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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.01.1998
Aktenzeichen: C-61/95
Rechtsgebiete: Entscheidung 94/871/EG


Vorschriften:

Entscheidung 94/871/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

4 Wenn sich die Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens bemüht, nicht die Finanzierung der gesamten Ausgaben abzulehnen, sondern Leitlinien aufzustellen, die nach Maßgabe dessen differenzieren, welche Gefahr Kontrollmängel unterschiedlichen Grades für den EAGFL darstellen, so muß der Mitgliedstaat belegen, daß diese Leitlinien willkürlich und unbillig sind.

5 Nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik schließt zwar die Kommission die Rechnungen der Dienststellen und Einrichtungen nach Anhörung des EAGFL-Ausschusses vor Ende des folgenden Jahres auf der Grundlage der Jahresrechnungen ab; führen jedoch die von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden Angaben und die Kontrollen, deren Vornahme die Kommission als zweckmässig ansieht, nicht zu endgültigen Ergebnissen, so ist die Kommission befugt, die Rechnungen auf der Grundlage der im Laufe des Abschlußverfahrens erhaltenen Angaben abzuschließen und sich die Möglichkeit vorzubehalten, diese Entscheidung im Rahmen eines späteren Rechnungsabschlusses zu berichtigen.

6 Die abschließende, endgültige Entscheidung über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom EAGFL finanzierten Ausgaben ergeht am Ende eines besonderen kontradiktorischen Verfahrens, in dem die betroffenen Mitgliedstaaten alle für die Darstellung ihres Standpunkts erforderlichen Garantien besitzen.

Daher ist eine auf die in einem Bericht zusammengefassten Ergebnisse einer Untersuchung gestützte Entscheidung der Kommission, die bestimmte Ausgaben eines Mitgliedstaats endgültig nicht zu Lasten des EAGFL berücksichtigt, wegen Verstosses gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens für nichtig zu erklären, wenn der fragliche Bericht bei den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, die von ihm vor seiner offiziellen Verteilung keine Kenntnis hatten, erst nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung einging, so daß der Mitgliedstaat nicht in der Lage war, sich vor der abschließenden Entscheidung zu den Ergebnissen der Untersuchung zu äussern.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 29. Januar 1998. - Republik Griechenland gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechnungsabschluß des EAGFL - Haushaltsjahr 1991. - Rechtssache C-61/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Griechische Republik hat mit Klageschrift, die am 9. März 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben (ABl. L 352, S. 82), soweit diese sie betrifft.

2 Die Klage ist auf die Nichtigerklärung der Entscheidung insoweit gerichtet, als die Kommission folgende Beträge nicht zu Lasten des EAGFL übernommen hat:

- 1 592 000 000 DR und 372 933 493 DR für zusätzliche Abgaben für Milch wegen Überschreitung der nationalen Garantiemenge (Lieferungen an Molkereien und Direktverkäufe);

- 2 465 573 475 DR für Produktionsbeihilfen für Olivenöl;

- 16 735 309 160 DR für Produktionsbeihilfen für Baumwolle;

- 10 450 292 347 DR für Tabak, davon 3 531 558 038 DR für zu Unrecht gezahlte Prämien, 2 705 095 DR für Sicherheiten im Zusammenhang mit Prämien für Tabakblätter, 4 922 442 527 DR für die Kürzung der Prämien und des Interventionspreises bei Überschreitung der garantierten Hoechstmenge und 1 993 586 687 DR für die Berechnung der endgültigen Relation.

3 Die Gründe für die von der Kommission vorgenommenen Berichtigungen sind im Zusammenfassenden Bericht vom 21. Dezember 1994 dargelegt.

