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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: C-66/96
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 75/117/EWG


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 119
Richtlinie 75/117/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 119 des Vertrages und die Richtlinie 75/117 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen stehen nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen eine schwangere Frau, die vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs aufgrund eines mit der Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustands arbeitsunfähig wird und hierüber eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch ihren Arbeitgeber hat, sondern lediglich auf die Zahlung von Tagegeld durch eine örtliche Behörde, während Arbeitnehmer bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch den Arbeitgeber haben.

Der Umstand, daß eine Frau in dieser Lage nicht ihr volles Gehalt bekommt, beruht im wesentlichen auf der Schwangerschaft und stellt somit eine Diskriminierung dar.

2 Artikel 119 des Vertrages und die Richtlinie 75/117 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen stehen der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen eine schwangere Frau keinen Anspruch auf die Fortzahlung ihres Gehalts durch den Arbeitgeber hat, wenn sie der Arbeit vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs wegen gewöhnlicher Schwangerschaftsbeschwerden fernbleibt, ohne im übrigen arbeitsunfähig zu sein, oder wegen einer ärztlichen Empfehlung, das ungeborene Kind zu schonen, die nicht mit einem krankhaften Zustand im eigentlichen Sinne oder mit besonderen Risiken für das ungeborene Kind begründet worden ist, während Arbeitnehmer, die wegen Krankheit arbeitsunfähig sind, grundsätzlich einen solchen Anspruch besitzen.

Daß die Arbeitnehmerin aufgrund dieser nicht durch Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten weniger oder gar kein Gehalt erhält, beruht nicht wesentlich auf ihrer Schwangerschaft, sondern auf ihrer Entscheidung, nicht zu arbeiten.

3 Die Richtlinie 76/207 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Richtlinie 92/85 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz stehen nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen ein Arbeitgeber eine schwangere Frau von der Arbeit freistellen kann, ohne ihr das volle Gehalt zu zahlen, wenn er meint, sie nicht beschäftigen zu können, obwohl sie nicht arbeitsunfähig ist.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 19. November 1998. - Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund i Danmark handelnd für Berit Høj Pedersen gegen Fællesforeningen for Danmarks Brugsforeninger und Dansk Tandlægeforening und Kristelig Funktionær-Organisation gegen Dansk Handel & Service. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Sø- og Handelsretten - Dänemark. Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Entgelt - Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen. - Rechtssache C-66/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Sö- og Handelsret hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 20. Februar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 11. März 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag, der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19), der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) und der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen B. Höj Pedersen, B. Andresen, T. Pedersen und P. Sörensen und ihren Arbeitgebern Kvickly Skive, J. Bagner, J. Rasmussen und Hvitfeldt Guld og Sölv ApS wegen Fortzahlung ihres Gehalts bei schwangerschaftsbedingten Arbeitsunterbrechungen.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 119 des Vertrages bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat wird während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten.

Unter "Entgelt" im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet:

a) daß das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Masseinheit festgesetzt wird;

b) daß für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist."

4 Artikel 1 der Richtlinie 75/117, die nach ihrer vierten Begründungserwägung die Erleichterung der konkreten Anwendung dieser Vorschrift bezweckt, lautet:

"Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im folgenden als "Grundsatz des gleichen Entgelts" bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.

Insbesondere muß dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, daß Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts ausgeschlossen werden."

5 Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 bestimmt:

"Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf."

6 Diese Richtlinie steht jedoch nach Artikel 2 Absatz 3

"nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen".

7 Artikel 5 Absatz 1 derselben Richtlinie bestimmt sodann:

"Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, daß Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gewährt werden."

