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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.10.1992
Aktenzeichen: C-65/91
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 288/82/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 169
EWGV Art. 5
VO Nr. 288/82/EWG Art. 1 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag sollen der Kommission die Erfuellung ihrer Aufgaben erleichtern, und zwar insbesondere derjenigen, die gemäß Artikel 155 darin besteht, für die Anwendung des Vertrages sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrages getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen. Ein Mitgliedstaat verletzt daher seine Verpflichtungen, wenn er sich weigert, mit der Kommission im Rahmen von Untersuchungen zusammenzuarbeiten, die die Kommission durchführt, um zu klären, ob in einem Mitgliedstaat geltende Regelungen oder Praktiken gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 14. OKTOBER 1992. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND. - BESCHRAENKUNG FUER EINFUHREN AUS DRITTLAENDERN - LISTE D. - RECHTSSACHE C-65/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 13. Februar 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß die Griechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 288/82 des Rates vom 5. Februar 1982 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung (ABl. L 35, S. 1), aus der Verordnung (EWG) Nr. 3420/83 des Rates vom 14. November 1983 über die Einfuhrregelungen für auf Gemeinschaftsebene nicht liberalisierte Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern (ABl. L 346, S. 6), beide Verordnungen in ihrer später geänderten Fassung, sowie aus Artikel 13 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden (ABl. 1972, L 300, S. 97) verstossen hat, daß sie Zuendhölzer der Tarifnummer 36.06 des Gemeinsamen Zolltarifs in die "Liste D", die nicht veröffentlicht wird, aufgenommen und infolgedessen die Erteilung von Einfuhrgenehmigungen für diese Erzeugnisse mit Ursprung in Schweden und ° für eine bestimmte Zeitdauer ° in Bulgarien verweigert hat, sowie wegen Feststellung, daß die Griechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie sich geweigert hat, der Kommission die Unterlagen über das Einfuhrverfahren zu übermitteln, insbesondere soweit sie die "Liste D" betreffen.

2 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zu den Einfuhrbeschränkungen für Zuendhölzer mit Ursprung in Schweden und in Bulgarien

3 Nach Auffassung der Kommission beinhaltet das "Verfahren D" die Einstufung einer Ware in eine von der griechischen Nationalbank geführte, nicht veröffentlichte "Liste D" und mithin die Ablehnung von Anträgen auf Einfuhrgenehmigungen für die fragliche Ware. Die Kommission trägt unter Berufung auf Auskünfte der betroffenen Importeure vor, das "Verfahren D" sei wenigstens vom Februar 1987 bis zum 29. November 1989 auf Zuendhölzer mit Ursprung in Schweden und vom 1. Februar 1987 bis zum 27. April 1988 auf Zuendhölzer mit Ursprung in Bulgarien angewendet worden.

4 Die Kommission macht zunächst geltend, Artikel 13 Absatz 1 des Abkommens zwischen der Gemeinschaft und dem Königreich Schweden verbiete es, im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Schweden mengenmässige Einfuhrbeschränkungen einzuführen. Dieses Abkommen binde die Griechische Republik seit ihrem Beitritt zur Gemeinschaft. Ferner ergebe sich aus Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 288/82, daß die Einfuhr von aus Schweden stammenden Zuendhölzern in die Gemeinschaft keiner mengenmässigen Beschränkung unterliege. Die griechischen Stellen hätten am 21. Juli 1987 gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 288/82 einen Antrag auf gemeinschaftliche Überwachung gestellt; die Kommission habe diesen Antrag mit Mitteilung vom 3. August abgelehnt, die Griechische Republik aber zugleich zur Anwendung einer einzelstaatlichen Überwachung ermächtigt. Aus Artikel 13 der Verordnung Nr. 288/82 ergebe sich jedoch, daß die Anwendung einer einzelstaatlichen Überwachung die Verweigerung einer Einfuhrgenehmigung durch den betreffenden Staat nicht rechtfertige.

