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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.10.1991
Aktenzeichen: C-58/89
Rechtsgebiete: Richtlinie 75/440/EWG, Richtlinie 79/869/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 75/440/EWG Art. 3
Richtlinie 75/440/EWG Art. 4
Richtlinie 79/869/EWG Art. 8
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Einteilung der Oberflächengewässer in drei Gruppen von Grenzwerten gemäß Artikel 2 der Richtlinie 75/440 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung ist für die Durchführung dieser Richtlinie und der Richtlinie 79/869 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen dieses Wassers unerläßlich. Diese Einteilung stellt jedoch keine eigenständige Verpflichtung für die Mitgliedstaaten dar, die durch den Erlaß eines förmlichen Aktes durchzuführen wäre, aus dem für jede Entnahmestelle ersichtlich ist, welcher Kategorie das betreffende Gewässer zugeordnet ist.

2. Die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht erfordert nicht notwendig die förmliche und wörtliche Übernahme der Richtlinienbestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet, damit - soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll - die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

3. Die Richtlinien 75/440 und 79/869 bezwecken den Schutz der Volksgesundheit; zu diesem Zweck sollen das zur Trinkwassergewinnung bestimmte Oberflächenwasser und dessen Aufbereitung überwacht werden. Dies bedeutet, daß immer dann, wenn die mangelnde Befolgung der durch diese Richtlinien vorgeschriebenen Maßnahmen die Gesundheit von Menschen gefährden könnte, die Betroffenen die Möglichkeit haben müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können, und daß die Betreiber der Oberflächenwasserentnahmestellen ihre Verpflichtungen genau kennen müssen. Eine ordnungsgemässe Umsetzung verlangt somit zur Wahrung des Erfordernisses der Rechtssicherheit den Erlaß hinreichend spezifischer, bestimmter und klarer Vorschriften mit unbestreitbarer Bindungswirkung.

4. Aus Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 geht hervor, daß jeder Mitgliedstaat einen systematischen Plan für die Sanierung sämtlicher Oberflächengewässer festlegen muß, deren Parameter verbesserungsfähig sind; dieser Plan muß nach bestimmten Prioritäten und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Sachzwänge zeitlich gegliedert sein. In Mitgliedstaaten, in denen die Bundesstaaten oder die Regionen eine Zuständigkeit auf diesem Gebiet besitzen, macht dieser Plan gegebenenfalls eine angemessene Koordinierung erforderlich.

Ein Mitgliedstaat kann von diesem Plan bestimmte Gewässer nicht mit der Begründung ausschließen, ihre Verschmutzung habe geogene Gründe, und dabei die Vorschriften des Artikels 8 Absätze 1 und 4 der Richtlinie ausser acht lassen, in denen die Abweichungen von den durch die Richtlinie begründeten Verpflichtungen geregelt sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. OKTOBER 1991. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. - NICHTUMSETZUNG DER RICHTLINIEN 75/440/EWG UND 79/869/EWG DES RATES - OBERFLAECHENWASSER FUER DIE TRINKWASSERGEWINNUNG - MITTEILUNGSPFLICHTEN. - RECHTSSACHE C-58/89.

Entscheidungsgründe:

Urteil

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 28. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (ABl. L 194, S. 34) und die Richtlinie 79/869/EWG des Rates vom 9. Oktober 1979 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (ABl. L 271, S. 44) vollständig in innerstaatliches Recht umzusetzen, und indem sie ihren Mitteilungspflichten aus Artikel 4 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 10 der Richtlinie 75/440 und aus Artikel 8 der Richtlinie 79/869 nicht im vollen Umfang Folge geleistet hat.

2 Die Artikel 10 der Richtlinie 75/440 und 13 der Richtlinie 79/869 sehen vor, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um diesen Richtlinien binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen, und daß sie die Kommission hiervon unverzueglich in Kenntnis setzen. Diese Fristen sind für die Beklagte am 18. Juni 1977 bzw. am 9. Oktober 1981 abgelaufen.