4 Die griechische Regierung hat die Klage hinsichtlich der beanstandeten Beträge für zusätzliche Abgaben für Milch mit Schreiben vom 24. Mai 1995 zurückgenommen, dessen Inhalt sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

Zu den Ausgaben für die Produktionsbeihilfen für Olivenöl

5 Nach dem Zusammenfassenden Bericht sind in Griechenland die Kontrollen der Ausgaben im Olivenölsektor unzulänglich. Insbesondere fehle es an einer Ölkartei, die EDV-Dateien seien nicht operationell, die Kontrolldichte vor Ort sei unzureichend und die Belegkontrollen böten die vom EAGFL verlangten Garantien nur unzureichend. Im Zusammenfassenden Bericht heisst es: "Augenscheinlich nimmt das Personal des Landwirtschaftsministeriums eines jeden "Nomos" eine Überwachung der Tätigkeiten der Ölerzeuger, der Erzeugerorganisationen und der Mühlen vor. In der Praxis ergibt sich, daß eine von zwei Personen mit der Bearbeitung von mehreren tausend Einzelakten befasst ist. Es ist des weiteren angebracht, einen Vorbehalt hinsichtlich des Umfanges und der Wirksamkeit dieser Arbeiten anzubringen. Dadurch, daß es keine Berichte über diese Kontrollen gibt, ist es für den EAGFL unmöglich, sich hiermit zu befassen."

6 Die griechische Regierung bestreitet diese Feststellungen.

7 Zunächst stehe der Anlage einer Ölkartei ein objektiv unüberwindliches Hindernis entgegen. Sie habe nämlich der Kommission gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 586/88 der Kommission vom 2. März 1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2276/79 über Durchführungsbestimmungen für die Anlage einer Ölkartei in den Olivenöl erzeugenden Mitgliedstaaten (ABl. L 57, S. 18) am 28. Dezember 1988 ein Testprogramm für die Anlage einer Ölkartei übermittelt. Da die Kommission die Durchführung eines wesentlichen Teils des Programms übernommen habe, könne den griechischen Behörden kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sich dieses Programm bis heute nicht konkretisiert habe.

8 Was sodann die EDV-Dateien angehe, so sei die Informatisierung der von den Erzeugern gestellten Anträge weitgehend abgeschlossen. Wenn sich die Kontrolle als unzulänglich erweise, würden vom Landwirtschaftsministerium, von den Erzeugerorganisationen und dem Organismos Elenchou Enischyseon sto Elaiolado (Agentur zur Kontrolle der Produktionsbeihilfen für Olivenöl) zusätzliche Kontrollen durchgeführt.

9 Was schließlich die angebliche Unzulänglichkeit der von der Kontrollagentur durchgeführten Kontrollen betreffe, so habe die griechische Regierung im Vermarktungsjahr 1991/92 Kontrollen bei 596 von insgesamt 2 949 Ölmühlen (dies entspreche einem Prozentsatz von 19,9 %), bei einer - der einzigen - Erzeugervereinigung (entsprechend einem Prozentsatz von 100 %), bei 42 von insgesamt 70 Erzeugerorganisationen (entsprechend einem Prozentsatz von 58 %) und bei 4 698 von insgesamt 169 863 einer Organisation angehörenden Erzeugern (entsprechend einem Prozentsatz von 0,87 %) durchgeführt.

10 Die Kommission stellt fest, daß die Griechische Republik weder das Fehlen der Ölkartei noch dasjenige der EDV-Dateien, noch die Unzulänglichkeit der herkömmlichen Kontrollen zu bestreiten scheine. Unabhängig davon, ob die Argumente stichhaltig seien, die zur Verschleierung des Vorliegens dieser wesentlichen Mängel vorgetragen worden seien, fehle jedenfalls ein Kontrollmechanismus im Olivenölsektor völlig.

11 Die Kommission habe das gesamte Verfahren zur Verwaltung und Kontrolle der Produktionsbeihilfen für Olivenöl geprüft und sei zu dem Ergebnis gelangt, daß es eine Reihe von Mängeln aufweise, auf die sie die griechischen Behörden hingewiesen habe. So überwache zwar theoretisch das Personal des Landwirtschaftsministeriums die Tätigkeit der Ölerzeuger und der Erzeugerorganisationen in jedem Bezirk (Nomos); tatsächlich seien jedoch eine oder zwei Personen mit der Bearbeitung von Tausenden von Einzelakten befasst. Ausserdem seien keine Kontrollberichte erstellt worden, so daß die Kommissionsdienststellen die Ergebnisse dieser Kontrollen nicht hätten berücksichtigen können.

