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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: C-70/99
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 2408/92


Vorschriften:

EGV Art. 59 a.F.
Verordnung (EWG) Nr. 2408/92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ungeachtet weiterer Befugnisse, die ihr nach dem EG-Vertrag zustehen, um die Wahrung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, kann die Kommission frei beurteilen, ob sie die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage für zweckmäßig hält, ohne ihre Entscheidung rechtfertigen zu müssen; die Erwägungen, die für diese Wahl bestimmend sind, können die Zulässigkeit der Klage nicht beeinflussen. Der Gerichtshof hat lediglich zu prüfen, ob die behauptete Zuwiderhandlung grundsätzlich in dem gewählten Verfahren verfolgt werden kann.

( vgl. Randnr. 17 )

2. Eine nationale Regelung, die eine für innergemeinschaftliche Flüge höhere Abfertigungsabgabe als für Inlandsfluege und eine für innergemeinschaftliche Flüge höhere Sicherheitsabgabe als für bestimmte Inlandsfluege vorsieht, stellt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, die nach Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs, die darauf gerichtet ist, auf dem Gebiet des Luftverkehrs die Bedingungen für die Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs festzulegen, verboten ist. Artikel 59 EG-Vertrag steht nämlich unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Marktes der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb nur eines Mitgliedstaats erschwert.

( vgl. Randnrn. 22, 27, 38 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 26. Juni 2001. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Portugiesische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Gemeinschaftlicher Luftverkehr - Unterschiedliche Flughafenabgaben für Inlandflüge und innergemeinschaftliche Flüge - Freier Dienstleistungsverkehr - Verordnung (EWG) Nr. 2408/92. - Rechtssache C-70/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-70/99

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Benyon und F. de Sousa Fialho als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes, M. L. Duarte und F. Viegas als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Feststellung, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. L 240, S. 8) verstoßen hat, indem sie Artikel 10 des Decreto regulamentar (Durchführungsverordnung) Nr. 38/91 vom 29. Juli 1991 (Diário da República I, Serie B, Nr. 172 vom 29. Juli 1991) aufrechterhalten hat, wonach für Flüge von Portugal nach anderen Mitgliedstaaten höhere Abfertigungsabgaben erhoben werden als für Inlandsfluege, und indem sie das Decreto-lei (gesetzesvertretende Verordnung) Nr. 102/91 vom 8. März 1991 (Diário da República I, Serie A, Nr. 56 vom 8. März 1991), wie es mit den späteren Durchführungsverordnungen durchgeführt wird, aufrechterhalten hat, wonach für Flüge von Portugal nach anderen Mitgliedstaaten höhere Sicherheitsabgaben erhoben werden als für bestimmte Inlandsfluege,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann, der Richter V. Skouris, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und R. Schintgen sowie der Richterin N. Colneric,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 11. Januar 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. März 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 26. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. L 240, S. 8) verstoßen hat, indem sie Artikel 10 des Decreto regulamentar (Durchführungsverordnung) Nr. 38/91 vom 29. Juli 1991 (Diário da República I, Serie B, Nr. 172 vom 29. Juli 1991) aufrechterhalten hat, wonach für Flüge von Portugal nach anderen Mitgliedstaaten höhere Abfertigungsabgaben erhoben werden als für Inlandsfluege, und indem sie das Decreto-lei (gesetzesvertretende Verordnung) Nr. 102/91 vom 8. März 1991 (Diário da República I, Serie A, Nr. 56 vom 8. März 1991), wie es mit den späteren Durchführungserlassen durchgeführt wird, aufrechterhalten hat, wonach für Flüge von Portugal nach anderen Mitgliedstaaten höhere Sicherheitsabgaben erhoben werden als für bestimmte Inlandsfluege.

Gemeinschaftsregelung

2 Artikel 59 Absatz 1 EG-Vertrag stellt den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auf.

3 Die aufgrund des Artikels 84 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 80 Absatz 2 EG) ergangene Verordnung Nr. 2408/92 ist Teil des dritten Maßnahmenpakets", das vom Rat zur schrittweisen Schaffung des Binnenmarktes für den Luftverkehr bis zum 31. Dezember 1992 erlassen worden ist. Diese Verordnung sieht namentlich den freien Zugang der Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs vor.

4 Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 bestimmt: Vorbehaltlich dieser Verordnung wird Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft von den betroffenen Mitgliedstaaten die Genehmigung erteilt, Verkehrsrechte auf Strecken in der Gemeinschaft auszuüben." Diese Verordnung enthält abweichende Bestimmungen insbesondere hinsichtlich der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Luftfahrtunternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen.