8 Artikel 4 der Richtlinie 92/85 lautet:

"Beurteilung und Unterrichtung

(1) Für jede Tätigkeit, bei der ein besonderes Risiko einer Exposition gegenüber den in der nicht erschöpfenden Liste in Anhang I genannten Agenzien, Verfahren und Arbeitsbedingungen besteht, sind in dem betreffenden Unternehmen und/oder Betrieb vom Arbeitgeber selbst oder durch die in Artikel 7 der Richtlinie 89/391/EWG genannten Dienste für die Gefahrenverhütung Art, Ausmaß und Dauer der Exposition der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 zu beurteilen, damit

- alle Risiken für Sicherheit und Gesundheit sowie alle Auswirkungen auf Schwangerschaft oder Stillzeit der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 abgeschätzt und

- die zu ergreifenden Maßnahmen bestimmt werden können.

(2) Unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 89/391/EWG werden in dem betreffenden Unternehmen und/oder Betrieb die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 sowie diejenigen Arbeitnehmerinnen, die sich in einer der in Artikel 2 genannten Situationen befinden könnten, und/oder ihre Vertreter über die Ergebnisse der Beurteilung nach Absatz 1 und über die in bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu ergreifenden Maßnahmen unterrichtet."

9 Artikel 5 lautet:

"Konsequenzen aus der Beurteilung

(1) Ergibt die Beurteilung nach Artikel 4 Absatz 1 das Vorhandensein einer Gefährdung für Sicherheit oder Gesundheit sowie eine mögliche Auswirkung auf Schwangerschaft oder Stillzeit einer Arbeitnehmerin im Sinne des Artikels 2, so trifft der Arbeitgeber unbeschadet des Artikels 6 der Richtlinie 89/391/EWG die erforderlichen Maßnahmen, um durch eine einstweilige Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitszeiten der betreffenden Arbeitnehmerin auszuschließen, daß die Arbeitnehmerin dieser Gefährdung ausgesetzt ist.

(2) Ist die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitszeiten technisch und/oder sachlich nicht möglich oder aus gebührend nachgewiesenen Gründen nicht zumutbar, so trifft der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen für einen Arbeitsplatzwechsel der betreffenden Arbeitnehmerin.

(3) Ist der Arbeitsplatzwechsel technisch und/oder sachlich nicht möglich oder aus gebührend nachgewiesenen Gründen nicht zumutbar, so wird die betreffende Arbeitnehmerin während des gesamten zum Schutz ihrer Sicherheit und Gesundheit erforderlichen Zeitraums entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten beurlaubt.

(4) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten sinngemäß für den Fall, daß eine Arbeitnehmerin, die eine nach Artikel 6 verbotene Tätigkeit ausübt, schwanger wird oder stillt und ihren Arbeitgeber davon unterrichtet."

10 Artikel 11 derselben Richtlinie bestimmt:

"Mit dem Arbeitsvertrag verbundene Rechte

Um den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 die Ausübung der in diesem Artikel anerkannten Rechte in bezug auf ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu gewährleisten, wird folgendes vorgesehen:

1. In den in den Artikeln 5, 6 und 7 genannten Fällen müssen die mit dem Arbeitsvertrag verbundenen Rechte der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2, einschließlich der Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder des Anspruchs auf eine angemessene Sozialleistung, entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten gewährleistet sein.

2. In dem in Artikel 8 genannten Fall müssen gewährleistet sein:

a) die mit dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 verbundenen anderen Rechte als die unter dem nachstehenden Buchstaben b) genannten;

b) die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2.

3. Die Sozialleistung nach Nummer 2 Buchstabe b) gilt als angemessen, wenn sie mindestens den Bezuegen entspricht, die die betreffende Arbeitnehmerin im Falle einer Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen erhalten würde, wobei es gegebenenfalls eine von den einzelstaatlichen Gesetzgebern festgelegte Obergrenze gibt."

Das nationale Recht

11 § 5 Absatz 1 des Lov Nr. 516 om retsforholdet mellem arbejdsgivere og funkionärer (Gesetz über die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Angestellten) vom 23. Juli 1987 (im folgenden: Angestelltengesetz) lautet:

"Ist der Angestellte wegen Krankheit ausserstande, seine Arbeit zu verrichten, so ist das darauf beruhende Fernbleiben vom Dienst als gerechtfertigte Arbeitsverhinderung des Angestellten anzusehen, es sei denn, er hat die Krankheit während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt oder bei seiner Einstellung arglistig verschwiegen, daß er an der betreffenden Krankheit litt."