12 Zu dem Vorbringen, die Anlage der Ölkartei sei objektiv unmöglich, genügt der Hinweis, daß die griechische Regierung der Kommission erst mit Schreiben vom 28. Dezember 1988 und somit nach Ablauf der hierfür festgesetzten, am 31. Oktober 1988 endenden Frist (siehe Verordnung [EWG] Nr. 3453/80 des Rates vom 22. Dezember 1980 zur Änderung der Verordnung [EWG] Nr. 154/75 des Rates über die Anlage einer Ölkartei in den Olivenöl erzeugenden Mitgliedstaaten [ABl. L 360, S. 15]) ein Testprogramm für die Anlage der Ölkartei vorgelegt hat. Wie der Gerichtshof jedoch bereits im Urteil vom 4. Juli 1996 in der Rechtssache C-50/94 (Griechenland/Kommission, Slg. 1996, I-3331, Randnr. 40) festgestellt hat, kann die Tatsache, daß die Kommission der Griechischen Republik nach diesem Zeitpunkt bei ihren Bemühungen, ihren Verpflichtungen nachzukommen, geholfen hat, unter diesen Umständen nicht belegen, daß die fristgemässe Anlage der Kartei völlig unmöglich gewesen wäre; für die Zeit vor dem 31. Oktober 1988 aber hat die Griechische Republik nichts vorgetragen.

13 Hinsichtlich der Verspätung bei der Erstellung der EDV-Dateien genügt die Feststellung, daß diese Verspätung jedenfalls nicht mit einem allgemeinen Hinweis auf zusätzliche Kontrollen gerechtfertigt werden kann, deren Umfang und Inhalt nicht präzisiert worden sind und deren Wirksamkeit im übrigen von der Kommission in Abrede gestellt wird.

14 Was schließlich die Kontrollen nach den Gemeinschaftsbestimmungen angeht, so ergibt sich aus Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2261/84 des Rates vom 17. Juli 1984 mit Grundregeln für die Gewährung der Erzeugungsbeihilfe für Olivenöl und für die Olivenölerzeugerorganisationen (ABl. L 208, S. 3), daß die Erzeugermitgliedstaaten die Tätigkeit jeder Erzeugerorganisation und jeder Vereinigung, insbesondere die von diesen Einrichtungen durchgeführten Kontrollmaßnahmen, überprüfen müssen. Hierfür haben die Erzeugerorganisationen nach Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3061/84 der Kommission vom 31. Oktober 1984 mit Durchführungsbestimmungen zur Beihilferegelung für die Erzeuger von Olivenöl (ABl. L 288, S. 52) für jede durchgeführte Kontrolle einen detaillierten Bericht auszuarbeiten, von dem eine Abschrift unverzueglich dem betreffenden Mitgliedstaat zu übermitteln ist. Bei Olivenbauern, die nicht Mitglieder einer Erzeugerorganisation sind, hat der betreffende Mitgliedstaat gemäß Artikel 14 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2261/84 Stichprobenkontrollen an Ort und Stelle durchzuführen.

15 Die griechische Regierung bestreitet nicht das Vorbringen der Kommission, daß die vom Landwirtschaftsministerium durchgeführten Kontrollen mangels einer ausreichenden Zahl von Kontrolleuren und mangels der eine Überprüfung ermöglichenden Kontrollberichte unwirksam gewesen seien. Da die Wirksamkeit der Kontrollen jedoch eine unerläßliche Voraussetzung für das ordnungsgemässe Funktionieren der Beihilferegelung ist, lässt sich allein mit dem Vorbringen, die durchgeführten Kontrollen hätten einen bestimmten Prozentsatz der Betriebe und Einrichtungen betroffen, nicht dartun, daß diese Kontrollen der Beihilferegelung entsprochen hätten.

