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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.03.1994
Aktenzeichen: C-53/92 P
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, EWG-Satzung


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 86
EWG-Vertrag Art. 168a
EWG-Satzung Art. 51
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Gemäß Artikel 168a EWG-Vertrag und Artikel 51 Absatz 1 der EWG-Satzung des Gerichtshofes kann ein Rechtsmittel nur auf Gründe gestützt werden, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften durch das Gericht beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen. Die vom Gericht vorgenommene Würdigung der ihm vorgelegten Beweismittel ist, sofern diese Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt.

2. Wenn die Kommission aufgrund von Hinweisen auf einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags geschlossen hat und wenn ihre Überlegungen auf einer Annahme beruhen, braucht der Kläger, der den Verstoß bestreitet, nur Umstände nachzuweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere Erklärung des Sachverhalts ermöglichen, als sie von dieser gegeben worden war.

Wenn die Kommission ihre Schlußfolgerungen dagegen mit Überlegungen begründet hat, die von ganz bestimmten Tatsachen ausgehen, muß der Kläger die Unrichtigkeit der von ihr vorgenommenen Beurteilungen nachweisen.

3. Im Rechtsmittelverfahren ist ein Antrag, der zum ersten Mal vor dem Gerichtshof von einem Beteiligten in Beantwortung des Rechtsmittels gestellt wird, gemäß Artikel 116 der Verfahrensordnung als unzulässig zurückzuweisen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 2. MAERZ 1994. - HILTI AG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSMITTEL - WETTBEWERB - MISSBRAUCH EINER BEHERRSCHENDEN STELLUNG - BEGRIFF DES RELEVANTEN MARKTES. - RECHTSSACHE C-53/92 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Hilti AG hat mit Rechtsmittelschrift, die am 25. Februar 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 49 der EWG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89 (Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem ihre Klage gegen die Entscheidung 88/138/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1987 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/30.787 und 31.488 - Eurofix-Bauco/Hilti, ABl. 1988, L 65, S. 19, im folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist.

2 Die Hilti AG stellt mehrere Erzeugnisse zur Befestigung von Gegenständen her: Bolzenschußgeräte, Kartuschenstreifen, Kartuschen und Bolzen. Bolzen und Kartuschenstreifen werden als "Treibladung" bezeichnet. Das Wort "Direktbefestigungssysteme" bezeichnet Bolzenschußgeräte, Bolzen und Kartuschenstreifen (Randnr. 10 des angefochtenen Urteils).

3 In Artikel 1 der streitigen Entscheidung der Kommission heisst es u. a.: "Die Handlungen und Verhaltensweisen der Hilti AG in der Absicht, unabhängige Hersteller von Bolzen für Hilti-Bolzenschußgeräte am Zutritt zum Markt für Hilti-kompatible Bolzen und an dessen Durchdringung zu hindern oder deren Geschäft unmittelbar und/oder mittelbar zu schädigen, stellen einen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag dar" (Randnr. 8 des angefochtenen Urteils). In der streitigen Entscheidung wurde gegen die Hilti AG eine Geldbusse von 6 Millionen ECU festgesetzt und ihr aufgegeben, die Zuwiderhandlungen abzustellen.

4 Wie das Gericht ausgeführt hat (Randnrn. 46 und 64 des angefochtenen Urteils), ist zur Ermittlung der Stellung der Klägerin auf dem Markt zunächst der relevante Produktmarkt zu definieren.

5 Nach Ansicht der Hilti AG hat die Kommission diesen Markt unrichtig definiert. Er bestehe nicht, wie die Kommission in der streitigen Entscheidung behaupte, aus drei unterschiedlichen Märkten für Bolzenschußgeräte, für Kartuschenstreifen und Kartuschen sowie für Bolzen, sondern diese Teile bildeten zusammen ein untrennbares Ganzes (Randnr. 48 des angefochtenen Urteils), das einen einheitlichen Markt, den "Markt aller Direktbefestigungssystemen substituierbarer Befestigungssysteme (einschließlich insbesondere der Bohr-/Verschraubungssysteme)", bilde (Randnr. 82 des angefochtenen Urteils).

