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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.06.1991
Aktenzeichen: C-64/88
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 2057/82/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 169
VO Nr. 2057/82/EWG Art. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 11. JUNI 1991. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN FRANZOESISCHE REPUBLIK. - FISCHEREI - DEN MITGLIEDSTAATEN OBLIEGENDE KONTROLLMASSNAHMEN. - RECHTSSACHE C-64/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 29. Februar 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten (ABl. L 220, S. 1) und aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2241/87 des Rates vom 23. Juli 1987 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit (ABl. L 207, S. 1) verstossen hat, daß sie keine Kontrollen durchgeführt hat, die die Beachtung der in den Verordnungen (EWG) Nr. 171/83 des Rates vom 25. Januar 1983 (ABl. L 24, S. 14) und (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 (ABl. L 288, S. 1) vorgeschriebenen gemeinschaftlichen technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände gewährleisteten.

2 Mit der Verordnung Nr. 2057/82 vom 29. Juni 1982 (nachstehend: erste Kontrollverordnung) legte der Rat bestimmte Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten fest. Die Verordnung Nr. 2057/82 wurde durch die Verordnung Nr. 2241/87 (nachstehend: zweite Kontrollverordnung) aufgehoben und ersetzt.

3 Artikel 1 der beiden Kontrollverordnungen erlegt den Mitgliedstaaten zwei Verpflichtungen auf. Aufgrund der ersten Verpflichtung, die vorbeugender Art ist, muß jeder Mitgliedstaat sowohl in den in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Häfen als auch in den Meeresgewässern unter seiner Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit die Fischereifahrzeuge kontrollieren, die seine Flagge oder die Flagge eines anderen Mitgliedstaats führen. Aufgrund der zweiten Verpflichtung, die repressiver Art ist, müssen die Mitgliedstaaten bei Verstössen gegen die technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände gegen den Kapitän des betreffenden Fahrzeugs Straf- oder Verwaltungsverfahren einleiten.

4 Diese technischen Maßnahmen, die sich insbesondere auf die Maschenöffnung, das Netzzubehör, Beifänge und die Mindestgrösse der Fische, die gefangen werden dürfen, beziehen, wurden zuerst durch die Verordnung Nr. 171/83 (nachstehend: erste Erhaltungsmaßnahmenverordnung) und sodann durch die Verordnung Nr. 3094/86 (nachstehend: zweite Erhaltungsmaßnahmenverordnung) festgelegt, die die erste Erhaltungsmaßnahmenverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 1987 ersetzt hat.

5 Nach dem Vorbringen der Kommission hat die französische Regierung von 1984 bis 1987 ihre Überwachungs- und Verfolgungspflicht im Hinblick auf die Anwendung der betreffenden Erhaltungsmaßnahmen nicht erfuellt.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Um die Vertragsverletzung darzutun, stützt sich die Kommission insbesondere auf die Berichte über die Tätigkeit ihrer Beamten, die sie beauftragt hatte, von 1984 bis 1987 an den von den französischen Behörden durchgeführten Kontrollen teilzunehmen. In ihrer Erwiderung führt sie aus, daß sie diese Berichte zur Verfügung des Gerichtshofes halte, wobei es jedoch von grundlegender Bedeutung sei, den vertraulichen Charakter bestimmter darin enthaltener Informationen zu wahren, um die Wirksamkeit der zukünftigen Tätigkeit ihrer Prüfer zu gewährleisten und die Rechte darin aufgeführter namentlich feststellbarer Dritter zu schützen.

8 Am Ende des schriftlichen Verfahrens hat der Gerichtshof die Kommission aufgefordert, ein Schriftstück vorzulegen, in dem die erwähnten Namen gestrichen sind und das für die jeweils in Rede stehenden technischen Erhaltungsmaßnahmen die Beweismittel dafür angibt, daß die französische Regierung im fraglichen Zeitraum ihre Kontrollverpflichtungen nicht vollständig erfuellt hat.

9 Die Kommission hat eine Zusammenfassung dieser dienstlichen Berichte vorgelegt, die weder die Namen der betroffenen Personen noch Zeitpunkt und Ort der Überwachungsmaßnahmen enthält. Aus einer diesem Schriftstück beigefügten Tabelle geht hervor, daß es 73 Prüfungen in 26 Häfen betrifft.

10 Die französische Regierung führt in ihrer Stellungnahme aus, daß dieses Schriftstück nicht als Beweismittel für eine etwaige Vertragsverletzung verwendet werden könne. Da die Angaben über Zeitpunkt und Ort der Überwachungsmaßnahmen fehlten, könne sie die von den Prüfern der Kommission festgestellten Tatsachen und die Schlüsse, die diese daraus gezogen hätten, nicht nachprüfen.

11 Dem Vorbringen der französischen Regierung kann nicht gefolgt werden. Zum einen geht aus ihrer Gegenerwiderung hervor, daß sie der Vorlage von Berichten zugestimmt hat, die keine Angaben enthalten, die die Identifizierung ihrer Bediensteten erlaubten. Zum anderen werden die Überwachungsmaßnahmen der Gemeinschaft nach Artikel 12 Absatz 4 der beiden Kontrollverordnungen im Rahmen der nationalen Kontrollmaßnahmen durchgeführt; die französische Regierung verfügt daher für die betreffenden Kontrollen über Berichte, die von ihren eigenen Diensten erstellt worden sind. Es ist ihr deshalb möglich, die Richtigkeit der Feststellungen der Prüfer der Kommission zu bestreiten und insbesondere darzutun, daß ihre Bediensteten Kontrollmaßnahmen im Hinblick auf die fraglichen Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen haben.