5 Nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 3420/83 unterliege die Einfuhr von aus Bulgarien stammenden Zuendhölzern keiner mengenmässigen Beschränkung, sofern die Einfuhrregelung nicht gemäß den Artikeln 7 bis 10 dieser Verordnung geändert werde. Die griechische Regierung habe am 25. November 1987 einen entsprechenden Antrag bei der Kommission gestellt, und zugleich angekündigt, sie beabsichtige ab sofort als Dringlichkeitsmaßnahmen gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 3420/83 nationale Kontingente anzuwenden. Die Kommission hat auf eine Frage des Gerichtshofes eingeräumt, daß die Griechische Republik ab 25. November 1987 zur Anwendung mengenmässiger Beschränkungen auf aus Bulgarien stammende Zuendhölzer berechtigt gewesen sei, obwohl die Kommission beschränkende Maßnahmen erst ab 27. April 1988 bewilligt habe. Sie hat demgemäß ihre Rüge im Hinblick auf aus Bulgarien stammende Zuendhölzer für den Zeitraum vom 25. November 1987 bis zum 27. April 1988 zurückgenommen.

6 Die Griechische Republik räumt ein, daß es den Mitgliedstaaten nach den von der Kommission angeführten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften untersagt sei, mengenmässige Beschränkungen für aus Bulgarien und aus Schweden stammende Zuendhölzer einzuführen. Die "Liste D" sei jedoch 1980 durch die Entscheidung E6/8196/2600 ° eben um die griechische Regelung im Hinblick auf den Beitritt Griechenlands zu den Gemeinschaften anzupassen ° aufgehoben worden. Das den Gegenstand der vorliegenden Klage bildende Verfahren sei nur eine Form der statistischen Erfassung gewesen, die Ende 1990 ebenfalls abgeschafft worden sei.

7 Es ist demnach unstreitig, daß die Griechische Republik vor dem Beitritt ein System der Einfuhrgenehmigung, die "Liste D" oder das "Verfahren D", anwandte, mit dem eine Beschränkung der Einfuhr bestimmter Waren bezweckt und bewirkt wurde. Die Griechische Republik hat keine Vorschrift vorgelegt, mit der dieses Systems aufgehoben worden wäre. Entgegen dem Vorbringen der Griechische Republik wird mit der Entscheidung E6/8196/2600 das "Verfahren D" nicht ausdrücklich abgeschafft, vielmehr wird mit Absatz 2 dieser Entscheidung lediglich die Unterscheidung zwischen den Verfahren "Delta" und "Epsilon" für die Gewährung einer Einfuhrgenehmigung beseitigt.

8 Ferner heisst es in dem Rundschreiben Nr. 248, das den griechischen Geschäftsbanken am 7. Mai 1986 von der griechischen Nationalbank übersandt wurde, daß die Einfuhrgenehmigungen für aus Drittländern stammende Zuendhölzer künftig ausschließlich von der griechischen Nationalbank erteilt würden und die Geschäftsbanken ohne diese Genehmigung die mit derartigen Einfuhren verbundenen Zahlungsvorschüsse nicht leisten dürften. Ein derartiges Verfahren dient nicht der statistischen Erfassung von Daten, sondern vielmehr der Kontrolle, ja der Beschränkung, der Einfuhren.

9 Die Kommission hat dem Gerichtshof insoweit Fotokopien der beiden Einfuhrantragsformulare vorgelegt, die die Importeure von aus Bulgarien und Schweden stammenden Zuendhölzern an die Nationalbank gerichtet hatten. Auf jedem Formular sind die Ablehnung des Antrags und der griechische Buchstabe "D" handschriftlich vermerkt. Die Ablehnung eines Einfuhrantrags passt nicht zu einem rein statistischen Verfahren. Die Tatsache, daß neben der Ablehnung der Buchstabe "D" vermerkt war, beweist im Gegenteil, daß ein als "Liste D" oder "Verfahren D" bezeichnetes System zur Beschränkung der Einfuhren weiterhin bestand, das eben dazu führte, daß die fraglichen Einfuhren verhindert wurden.

10 Da die Griechische Republik keine andere überzeugende Erklärung gegeben hat, muß demnach geschlossen werden, daß in Griechenland ein "Verfahren D" bestand, das bewirkte, daß die Einfuhr von in eine "Liste D" aufgenommenen Waren, namentlich von aus Drittstaaten stammenden Zuendhölzern, verhindert wurde.