6 Das Gericht ist dagegen zu dem Ergebnis gekommen, daß "der Markt für Hilti-kompatible Bolzen der relevante Produktmarkt ist, in dessen Rahmen die Stellung der Klägerin zu überprüfen ist" (Randnr. 77 des angefochtenen Urteils, vgl. auch Randnr. 94).

7 Nach ihrer eigenen Umschreibung des Gegenstands ihres Rechtsmittels wendet sich die Hilti AG gegen die Erwägungen, mit denen das Gericht zu der Definition des Marktes gelangt ist, anhand deren es eine beherrschende Stellung der Hilti AG angenommen hat, sowie gegen bestimmte Erwägungen zur Beachtung der Beweislast durch die Kommission.

8 Die Schlußfolgerungen des Gerichts zur Abgrenzung des relevanten Marktes beruhen auf einer "rechtlichen Würdigung" (Randnrn. 64 bis 78 des Urteils), die im wesentlichen folgenden Inhalt hat:

- Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215) umfasse der relevante Produktmarkt die Erzeugnisse, die aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs geeignet und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Masse austauschbar seien (Randnr. 64 des angefochtenen Urteils); im vorliegenden Fall sei zu prüfen, ob der relevante Produktmarkt der Markt aller im Bauwesen verwandten Befestigungsmethoden sei oder ob die relevanten Märkte die Märkte für Bolzenschußgeräte und für diesen Geräten entsprechende Treibladungen, also Kartuschenstreifen und Bolzen, seien (Randnr. 65 des angefochtenen Urteils).

- Bolzenschußgeräte, Kartuschenstreifen und Bolzen bildeten drei getrennte Märkte. Da die Kartuschenstreifen und Bolzen speziell für eine Bolzenschußgerätemarke hergestellt und von den Verbrauchern erworben würden, gebe es getrennte Märkte für Hilti-kompatible Kartuschenstreifen und Hilti-kompatible Bolzen (Randnr. 66 des angefochtenen Urteils).

- Was speziell die Bolzen betreffe, um deren Verwendung in Hilti-Geräten es in diesem Rechtsstreit insbesondere gehe, gebe es seit den sechziger Jahren unabhängige Hersteller von Bolzen für Bolzenschußgeräte und sogar Hersteller, die sich nur auf die Herstellung von Bolzen spezialisiert hätten, die speziell für Hilti-Geräte bestimmt seien. Schon dies beweise, daß es einen besonderen Markt für Hilti-kompatible Bolzen gebe (Randnr. 67 des angefochtenen Urteils).

- Das Vorbringen der Hilti AG, daß Bolzenschußgeräte, Kartuschenstreifen und Bolzen ein untrennbares Ganzes bildeten, laufe in der Praxis darauf hinaus, daß es den Herstellern von Bolzenschußgeräten ermöglicht würde, andere als ihre eigenen Treibladungen von der Verwendung in ihren Geräten auszuschließen; das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft stelle es den unabhängigen Erzeugern indessen frei, diese Treibladungen herzustellen, sofern sie kein gewerbliches Schutzrecht oder Urheberrecht verletzten (Randnr. 68 des angefochtenen Urteils).

- Direktbefestigungssysteme unterschieden sich in mehreren wichtigen Punkten von anderen Befestigungssystemen. Die Eigenschaften der Direktbefestigungssysteme, wie sie in der streitigen Entscheidung beschrieben seien, brächten es mit sich, daß in einer Reihe von Fällen die Wahl natürlicherweise auf diese Systeme falle. Aus den Akten ergebe sich, daß es in zahlreichen Fällen eine realistische Alternative zu den Direktbefestigungssystemen weder für den Facharbeiter auf der Baustelle noch für den Techniker gebe, der über die in einer bestimmten Situation zum Einsatz kommenden Befestigungsmethoden zu entscheiden habe (Randnr. 69 des angefochtenen Urteils).

