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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 17.10.1995
Aktenzeichen: C-62/94 P
Rechtsgebiete: VerfO, EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

VerfO Art. 119
EWG/EAG BeamtStat Art. 7
EWG/EAG BeamtStat Art. 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 17. Oktober 1995. - Mariette Turner gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Beamte - Umsetzung von Amts wegen - Immaterieller Schaden - Schadenersatzforderung - Offenkundig unzulässiges und nicht begründetes Rechtsmittel. - Rechtssache C-62/94 P.

Entscheidungsgründe:

1 Frau Turner hat mit Rechtsmittelschrift, die am 15. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache T-80/92, Mariette Turner gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Slg. 1993, II-1465) eingelegt, durch das ihre Klage auf Zuerkennung eines symbolischen ECU als Ersatz des immateriellen Schadens abgewiesen worden ist, den sie angeblich durch eine Umsetzung von Amts wegen und die Umstände, unter denen diese Umsetzung erfolgte, erlitten hat.

2 Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, daß die Rechtsmittelführerin, die Ärztin ist, Beamtin der Kommission war. Ende 1992 erreichte sie das Ruhestandsalter. Von 1981 bis Februar 1982 war sie im Referat "Kranken- und Unfallversicherung" der Direktion B "Rechte und Pflichten" der Generaldirektion Personal und Verwaltung (GD IX) dienstlich tätig.

3 Mit Einschreiben vom 7. Februar 1992, das der Rechtsmittelführerin an ihrem Wohnsitz am 10. Februar 1992 während eines Krankheitsurlaubs zuging, wurde ihr die am 31. Januar 1992 von der Anstellungsbehörde getroffene Entscheidung, sie von Amts wegen im dienstlichen Interesse mit Wirkung vom 1. Februar 1992 in das Referat "Ärztlicher Dienst ° Brüssel" (im folgenden: Ärztlicher Dienst) umzusetzen, förmlich mitgeteilt.

4 Am 6. März 1992 legte die Rechtsmittelführerin eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

5 Die Beschwerde wurde durch Entscheidung der Kommission vom 31. Juli zurückgewiesen; diese Entscheidung wurde der Rechtsmittelführerin mit Schreiben vom 7. August 1992 mitgeteilt. Die Kommission verschob jedoch den Zeitpunkt für das Wirksamwerden der Umsetzungsentscheidung auf den 15. Februar 1992.

6 Am 28. September 1992 erhob die Rechtsmittelführerin beim Gericht die Klage, die Anlaß zu dem angefochtenen Urteil gegeben hat.

7 Vor dem Gericht hat sie fünf Klagegründe geltend gemacht, nämlich einen Verfahrensfehler, eine Verletzung des Artikels 7 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut), eine Verletzung des Artikels 25 des Statuts, einen Ermessensmißbrauch und eine Verletzung der Fürsorgepflicht.

8 Zur Begründung ihres Rechtsmittels macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe dadurch gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen, daß es die genannten Klagegründe zurückgewiesen habe.

9 Die Kommission ist der Auffassung, das Rechtsmittel sei offensichtlich unbegründet.

10 Gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof ein Rechtsmittel jederzeit zurückweisen, wenn es offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

11 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe den Verfahrensfehler, den die Kommission insoweit begangen habe, als die erst mit Schreiben vom 7. Februar 1972 mitgeteilte Umsetzungsentscheidung rückwirkend am 1. Februar 1992 wirksam geworden sei, zu Unrecht nicht bejaht.

12 Es ist anzumerken, daß das Gericht in Randnummer 38 des Urteils festgestellt hat, daß die streitige Entscheidung nicht geeignet gewesen sei, praktische Wirkungen zu entfalten, während die Klägerin sich im Krankheitsurlaub befunden habe. Diese Beurteilung wird durch die Feststellung in Randnummer 22 des Urteils bestätigt, wonach der Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieser Entscheidung auf die Beschwerde der Klägerin auf den 15. Februar 1992 verschoben wurde. Der erste Rechtsmittelgrund ist daher als offenkundig unbegründet zurückzuweisen.

13 Im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes vertritt die Rechtsmittelführerin die Auffassung, das Gericht habe gegen Artikel 7 des Statuts verstossen.