3 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Verpflichtung zur Einteilung der Gewässer gemäß Artikel 2 der Richtlinie 75/440

4 Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland vor, keinen förmlichen Akt erlassen zu haben, aus dem für jede Entnahmestelle ersichtlich sei, welcher Kategorie das betreffende Gewässer zugeordnet sei.

5 Nach Artikel 2 der Richtlinie 75/440 wird "das Oberflächenwasser... in drei Gruppen von Grenzwerten, nämlich A1, A2 und A3 eingeteilt, die den in Anhang I genannten geeigneten Standardaufbereitungsverfahren entsprechen. Diese Gruppen entsprechen drei verschiedenen Oberflächenwasserqualitäten mit den in der Tabelle des Anhangs II angegebenen physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Merkmalen".

6 Diese Einteilung der Gewässer ist für die Durchführung der betreffenden Richtlinien durch die Mitgliedstaaten unerläßlich. Das gilt insbesondere für die in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/440 vorgeschriebene Festlegung der auf Oberflächenwasser anwendbaren Werte für alle Entnahmestellen oder für jede einzelne Entnahmestelle hinsichtlich der in Anhang II aufgeführten Parameter, für die Festlegung eines systematischen Planes mit Zeitplan für die Sanierung von Oberflächenwasser gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 sowie für die in Artikel 6 und Anhang II der Richtlinie 79/869 vorgesehenen Probenahmen und Analysen, deren Häufigkeit und Methoden jeweils von der Wasserqualität abhängen.

7 Im übrigen ist die Einteilung der Gewässer gemäß Artikel 2 der Richtlinie 75/440 auch für die Aufbereitungsverfahren maßgebend, die die Mitgliedstaaten nach Anhang I dieser Richtlinie zur Aufbereitung von Oberflächenwasser der Kategorien A1, A2 und A3 zu Trinkwasser einführen müssen.

8 Die Einteilung der Gewässer stellt jedoch keine eigenständige Verpflichtung dar, die den Mitgliedstaaten durch Artikel 2 der Richtlinie 75/440 auferlegt würde und durch einen förmlichen Akt durchzuführen wäre, aus dem für jede Entnahmestelle ersichtlich ist, welcher Kategorie das betreffende Gewässer zugeordnet ist. Es ist der Kommission im übrigen nicht gelungen, das Bestehen einer solchen Pflicht darzutun.

9 Die Rüge, mit der die Nichtumsetzung von Artikel 2 der Richtlinie 75/440 geltend gemacht wird, kann folglich nicht durchgreifen.

Verpflichtung zur Festlegung der Grenzwerte für Oberflächenwasser gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/440 und zur Einhaltung dieser Werte gemäß Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie

10 Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland zunächst vor, die nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/440 auf Oberflächenwasser anwendbaren Werte für alle Entnahmestellen oder für jede einzelne Entnahmestelle nicht durch verbindliche und in geeigneter Form veröffentlichte Rechtsakte festgelegt zu haben.

11 Die Bundesrepublik Deutschland entgegnet hierauf, die Einhaltung der in Rede stehenden Verpflichtung werde von den betroffenen Bundesländern sichergestellt, und zwar zum einen durch ministerielle Runderlasse oder Verwaltungsvorschriften, die amtlich veröffentlicht würden und die lokalen Behörden von den Richtlinienerfordernissen in Kenntnis setzten, aufgrund deren diese Behörden durch Entscheidungen oder Verordnungen die Wassereinteilung vornähmen, und zum anderen durch Einzelbescheide an die Betreiber der Oberflächenwasserentnahmestellen, in denen die Bedingungen für die Ausübung dieser Tätigkeit festgelegt und insbesondere die Einhaltung der betreffenden Werte vorgeschrieben seien.