- Die Darstellung dieser Eigenschaften, wie sie die Kommission in der streitigen Entscheidung vorgenommen habe, sei so klar und überzeugend, daß sie die aus ihr gezogenen Schlußfolgerungen hinreichend stütze (Randnr. 70 des angefochtenen Urteils).

- Diese Feststellungen ließen keinen vernünftigen Zweifel daran bestehen, daß es in der Praxis eine Vielfalt von Situationen gebe, von denen einige die Verwendung eines Direktbefestigungssystems und andere die anderer Befestigungssysteme nahelegten. Der Umstand, daß auf mehrere unterschiedliche Befestigungssysteme seit langem jeweils ein bedeutender und gleichbleibender Teil der Gesamtnachfrage nach Befestigungsverfahren entfalle, stelle unter Beweis, daß es zwischen den verschiedenen Befestigungssystemen nur eine verhältnismässig geringe Substituierbarkeit gebe (Randnr. 71 des angefochtenen Urteils).

- Diese Schlußfolgerungen würden durch die Untersuchungen von Professor Yarrow und des Instituts Roßlyn Research bestätigt, die insbesondere zeigten, daß viele Verwender dort, wo Bolzenschußgeräte zum Einsatz gekommen seien, keine Substitutionslösung für ihre Verwendung sähen (Randnr. 73 des angefochtenen Urteils). Diese Untersuchungen könnten entgegen ihrer Intention keineswegs den Nachweis einer hohen wirtschaftlichen Substituierbarkeit führen. Sie zeigten insbesondere nicht, daß die Kreuzpreiselastizität bei den Erzeugnissen hoch sei (Randnr. 75 des angefochtenen Urteils).

- Diese Feststellungen würden auch durch die Untersuchung von Professor Albach nicht beeinträchtigt, die lediglich den Preisfaktor berücksichtige, während sich aus den Untersuchungen des Instituts Roßlyn Research ergebe, daß die Verbraucherentscheidung in hohem Masse von nicht quantifizierbaren Umständen abhänge (Randnr. 76 des angefochtenen Urteils).

- Aus all diesen Gründen hat das Gericht den in Randnummer 6 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Schluß gezogen.

9 Zur Stützung ihres Rechtsmittels beruft sich die Hilti AG auf sieben Rechtsmittelgründe, die sich auf die Verletzung von Artikel 86 EWG-Vertrag beziehen. Mit den ersten vier Rechtsmittelgründen werden ausserdem eine falsche Anwendung anerkannter ökonomischer Grundsätze und ein offenkundiger logischer Fehler in der Beweisführung geltend gemacht, mit dem fünften Rechtsmittelgrund ein Verstoß gegen tragende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, mit dem sechsten Rechtsmittelgrund offenkundige logische Fehler in der Beweisführung und mit dem siebten Rechtsmittelgrund ein Verstoß gegen tragende Rechtsgrundsätze zur Anwendung von Artikel 86.

10 Vor der Prüfung der von der Rechtsmittelführerin vorgetragenen Rechtsmittelgründe ist darauf hinzuweisen, daß ein Rechtsmittel nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes gemäß Artikel 168a EWG-Vertrag und Artikel 51 der EWG-Satzung des Gerichtshofes nur auf Gründe gestützt werden kann, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen (vgl. u. a. Urteile vom 1. Oktober 1991 in der Rechtssache C-283/90 P, Vidrányi/Kommission, Slg. 1991, I-4339, Randnr. 12, und vom 8. April 1992 in der Rechtssache C-346/90 P, F./Kommission, Slg. 1992, I-2691, Randnr. 7).