11 Die Griechische Republik hat folglich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 288/82 des Rates vom 5. Februar 1982 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung, aus der Verordnung Nr. 3420/83 des Rates vom 14. November 1983 über die Einfuhrregelungen für auf Gemeinschaftsebene nicht liberalisierte Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern, beide Verordnungen in der geänderten Fassung, sowie aus Artikel 13 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden verstossen, daß sie Zuendhölzer der Tarifnummer 36.06 des Gemeinsamen Zolltarifs in die nicht veröffentlichte "Liste D" aufgenommen und infolgedessen die Erteilung von Einfuhrgenehmigungen für diese Erzeugnisse mit Ursprung in Schweden für den Zeitraum vom Februar 1987 bis zum 29. November 1989 und mit Ursprung in Bulgarien für den Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis zum 25. November 1987 verweigert hat.

Zu dem Verstoß gegen Artikel 5 EWG-Vertrag

12 Nach Auffassung der Kommission stellt die Weigerung der griechischen Stellen, ihre Schreiben eingehend und fristgemäß zu beantworten und die Rechtsvorschriften oder internen Verwaltungsvorschriften betreffend die "Liste D" zu übermitteln, einen Verstoß gegen die den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag obliegende Pflicht zur Zusammenarbeit dar.

13 Die Griechische Republik weist darauf hin, daß ihre Weigerung, die beanstandeten Vorschriften zu übermitteln, nicht auf einem Mangel an gutem Willen ihrerseits, sondern vielmehr darauf beruhe, daß es die "Liste D" nicht gebe.

14 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist es das Ziel von Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag, der Kommission die Erfuellung ihrer Aufgaben zu erleichtern, und zwar insbesondere derjenigen, die gemäß Artikel 155 EWG-Vertrag darin besteht, für die Anwendung des Vertrages sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrages getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen (vgl. Urteil vom 22. September 1988 in der Rechtssache 272/86, Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 4875).

15 Die griechische Regierung hat trotz des vorstehend festgestellten Sachverhalts im Verwaltungsverfahren die Existenz der "Liste D"und folgerichtig die Existenz von auf diese Liste bezueglichen Vorschriften bestritten und geltend gemacht, die beanstandeten Maßnahmen seien nur eine Form statistischer Erfassung. Sie hat im übrigen auch keine Unterlagen betreffend das angebliche Verfahren zur statistischen Erfassung vorgelegt.

16 Die Haltung der griechischen Regierung und ihre Weigerung, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, haben letztere daran gehindert, sich ein genaues Bild von den Voraussetzungen für die Bearbeitung der Einfuhranträge für Zuendhölzer zu machen und die Übereinstimmung dieser Voraussetzungen mit der Gemeinschaftsregelung zu überprüfen. Es ist zu bemerken, daß die griechische Regierung vor dem Gerichtshof bei dieser Haltung geblieben ist.

17 Die griechische Regierung hat folglich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, daß sie sich geweigert hat, der Kommission die Unterlagen über das Einfuhrverfahren zu übermitteln, insbesondere soweit sie die "Liste D" betreffen.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Griechische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Griechische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 288/82 des Rates vom 5. Februar 1982 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung, aus der Verordnung Nr. 3420/83 des Rates vom 14. November 1983 über die Einfuhrregelungen für auf Gemeinschaftsebene nicht liberalisierte Waren mit Ursprung in Staatshandelsländern, beide Verordnungen in der geänderten Fassung, sowie aus Artikel 13 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Schweden verstossen, daß sie Zuendhölzer der Tarifnummer 36.06 des Gemeinsamen Zolltarifs in die nicht veröffentlichte "Liste D" aufgenommen und infolgedessen die Erteilung von Einfuhrgenehmigungen für diese Erzeugnisse mit Ursprung in Schweden für den Zeitraum vom Februar 1987 bis zum 29. November 1989 und mit Ursprung in Bulgarien für den Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis zum 25. November 1987 verweigert hat.

2) Die Griechische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, daß sie sich geweigert hat, der Kommission die Unterlagen über das Einfuhrverfahren zu übermitteln, insbesondere soweit sie die "Liste D" betreffen.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4) Die Griechische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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