12 Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich die Bindungswirkung derartiger Akte aus den §§ 7 und 36 b Absatz 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (BGBl. 1986 I S. 1530; nachstehend: WHG), nach denen die betreffende Tätigkeit erlaubnispflichtig sei und Bewirtschaftungspläne für oberirdische Gewässer oder Gewässerteile aufzustellen seien, bei denen dies unter anderem zur Durchführung bindender Beschlüsse der Europäischen Gemeinschaften erforderlich sei.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. u. a. Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-131/88, Kommission/Deutschland, I-825, Randnr. 6) verlangt die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, daß die Richtlinienbestimmungen förmlich und wortgetreu in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in hinreichend bestimmter und klarer Weise gewährleistet, damit - soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll - die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

14 Wie sich aus der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie 75/440 ergibt, bezweckt diese Richtlinie ebenso wie die sie ergänzende Richtlinie 79/869 den Schutz der Volksgesundheit; zu diesem Zweck sollen das zur Trinkwassergewinnung bestimmte Oberflächenwasser und dessen Aufbereitung überwacht werden. Dies bedeutet somit, daß immer dann, wenn die mangelnde Befolgung der durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Maßnahmen die Gesundheit von Menschen gefährden könnte, die Betroffenen die Möglichkeit haben müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können. Im übrigen sind die einzuhaltenden Werte auch deshalb in einer Vorschrift festzulegen, deren rechtsverbindlicher Charakter unbestreitbar ist, damit die Betreiber der Oberflächenwasserentnahmestellen genau wissen, welchen Verpflichtungen sie unterliegen.

15 Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht dargetan, daß die hier angeführten Runderlasse und Verwaltungsvorschriften unmittelbare Aussenwirkung hätten. Die von ihr geltend gemachten Bestimmungen des WHG können keine Rechtsgrundlage für eine solche Wirkung bieten, da sie lediglich vorsehen, daß die Tätigkeit der Betreiber von Oberflächenwasserentnahmestellen erlaubnispflichtig ist und daß Bewirtschaftungspläne aufzustellen sind, deren Bindungswirkung nicht näher bestimmt ist.

16 Im übrigen fehlt es in bezug auf Bekanntmachungen wie diejenige des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 12. Juli 1977 an das Landratsamt Hof, die lediglich die örtlichen Behörden auf die Richtlinie 75/440 aufmerksam macht, sie um bestimmte Mitteilungen ersucht und ihnen weitere Hinweise ankündigt, sogar am Nachweis einer Bindungswirkung innerhalb der Verwaltung selbst.

17 Hinzu kommt, daß die Bundesrepublik Deutschland bestimmte Dokumente, die sie als Beweismittel anführt, nicht vorgelegt hat und daß die Anweisungen, die der Minister für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein mit Schreiben vom 14. Dezember 1988 und 5. Januar 1989 den Wasserbehörden Lübeck und Kreis Stormarn erteilt hat, nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist verfasst wurden.

18 Nach alledem ist nicht der Nachweis erbracht worden, daß die Durchführung von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/440 mit unbestreitbarer Bindungswirkung und in der spezifischen, bestimmten und klaren Weise erfolgt wäre, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Wahrung des Erfordernisses der Rechtssicherheit geboten sind. Einige der angeführten Maßnahmen wurden jedenfalls nicht nachgewiesen oder erst nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist erlassen.

19 Die Rüge, mit der die Nichtumsetzung von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/440 geltend gemacht wird, ist deshalb begründet.

20 Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland zweitens vor, in bestimmten Fällen die gemäß Artikel 3 der Richtlinie 75/440 festgelegten Grenzwerte nicht eingehalten und so gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verstossen zu haben, der die Einhaltung dieser Werte vorschreibe.

21 Dazu ist zu bemerken, daß sich diese Rüge weder in dem förmlichen Aufforderungsschreiben noch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme findet, so daß der Gerichtshof sie nicht zu prüfen hat.

Verpflichtung zur Festlegung eines systematischen Planes gemäß Artikel 4 Absatz 2 und zur Mitteilung dieses Planes an die Kommission gemäß Artikel 10 der Richtlinie 75/440

22 Die Kommission trägt vor, die Bundesrepublik Deutschland habe nicht gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 einen systematischen Plan mit Zeitplan für die Sanierung von Oberflächenwasser festgelegt.

