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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: C-64/06
Rechtsgebiete: Richtlinie 97/33, Richtlinie 2002/19/EG, Richtlinie 2002/21/EG, EG


Vorschriften:

Richtlinie 97/33
Richtlinie 2002/19/EG
Richtlinie 2002/21/EG
EG Art. 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

14. Juni 2007

"Elektronische Kommunikation - Netze und Dienste - Gemeinsamer Rechtsrahmen - Beherrschendes Unternehmen - Verpflichtung zur Zusammenschaltung mit anderen Betreibern - Übergangsbestimmungen - Richtlinie 97/33"

Parteien:

In der Rechtssache C-64/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obvodní soud pro Prahu 3 (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 24. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Februar 2006, in dem Verfahren

Telefónica O2 Czech Republic as, ehemals Ceský Telecom as,

gegen

Czech On Line as

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter P. Kuris (Berichterstatter), K. Schiemann, J. Makarczyk und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Telefónica O2 Czech Republic as, vertreten durch J. Procházková, právnicka,

- der Czech On Line as, vertreten durch V. Horácek, advokát,

- der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Bocek als Bevollmächtigten,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. Sevenster und C. ten Dam als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Shotter und P. Ondrusek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Februar 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 7, im Folgenden: Zugangsrichtlinie) und der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Telefónica O2 Czech Republic as, ehemals Cesky Telecom as, (im Folgenden: TO2) und der Czech On Line as (im Folgenden: COL) wegen der Weigerung von TO2, einem Antrag von COL auf Erweiterung der bestehenden Zusammenarbeit auf Dienste des Hochgeschwindigkeitsbreitbandzugangs zum Internet (Asymetric Digital Subscriber Line, im Folgenden: ADSL) zu entsprechen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 27 der Rahmenrichtlinie definiert die Übergangsmaßnahmen folgendermaßen:

"Die Mitgliedstaaten erhalten alle im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen nach Artikel 7 der ... (Zugangsrichtlinie) und nach Artikel 16 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) aufrecht, bis eine nationale Regulierungsbehörde gemäß Artikel 16 der vorliegenden Richtlinie über diese Verpflichtungen beschließt.

Betreiber öffentlicher Festtelefonnetze, die von ihrer nationalen Regulierungsbehörde als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht bei der Bereitstellung öffentlicher Festtelefonnetze und -dienste im Rahmen des Anhangs I Teil 1 der Richtlinie 97/33/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) (ABl. L 199, S. 32) in der Fassung der Richtlinie 98/61/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 1998 (ABl. L 268, S. 37, im Folgenden: Richtlinie 97/33)] oder der Richtlinie 98/10/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ABl. L 101, S. 24)] ausgewiesen wurden, werden für die Zwecke der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 weiterhin als 'gemeldete Betreiber' betrachtet, bis das Marktanalyseverfahren nach Artikel 16 abgeschlossen wurde. Anschließend werden diese Betreiber für die Zwecke der Verordnung nicht mehr als 'gemeldete Betreiber' angesehen."

4 Art. 7 ("Überprüfung früherer Verpflichtungen in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung") der Zugangsrichtlinie bestimmt:

"(1) Die Mitgliedstaaten erhalten alle Verpflichtungen in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Artikeln 4, 6, 7, 8, 11, 12 und 14 der Richtlinie 97/33/EG, Artikel 16 der Richtlinie 98/10/EG sowie Artikel 7 und 8 der Richtlinie 92/44/EG für Unternehmen galten, die öffentliche Kommunikationsnetze und/oder -dienste bereitstellen, so lange aufrecht, bis diese Verpflichtungen überprüft wurden und eine Feststellung gemäß Absatz 3 getroffen wurde.

(2) Die Kommission gibt die relevanten Märkte für die in Absatz 1 genannten Verpflichtungen in der ersten Empfehlung über die relevanten Produkt- und Dienstmärkte und in der Entscheidung zur Festlegung länderübergreifender Märkte an, die gemäß Artikel 15 der [Rahmenrichtlinie] zu erlassen ist.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden möglichst bald nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie und danach in regelmäßigen Abständen eine Marktanalyse nach Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] vornehmen, um festzustellen, ob diese Verpflichtungen beibehalten, geändert oder aufgehoben werden sollen. Die Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen ist den hiervon betroffenen Parteien rechtzeitig anzukündigen."

Nationales Recht

5 § 37 des Gesetzes Nr. 151/2000 über die Telekommunikation und zur Änderung anderer Gesetze (Zákon c. 151/2000 Sb., o telekomunikacích, im Folgenden: Gesetz Nr. 151/2000) bestimmt:

"(1) Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die Telekommunikationsleitungen überlassenden Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die einen beträchtlichen Anteil am relevanten Markt haben, sind verpflichtet, den Anträgen zugelassener Anbieter von Telekommunikationsleistungen auf Zugang zu dem von ihnen betriebenen Netz (im Folgenden: Netzzugang) zu entsprechen.