12 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß der Begriff "Krankheit" in dieser Bestimmung jedes Leiden oder jede Beeinträchtigung körperlicher oder seelischer Art umfasst, die nach ärztlichem Urteil dazu führen, daß der Angestellte seine Arbeit nicht verrichten kann.

13 Nach § 5 des Lov Nr. 852 om dagpenge ved sygdom eller födsel (Gesetz über Tagegeld bei Krankheit und Entbindung) vom 20. Dezember 1989 (im folgenden: Tagegeldgesetz) wird dem Angestellten, der wegen Krankheit voll arbeitsunfähig ist, das Gehalt in voller Höhe weitergezahlt. Der Arbeitgeber hat dann Anspruch auf Auszahlung des Tagegeldes, das sonst dem Angestellten zugestanden hätte.

14 In bezug auf die Schwangerschaft und Mutterschaft bestimmt § 7 des Angestelltengesetzes ausserdem:

"1. Im Hinblick auf die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers muß die Angestellte spätestens drei Monate vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin angeben, wann sie ihren Mutterschaftsurlaub antreten will.

2. Der Arbeitgeber ist im Fall der Schwangerschaft einer Angestellten verpflichtet, dieser während fünf Monaten vom Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an das halbe Gehalt zu zahlen, jedoch frühestens drei Monate vor der Entbindung und bis zu drei Monaten nach der Entbindung. Die gleiche Verpflichtung besteht, wenn der Arbeitgeber meint, die Angestellte nicht beschäftigen zu können, obwohl sie nicht arbeitsunfähig ist. Kündigt der Arbeitgeber der Angestellten, so ist er verpflichtet, ihr bis zu ihrem Ausscheiden nach Ablauf der für sie geltenden Kündigungsfrist das volle Gehalt zu zahlen."

15 Nach dem Vorlagebeschluß begründet die Arbeitsunfähigkeit wegen Schwangerschaft und Entbindung grundsätzlich nicht die gleichen Rechte wie die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit.

16 So hat die Angestellte, wie sich aus der zitierten Bestimmung ergibt, während höchstens fünf Monaten in einem Zeitraum, der frühestens drei Monate vor der Entbindung beginnt und spätestens drei Monate nach der Entbindung endet, nur Anspruch auf die Hälfte ihres Gehalts, das vom Arbeitgeber zu zahlen ist.

17 Dagegen hat die Angestellte, die während der Schwangerschaft, aber vor Beginn des Mutterschaftsurlaubs erkrankt, gemäß § 5 des Angestelltengesetzes nur dann Anspruch auf ihr volles Gehalt, wenn ihre Krankheit nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängt.

18 Tritt nämlich im Zusammenhang mit der Schwangerschaft eine Arbeitsunfähigkeit oder eine aus einem besonderen Grund gerechtfertigte Arbeitsverhinderung früher als drei Monate vor der Entbindung ein, hat die Angestellte grundsätzlich keinen Anspruch auf ihr Gehalt, sondern bezieht Leistungen nach dem Tagegeldgesetz und dem Rundschreiben Nr. 191 vom 27. Oktober 1994.

19 Die Angestellte muß auf Verlangen des Arbeitgebers ihre Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Diese muß durch einen Arzt festgestellt worden sein. Die Angestellte ist nicht verpflichtet, den Grund für die Arbeitsunfähigkeit zu nennen, muß jedoch angeben, ob diese mit der Schwangerschaft zusammenhängt.

20 Schließlich kann der Arbeitgeber nach § 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Angestelltengesetzes eine schwangere Angestellte von der Arbeit freistellen, auch wenn sie nicht arbeitsunfähig ist, wenn er meint, sie nicht beschäftigen zu können. In diesem Fall ist er verpflichtet, ihr das halbe Gehalt zu zahlen.