Zum ersten Rechtsmittelgrund

11 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Hilti AG geltend, das Gericht habe seine Schlußfolgerung, daß es einen Markt für Hilti-kompatible Bolzen gebe, allein auf die unbestrittene Tatsache gestützt, daß die Hilti-kompatiblen Bolzen und Kartuschenstreifen speziell zur Verwendung in Hilti-Geräten hergestellt und verkauft würden (Randnrn. 66 und 67 des angefochtenen Urteils), ohne die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 28) erforderliche Prüfung anzustellen, ob die Direktbefestigungssysteme mit anderen Erzeugnissen austauschbar seien. Um auf das Bestehen eines Marktes für Hilti-kompatible Bolzen schließen zu können, hätte das Gericht die im Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 22/78 (Hugin/Kommission, Slg. 1979, 1869) aufgestellten Grundsätze anwenden und darlegen müssen, daß die Käufer der Bolzen nicht auch die Käufer der Bolzenschußgeräte seien, was durch die Akten widerlegt werde.

12 Die Kommission ist der Ansicht, das Gericht habe, nachdem es die für die Definition des Marktes geltenden Kriterien aufgezeigt habe (Randnr. 64 des angefochtenen Urteils), in den Randnummern 66 bis 76 des angefochtenen Urteils die Gründe dargelegt, aus denen der Markt für Hilti-kompatible Bolzen seiner Meinung nach diese Kriterien erfuelle. Die Randnummern 66 und 67 des angefochtenen Urteils bildeten nur den Ausgangspunkt seiner Erwägungen; an anderer Stelle habe es die Frage der Austauschbarkeit der Direktbefestigungssysteme mit anderen Befestigungssystemen geprüft. Die Kommission und die Firma Bauco als Streithelferin tragen ausserdem vor, das Urteil Hugin/Kommission sei für die vorliegende Rechtssache ohne Bedeutung.

13 Wie die Kommission geltend gemacht hat, hat das Gericht in Randnummer 64 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, daß Erzeugnisse nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nur dann zum selben Markt gehörten, wenn sie in hinreichendem Masse austauschbar seien. In den Randnummern 66 und 67 des angefochtenen Urteils hat das Gericht sich auf die Feststellung beschränkt, daß die Befestigungsgeräte, die Kartuschenstreifen und die Bolzen unterschiedliche Märkte bildeten. Es hat anschließend in den Randnummern 69 bis 76 des angefochtenen Urteils geprüft, ob die Direktbefestigungssysteme mit anderen Befestigungssystemen austauschbar seien, und ist aus den insbesondere in den Randnummern 69 und 71 des angefochtenen Urteils genannten Gründen zu dem Ergebnis gekommen, daß die fraglichen Erzeugnisse nicht austauschbar seien.

14 Die Rechtsmittelführerin beruft sich deshalb zu Unrecht darauf, daß das Gericht die Frage der Substituierbarkeit der fraglichen Erzeugnisse nicht geprüft habe.

15 Sie kann sich auch nicht darauf berufen, daß das Gericht die vom Gerichtshof im Urteil Hugin/Kommission aufgestellten Kriterien nicht angewandt habe. Wie der Generalanwalt unter Nummer 18 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wollte der Gerichtshof nämlich in diesem Urteil keine Kriterien aufstellen, anhand deren festgestellt werden kann, ob der Markt für Treibladungen von dem Markt für die Geräte, für die sie bestimmt sind, zu trennen ist. Der Gerichtshof hat in dieser Rechtssache, in der es um Ersatzteile für Registrierkassen der Firma Hugin ging, lediglich festgestellt, daß die Käufer der Ersatzteile, bei denen es sich im wesentlichen um unabhängige Unternehmen handelte, die sich mit der Wartung und Reparatur von Registrierkassen beschäftigten, nicht mit den Käufern von Registrierkassen identisch waren, so daß der Markt für Ersatzteile einen gesonderten Markt darstellte, der eigenen Angebots- und Nachfrageregeln folgte.

16 Der erste Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

17 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Hilti AG geltend, wenn in Randnummer 69 des angefochtenen Urteils lediglich festgestellt werde, daß bestimmte Benutzer in der Praxis keine anderen als die Direktbefestigungssysteme verwenden könnten, ohne daß die Zahl dieser Benutzer angegeben werde, so lasse dies nicht den Schluß zu, daß die Direktbefestigungssysteme nicht durch andere Befestigungssysteme substituierbar seien.