16 Daher sind die Klagegründe, die sich auf die Ausgaben für Produktionsbeihilfen für Olivenöl beziehen, zurückzuweisen.

Zu den Ausgaben für Produktionsbeihilfen für Baumwolle

17 Auch im Kapitel "Produktionsbeihilfe für Baumwolle" stellt der Zusammenfassende Bericht Unzulänglichkeiten bei der Kontrolle der Ausgaben fest. Insbesondere ist darin von einer Aufforderung des EAGFL an die griechischen Behörden die Rede, eine Untersuchung gemäß Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend Unregelmässigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 (ABl. L 67, S. 11) durchzuführen, um eventuelle betrügerische Handlungen auf dem Baumwollsektor festzustellen.

18 In diesem Bericht heisst es jedoch: Die "verschiedenen Schreiben der griechischen Behörden an den EAGFL über den Verlauf der Untersuchung gehen nicht zufriedenstellend auf die präzisen Auskunftsersuchen ein, die der EAGFL seit Februar 1993 vorgelegt hat. Die griechische Regierung hat weder die Schlußfolgerungen der Untersuchung noch die präzise Bewertung der finanziellen Auswirkung der aufgedeckten Unregelmässigkeiten mitgeteilt, wie es nach dem Prüfungsverfahren der Verordnung (EWG) Nr. 595/91 erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus ist es aufgrund der übermittelten Informationen nicht möglich, die Fortschritte am griechischen Kontrollsystem zu bewerten."

19 Die Griechische Republik beantragt die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, soweit sie diesen Punkt betrifft, mit der Begründung, die Kommission sei unzuständig gewesen, habe die Verteidigungsrechte verletzt und ihr Ermessen fehlerhaft ausgeuebt. Hilfsweise macht sie eine Verletzung einer wesentlichen Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die Bezugnahme auf eine rechtlich inexistente Voraussetzung und eine fehlerhafte Begründung geltend.

20 Zur Stützung des Klagegrundes der fehlenden Zuständigkeit der Kommission macht die Griechische Republik geltend, die Kommission könne sich weder auf Artikel 155 EG-Vertrag noch auf die Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) stützen, um einen Rechtsakt zu erlassen, in dem die Kriterien für die Festlegung der Prozentsätze definiert würden, auf deren Grundlage sie die Anerkennung von Ausgaben in der Abteilung Garantie verweigere.

21 Hierzu genügt der Hinweis, daß der Gerichtshof bereits im angeführten Urteil Griechenland/Kommission (Randnr. 28) folgendes festgestellt hat: Wenn sich die Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens bemüht, nicht die Finanzierung der gesamten Ausgaben abzulehnen, sondern Leitlinien aufzustellen, die nach Maßgabe dessen differenzieren, welche Gefahr Kontrollmängel unterschiedlichen Grades für den EAGFL darstellen, so muß der Mitgliedstaat belegen, daß diese Leitlinien willkürlich und unbillig sind. Da die Griechische Republik dies nicht getan hat, ist der Klagegrund der fehlenden Zuständigkeit zurückzuweisen.

22 Zu den Klagegründen, die auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte, eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Kommission, oder - hilfsweise - die Verletzung einer wesentlichen Vorschrift des Gemeinschaftsrechts gestützt werden, führt die Griechische Republik aus, auf einer bilateralen Sitzung der griechischen Dienststellen und der Dienststellen der Kommission, die am 6. Oktober 1993 stattgefunden und die Fragen des Rechnungsabschlusses betroffen habe, sei der Baumwollsektor nicht angesprochen worden. Daher sei die griechische Regierung davon ausgegangen, daß es in diesem Sektor keine Probleme gebe.