21 So liegt dieser Bestimmung nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts die Auffassung zugrunde, daß der Arbeitgeber je nach Art der Beschäftigung Anforderungen an die Einsatzfähigkeit der Angestellten stellen kann, die es rechtfertigen, daß diese schon früher als drei Monate vor der Entbindung aufhört zu arbeiten. Der Arbeitgeber muß die Freistellung der betreffenden Angestellten von der Arbeit begründen können.

Der Ausgangsrechtsstreit

22 B. Höj Pedersen, B. Andresen, T. Pedersen und P. Sörensen fallen unter das dänische Angestelltengesetz. Bei ihnen allen nahm die Schwangerschaft bereits vor Beginn des Zeitraums von drei Monaten vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin einen anomalen Verlauf.

23 B. Höj Pedersen und B. Andresen wurden daraufhin für voll arbeitsunfähig erklärt. Ihr Arbeitgeber zahlte ihr Gehalt nicht weiter und forderte sie auf, Tagegeld zu beantragen.

24 T. Pedersen wurde nur für teilweise arbeitsunfähig erklärt. Sie schlug deshalb ihrem Arbeitgeber J. Rasmussen vor, ihre Arbeit in einem gewissen Umfang wieder aufzunehmen, was dieser ablehnte. Später wurde ihr mitgeteilt, daß eine Vollzeitersatzkraft eingestellt worden sei und daß sie kein Gehalt mehr bekomme; auch sie wurde deshalb aufgefordert, vorzeitiges Mutterschaftstagegeld zu beantragen.

25 In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, daß die Ursache der Arbeitsunfähigkeit von P. Sörensen nach wie vor fraglich ist.

26 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben Klage beim Sö- og Handelsret erhoben und unter Hinweis auf die geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Gleichbehandlung der Geschlechter die Auslegung des § 5 des Angestelltengesetzes gerügt, wonach Frauen, die früher als drei Monate vor der Entbindung schwangerschaftsbedingt arbeitsunfähig werden, keinen Anspruch auf ihr volles Gehalt haben.

27 Das Sö-og Handelsret ist der Auffassung, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt, und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht das Gemeinschaftsrecht, namentlich Artikel 119 EG-Vertrag sowie die Richtlinien 75/117/EWG, 76/207/EWG und 92/85/EWG nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen der Arbeitgeber von der Fortzahlung des Gehalts an schwangere Arbeitnehmerinnen befreit ist, wenn

1. die Fehlzeiten darauf beruhen, daß die Schwangerschaft eine Krankheit, die nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängt, wesentlich verschlimmert,

2. die Fehlzeiten auf einer Krankheit beruhen, die durch die Schwangerschaft verursacht worden ist,

3. die Fehlzeiten darauf beruhen, daß die Schwangerschaft einen krankheitsmässigen Verlauf nimmt und daß die Weiterbeschäftigung eine Gefahr für die Gesundheit der Frau oder für das ungeborene Kind mit sich bringt,

4. die Fehlzeiten auf gewöhnlichen Schwangerschaftsbeschwerden bei normal verlaufender Schwangerschaft beruhen, die im übrigen nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt,

5. die Fehlzeiten auf dem ärztlichen Urteil beruhen, daß das ungeborene Kind geschont werden muß, ohne daß dieses Urteil mit einem krankhaften Zustand im eigentlichen Sinne oder mit besonderen Gefahren für das ungeborene Kind begründet wird,

6. die Fehlzeiten darauf beruhen, daß der Arbeitgeber allein aufgrund der Schwangerschaft meint, für die Arbeitskraft der schwangeren Arbeitnehmerin keine Verwendung zu haben, obwohl diese nicht arbeitsunfähig ist,

und wenn der Staat der schwangeren Arbeitnehmerin in den Fällen 1 bis 3 und 6 Tagegeld zu demselben Satz gewährt, den sie bei Krankheitsurlaub erhalten würde, nicht dagegen in den Fällen 4 und 5, und wenn der Arbeitgeber im übrigen nach dem nationalen Recht zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet ist?