18 Die Kommission vertritt die Ansicht, der Rechtsmittelgrund sei unzulässig, da er die Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht betreffe; er sei darüber hinaus unbegründet, denn das Gericht, das in Randnummer 69 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, daß es sich um zahlreiche Benutzer handele, habe nicht die genaue Zahl dieser Benutzer angeben müssen. Die Firma Bauco macht aus denselben Gründen wie die Kommission geltend, daß der Rechtsmittelgrund nicht begründet sei.

19 Die Feststellung des Gerichts, aus den Akten ergebe sich, daß die Benutzer in zahlreichen Fällen keine anderen als die Direktbefestigungssysteme verwenden könnten, ist eine Würdigung des Sachverhalts, die vor dem Gerichtshof nicht in Frage gestellt werden kann. Ferner hat das Gericht seine Entscheidung nicht deshalb unzureichend begründet, weil es in Randnummer 69 des angefochtenen Urteils lediglich ausgeführt hat, daß die Benutzer in zahlreichen Fällen erklärt hätten, sie hätten kein anderes als die Direktbefestigungssysteme verwenden können, ohne die genaue Zahl dieser Fälle anzugeben.

20 Der zweite Rechtsmittelgrund der Hilti AG ist daher zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

21 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Hilti AG geltend, das blosse Bestehen technischer Unterschiede zwischen den verschiedenen Befestigungssystemen, auf die in Randnummer 70 und Randnummer 71, erster Satz, des angefochtenen Urteils hingewiesen werde, reiche zum Nachweis der mangelnden Substituierbarkeit dieser Systeme nicht aus.

22 Die Kommission schlägt vor, diesen Rechtsmittelgrund zusammen mit dem vierten Rechtsmittelgrund zu prüfen. Die Firma Bauco trägt vor, die verschiedenen Befestigungssysteme entsprächen unterschiedlichen Bedürfnissen und seien daher, wie das Gericht dargelegt habe, nicht substituierbar.

23 Das Gericht hat festgestellt, daß die Nachfrage nach den Direktbefestigungssystemen und den anderen Befestigungssystemen nur in verhältnismässig geringem Masse substituierbar sei; es hat sich dabei in den Randnummern 69 bis 71 des angefochtenen Urteils im wesentlichen darauf gestützt, daß die in der streitigen Entscheidung beschriebenen technischen Unterschiede zwischen den Systemen zu einer deutlich abweichenden Einsatz- und damit Nachfragesituation für die Systeme führe, sowie darauf, daß auf bestimmte Systeme während langer Zeiträume ein gleichbleibender Teil der Gesamtnachfrage nach Befestigungssystemen entfallen sei.

24 Entgegen der Auffassung der Hilti AG hat das Gericht seine Schlußfolgerung, daß die Systeme wirtschaftlich nicht substituierbar seien, somit nicht nur auf die zwischen ihnen bestehenden technischen Unterschiede gestützt.

25 Der dritte Rechtsmittelgrund der Hilti AG ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

26 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund macht die Hilti AG geltend, die vom Gericht in Randnummer 71, zweiter Satz, des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, daß die verschiedenen Befestigungssysteme während langer Zeiträume nebeneinander bestanden hätten, lasse für sich genommen nicht den Schluß zu, daß die verschiedenen Befestigungssysteme nur in verhältnismässig geringem Masse substituierbar seien.

27 Die Kommission trägt im wesentlichen vor, das Gericht habe seine Schlußfolgerung der mangelnden Substituierbarkeit dieser Systeme entgegen der Auffassung der Hilti AG nicht allein auf die die Befestigungssysteme kennzeichnenden Unterschiede und auf die Koexistenz dieser Systeme während langer Zeiträume gestützt, sondern auch auf die Angebots- und Nachfragestruktur bei diesen Erzeugnissen sowie auf die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt. Die Firma Bauco trägt vor, das Gericht habe die mangelnde Substituierbarkeit nicht allein auf die Koexistenz der Systeme gestützt.