23 Auf einer Sitzung des EAGFL-Ausschusses vom September 1994 hätten die Vertreter der griechischen Regierung jedoch erfahren, daß der EAGFL vorgeschlagen habe, die Anerkennung für 10 % der in diesem Sektor getätigten Ausgaben zu versagen, wobei dieser Vorschlag mit einem Negativvorbehalt versehen gewesen sei. Als der Vorschlag dem Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft der Kommission zur Kenntnis gebracht worden sei, habe dieser den Prozentsatz auf 50 % heraufgesetzt; die Kommission habe ihn später auf 25 % gesenkt. Die Art und Weise, in der eine derart nachteilige Maßnahme bekanntgegeben worden sei, ohne daß zuvor offizielle bilaterale Sitzungen stattgefunden hätten, stelle eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar. Ausserdem hätten diese tatsächlichen Umstände zum Erlaß willkürlicher Entscheidungen sowohl durch den EAGFL als auch - und vor allem - durch den Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft und schließlich durch die Kommission geführt.

24 Die Kommission führt aus, lange vor der Abfassung der streitigen Entscheidung habe sie die griechischen Behörden wiederholt auf die Unzulänglichkeit der Kontrollen im Baumwollsektor aufmerksam gemacht und ihnen ihre Absicht mitgeteilt, eine pauschale Berichtigung in Höhe von 25 % vorzunehmen. So hätten ihre Dienststellen 1992 vier Dienstreisen in die Griechische Republik unternommen, über die Berichte erstellt worden seien, die den griechischen Behörden am 28. Januar 1993 zugeleitet worden seien. Diese Dienstreisen hätten wegen des Betrugsverdachts stattgefunden, der durch den grossen Unterschied zwischen der von den griechischen Behörden im August 1991 (für den Zeitraum 1991/1992) vorgenommenen Erzeugungsschätzung über 596 107 Tonnen einerseits und der Erzeugungsmenge von 718 657 Tonnen, für die ein Beihilfeantrag gestellt worden sei, andererseits entstanden sei.

25 Ausserdem sei die Griechische Republik gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 595/91 und Artikel 9 der Verordnung Nr. 729/70 aufgefordert worden, eine Untersuchung einzuleiten, deren erster Teil zwischen dem 26. Oktober und dem 4. Dezember 1992 durchgeführt worden sei. Daraufhin habe die Griechische Republik ihre Verpflichtung anerkannt, der Kommission die Fälle festgestellter Unregelmässigkeiten mitzuteilen (Artikel 3 und 5 der Verordnung Nr. 595/91). Trotz wiederholter Aufforderungen durch den EAGFL sei jedoch mit dem zweiten Teil der Untersuchung noch nicht begonnen worden, wie der Landwirtschaftsminister selbst eingeräumt habe (Schreiben vom 14. Juni 1994 des Generalsekretärs für Landwirtschaft). Mit Schreiben vom 18. August 1994 habe das Kommissionsmitglied Steichen den Landwirtschaftsminister auf die mangelnde Zusammenarbeit der griechischen Behörden mit der Kommission im Baumwollsektor hingewiesen.

26 Wie sich aus dem Schriftwechsel zwischen der Griechischen Republik und der Kommission ergibt, waren sich die griechischen Behörden der Bedeutung des Problems der Kontrollen im Baumwollsektor zumindest seit dem Jahr 1992 voll bewusst. Die Ankündigung der Kommission im September 1994, eine pauschale Berichtigung in Höhe von 25 % vorzunehmen, kam somit nicht unerwartet, so daß die Kommission die Verteidigungsrechte nicht verletzt hat.