(2) Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die Anbieter öffentlicher Telekommunikationsdienste, die den Zugang zu mindestens einem durch eine oder mehrere Nummern in numerischen Plänen identifizierten Endpunkt des Netzes kontrollieren, und die Anbieter eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes, der in der Überlassung von Telekommunikationsleitungen zum Nutzer besteht, sind auf Verlangen eines anderen Betreibers oder Anbieters, der eine entsprechende Telekommunikationstätigkeit ausführt, verpflichtet, ihm eine unmittelbare oder mittelbare Zusammenschaltung mit den von ihnen betriebenen Telekommunikationsnetzen (im Folgenden: Zusammenschaltung von Netzen) zu ermöglichen. Der Netzzugang erfolgt auf Kosten desjenigen, der dies verlangt, und gegen Entgelt.

(3) Der Netzzugang wird auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags zwischen dem Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und dem Anbieter öffentlicher Telekommunikationsdienste gewährleistet, die Zusammenschaltung der Netze wird aufgrund eines schriftlichen Vertrags zwischen den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze gewährleistet.

..."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6 TO2 und COL sind Telekommunikationsbetreiber, die am 29. Januar 2001 einen Vertrag über die Zusammenschaltung ihrer öffentlichen Telekommunikations-Festnetze schlossen. Die zweite Gesellschaft schlug der ersten am 3. Februar 2003 vor, einen Zusatzvertrag zu diesem Vertrag zu schließen, um ihre Netze auch für die Bereitstellung von ADSL zusammenzuschalten. TO2 veröffentlichte im Telekommunikationsanzeiger jedoch nur ein Angebot über den Zugang zur Infrastruktur ihres Netzes, in dem diese Technologie zur Anwendung kommt, obwohl das Gesetz Nr. 151/2000 sie verpflichtete, ein Angebot über die Zusammenschaltung der Netze zu veröffentlichen.

7 Da es zu keinem Vertrag kam, wandte sich COL an den Ceský telekomunikacní úrad (tschechische Telekommunikationsbehörde, im Folgenden: Regulierungsbehörde), der ihrem Antrag auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 151/2000 am 30. April 2004 stattgab. Auf den Widerspruch beim Leiter dieser Behörde hob dieser die Entscheidung aus allgemeinen und tatsächlichen Gründen auf, und die Sache wurde für das weitere Verfahren an die Regulierungsbehörde zurückverwiesen. Diese erließ am 14. September 2004 eine neue Entscheidung zugunsten von COL und verpflichtete die Parteien des Ausgangsverfahrens zum Abschluss eines die ADSL-Dienste umfassenden Zusatzvertrags zur Zusammenschaltungsvereinbarung.

8 Der Leiter der Regulierungsbehörde wies mit Entscheidung vom 20. Januar 2005 den von TO2 bei ihm eingelegten erneuten Widerspruch zurück. Diese Entscheidung ist endgültig und vollstreckbar.

9 Nach der tschechischen Zivilprozessordnung können in einem solchen Fall die Zivilgerichte mit einer Anfechtungsklage befasst werden, im vorliegenden Fall der Obvodní soud pro Prahu 3 (erstinstanzliches Bezirksgericht Prag 3).

10 Nach Darstellung dieses Gerichts macht TO2 geltend, dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde gegen das Europa-Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, namens der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/910/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 360, S. 1), gegen die Zugangsrichtlinie, gegen die Rahmenrichtlinie und gegen die Richtlinie 97/33 verstoße.

11 Der Obvodní soud pro Prahu 3 hat unter diesen Umständen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. War die nationale Telekommunikationsregulierungsbehörde berechtigt, einer Telekommunikationsgesellschaft mit beträchtlicher (beherrschender) Marktmacht auf dem Telekommunikationsmarkt nach dem 1. Mai 2004, also nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Gemeinschaft, in Form einer Verwaltungsentscheidung die Verpflichtung aufzuerlegen, einen Vertrag über die Zusammenschaltung ihres Netzes mit einem anderen Betreiber zu schließen?

2. Sofern Frage 1 bejaht wird:

War die nationale Regulierungsbehörde berechtigt, nur unter den in Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie festgelegten Bedingungen, d. h. auf der Grundlage einer nach Art. 16 der Rahmenrichtlinie durchgeführten vorherigen Marktanalyse und eines in den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie beschriebenen vorherigen Verfahrens, in dieser Weise zu handeln, oder konnte sie (z. B. nach dem 15. Erwägungsgrund, Art. 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 4, Art. 10 Abs. 1 und 2 der Zugangsrichtlinie) auch ohne vorherige Marktanalyse so handeln?