Nationale Regelung

5 Mit Artikel 10 des Decreto-lei Nr. 38/91 wurde eine Abfertigungsabgabe eingeführt, deren Höhe von dem inländischen oder internationalen Flugziel des Flugdienstes abhängt, für den sie gilt. Die Höhe dieser Flughafenabgaben wird durch Erlass des für den Verkehrssektor zuständigen Ministers für die Flüge mit Abflugsort Lissabon, Porto und Faro einerseits und für diejenigen mit Abflugsort auf den Azoren andererseits festgesetzt. In beiden Fällen sehen die Erlasse einen unterschiedlichen Tarif für Inlandsfluege und internationale Flüge vor.

6 Mit dem Decreto-lei Nr. 102/91 wurde eine Sicherheitsabgabe eingeführt, die für jede von einem portugiesischen Flughafen als Abflugsort ausgestellte Flugkarte erhoben wird. Zunächst sah die zur Durchführung dieses Decreto-lei erlassene Regelung unterschiedliche Abgaben für Flüge nach einem inländischen und für solche nach einem internationalen Flughafen vor. Seit der Portaria (Durchführungsverordnung) Nr. 240/98 des für den Verkehr zuständigen Ministers vom 16. April 1998 (Diário da República I, Serie B, Nr. 89 vom 16. April 1998) richtet sich die Höhe der Abgabe danach, ob es sich um einen regionalen, innergemeinschaftlichen oder internationalen Flughafen handelt. Die durch Ministerialerlass festgelegte Liste der regionalen Flüge umfasst die Flugverbindungen zwischen den Flughäfen der Azoren oder Madeiras und einem anderen inländischen Flughafen.

Vorverfahren

7 Die Kommission war der Auffassung, dass die streitigen Bestimmungen, soweit sie bei Flügen mit Ausgangsflughafen im Inland höhere Abfertigungsabgaben für innergemeinschaftliche Flüge als für Inlandsfluege und höhere Sicherheitsabgaben für innergemeinschaftliche Flüge als für bestimmte, als regionale Flüge eingestufte Inlandsfluege vorschrieben, mit dem in den Artikeln 59 EG-Vertrag und 62 EG-Vertrag (dieser aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) niedergelegten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs unvereinbar seien, der der Auslegung von Artikel 3 Absatz 1 der den freien Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs betreffenden Verordnung Nr. 2408/92 zugrunde zu legen sei; sie richtete deshalb am 11. Dezember 1996 gemäß Artikel 169 EG-Vertrag ein Mahnschreiben an die portugiesische Regierung und forderte sie zur Stellungnahme hierzu auf.

8 In ihrer Antwort vom 17. März 1997, in der sie nicht zwischen der Abfertigungsabgabe und der Sicherheitsabgabe unterschied, machte die portugiesische Regierung geltend, dass bei internationalen Flügen umfangreichere Leistungen als bei Inlandsfluegen erforderlich seien und dass die besondere Behandlung der Fluggäste mit Bestimmungs- oder Ausgangsort in den autonomen Regionen Azoren und Madeira durch die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, diese Regionen zu bedienen, und durch sozialpolitische Gründe gerechtfertigt sei, da die Bevölkerung dieser Regionen innerhalb des Staatsgebiets zu annehmbaren finanziellen Bedingungen reisen können müsse.

9 Mit Schreiben vom 30. Juni 1998 richtete die Kommission an die Portugiesische Republik gemäß Artikel 169 EG-Vertrag eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie zu dem Ergebnis gelangte, dass dieser Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen habe, und ihn aufforderte, binnen zwei Monaten nach Zustellung der Stellungnahme die Maßnahmen zur Abstellung der Verstöße zu ergreifen. In der Stellungnahme trug die Kommission erneut vor, dass der durch die Verordnung Nr. 2408/92 gewährleistete freie Zugang der Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs an dem in Artikel 59 EG-Vertrag niedergelegten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs zu messen sei.

10 Da die portugiesischen Behörden die mit Gründen versehene Stellungnahme nicht beantworteten und die Kommission nicht über den Erlass von Maßnahmen, die dazu bestimmt seien, der Stellungnahme nachzukommen, in Kenntnis setzten, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Der Vorwurf der Vertragsverletzung und seine Prüfung durch den Gerichtshof

11 Die Kommission trägt vor, mit dem freien Verkehr von Luftverkehrsdienstleistungen, wie er in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 - dieser Artikel sei nach den aus Artikel 59 EG-Vertrag fließenden allgemeinen Grundsätzen auszulegen - definiert sei, sei es unvereinbar, dass die Portugiesische Republik für innergemeinschaftliche Flüge höhere Flughafenabgaben erhebe als für Inlandsfluege oder regionale Flüge. Die freie Erbringung von Luftverkehrsleistungen in der Gemeinschaft sei durch das vom Rat am 23. Juli 1992 verabschiedete dritte Maßnahmenpaket" zur Gewährleistung der in Artikel 59 EG-Vertrag aufgestellten Grundsätze festgeschrieben worden, die in der Verordnung Nr. 2408/92 eine grundlegende Ausprägung gefunden hätten.