27 Soweit die Griechische Republik geltend macht, die Kommission habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeuebt, und sich insoweit auf die der streitigen Entscheidung vorausgegangenen internen Diskussionen bei der Kommission über den Umfang der Berichtigung beruft, genügt die Feststellung, daß sich diese Umstände nicht auf die Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidung auswirken. Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

28 Zu ihrem Klagegrund des Verstosses gegen eine wesentliche Vorschrift des Gemeinschaftsrechts oder der Bezugnahme auf eine rechtlich inexistente Voraussetzung trägt die Griechische Republik vor, ein Grundsatz wie der in der neunten Begründungserwägung der streitigen Entscheidung angeführte, wonach die besonderen Umstände im Baumwollsektor es "rechtfertigen..., daß die Kommission die bei dem vorliegenden Rechnungsabschluß verweigerte Finanzierung anhand der Ergebnisse der derzeit laufenden Untersuchungen überprüft", sei im internationalen Recht unbekannt; jedenfalls sei er an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, von denen im vorliegenden Fall keine erfuellt sei.

29 Die Kommission führt aus, die neunte Begründungserwägung der streitigen Entscheidung stelle einen Negativvorbehalt dar. Zwar seien die Ausgaben für das Haushaltsjahr 1991 berichtigt worden, jedoch werde sie die nicht anerkannten Ausgaben unter Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen überprüfen und die Berichtigung gegebenenfalls im Rahmen eines späteren Rechnungsabschlusses abändern.

30 Nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 729/70 schließt die Kommission die Rechnungen der Dienststellen und Einrichtungen nach Anhörung des EAGFL-Ausschusses vor Ende des folgenden Jahres auf der Grundlage der Jahresrechnungen ab. Führen jedoch die von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden Angaben und die Kontrollen, deren Vornahme die Kommission als zweckmässig ansieht, nicht zu endgültigen Ergebnissen, so ist die Kommission befugt, die Rechnungen auf der Grundlage der im Laufe des Abschlußverfahrens erhaltenen Angaben abzuschließen und sich die Möglichkeit vorzubehalten, diese Entscheidung im Rahmen eines späteren Rechnungsabschlusses zu berichtigen.

31 Da die Kommission hier so vorgegangen ist, ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

32 Schließlich rügt die Griechische Republik eine fehlerhafte Begründung der Entscheidung, indem sie die tatsächlichen Feststellungen des Zusammenfassenden Berichts über die Unzulänglichkeit der Kontrollen bestreitet.

33 Wie sich insbesondere aus dem Schriftwechsel zwischen dem griechischen Landwirtschaftsminister und dem Kommissionsmitglied Steichen ergibt, hat die griechische Verwaltung die verschiedenen konkreten Fragen, die der EAGFL während des dem Erlaß der streitigen Entscheidung vorausgehenden Verfahrensabschnitts gestellt hat, nicht zufriedenstellend beantwortet. Die Griechische Republik kann somit nicht die tatsächlichen Feststellungen der Kommission beanstanden, zumal diese den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungen entsprechen.

34 Die Klagegründe betreffend die Ausgaben für die Produktionsbeihilfen für Baumwolle sind daher zurückzuweisen.

Zu den Ausgaben im Tabaksektor

35 Die im Zusammenfassenden Bericht festgestellten Unregelmässigkeiten bei den Ausgaben im Tabaksektor betreffen vier verschiedene Punkte: zu Unrecht gezahlte Prämien, Sicherheiten im Zusammenhang mit Prämien für Tabakblätter, das Fehlen einer sofortigen Kürzung der Prämien und des Interventionspreises bei Überschreitung der garantierten Hoechstmenge sowie die Verwendung falscher Techniken bei der Berechnung der endgültigen Relation.

Zur Rüge betreffend "Tabak, für den zu Unrecht eine Prämie gezahlt wurde"

36 Zu der Rüge, daß für Tabak zu Unrecht Prämien gezahlt worden seien, stellt der Zusammenfassende Bericht fest:

"Die Ergebnisse der Untersuchung bezueglich der Ausfuhr von Tabak nach Albanien und Bulgarien bestätigen die unter Ziffer 4.9.2.1.1 des Zusammenfassenden Berichts für das Rechnungsjahr 1990 dargestellten Schlußfolgerungen des EAGFL. Aus den dort erläuterten Gründen wird eine Berichtigung für bestimmte Ausgaben im Zusammenhang mit den Prämien für Tabakblätter und den entsprechenden Erstattungen vorgeschlagen."