3. Kann der Umstand, dass ein Antrag eines konkreten Betreibers auf Erlass einer Entscheidung über die zwangsweise Zusammenschaltung seines Netzes mit dem Netz eines Betreibers mit beträchtlicher (beherrschender) Marktmacht bei der nationalen Regulierungsbehörde gestellt wurde und das Verfahren über diesen Antrag vor ihr hinsichtlich des verfügenden Teils der Entscheidung vor dem 1. Mai 2004, d. h. vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Gemeinschaft, stattfand, Einfluss auf die Beantwortung von Frage 2 haben?

4. Ist es, soweit die Tschechische Republik im entscheidungserheblichen Zeitraum - in der Zeit vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2005 - die oben genannten Richtlinien nicht hinreichend umgesetzt hat, möglich, die Rahmenrichtlinie und die Zugangsrichtlinie unmittelbar anzuwenden,

a) sind also diese Richtlinien (oder eine von ihnen) unbedingt und hinreichend bestimmt in dem Maß, dass sie (vom Gericht) anstelle eines innerstaatlichen Gesetzes angewendet werden können?

b) ist der Betreiber mit beträchtlicher (beherrschender) Marktmacht auf dem Telekommunikationsmarkt berechtigt (aktiv subjektiv legitimiert), sich infolge der unzureichenden Umsetzung der Zugangsrichtlinie und der Rahmenrichtlinie auf deren unmittelbare Wirkung im Hinblick auf die Frage zu berufen, ob diese Richtlinien (oder eine von ihnen) überhaupt den Schutz der Interessen desjenigen sicherstellen, der sich weigert, (im Umfang der ADSL-Dienstleistung) Zusammenschaltungsvereinbarungen mit anderen inländischen Telekommunikationsbetreibern einzugehen (und nach Auffassung der nationalen Telekommunikationsregulierungsbehörde, der das Gericht ebenfalls Rechnung zu tragen hat, daher den Zielen des neuen Rechtsrahmens zuwiderhandelt)?

c) kann sich dieser Betreiber auf die unmittelbare Wirkung der nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien (oder einer von ihnen) berufen, wenn im Verfahren vor der nationalen Telekommunikationsregulierungsbehörde (auch wenn die in den Richtlinien aufgeführten Bedingungen erfüllt sind) stets über konkrete Bedingungen der Zusammenschaltung der Netze der Betreiber entschieden wird, es also darum geht, Einzelnen konkrete Pflichten aufzuerlegen?

Zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

12 Mit Schriftsatz, der am 9. März 2007 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat TO2 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt, die am 27. Februar 2007 nach der Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts geschlossen worden war.

13 Zur Begründung ihres Antrags führt TO2 aus, dass der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen Argumente geprüft habe, die den Parteien des Ausgangsverfahrens nicht vorgetragen worden seien, insbesondere zur unmittelbaren Wirkung der Verpflichtung, eine Marktanalyse durchzuführen, während es in dem Rechtsstreit um das Verbot gehe, über die Verpflichtung zur Zusammenschaltung ohne vorherige Durchführung einer solchen Analyse zu entscheiden.

14 Es ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (Urteil vom 18. Juni 2002, Philips, C-299/99, Slg. 2002, I-5475, Randnr. 20).

15 Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass das Problem der unmittelbaren Wirkung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen in der vierten Frage des vorlegenden Gerichts zur Sprache kommt und dass er über alle für eine Beantwortung dieser Frage erforderlichen Angaben verfügt.

16 Daher ist der Antrag von TO2 auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

17 Vorab macht die tschechische Regierung geltend, dass der Gerichtshof für die Beantwortung sämtlicher Fragen nicht zuständig sei, da sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zugetragen habe.

18 In der mündlichen Verhandlung haben TO2, COL und die Kommission die Auffassung vertreten, dass der Gerichtshof in zeitlicher Hinsicht zuständig sei, weil das Ausgangsverfahren - auch wenn es im Februar 2003 begonnen habe - doch bis zum Erlass der Entscheidung des Leiters der Regulierungsbehörde vom 20. Januar 2005 fortgedauert habe und die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 30. April 2004 nach den tschechischen Rechtsvorschriften aufgehoben worden und eine neue Entscheidung am 20. Januar 2005 ergangen sei. Außerdem stellt TO2 klar, dass die letztgenannte Entscheidung, die konstitutiver und nicht deklaratorischer Natur sei, nicht hoheitlich die Verpflichtungen feststellen solle, die aus einem Sachverhalt entstanden seien, der sich zu einem früheren Zeitpunkt zugetragen habe, sondern die Grundlagen für künftige rechtliche Verpflichtungen schaffen solle.