28 Wie sich aus den Ausführungen in den Randnummern 8 und 23 des vorliegenden Urteils ergibt, sind die Feststellungen des Gerichts in Randnummer 71, zweiter Satz, des angefochtenen Urteils nur Teil einer Gesamtheit von Erwägungen, mit denen es die mangelnde Substituierbarkeit der Befestigungssysteme begründet hat.

29 Der vierte Rechtsmittelgrund der Hilti AG ist daher zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

30 Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht die Hilti AG im wesentlichen geltend, das Gericht habe die Beweislast zwischen den Parteien falsch verteilt, als es von ihr den Nachweis verlangt habe, daß der relevante Markt der Markt für die im Bauwesen verwendeten Befestigungssysteme sei.

31 Sie beruft sich in erster Linie auf das Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den verbundenen Rechtssachen 29/83 und 30/83 (CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679) und trägt vor, da die Kommission den relevanten Markt auf der Grundlage von Vermutungen ermittelt habe, genüge es für den Nachweis, daß die streitige Entscheidung insoweit rechtswidrig sei, wenn sie darlege, daß der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt auch anders beurteilt werden könne.

32 Die Kommission steht dagegen auf dem Standpunkt, es sei Sache der Rechtsmittelführerin, gegebenenfalls durch Vorlage neuer Beweismittel nachzuweisen, daß die in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beurteilungen unzutreffend seien.

33 Im Urteil CRAM und Rheinzink/Kommission war der Gerichtshof mit einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag befasst. Der Gerichtshof führte aus, daß die Kommission aufgrund von Hinweisen auf ein abgestimmtes Verhalten der Klägerinnen geschlossen hatte und daß ihre Überlegungen somit auf einer Annahme beruhten.

34 Er vertrat daher in Randnummer 16 des genannten Urteils die Auffassung, daß die Klägerinnen gegenüber einer derartigen Argumentation nur Umstände nachzuweisen brauchten, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen und damit eine andere Erklärung dieses Sachverhalts ermöglichten, als sie in der Entscheidung der Kommission gegeben worden war.

35 Es ist zwar richtig, daß nach den Randnummern 60 und 63 der streitigen Entscheidung die jeweilige Nachfrage nach den einzelnen Arten von Befestigungsmethoden nicht sehr preissensibel ist; diese Aussagen stehen jedoch im Zusammenhang mit Erwägungen, mit denen gezeigt werden sollte, daß die Direktbefestigungssysteme und die anderen Befestigungssysteme unterschiedlichen Angebots- und Nachfragebedingungen unterliegen und daher kaum austauschbar sind.

36 Im Rahmen dieser Erwägungen hat sich die Kommission auf ganz bestimmte Tatsachen gestützt, die in den Randnummern 60 bis 65 der streitigen Entscheidung aufgeführt sind; zu ihnen gehören die der Verwendung der Direktbefestigungssysteme eigenen Merkmale und der geringe Einfluß der Kosten der Geräte und der Treibladungen auf deren Verwendung.

37 Die Kommission hat sich folglich entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin nicht darauf beschränkt, den Produktmarkt auf der Grundlage von Annahmen zu bestimmen.

38 Als das Gericht von der Rechtsmittelführerin verlangt hat, die Begründetheit ihres Standpunkts nachzuweisen, hat es daher von ihr lediglich den von einem Kläger regelmässig zu erbringenden Nachweis der Begründetheit seiner Klagegründe gefordert.