Der erste, zweite und dritte Fall

28 Das vorlegende Gericht fragt zunächst, ob Artikel 119 EG-Vertrag sowie die Richtlinien 75/117 und 92/85 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen eine schwangere Frau, die vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs aufgrund eines mit der Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustands arbeitsunfähig wird und hierüber eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch ihren Arbeitgeber hat, sondern lediglich auf die Zahlung von Tagegeld durch eine örtliche Behörde, während Arbeitnehmer bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch den Arbeitgeber haben.

29 Die Richtlinie 75/117 soll im wesentlichen die konkrete Anwendung des in Artikel 119 des Vertrages genannten Grundsatzes des gleichen Entgelts erleichtern und berührt deshalb in keiner Weise den Inhalt oder die Tragweite dieses Grundsatzes, wie er in dieser Vorschrift definiert ist (Urteil vom 3. Dezember 1987 in der Rechtssache 192/85, Newstead, Slg. 1987, 4753, Randnr. 20).

30 Die Richtlinie 92/85 wurde am 19. Oktober 1992 erlassen und sollte gemäß Artikel 14 in den darauffolgenden zwei Jahren durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Der Umstand, daß die den Ausgangsrechtsstreitigkeiten zugrunde liegenden Sachverhalte zeitlich ganz überwiegend vor Ablauf der Umsetzungsfrist, aber nach Erlaß der Richtlinie liegen, hindert nicht, daß das vorlegende Gericht dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung dieser Richtlinie vorlegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411, und vom 8. Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969).

31 Denn nach ständiger Rechtsprechung gestattet es Artikel 177 des Vertrages, der von einer klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen den staatlichen Gerichten und dem Gerichtshof ausgeht, diesem nicht, über den ihm vorgelegten Sachverhalt zu befinden oder die Gründe des Auslegungsersuchens zu beanstanden. Beantragt ein nationales Gericht die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift, so ist davon auszugehen, daß es diese Auslegung für die Entscheidung des Rechtsstreits als erforderlich erachtet (Urteil vom 5. Oktober 1977 in der Rechtssache 5/77, Tedeschi, Slg. 1977, 1555, Randnrn. 17 bis 18).

32 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 171/88 (Rinner-Kühn, Slg. 1989, 2743) festgestellt hat, fällt das Gehalt, das der Arbeitgeber während des Krankheitsurlaubs eines Arbeitnehmers schuldet, unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 des Vertrages, der alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen umfasst, vorausgesetzt, daß der Arbeitgeber sie dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt, sei es aufgrund eines Arbeitsvertrags, aufgrund von Rechtsvorschriften oder freiwillig (vgl. Urteile vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, Slg. 1990, I-1889, Randnr. 12, und vom 6. Februar 1996 in der Rechtssache C-457/93, Lewark, Slg. 1996, I-243, Randnr. 21).

33 Wenn die Schwangerschaft auch keineswegs einem krankhaften Zustand gleichzustellen ist (Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-32/93, Webb, Slg. 1994, I-3567, Randnr. 25), so kann es während dieser Zeit doch zu Beschwerden und Komplikationen kommen, die die Frau zwingen, sich einer strengen ärztlichen Überwachung zu unterziehen und sich gegebenenfalls während der gesamten oder eines Teils der Schwangerschaft in jeder Hinsicht zu schonen. Diese Beschwerden und Komplikationen, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben können, gehören zu den mit einer Schwangerschaft verbundenen Risiken und damit zu den Besonderheiten dieses Zustandes (Urteil vom 30. Juni 1998 in der Rechtssache C-394/96, Brown, Slg. 1998, I-4185, Randnr. 22).

34 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, daß jeder Arbeitnehmer nach den im Ausgangsverfahren geltenden Rechtsvorschriften im Krankheitsfall grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung des vollen Gehalts hat.

35 Folglich beruht der Umstand, daß eine Frau vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs nicht ihr volles Gehalt bekommt, wenn ihre Arbeitsunfähigkeit auf einen mit der Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustand zurückzuführen ist, im wesentlichen auf der Schwangerschaft und stellt somit eine Diskriminierung dar.