19 Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der von COL bei der Regulierungsbehörde eingereichte Antrag, TO2 zur Zusammenschaltung des Netzes von COL mit dem ADSL-Netz zu verpflichten, geprüft wurde und am 30. April 2004, also vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union, zu einer Entscheidung dieser Behörde führte.

20 Diese Entscheidung wurde jedoch am 9. September 2004 aufgehoben, und am 14. September 2004 erging eine neue Entscheidung. Letztere wurde auf den gegen sie eingelegten Widerspruch hin am 20. Januar 2005 vom Leiter der Regulierungsbehörde bestätigt. Die Parteien gehen davon aus, dass die Entscheidung seit diesem Zeitpunkt endgültig und vollstreckbar ist.

21 Ohne dass die Folgen der Aufhebung einer Entscheidung im tschechischen Recht erörtert zu werden brauchten, ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren angefochtene Entscheidung nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union ergangen ist, eine Situation für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit regelt und dass das nationale Gericht den Gerichtshof nach dem auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Gemeinschaftsrecht fragt.

22 Werden dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt, so entscheidet er grundsätzlich ohne Prüfung der Umstände, die die nationalen Gerichte hierzu veranlasst haben und unter denen sie die Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, um deren Auslegung sie ihn ersuchen, anzuwenden beabsichtigen (Urteil vom 5. Dezember 1996, Reisdorf, C-85/95, Slg. 1996, I-6257, Randnr. 15).

23 Etwas anderes gälte nur, wenn die Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, um deren Auslegung der Gerichtshof ersucht wird, auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, der sich vor dem Beitritt eines neuen Mitgliedstaats zur Union zugetragen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, Ynos, C-302/04, Slg. 2006, I-371, Randnrn. 35 und 36), nicht anwendbar wäre, d. h., wenn offensichtlich wäre, dass die betreffende Vorschrift nicht zur Anwendung gelangen kann (vgl. Urteil Reisdorf, Randnr. 16).

24 Das ist vorliegend nicht der Fall. Folglich ist der Gerichtshof für die Auslegung der oben genannten Richtlinien zuständig und hat die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zu beantworten.

Zu den Vorabentscheidungsfragen

25 Die erste, die zweite und die dritte Frage, mit denen das vorlegende Gericht wissen will, ob die Regulierungsbehörde angesichts der nach dem 1. Mai 2004 anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts berechtigt war, einem Telekommunikationsunternehmen, das auf dem Markt für Telekommunikation über beträchtliche Marktmacht verfügt, die Verpflichtung aufzuerlegen, eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung seines Netzes mit dem eines anderen Betreibers zu schließen, sind zusammen zu prüfen.

26 Insoweit ist angesichts von Art. 27 der Rahmenrichtlinie und Art. 7 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie über die Übergangsbestimmungen, die unabhängig von einer Umsetzung dieser Richtlinien anwendbar sind, klarzustellen, dass die Richtlinie 97/33 - die unstreitig durch das Gesetz Nr. 151/2000 in tschechisches Recht umgesetzt wurde - auch weiterhin, soweit erforderlich, ihre Wirkungen entfaltet.

27 Daher konnte, wie dies die Kommission zu Recht ausführt, die Regulierungsbehörde im Rahmen der Richtlinie 97/33 tätig werden.

28 Demnach ist auf die erste, die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Regulierungsbehörde nach den Übergangsbestimmungen der Zugangsrichtlinie und der Rahmenrichtlinie berechtigt war, nach dem 1. Mai 2004 die Verpflichtung eines Telekommunikationsunternehmens mit beträchtlicher Marktmacht im Sinne der Richtlinie 97/33, eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung seines Netzes mit dem eines anderen Betreibers zu schließen, im Rahmen der Bestimmungen der Richtlinie 97/33 zu prüfen.

29 Unter Berücksichtigung der Antwort auf die erste, die zweite und die dritte Frage braucht die vierte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Nach den Übergangsbestimmungen der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) und der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) war der Ceský telekomunikacní úrad berechtigt, nach dem 1. Mai 2004 die Verpflichtung eines Telekommunikationsunternehmens mit beträchtlicher Marktmacht im Sinne der Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) in der Fassung der Richtlinie 98/61/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 1998, eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung seines Netzes mit dem eines anderen Betreibers zu schließen, im Rahmen der Bestimmungen der Richtlinie 97/33/EG in ihrer geänderten Fassung zu prüfen.



Ende der Entscheidung

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