Zur Überwachungspflicht

a) Die Mindestmaschenöffnung der Netze

12 Nach den Artikeln 2, 3 und 4 der ersten und nach Artikel 2 der zweiten Erhaltungsmaßnahmenverordnung dürfen Fischer keine Netze benutzen, deren Maschen enger sind, als es den in diesen Verordnungen vorgesehenen Normen entspricht.

13 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die französische Regierung im vorgerichtlichen Verfahren bestimmte Unterlassungen auf dem Gebiet der Kontrollen eingeräumt hat. Aus einem Schreiben des Staatssekretariats für Meeresfragen an die Kommission vom 28. Mai 1985 geht nämlich hervor, daß die von den nationalen Behörden durchgeführten Kontrollen der Netze bis 1985 nach weniger strengen Normen als den geltenden Gemeinschaftsvorschriften erfolgten.

14 Die Berichte der Prüfer der Kommission führen ebenfalls Unterlassungen bei der Kontrolle in den Jahren 1986 und 1987 an. Zum einen verfügten die nationalen Behörden nicht über die nach der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Eichmasse für die Messung der Maschenöffnung beziehungsweise benutzten sie dieser Regelung nicht entsprechende Eichmasse. Zum anderen wandten sie nationale Normen an, die weniger streng waren als die in der Gemeinschaftsregelung festgelegten Normen.

15 Daher ist festzustellen, daß die Kontrollen der Maschenöffnung unzureichend waren.

b) Netzzubehör

16 Nach Artikel 7 der ersten Erhaltungsmaßnahmenverordnung dürfen keine Vorrichtungen benutzt werden, durch die die Maschen in irgendeinem Teil des Netzes verstopft oder praktisch verkleinert werden können.

17 Hierzu genügt die Feststellung, daß aus verschiedenen Berichten der Prüfer der Kommission in bezug auf 1984 und 1985 durchgeführte Überwachungsmaßnahmen hervorgeht, daß die nationalen Behörden keinerlei Maßnahmen ergriffen, wenn Trawler mit Netzen ausgerüstet waren, die über nach der Gemeinschaftsregelung verbotene Vorrichtungen verfügten. Auch insoweit ist festzustellen, daß die Kontrollen unzulänglich waren.

c) Beifänge

18 Die Artikel 8 bis 10 der ersten Erhaltungsmaßnahmenverordnung und Artikel 2 der zweiten Erhaltungsmaßnahmenverordnung verbieten es den Fischern, Fänge zum Verkauf anzubieten, die nicht die erforderliche Mindestgrösse aufweisen, es sei denn, daß diese einen bestimmten Prozentsatz ihres Fangs nicht überschreiten.

19 Hierzu geht aus den Berichten der Prüfer der Kommission für 1985 und 1987 hervor, daß die nationalen Behörden übermassige Beifänge (von Seehecht, der nicht die erforderliche Grösse aufwies), die im Rahmen der Fischerei auf Kaisergranat getätigt worden waren, nicht immer beschlagnahmt haben. Somit hat die französische Regierung auch gegen ihre Kontrollpflichten in bezug auf Beifänge verstossen.

d) Mindestgrösse

20 Nach Artikel 11 der ersten Erhaltungsmaßnahmenverordnung und Artikel 5 der zweiten Erhaltungsmaßnahmenverordnung dürfen untermassige Fische nicht verkauft werden.

21 Insoweit hat die französische Regierung im vorgerichtlichen Verfahren stillschweigend eingeräumt, daß sie bis 1985 die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften nicht beachtet hat. Aus dem angeführten Schreiben vom 28. Mai 1985 geht nämlich hervor, daß das Staatssekretariat Anweisungen erteilt hat, daß nur offensichtlich "untermassiger" (15 bis 25 cm) Seehecht beschlagnahmt werden sollte, während in Anhang I der ersten Erhaltungsmaßnahmenverordnung die Mindestgrösse dieser Fänge auf 30 cm festgesetzt war.

22 Ferner geht aus den Berichten der Prüfer hervor, daß die nationalen Behörden 1986 und 1987 weniger strenge Normen in bezug auf Seezunge und Seehecht angewandt haben, als sie auf Gemeinschaftsebene festgesetzt waren. Die Unzulänglichkeit der Kontrollen ist also auch in bezug auf die Mindestgrösse festzustellen.

23 Nach all diesen Feststellungen hat die französische Regierung in den Jahren 1984 bis 1987 keine Kontrollen durchgeführt, die die Beachtung der fraglichen technischen Erhaltungsmaßnahmen gewährleisteten.

Zur Verfolgungspflicht

24 Da die nationalen Behörden Verstösse, obwohl sie feststellbar gewesen wären, nicht festgehalten und gegen Zuwiderhandelnde keine Protokolle errichtet haben, hat die französische Regierung auch gegen ihre Verfolgungspflicht nach den Kontrollverordnungen verstossen.

Kostenentscheidung:

Kosten

25 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit von Schiffen der Mitgliedstaaten und aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2241/87 des Rates vom 23. Juli 1987 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit verstossen, daß sie in den Jahren 1984 bis 1987 keine Kontrollen durchgeführt hat, die die Beachtung der in den Verordnungen (EWG) Nr. 171/83 des Rates vom 25. Januar 1983 und (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 vorgeschriebenen gemeinschaftlichen technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände gewährleisten.

2) Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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