, der Solidarität und des sozialen Zusammenhalts. Nur bestimmte "Kategorien von Einrichtungen" von dieser Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung auszunehmen, laufe nämlich darauf hinaus, zuzulassen, dass die portugiesischen Bürger nicht unter den gleichen Voraussetzungen Zugang zu den geistigen Werken hätten und in deren Genuss kämen.

38 In diesem Zusammenhang ermöglicht die in Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie vorgesehene Befreiung bestimmter öffentlicher Verleiheinrichtungen von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 den Mitgliedstaaten - wobei er ihnen die Entscheidung überlässt, welche Einrichtungen durch diese Befreiung erfasst werden sollen -, einen Beurteilungsspielraum zu behalten, wenn sie von den betroffenen Publikumsgruppen diejenigen bestimmen, für die eine solche Befreiung am besten geeignet wäre, den Zugang zu den geistigen Werken zu fördern, wobei gleichzeitig die Grundrechte und insbesondere das Recht, nicht diskriminiert zu werden, beachtet werden.

39 Im Übrigen ist es in Ermangelung hinreichend genauer gemeinschaftsrechtlicher Kriterien in einer Richtlinie, anhand deren die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen bestimmt werden könnten, Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet die sachnahen Kriterien festzulegen, um innerhalb der durch das Gemeinschaftsrecht und insbesondere durch die Richtlinie gezogenen Grenzen deren Beachtung zu gewährleisten (siehe in diesem Sinne Urteile vom 6. Februar 2003 in der Rechtssache C-245/00, SENA, Slg. 2003, I-1251, Randnr. 34, und vom 16. Oktober 2003 in der Rechtssache C-433/02, Kommission/Belgien, Slg. 2003, I-12191, Randnr. 19).

40 In diesem Zusammenhang ist bereits entschieden worden, dass Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie einem Mitgliedstaat erlaubt, eine Befreiung für bestimmte Kategorien von Einrichtungen vorzusehen, aber nicht dazu verpflichtet. Wenn es daher die in dem betreffenden Mitgliedstaat herrschenden Umstände nicht zulassen, die maßgeblichen Kriterien für eine sinnvolle Unterscheidung zwischen Kategorien von Einrichtungen festzulegen, so ist die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 allen betroffenen Einrichtungen aufzuerlegen (Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 20).

41 Die von der Kommission erhobene Klage ist somit als begründet anzusehen.

42 Demzufolge ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 1 und 5 der Richtlinie verstoßen hat, dass sie alle Kategorien von öffentlichen Verleiheinrichtungen der Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung an die Urheber im Rahmen des öffentlichen Verleihs entzogen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 1 und 5 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums verstoßen, dass sie der Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung an die Urheber im Rahmen des öffentlichen Verleihs alle Kategorien von öffentlichen Verleiheinrichtungen entzogen hat.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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