39 Daraus folgt, daß der fünfte Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin zurückzuweisen ist.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund

40 Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund wirft die Hilti AG dem Gericht vor, erstens die Marktstudie des Instituts Roßlyn Research sowie das Gutachten von Professor Yarrow zu den Möglichkeiten der Substitution der Befestigungssysteme, zweitens die ökonometrischen Untersuchungen von Professor Albach zur Preissensibilität der Nachfrage nach den verschiedenen Befestigungsmethoden und drittens die Marktstudie des Instituts Roßlyn Research zur entscheidenden Bedeutung des Preises bei der Wahl des eingesetzten Befestigungsverfahrens falsch gewürdigt zu haben.

41 Die Kommission ist der Ansicht, dieser Rechtsmittelgrund sei unzulässig, denn mit ihm werde die vom Gericht vorgenommene Würdigung des Sachverhalts in Frage gestellt, die der Gerichtshof im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens nicht überprüfen dürfe. Hilfsweise trägt sie vor, der Rechtsmittelgrund sei unbegründet, denn das Gericht habe die fraglichen Beweismittel nicht falsch gewürdigt.

42 Die vom Gericht vorgenommene Würdigung der ihm vorgelegten Beweismittel ist, sofern diese Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt.

43 Die Rechtsmittelführerin greift die vom Gericht vorgenommene Würdigung bestimmter diesem vorgelegter Beweismittel an, ohne darzulegen oder auch nur geltend zu machen, daß das Gericht diese Beweismittel verfälscht hätte; ihr sechster Rechtsmittelgrund ist deshalb unzulässig und aus diesem Grund zurückzuweisen.

Zum siebten Rechtsmittelgrund

44 Die Hilti AG macht geltend, das Gericht habe nicht sämtliche Beweismittel berücksichtigt, die sie ihm vorgelegt habe und die zeigten, daß die Direktbefestigungssysteme und die anderen Befestigungssysteme in hohem Masse wirtschaftlich substituierbar seien.

45 Die Kommission trägt vor, das Gericht habe, wie sich aus Randnummer 74 des angefochtenen Urteils ergebe, alle ihm vorgelegten Beweismittel geprüft; die Rechtsmittelführerin könne die vom Gericht vorgenommene Würdigung ihres Beweiswerts vor dem Gerichtshof nicht anfechten.

46 Entgegen dem Vorbringen der Hilti AG ist den Akten nicht zu entnehmen, daß das Gericht die Prüfung bestimmter Beweismittel unterlassen hätte, die sie ihm vorgelegt hat. Das Gericht hat vielmehr eindeutig zu erkennen gegeben, daß es den von der Hilti AG zur Stützung ihrer Argumentation vorgelegten Beweismitteln jede Beweiskraft abspreche (Randnr. 74 des angefochtenen Urteils); dies gilt insbesondere für die Untersuchung von Professor Yarrow und die Studie des Instituts Roßlyn Research (Randnr. 75 des angefochtenen Urteils) sowie für die ökonometrischen Untersuchungen von Professor Albach (Randnr. 76 des angefochtenen Urteils).

47 Der siebte Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin ist folglich zurückzuweisen.

Zum Antrag der Firma Bauco auf Erhöhung der gegen die Hilti AG festgesetzten Geldbussen

48 Die Firma Bauco ersucht den Gerichtshof in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, in Anbetracht des hinhaltenden Verhaltens der Hilti AG eine Erhöhung der gegen diese in der streitigen Entscheidung festgesetzten Geldbusse in Erwägung zu ziehen.

49 Selbst wenn dieser Antrag dahin verstanden werden könnte, daß er auf die Verurteilung der Hilti AG zur Zahlung einer höheren Geldbusse gerichtet ist, genügt der Hinweis, daß nach Artikel 116 der Verfahrensordnung neue Anträge des Streithelfers vor dem Gerichtshof unzulässig sind. Der von der Firma Bauco gestellte Antrag ist neu, da sie beim Gericht keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte.

50 Dieser Antrag der Firma Bauco ist somit zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

51 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe der Firma Bauco und der Firma Profix aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Der Antrag der Firma Bauco auf Erhöhung der in der Entscheidung 88/138/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1987 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag gegen die Hilti AG festgesetzten Geldbusse wird zurückgewiesen.

3) Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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