36 Anders wäre dies nur, wenn die Beträge, die die Angestellten als Tagegeld erhalten, ihrem Gehalt entsprächen. Wäre dies der Fall, so hätte das vorlegende Gericht weiter zu prüfen, ob die Auszahlung des Tagegeldes durch eine örtliche Behörde nicht eine gegen Artikel 119 des Vertrages verstossende Diskriminierung sein kann.

37 Infolgedessen führt die Anwendung von Rechtsvorschriften wie denen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, zu einer Diskriminierung der Arbeitnehmerinnen, die gegen Artikel 119 des Vertrages und die Richtlinie 75/117 verstösst.

38 Die Beklagten der Ausgangsverfahren machen geltend, nach Artikel 11 der Richtlinie 92/85 dürfe im nationalen Recht eine Obergrenze für die Leistungen vorgesehen werden, die die Arbeitnehmerinnen bei Schwangerschaft beziehen könnten. Falls eine Diskriminierung vorliegen sollte, sei sie dadurch gerechtfertigt, daß die dänischen Vorschriften Ausdruck einer Verteilung der mit der Schwangerschaft verbundenen Risiken und wirtschaftlichen Belastungen auf die schwangere Arbeitnehmerin, den Arbeitgeber und die Gesellschaft seien. Diese Verteilung erkläre sich insbesondere aus einer Abwägung zwischen dem Bestreben, den Arbeitnehmerinnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, und der Notwendigkeit, ihnen bei Schwangerschaft Schutz zu gewähren.

39 Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 92/85 erlaubt die Anwendung einer von den einzelstaatlichen Gesetzgebern festgelegten Obergrenze nur für Arbeitsentgelte oder Leistungen, die den Arbeitnehmerinnen im Rahmen des Mutterschaftsurlaubs gezahlt werden, der im übrigen in Artikel 8 der Richtlinie definiert wird.

40 Der Wille, die mit der Schwangerschaft zusammenhängenden Risiken und wirtschaftlichen Belastungen auf die schwangere Arbeitnehmerin, den Arbeitgeber und die Gesellschaft zu verteilen, kann die in Randnummer 35 dieses Urteils festgestellte Diskriminierung nicht rechtfertigen. Er ist nämlich kein objektiver Faktor im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes, der nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat (vgl. Urteil Lewark, a. a. O., Randnr. 31).

41 Nach alledem stehen Artikel 119 des Vertrages und die Richtlinie 75/117 nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen eine schwangere Frau, die vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs aufgrund eines mit der Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustands arbeitsunfähig wird und hierüber eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch ihren Arbeitgeber hat, sondern lediglich auf die Zahlung von Tagegeld durch eine örtliche Behörde, während Arbeitnehmer bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch den Arbeitgeber haben.

Der vierte und der fünfte Fall

42 Die Frage des vorlegenden Gerichts geht weiter dahin, ob Artikel 119 des Vertrages und die Richtlinie 75/117 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen eine schwangere Frau keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehalts durch den Arbeitgeber hat, wenn sie der Arbeit vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs wegen gewöhnlicher Schwangerschaftsbeschwerden fernbleibt, ohne im übrigen arbeitsunfähig zu sein, oder wegen einer ärztlichen Empfehlung, das ungeborene Kind zu schonen, die nicht mit einem krankhaften Zustand im eigentlichen Sinne oder mit besonderen Risiken für das ungeborene Kind begründet worden ist, während Arbeitnehmer, die wegen Krankheit arbeitsunfähig sind, grundsätzlich einen solchen Anspruch besitzen.

43 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, daß die Frage, ob auf P. Sörensen der vierte oder der fünfte Fall zutrifft, vom vorlegenden Gericht noch nicht endgültig entschieden ist.