14 Sie stützt sich auf folgendes Vorbringen:

° Das Gericht habe zu Unrecht angenommen, daß die Anstellungsbehörde sich bei der Umsetzung der Rechtsmittelführerin im dienstlichen Interesse auf einen stichhaltigen objektiven und allgemeinen Grund habe berufen können;

° das Gericht werfe ihr zu Unrecht vor, daß sie ihre Treue- und Mitwirkungspflicht verletzt habe;

° es habe zu Unrecht festgestellt, daß sie die negativen Auswirkungen ihrer Umsetzung von Amts wegen auf das Funktionieren ihrer früheren Dienststelle nicht nachgewiesen habe;

° es sei nicht wirklich dringend gewesen, ihre Stelle auf den ärztlichen Dienst zu übertragen, da diese Stelle nach ihrem Ausscheiden unbesetzt geblieben sei.

15 Gemäß Artikel 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und muß auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler oder eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden. Nach Artikel 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung muß die Rechtsmittelschrift die Rechtsmittelgründe enthalten.

16 Aus diesen beiden Vorschriften ergibt sich, daß in der Rechtsmittelschrift die beanstandeten Teile des Urteils sowie das rechtliche Vorbringen, auf die der Antrag auf Aufhebung des Urteils gestützt wird, genau bezeichnet werden müssen.

17 Nach ständiger Rechtsprechung entspricht dieser Anforderung ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, zu wiederholen oder wörtlich wiederzugeben; ein solches Rechtsmittel stellt nämlich in Wirklichkeit einen Antrag auf blosse Überprüfung der beim Gericht eingereichten Klage dar, was nach Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes nicht in dessen Zuständigkeit fällt (vgl. zuletzt Beschluß vom 26. September 1994 in der Rechtssache C-26/94 P, X/Kommission, Slg. 1994, I-4379, Randnr. 13).

18 Was den ersten, den dritten und den vierten Teil dieses Rechtsmittelgrundes angeht, genügt die Feststellung, daß die Rechtsmittelführerin nichts vorgebracht hat, was belegen könnte, daß das Gericht bei der Würdigung, die es vorgenommen hat, einen Rechtsfehler begangen hat. In diesen Punkten ist der Rechtsmittelgrund daher als offenkundig unzulässig zurückzuweisen.

19 Was den zweiten Teil des Vorbringens zu diesem Rechtsmittelgrund betrifft, hat das Gericht ausgeführt (Randnr. 57, zweiter Teil des Satzes), "daß die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung davon ausgehen konnte, daß die Klägerin sich ihrer Mitwirkungs- und Treuepflicht entsprechend verhalten werde".

20 Dazu ist festzustellen, daß das Gericht sich darauf beschränkt hat, auf die grundlegende Treue- und Mitwirkungspflicht in einem Satz hinzuweisen, der für die Abweisung der Klage nicht unbedingt erforderlich war. Diese Erwägung des Gerichts kann im übrigen als solche nicht den tatsächlichen Vorwurf bedeuten, daß die Klägerin diese Pflicht verletzt habe. In diesem Punkt ist der zweite Rechtsmittelgrund folglich als offenkundig unbegründet zurückzuweisen.

21 Für ihren auf die Verletzung des Artikels 25 des Statuts gestützten dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, die blosse Verweisung auf das "dienstliche Interesse" und auf das "weite Ermessen der Kommission" sowie auf das Schreiben von Dr. Hoffmann vom 14. Februar 1992 stelle keine ausreichende Begründung dar.

22 In diesem Zusammenhang hat das Gericht zu Recht festgestellt, daß die Rechtsmittelführerin angesichts der verschiedenen Schreiben, die die Verwaltung im Zusammenhang mit der streitigen Entscheidung an sie gerichtet hatte, sehr wohl in der Lage war, die Tragweite dieser Entscheidung zu verstehen. Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

23 Für ihren vierten Rechtsmittelgrund, der auf einen Ermessensmißbrauch gestützt wird, macht die Klägerin geltend, das Gericht habe im angefochtenen Urteil die Argumente, die sie zur Stützung dieses Grundes vorgebracht habe, weder geprüft noch erörtert, sondern sei nach der Aufzählung dieser Argumente lediglich ° ohne irgendeine Begründung oder Rechtfertigung ° zu dem Ergebnis gelangt, daß dieses Vorbringen keine "objektiven schlüssigen und übereinstimmenden Indizien liefert, die rechtlich hinreichend nachweisen könnten, daß die betreffende Umsetzung zu einem anderen Zweck als zur Verstärkung des Personals des ärztlichen Dienstes erfolgt wäre" (Randnr. 72 des angefochtenen Urteils).