37 Nach Ansicht der Griechischen Republik ist insoweit die streitige Entscheidung wegen Verletzung der Verteidigungsrechte für nichtig zu erklären. Die Ergebnisse der Untersuchung bezueglich der Ausfuhr von Tabak nach Albanien und Bulgarien ("Bericht über die Mission Betrügereien - Tabak - Griechenland vom 4. Juli bis 8. Juli 1994" vom 28. September 1994), auf denen die streitige Entscheidung beruhe, seien nämlich den griechischen Behörden am 22. Dezember 1994, d. h. am Tag nach Erlaß dieser Entscheidung, zur Kenntnis gebracht worden. Das Ergebnis wäre mit Sicherheit anders ausgefallen, wenn die Kommission den griechischen Behörden vorher Gelegenheit zu ihrer Verteidigung gegeben hätte, statt zu entscheiden, bevor die griechischen Behörden begonnen hätten, die Vorwürfe in der Sache zu widerlegen.

38 Die Kommission weist darauf hin, daß die streitige Entscheidung ungefähr drei Monate nach Abfassung des Berichts über die "Mission Betrügereien" veröffentlicht worden sei und daher nicht auf Angaben beruhe, die zum Zeitpunkt ihrer Abfassung nicht vorgelegen hätten. In diesem Zusammenhang seien Verteidigungsrechte nicht verletzt worden. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung habe der Griechischen Republik der streitige Bericht vorgelegen, und sie hätte ihm entgegentreten können. Im übrigen sei diese Angelegenheit ständig Gegenstand langer Verhandlungen zwischen den Gemeinschaftsstellen und den griechischen Behörden gewesen, bei denen kein besonderes Bemühen der griechischen Behörden erkennbar gewesen sei, die Ermittlungen über die Betrügereien und Unregelmässigkeiten im Tabakbeihilfesektor durchzuführen.

39 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 17. Oktober 1991 in den Rechtssachen C-342/89, Deutschland/Kommission, Slg. 1991, I-5031, Randnr. 18, und C-346/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-5057, Randnr. 18, sowie vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-69/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1997, I-2599, Randnr. 30) ergeht die abschließende, endgültige Entscheidung über den Rechnungsabschluß am Ende eines besonderen kontradiktorischen Verfahrens, in dem die betroffenen Mitgliedstaaten alle für die Darstellung ihres Standpunkts erforderlichen Garantien besitzen.

40 Im vorliegenden Fall nimmt der Zusammenfassende Bericht vom 21. Dezember 1994 ausdrücklich auf eine Untersuchung Bezug, deren Ergebnisse in einem Bericht vom 28. September 1994 zusammengefasst sind. Da dieser Bericht jedoch bei der Ständigen Vertretung der Griechischen Republik bei den Europäischen Gemeinschaften erst am 22. Dezember 1994, also am Tag nach dem Erlaß der streitigen Entscheidung, einging, war die Klägerin nicht in der Lage, sich vor der abschließenden Entscheidung zu den Ergebnissen der Untersuchung zu äussern. Anders als der Zusammenfassende Bericht für das Haushaltsjahr 1990, in dem die Berichtigung für "Tabak, für den zu Unrecht eine Prämie gezahlt wurde", mit einem Negativvorbehalt bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Untersuchung versehen war, enthält der Zusammenfassende Bericht für das Haushaltsjahr 1991 eine endgültige Berichtigung. Da die Kommission nicht dargetan hat, daß die griechischen Behörden von dem Bericht über die "Mission Betrügereien" vor seiner offiziellen Verteilung Kenntnis hatten, ist daher die streitige Entscheidung insoweit wegen Verstosses gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens für nichtig zu erklären.