44 Deshalb sind beide Fälle zu prüfen.

45 Zwar macht, wie der Gerichtshof bereits im Urteil vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 244/78 (Union Laitière Normande, Slg. 1979, 2663, Randnr. 5) entschieden hat, die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich, den rechtlichen Rahmen zu umreissen, in den sich die erbetene Auslegung einfügen soll. Unter diesem Gesichtspunkt kann es je nach der Gestaltung des Falles von Vorteil sein, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage an den Gerichtshof der Sachverhalt und die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt sind, so daß der Gerichtshof sich über alle Tatsachen- und Rechtsfragen unterrichten kann, auf die es bei der von ihm vorzunehmenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts möglicherweise ankommt (Urteil vom 10. März 1981 in den Rechtssachen 36/80 und 71/80, Irish Creamery Milk Suppliers Association u. a., Slg. 1981, 735, Randnr. 6).

46 Durch diese Erwägungen wird jedoch keinesfalls das Ermessen des nationalen Gerichts eingeschränkt, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und der von den Parteien vorgetragenen Argumente verfügt und die Verantwortung für die zu fällende Entscheidung zu tragen hat und das daher die besseren Voraussetzungen für die Beurteilung der Frage besitzt, in welchem Verfahrensstadium es einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes bedarf (Urteil Irish Creamery Milk Suppliers Association u. a., a. a. O., Randnr. 7).

47 Nach Randnummer 32 des vorliegenden Urteils fällt das Arbeitsentgelt, das ein Arbeitnehmer während eines Krankheitsurlaubs erhält, unter den Begriff des Entgelts im Sinne des Artikels 119 des Vertrages.

48 Anders als in den ersten drei vom vorlegenden Gericht genannten Fällen bleibt die schwangere Arbeitnehmerin der Arbeit vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs jedoch nicht wegen eines krankhaften Zustandes oder wegen besonderer Risiken für das ungeborene Kind, die zu einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit führen, fern, sondern wegen gewöhnlicher Schwangerschaftsbeschwerden oder aufgrund einer blossen ärztlichen Empfehlung, ohne daß im einen oder anderen Fall eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

49 Daß die Arbeitnehmerin aufgrund dieser nicht durch Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten weniger oder gar kein Gehalt erhält, beruht somit nicht wesentlich auf ihrer Schwangerschaft, sondern auf ihrer Entscheidung, nicht zu arbeiten.

50 Nach alledem stehen Artikel 119 des Vertrages und die Richtlinie 75/117 nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen eine schwangere Frau keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehalts durch den Arbeitgeber hat, wenn sie der Arbeit vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs wegen gewöhnlicher Schwangerschaftsbeschwerden fernbleibt, ohne im übrigen arbeitsunfähig zu sein, oder wegen einer ärztlichen Empfehlung, das ungeborene Kind zu schonen, die nicht mit einem krankhaftem Zustand oder mit besonderen Risiken für das ungeborene Kind begründet worden ist, während Arbeitnehmer, die wegen Krankheit arbeitsunfähig sind, grundsätzlich einen solchen Anspruch besitzen.

Der sechste Fall

51 Die Frage des vorlegenden Gerichts geht schließlich auch dahin, ob die Richtlinien 76/207 und 92/85 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen ein Arbeitgeber eine schwangere Frau von der Arbeit freistellen kann, ohne ihr das volle Gehalt zu zahlen, wenn er meint, sie nicht beschäftigen zu können, obwohl sie nicht arbeitsunfähig ist.

52 Nach Artikel 5 der Richtlinie 76/207 müssen Männern und Frauen dieselben Arbeitsbedingungen und dieselben Entlassungsbedingungen gewährt werden.

53 Da Rechtsvorschriften wie die, um die es in den Ausgangsrechtssteitigkeiten geht, ausschließlich Angestellte weiblichen Geschlechts betreffen, stellen sie eine gegen diese Bestimmung verstossende Diskriminierung dar.

54 Zwar ist in Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 76/207, der den Mitgliedstaaten das Recht vorbehält, Vorschriften zum Schutz der Frau "bei Schwangerschaft und Mutterschaft" beizubehalten oder einzuführen, in bezug auf den Gleichheitsgrundsatz die Berechtigung des Schutzes der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft anerkannt (Urteil Webb, a. a. O., Randnr. 20).