12 Unter Übertragung der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Abgabenregelung der Flughafendienstleistungen, insbesondere der Urteile vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93 (Corsica Ferries, Slg. 1994, I-1783) und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93 (Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145), auf den vorliegenden Fall vertritt die Kommission die Auffassung, eine nationale Regelung, nach der Inlandsfluege und Flüge nach anderen Mitgliedstaaten in der Weise unterschiedlich behandelt würden, dass dem Inlandsverkehr ein besonderer Vorteil gewährt werde, stelle eine Beschränkung des freien Verkehrs von Luftfahrtdienstleistungen dar. Im genannten Urteil Kommission/Frankreich habe der Gerichtshof hervorgehoben, dass der freie Dienstleistungsverkehr unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Marktes und im Hinblick auf die Verwirklichung seiner Ziele die Anwendung einer nationalen Regelung ausschließe, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb nur eines Mitgliedstaats erschwere.

13 Da die streitigen Bestimmungen nicht durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt seien, sei mithin davon auszugehen, dass sie eine Verletzung der Verpflichtungen der Portugiesischen Republik aus Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 bewirkten.

Zur Rechtmäßigkeit des Verfahrens

14 Die portugiesische Regierung macht geltend, die Kommission sei mit der Erhebung der in Artikel 169 EG-Vertrag geregelten Vertragsverletzungsklage nach einem unzutreffenden Verfahren vorgegangen. Da auf dem Gebiet der Flughafengebühren keine Gemeinschaftsharmonisierung bestehe und die Unterscheidung zwischen Inlands- und internationalem Verkehr in den meisten nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sei, hätte die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 EG) vorgehen und eine Harmonisierungsrichtlinie erlassen müssen.

15 Der Erlass einer solchen Richtlinie wäre nämlich die einzige Maßnahme gewesen, die notwendig, angemessen und verhältnismäßig sei. Dagegen bestehe bei einer Anpassung der Regelung eines einzelnen Mitgliedstaats über ein Vertragsverletzungsverfahren die Gefahr einer Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft. Insoweit sei der Kommission vorzuwerfen, dass sie die portugiesische Regierung nicht über etwaige, aus den gleichen Gründen gegen andere Mitgliedstaaten eingeleitete Maßnahmen in Kenntnis gesetzt habe.

16 Da die Kommission außerdem das Verfahren des Artikels 90 EG-Vertrag bereits in einer Rechtssache angewandt habe, in der es um Landegebühren gegangen sei (vgl. Urteil vom 29. März 2001 in der Rechtssache C-163/99, Portugal/Kommission, Slg. 2001, I-2613), hätte sie im Bestreben um Kohärenz ihres gerichtlichen Vorgehens und zur Privilegierung ihrer normativen Tätigkeit im Fall anderer Flughafenabgaben auf das gleiche Verfahren zurückgreifen müssen.

17 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission ungeachtet weiterer Befugnisse, die ihr nach dem EG-Vertrag zustehen, um die Wahrung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, frei beurteilen kann, ob sie die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage für zweckmäßig hält, ohne ihre Entscheidung rechtfertigen zu müssen; die Erwägungen, die für diese Wahl bestimmend sind, können die Zulässigkeit der Klage nicht beeinflussen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 247/87, Star Fruit/Kommission, Slg. 1989, 291, Randnrn. 11 und 12, und vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnr. 27). Der Gerichtshof hat lediglich zu prüfen, ob die behauptete Zuwiderhandlung grundsätzlich in dem gewählten Verfahren verfolgt werden kann.

18 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die der Portugiesischen Republik zur Last gelegte Zuwiderhandlung, sollte sie vorliegen, als Vertragsverletzung anzusehen ist. Das vorliegende Vertragsverletzungsverfahren ist daher rechtmäßig. Infolgedessen ist das Vorbringen der portugiesischen Regierung unerheblich, wonach die Kommission eine Harmonisierungsrichtlinie hätte erlassen oder gegenüber anderen Mitgliedstaaten dem vorliegenden Klageverfahren entsprechende Verfahren hätte einleiten müssen.