23 Die Bundesrepublik Deutschland macht zunächst geltend, eine Überschreitung der Grenzwerte der Kategorie A1 könne keine Sanierungspflicht begründen; jedenfalls werde bei einer Grenzwertüberschreitung, die geogene Gründe habe, das Aufbereitungsverfahren für die nächstschlechtere Kategorie angewandt. Dies geschehe in der Bundesrepublik Deutschland immer dann, wenn für Gewässer der Kategorie A2 keine Sanierungspläne bestuenden.

24 Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 lautet:

"Im Rahmen der Ziele dieser Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um eine kontinuierliche Verbesserung der Umwelt sicherzustellen. Zu diesem Zweck legen sie einen systematischen Plan mit Zeitplan für die Sanierung von Oberflächenwasser, insbesondere von Wasser der Kategorie A3, fest. Dabei sind in den nächsten zehn Jahren im Rahmen der einzelstaatlichen Programme wesentliche Verbesserungen zu realisieren.

Bei der Festlegung des in Unterabsatz 1 genannten Zeitplans wird berücksichtigt, daß die Qualität der Umwelt, insbesondere die des Wassers, verbessert werden muß; ferner wird den wirtschaftlichen und technischen Sachzwängen Rechnung getragen, die in den verschiedenen Gebieten der Gemeinschaft bestehen oder sich ergeben können.

Die Kommission prüft eingehend die in Unterabsatz 1 genannten Aktionspläne, einschließlich der Zeitpläne, und legt dem Rat gegebenenfalls geeignete Vorschläge im Zusammenhang damit vor."

25 Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, daß jeder Mitgliedstaat einen systematischen Plan für die Sanierung sämtlicher Gewässer festlegen muß, deren Parameter verbesserungsfähig sind; dieser Plan muß nach bestimmten Prioritäten und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Sachzwänge zeitlich gegliedert sein. In Mitgliedstaaten, in denen die Bundesstaaten oder die Regionen eine Zuständigkeit auf diesem Gebiet besitzen, macht dieser Plan gegebenenfalls eine angemessene Koordinierung erforderlich.

26 Dieser Plan muß Gewässer einschließen, deren Verschmutzung geogene Gründe hat. Abweichungen sind nämlich gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 75/440 nur in den dort aufgeführten Fällen und nur dann zulässig, wenn der betroffene Mitgliedstaat gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Kommission dies unverzueglich unter Angabe der Gründe und der Dauer mitteilt.

27 Da sich die Bundesrepublik Deutschland nicht auf solche Abweichungen berufen hat, musste sie Gewässer, deren Verschmutzung geogen bedingt ist, in den Sanierungsplan aufnehmen.

28 Die Bundesrepublik Deutschland macht sodann geltend, daß Sanierungspläne für die Donau und das Land Nordrhein-Westfalen aufgestellt und zwei Wasserläufe im Freistaat Bayern aus Sicherheitsgründen in die Kategorie A3 eingestuft worden seien, deren Wasserqualität jedoch der Kategorie A1 entspreche, die keine Sanierung erfordere.

29 Dazu ist erstens festzustellen, daß von den das Land Nordrhein-Westfalen betreffenden Maßnahmen, auf die sich die Bundesregierung beruft - nämlich zum einen die Anwendung der für Wasser der Kategorie A2 erforderlichen Aufbereitungsmethoden auf die Gewässer der Kategorie A1 in der Perlenbachtalsperre und der Dreilägerbachtalsperre, bei denen bestimmte Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden, sowie zum anderen in bezug auf die Heilenbecketalsperre, bei der aufgrund der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung des Einzugsgebiets der zulässige Grenzwert für Nitrat überschritten wird, die Festlegung eines von jeglicher Nutzung freigehaltenen Schutzstreifens im unmittelbaren Einzugsgebiet der Talsperre -, allein die letztere eine Maßnahme zur Verbesserung der Wasserqualität im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 darstellt. Das Wasser der Perlenbach- und der Dreilägerbachtalsperre hätte nämlich in die Kategorie eingeteilt werden müssen, die dem angewandten Aufbereitungsverfahren entspricht.