55 Rechtsvorschriften wie die, um die es in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten geht, fallen jedoch nicht in den Geltungsbereich dieser Bestimmung.

56 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die dänischen Rechtsvorschriften weniger den Schutz der körperlichen Verfassung der schwangeren Frau als vielmehr die Wahrung der Interessen des Arbeitgebers bezwecken. So liegt diesen Vorschriften nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts die Auffassung zugrunde, daß der Arbeitgeber je nach Art der Beschäftigung Anforderungen an die Einsatzfähigkeit der Angestellten stellen kann, die es rechtfertigen, daß diese schon früher als drei Monate vor der Entbindung aufhört zu arbeiten.

57 Die Artikel 4 und 5 der Richtlinie 92/85 sehen ein Beurteilungs- und Unterrichtungsverfahren für die Tätigkeiten vor, die möglicherweise ein Risiko für Sicherheit oder Gesundheit begründen oder Auswirkungen auf die Schwangerschaft oder Stillzeit der Arbeitnehmerinnen haben. Dieses Verfahren kann zu einer vorläufigen Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber oder, wenn eine solche Umgestaltung nicht möglich ist, zu einem Arbeitsplatzwechsel führen. Nur wenn auch ein solcher Arbeitsplatzwechsel unmöglich ist, wird die Arbeitnehmerin während des gesamten zum Schutz ihrer Gesundheit und Sicherheit erforderlichen Zeitraums entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten beurlaubt.

58 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß Vorschriften wie die, um die es in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten geht, nicht die materiellen und formellen Voraussetzungen erfuellen, die die Richtlinie 92/85 für die Beurlaubung der Arbeitnehmerin aufstellt. Zum einen ist die Beurlaubung der Arbeitnehmerin durch die Interessen des Arbeitgebers begründet; zum anderen kann der Arbeitgeber diese Entscheidung fällen, ohne zuvor die Möglichkeit der Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, der Angestellten einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, geprüft zu haben.

59 Aus alledem folgt, daß die Richtlinien 76/207 und 92/85 nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen ein Arbeitgeber eine schwangere Frau von der Arbeit freistellen kann, ohne ihr das volle Gehalt zu zahlen, wenn er meint, sie nicht beschäftigen zu können, obwohl sie nicht arbeitsunfähig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Die Auslagen der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Sö- og Handelsret mit Beschluß vom 20. Februar 1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

61 Artikel 119 EG-Vertrag und die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen stehen nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen eine schwangere Frau, die vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs aufgrund eines mit der Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustands arbeitsunfähig wird und hierüber eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, keinen Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch ihren Arbeitgeber hat, sondern lediglich auf die Zahlung von Tagegeld durch eine örtliche Behörde, während Arbeitnehmer bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung ihres vollen Gehalts durch den Arbeitgeber haben.

62 Artikel 119 EG-Vertrag und die Richtlinie 75/117 stehen der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen eine schwangere Frau keinen Anspruch auf die Fortzahlung ihres Gehalts durch den Arbeitgeber hat, wenn sie der Arbeit vor Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs wegen gewöhnlicher Schwangerschaftsbeschwerden fernbleibt, ohne im übrigen arbeitsunfähig zu sein, oder wegen einer ärztlichen Empfehlung, das ungeborene Kind zu schonen, die nicht mit einem krankhaften Zustand im eigentlichen Sinne oder mit besonderen Risiken für das ungeborene Kind begründet worden ist, während Arbeitnehmer, die wegen Krankheit arbeitsunfähig sind, grundsätzlich einen solchen Anspruch besitzen.

63 Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) stehen nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen ein Arbeitgeber eine schwangere Frau von der Arbeit freistellen kann, ohne ihr das volle Gehalt zu zahlen, wenn er meint, sie nicht beschäftigen zu können, obwohl sie nicht arbeitsunfähig ist.

Ende der Entscheidung

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