24 Das Gericht hat damit, daß es die ihm vorgetragenen Argumente, d. h.

° daß 1990 und 1991 zwischen der Klägerin und ihrem Abteilungsleiter eine tiefgreifende Meinungsverschiedenheit bezueglich einer Neuorganisation der Dienststelle, der sie damals angehört habe, bestanden habe;

° daß ihre Umsetzung auf Initiative des Generaldirektors der GD IX und nicht auf Antrag des ärztlichen Dienstes erfolgt sei;

° daß die Argumente, die sie gegenüber ihrer Umsetzung vorgebracht habe, ihrer Ansicht nach keine befriedigende Antwort gefunden hätten und

° daß die Kommission es trotz ihres Widerspruchs gegen die Umsetzung abgelehnt habe, die Möglichkeit einer gütlichen Lösung des Konflikts zu prüfen (Randnr. 71 des angefochtenen Urteils),

mit diesen Worten zurückgewiesen hat, eine Würdigung von schlichten Tatsachenbehauptungen vorgenommen, für die keinerlei Beweis angeboten worden war und deren Zurückweisung keiner besonderen Begründung bedurfte. Der Rechtsmittelgrund ist auf die mangelnde Begründung und Rechtfertigung einer solchen Würdigung gestützt und daher offenkundig unbegründet.

25 Die Behauptungen der Rechtsmittelführerin im Rahmen des Rechtsmittels zur Stützung desselben Rechtsmittelgrunds, nämlich

° daß es gewiß zutreffe, daß eine Verstärkung des ärztlichen Dienstes sich als notwendig habe erweisen können, daß diese Sachlage aber seit langem bekannt gewesen sei und daß dann, wenn zu diesem Zeitpunkt ein neuer Arzt zu ernennen gewesen sei, niemand anderes als die Rechtsmittelführerin hätte ausgewählt werden müssen;

° daß die der Rechtsmittelführerin übertragenen Aufgaben ohne Substanz, unbestimmt und ohne wirklichen Inhalt geblieben seien;

° daß die Verantwortlichen der Kommission, sowohl in der Verwaltung als auch im ärztlichen Dienst, nachdem sie eine Verstärkung des Personalbestands dieses Dienstes trotz eines vor mehr als drei Jahren gestellten Antrags nicht hätten erreichen können, sich ausgedacht hätten, die Rechtsmittelführerin von Amts wegen mit ihrer Stelle umzusetzen, damit diese Stelle im ärztlichen Dienst nach dem Ausscheiden der Rechtsmittelführerin verfügbar bleibe,

stellen neues tatsächliches Vorbringen dar, das auf keinerlei rechtliches Vorbringen gestützt ist. Als solches ist es offenkundig unzulässig.

26 Schließlich macht die Rechtsmittelführerin im Rahmen ihres auf die Verletzung der Fürsorgepflicht gestützten fünften Rechtsmittelgrunds geltend, es sei unlogisch und verstosse gegen den gesunden Menschenverstand, einen Beamten gegen seinen Willen einige Monate vor seiner Versetzung in den Ruhestand umzusetzen. Die Dauer einer Umsetzung von einigen Monaten wie im vorliegenden Fall schränke nämlich die Möglichkeit, jemandem eine nützliche und effiziente Arbeit zuzuweisen, ganz erheblich ein. Ausserdem habe die Rechtsmittelführerin ihr Ausscheiden unter derartigen Umständen als eine Geste der Missachtung, wenn nicht sogar als eine versteckte Disziplinarmaßnahme ihr gegenüber empfunden.

27 In diesem Zusammenhang hat das Gericht zu Recht festgestellt, daß die Kommission die Grenzen ihres weiten Ermessens bei der Beurteilung sowohl der Erfordernisse des dienstlichen Interesses als auch des Interesses der Klägerin nicht überschritten hat. Es lässt sich nämlich nicht die Auffassung vertreten, daß eine Umsetzung in einen Dienst, in dem die Rechtsmittelführerin während eines Jahrzehnts gearbeitet hatte (siehe Randnr. 56 des Urteils des Gerichts), auch wenn sie einige Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand erfolgte, im Widerspruch der Fürsorgepflicht der Verwaltung stand oder eine versteckte Disziplinarmaßnahme darstellte. Der Rechtsmittelgrund ist daher als offenkundig unbegründet zurückzuweisen.

28 Nach alledem sind die von der Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Rechtsmittels vorgebrachten Klagegründe entweder offenkundig unzulässig oder offenkundig unbegründet. Das Rechtsmittel ist daher gemäß Artikel 119 der Verfahrensordnung zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

29 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit ihren Bediensteten ihre Kosten selbst. Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung findet Artikel 70 jedoch keine Anwendung bei Rechtsmitteln, die von Beamten oder sonstigen Bediensteten eines Organs eingelegt werden. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

beschlossen:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Luxemburg, den 17. Oktober 1995

Ende der Entscheidung

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