Zum Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2408/92

19 Nach Ansicht der portugiesischen Regierung fällt der Gegenstand der streitigen Bestimmungen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2408/92. Diese Verordnung untersage zwar den Mitgliedstaaten jede Regelung oder Praxis, die den Zugang zu den Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs einschränke, regele jedoch nicht die Bedingungen für die Ausübung des Luftverkehrs. Die Abfertigungs- und die Sicherheitsabgaben gehörten aber zu den Bedingungen für die Ausübung des Luftverkehrs.

20 Diese Unterscheidung ist zurückzuweisen. Da die Flughafenabgaben unmittelbar und ohne weiteres den Preis für die Flugstrecke beeinflussen, wirkt sich eine Differenzierung der von den Fluggästen zu tragenden Abgaben automatisch auf die Kosten der Beförderung aus und führt im vorliegenden Fall zu einer Privilegierung des Zugangs zu nationalen oder regionalen Flügen gegenüber dem Zugang zu innergemeinschaftlichen Flügen. Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Anwendung unterschiedlich hoher Hafengebühren je nachdem, ob es sich um eine inländische oder eine innergemeinschaftliche Fahrtstrecke handelt, eine Verletzung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs, d. h. eine Einschränkung des Zugangs zu einer Seeschifffahrtsverbindung, darstellt (vgl. Urteil Kommission/Frankreich, insbesondere Randnrn. 10 und 14).

21 Wie sich aus ihren ersten beiden Begründungserwägungen ergibt, bezweckt die Verordnung Nr. 2408/92 aber gerade, die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in der Luftfahrt im Rahmen der in den Artikeln 74 EG-Vertrag (jetzt Artikel 70 EG) und 75 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 71 EG) definierten gemeinsamen Verkehrspolitik gemäß Artikel 84 Absatz 2 EG-Vertrag aufzuheben, der den Rat zum Erlass geeigneter Vorschriften für die Luftfahrt ermächtigt.

22 Somit dürfen die portugiesischen Vorschriften über Flughafenabgaben nicht der Verordnung Nr. 2408/92 zuwiderlaufen, wie sie im Licht des in Artikel 59 EG-Vertrag niedergelegten Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auszulegen ist. Diese Richtlinie ist nämlich auch darauf gerichtet, auf dem Gebiet des Luftverkehrs die Bedingungen für die Anwendung dieses Grundsatzes festzulegen, damit sämtliche Fragen des Marktzugangs in ein und derselben Verordnung behandelt werden (Urteil vom 18. Januar 2001 in der Rechtssache C-361/98, Italien/Kommission, Slg. 2001, I-385, Randnr. 32).

Zu den Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs

23 Auch wenn die portugiesische Regierung die Verordnung Nr. 2408/92 im vorliegenden Fall nicht für anwendbar hält, räumt sie doch ein, dass die nationalen Rechtsvorschriften dem in Artikel 59 EG-Vertrag verankerten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht zuwiderlaufen dürften.

24 Dazu führt sie zum einen aus, die streitigen Bestimmungen beachteten diesen Grundsatz, da sie keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit der Wirtschaftsteilnehmer schüfen. Zum anderen seien die mit ihnen eingeführten Maßnahmen, selbst wenn man davon ausgehe, dass sie eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs bewirkten, doch durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, und sie seien notwendig und verhältnismäßig. Der Gerichtshof habe in Randnummer 16 des Urteils Kommission/Frankreich in einer ähnlichen Fallgestaltung eine solche Möglichkeit der objektiven Rechtfertigung ausdrücklich bejaht, ohne dass er in jener Rechtssache allerdings hierauf abgestellt habe.

25 Zum Fehlen einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit der Wirtschaftsteilnehmer ist festzustellen, dass die Kommission einen derartigen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs nicht behauptet; das Vorbringen der portugiesischen Regierung, wonach die streitigen Bestimmungen alle in der Gemeinschaft ansässigen Luftfahrtunternehmen gleich behandelten, geht daher ins Leere.

26 Die Kommission beanstandet nämlich, dass die Portugiesische Republik mit Artikel 10 des Decreto regulamentar Nr. 38/91 und dem Decreto-lei Nr. 102/91 den Verkehr von Luftfahrtdienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber dem Verkehr von Luftfahrtdienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert habe; diese Rüge hat aber nichts mit einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit der Luftfahrtunternehmer oder der Fluggäste zu tun.

