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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 22.05.1990
Aktenzeichen: C-68/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Damit gegen eine Handlung des Europäischen Parlament Nichtigkeitsklage erhoben werden kann, muß diese Handlung dazu bestimmt sein, gegenüber Dritten Rechtswirkungen zu entfalten; dies ist bei Handlungen, die nur die interne Organisation der Arbeit des Parlaments betreffen, wie die Benennung der Mitglieder und die Wahl der Vorsitzenden der interparlamentarischen Delegationen nicht der Fall.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 22. MAI 1990. - YVAN BLOT UND ASSOCIATION "FRONT NATIONAL" GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - OFFENSICHTLICHE UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-68/90.

Entscheidungsgründe:

1 Y. Blot, Abgeordneter des Europäischen Parlaments und Mitglied der Fraktion der Europäischen Rechten, und die Front national, Vereinigung ohne Gewinnzweck nach dem französischen Gesetz vom 18. Juli 1901, vertreten durch ihren Vorsitzenden Le Pen, haben mit Klageschrift, die am 16. März 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung dreier Maßnahmen des Europäischen Parlaments, nämlich der Einberufung einer Sitzung der interparlamentarischen Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen mit der Schweiz am 16. Januar 1990, der Veranstaltung der Benennung des Vorsitzenden dieser Delegation und der Benennung von G. Topmann als Vorsitzenden der Delegation am 16. Januar 1990.

2 Die Kläger machen geltend, aus dem Dokument vom 9. Oktober 1989, das die Namen der Vorsitzenden angebe, die von den Fraktionen nach dem Beschluß vom 22. April 1982 ( ABl. C 125, S. 113 ) mitgeteilt worden seien, gehe hervor, daß der Kläger Blot als Vorsitzender der interparlamentarischen Delegation für die Beziehungen zur Schweiz benannt worden sei; die Wahl von G. Topmann, Mitglied der sozialistischen Fraktion, zum Vorsitzenden dieser Delegation in einer in Straßburg am 16. Januar 1990 abgehaltenen Sitzung sei ungültig.

3 Der Kläger Blot stützt sein Vorbringen, wonach das Verfahren zur Benennung von G. Topmann rechtswidrig sei, auf vier Rügen : Verstoß gegen die Geschäftsordnung, Verstoß gegen den Gleichheitssatz, betrügerisches Vergehen und Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.

4 Aus den Akten geht hervor, daß der Kläger Blot nach Ansicht des Beklagten in Wirklichkeit niemals als Vorsitzender der fraglichen Delegation benannt worden war.

5 Nach dem Beschluß vom 22. April 1982 werden die Namen der Vorsitzenden dem Erweiterten Präsidium von den Fraktionen und den fraktionslosen Mitgliedern mitgeteilt; das Erweiterte Präsidium beschließt über etwaige Einsprüche. Nach den Akten trug das Dokument vom 9. Oktober 1989, auf das sich die Kläger beziehen, den ausdrücklichen Vermerk "vorläufig ".

6 Am 13. Dezember 1989 änderte das Europäische Parlament Artikel 126 seiner Geschäftsordnung. In der alten Fassung der Vorschrift lautete Absatz 2 : "Bei der Einrichtung der Delegationen wird zugleich über eine den Fraktionsstärken entsprechende Zusammensetzung und die Zahl der Mitglieder entschieden" und Absatz 3 : "Die Fraktionen benennen die Mitglieder der Delegationen." Die entsprechenden Vorschriften der am 13. Dezember 1989 verabschiedeten Fassung lauten : "Die Delegationsmitglieder werden gewählt, nachdem sie dem Präsidium von den Fraktionen, den fraktionslosen Mitgliedern oder mindestens dreizehn Mitgliedern benannt werden" und : "Das Präsidium unterbreitet dem Parlament Vorschläge, die - soweit möglich - einer gerechten Vertretung nach Mitgliedstaaten und politischen Richtungen Rechnung tragen."

7 Aus den Akten geht ferner hervor, daß das Erweiterte Präsidium am 10. Oktober 1989 in Erwartung einer Änderung der Geschäftsordnung, mit der die Einzelheiten der Benennung der Vorstände der Delegationen geregelt werden sollen, beschließt, "die Delegationen aufzufordern, ihren Vorstand zu bilden, wobei sie in Ermangelung einer Einigung die Wahl unter dem Vorsitz ihres ältesten Mitglieds durchführen müssen ".

8 Weiter ergibt sich aus den Akten, daß in der Sitzung der interparlamentarischen Delegation für die Beziehungen zur Schweiz am 12. Oktober 1989 unter Vorsitz des ältesten Mitglieds und in Anwesenheit des Klägers die Mehrheit der Mitglieder den Wunsch zum Ausdruck brachte, daß die Entscheidung über den Vorsitz vertagt werden solle.

9 Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83 ( Parti écologiste "Les Verts"/Europäisches Parlament, Slg. 1986, 1339 ) kann nur gegen Handlungen des Europäischen Parlaments, die gegenüber Dritten Rechtswirkungen entfalten sollen, die Nichtigkeitsklage erhoben werden.

10 Im vorliegenden Fall wird mit der Klage die Rechtmässigkeit des Verfahrens zur Benennung des Vorsitzenden einer interparlamentarischen Delegation angegriffen. Nach dem angeführten Beschluß des Europäischen Parlaments vom 22. April 1982, der durch Beschluß vom 11. Oktober 1984 ( ABl. C 300, S. 50 ) bestätigt wurde, sind "die interparlamentarischen Delegationen für die Beziehungen zu Drittländern die für die Aussenkontakte und die interparlamentarische Zusammenarbeit des Parlaments zuständigen Organe"; "ihre Aufgabe ist der interparlamentarische Dialog, die gegenseitige Information über aktuelle Fragen und Studien von besonderem Interesse, den Aussenpolitiken der Gemeinschaft einen parlamentarischen Rahmen zu verleihen ".

11 Somit sind die interparlamentarischen Delegationen nur für Informationen und Kontakte zuständig; die Handlungen im Zusammenhang mit der Benennung ihrer Mitglieder und der Wahl ihres Vorsitzenden betreffen nur die interne Organisation der Arbeit des Europäischen Parlaments.

12 Wie nun aus dem Beschluß des Gerichtshofes vom 4. Juni 1986 in der Rechtssache 78/85 ( Fraktion der Europäischen Rechten/Parlament, Slg. 1986, 1753 ) hervorgeht, können Handlungen, die nur die interne Organisation der Arbeit des Europäischen Parlaments betreffen, nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden.

13 Deshalb ist die Klage nach Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung als unzulässig abzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen :

1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2 ) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 22. Mai 1990.

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