Zu den Rügen betreffend "Prämien für Tabakblätter - Sicherheiten", "Kürzung der Prämien und des Interventionspreises bei Überschreitung der garantierten Hoechstmenge" und "Berechnung der endgültigen Relation"

41 Des weiteren beantragt die Griechische Republik, die streitige Entscheidung wegen rechtsgrundloser Bereicherung der Gemeinschaften insoweit für nichtig zu erklären, als es um die Rügen betreffend die Sicherheiten im Zusammenhang mit den Prämien für Tabakblätter, die Kürzung der Prämien und des Interventionspreises bei Überschreitung der garantierten Hoechstmenge und die Berechnung der endgültigen Relation geht.

42 Zur Rüge betreffend "Prämien für Tabakblätter - Sicherheiten" trägt die griechische Regierung vor, sie habe dem EAGFL mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 mitgeteilt, daß sie den Betrag von 372 762 124 DR für Ausgaben für Transformatoren aufrechnungshalber zurückbehalten habe, wovon sie auch den Rechnungshof in Kenntnis gesetzt habe. Trotzdem behalte die Kommission den im Rahmen des Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 1989 einbehaltenen Betrag von 370 057 029 DR sowie den Saldo von 2 705 095 DR ein. Damit habe sich die Kommission um den Betrag von 376 762 124 DR auf Kosten der Griechischen Republik bereichert.

43 Ebenso sei dem EAGFL, was die Rüge betreffend die Kürzung der Prämien und des Interventionspreises bei Überschreitung der garantierten Hoechstmenge angehe, mit dem Schreiben vom 12. Dezember 1994 mitgeteilt worden, daß alle Beträge wegen Überschreitung der Hoechstmengen für die Ernten 1989 und 1990 entweder unmittelbar oder im Wege der Aufrechnung wiedererlangt worden seien. Wenn die Kommission einerseits auf der Einbehaltung des Betrages von 4 922 442 527 DR beharre und andererseits diesen Betrag von der Griechischen Republik als Finanzmittel erhalte, nehme sie diesen Betrag zweimal ein.

44 Was schließlich die Rüge betreffend die Berechnung der endgültigen Relation angehe, so sei der Kommission mit einem weiteren Schreiben vom 12. Dezember 1994 eine Tabelle überreicht worden, mit der eine neue Berechnungsmethode vorgestellt worden sei. Aus dieser Tabelle ergebe sich, daß die Berichtigung zu Lasten der Griechischen Republik auf den Betrag von 80 379 053 DR zu beschränken sei und nicht in Höhe von 1 993 586 637 DR vorgenommen werden dürfe, da der Betrag von 1 913 207 634 DR dem EAGFL bereits gutgeschrieben gewesen sei.

45 Mit der an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidung vom 21. Januar 1994 hat die Kommission die Frist für die Übermittlung zusätzlicher Angaben im Rahmen des Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 1991 auf den 31. Januar 1994 festgesetzt. Im vorliegenden Fall hat die Griechische Republik der Kommission erst mit Schreiben vom 12. Dezember 1994, also einige Tage vor der endgültigen Entscheidung, bestimmte ihrer Ansicht nach relevante Tatsachen mitgeteilt. Da diese Informationen offensichtlich erst nach Ablauf der gesetzten Frist bei der Kommission eingingen, war diese nicht verpflichtet, sie bei der endgültigen Entscheidung zu berücksichtigen. Die Klage ist daher insoweit zurückzuweisen.

46 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie den Betrag von 3 531 558 038 DR für Ausgaben für Tabakblätterprämien und die entsprechenden Erstattungen endgültig nicht zu Lasten des EAGFL berücksichtigt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Griechische Republik und die Kommission mit ihrem Vorbringen teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, haben sie jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 94/871/EG der Kommission vom 21. Dezember 1994 über den Rechnungsabschluß der Mitgliedstaaten für die vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL, Abteilung Garantie) im Haushaltsjahr 1991 finanzierten Ausgaben wird insoweit für nichtig erklärt, als sie den Betrag von 3 531 558 038 DR für Ausgaben für Tabakblätterprämien und die entsprechenden Erstattungen endgültig nicht zu Lasten des EAGFL berücksichtigt hat.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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