30 Sodann ist festzustellen, daß im Land Baden-Württemberg ein Plan für die Donau erstellt worden ist. Zwar befindet sich die Entnahmestelle in Bayern, die betreffende Sanierung muß jedoch, wie die Bundesregierung ohne Widerspruch seitens der Kommission bemerkt hat, flussaufwärts, d. h. im Land Baden-Württemberg, erfolgen, da der Fluß in dieser Region von Westen nach Osten fließt.

31 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß in bezug auf das im Freistaat Bayern entnommene Wasser, das wegen der Gefahr einer aus der Tschechoslowakei herrührenden Verschmutzung in die Kategorie A3 eingestuft wurde, keine Sanierungsmaßnahme vorgesehen worden ist. Die Tatsache, daß die Verschmutzung von aussen herrührt, macht jedoch Sanierungsmaßnahmen nicht unmöglich; das beweisen die Maßnahmen, die zur Sanierung des Bodensees von der Beklagten in Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten getroffen und von der Kommission als den Erfordernissen des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 entsprechend akzeptiert worden sind.

32 Daraus folgt, daß zwar Sanierungspläne auf der Ebene der Bundesländer für bestimmte Gewässer erstellt wurden, diese Pläne jedoch nicht alle unter die fragliche Richtlinie fallenden Gewässer erfassen und die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht den in Artikel 4 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgeschriebenen Gesamtplan ausgearbeitet hat.

33 Die Rüge, daß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440 nicht umgesetzt worden sei, ist somit begründet, so daß nicht die Rüge geprüft zu werden braucht, mit der geltend gemacht wird, der in dieser Bestimmung vorgesehene Plan sei der Kommission unter Verstoß gegen Artikel 10 der Richtlinie nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Verpflichtung zur Übermittlung von Angaben über die Häufigkeit der Analysen gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 79/869

34 Mit dieser Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, ihrem Ersuchen um Auskünfte über die Häufigkeit der Analysen unvollständig nachgekommen zu sein. Die Bundesrepublik Deutschland habe ihr nur eine Tabelle übersandt, in der die Häufigkeit der Analysen für die Schöpfstellen im Land Niedersachen angegeben sei; hinsichtlich der anderen Fälle habe die Beklagte lediglich mitgeteilt, daß diese Häufigkeit den Erfordernissen der Richtlinie 79/869 genüge. Die Angaben zu Niedersachsen seien unvollständig, da sie nicht die Anzahl der von jeder Schöpfstelle aus versorgten Einwohner enthielten; diese Angaben seien jedoch für die Beurteilung unerläßlich, ob die Häufigkeit der Analysen im Einklang mit den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie stehe, die vom Umfang der Bevölkerung abhingen.

35 Nach Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 79/869 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission auf Anfrage alle einschlägigen Angaben in bezug auf die angewandten Analysemethoden und die Häufigkeit der Analysen.

36 Die von der Bundesrepublik Deutschland übermittelten allgemeinen Angaben genügen weder den Erfordernissen, wie sie sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergeben, noch entsprechen sie deren Ziel, das darin besteht, die Kommission in die Lage zu versetzen, einen zusammenfassenden Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie zu erstellen.

37 Die Rüge, mit der ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 79/869 geltend gemacht wird, ist demgemäß begründet.

38 Nach alledem ist festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die Artikel 3 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umzusetzen, und daß sie ihren Mitteilungspflichten aus Artikel 8 der Richtlinie 79/869/EWG des Rates vom 9. Oktober 1979 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten nicht im vollen Umfang Folge geleistet hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen im wesentlich unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß sie nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die Artikel 3 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umzusetzen, und daß sie ihren Mitteilungspflichten aus Artikel 8 der Richtlinie 79/869/EWG des Rates vom 9. Oktober 1979 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten nicht im vollen Umfang Folge geleistet hat.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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