27 Was diese Rüge angeht, so treffen die streitigen Bestimmungen, auch wenn sie unterschiedslos für alle Luftfahrtunternehmen gelten, unstreitig eine Unterscheidung zwischen Inland- oder regionalen Flügen einerseits und Flügen mit Bestimmungsort in anderen Mitgliedstaaten andererseits. Nach diesen Bestimmungen ist die Abfertigungsabgabe für innergemeinschaftliche Flüge dreimal so hoch wie für Inlandsfluege und die Sicherheitsabgabe für innergemeinschaftliche Flüge doppelt so hoch wie für regionale Flüge. Artikel 59 EG-Vertrag steht aber der Anwendung einer nationalen Regelung, die die Möglichkeit eines Dienstleistungserbringers, vom freien Dienstleistungsverkehr tatsächlich Gebrauch zu machen, ohne objektive Rechtfertigung beschränkt, sowie unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Marktes der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb nur eines Mitgliedstaats erschwert (Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 16 und 17).

28 Der Gerichtshof hat außerdem eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in einem Fall bejaht, in dem die streitige Maßnahme grenzüberschreitende Leistungen gegenüber vergleichbaren innerstaatlichen Leistungen verteuerte (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Randnr. 28). Im vorliegenden Fall wird die grenzüberschreitende Leistung - z. B. Flug von Lissabon nach Madrid - gegenüber einer vergleichbaren innerstaatlichen Leistung - z. B. Flug von Lissabon nach Porto - durch die streitigen Bestimmungen verteuert, die somit einen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs bewirken, es sei denn, sie sind durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, und die mit ihnen getroffenen Maßnahmen sind notwendig und verhältnismäßig.

29 Was erstens die Abfertigungsabgabe angeht, rechtfertigt die portugiesische Regierung die unterschiedliche Behandlung von Inlandsfluegen und innergemeinschaftlichen Flügen damit, dass bei innergemeinschaftlichen und sonstigen internationalen Flügen den Fluggästen umfangreichere, andersartige Dienstleistungen erbracht würden. Hierzu führt sie aus, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Seeverkehr sei angesichts der Eigenheiten des Luftverkehrs auf diesen nicht übertragbar.

30 Die portugiesische Regierung, die lediglich die Dienstleistungen aufzählt, die Fluggästen in Flughäfen erbracht werden, weist indessen nicht nach, dass sich diese Dienstleistungen grundlegend von denjenigen unterschieden, die in Häfen erbracht werden. Sie legt auch weder dar, inwieweit der Unterschied zwischen den Fluggästen innergemeinschaftlicher Flüge erbrachten Dienstleistungen und solchen, die Reisenden zwischen zwei innerhalb Portugals gelegenen Flughäfen erbracht werden, einen eine Verdreifachung der Abfertigungsabgaben für innergemeinschaftliche Flüge gegenüber Inlandsfluegen rechtfertigenden zwingenden Grund des Gemeinwohls liefert, noch, inwieweit eine solche Abgabendifferenz notwendig und verhältnismäßig sein soll.

31 Was zweitens die Sicherheitsabgabe betrifft, rechtfertigt die portugiesische Regierung den für regionale Flüge geltenden ermäßigten Tarif mit der Notwendigkeit, die regionale Entwicklung und die besondere Unterstützung der Regionen in extremer Randlage zu fördern, für die es keine Alternative zum Luftverkehr gebe. Die portugiesischen Behörden beziehen sich dabei im Wesentlichen auf die autonomen Regionen Azoren und Madeira.

32 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die autonome Region Azoren gemäß Artikel 1 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2408/92 von der Anwendung dieser Verordnung bis zum 30. Juni 1998 befreit worden ist. Erst als sich gezeigt hat, dass die bis zum 1. Juli 1998 vorzunehmenden Änderungen der portugiesischen Rechtsvorschriften nicht erfolgt waren, hat die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben. Nach der neunten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2408/92 war die Befreiung wegen der nicht ausreichenden Entwicklung des Luftverkehrssystems auf den Azoren zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung gerechtfertigt. Damit sah diese Regelung ausdrücklich eine vorläufige Ausnahme zur Regionalförderung vor, die eine schrittweise Anpassung in Regionen ermöglichen sollte, in denen besondere Zwänge eine sofortige, unvorbereitete Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen nicht zuließen.

33 Weiter sieht Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 die Möglichkeit einer Förderung der Entwicklung bestimmter Regionen vor. Nach Buchstabe a dieser Bestimmung kann ein Mitgliedstaat im Linienflugverkehr zu einem Flughafen, der ein Rand- oder ein Entwicklungsgebiet seines Hoheitsgebiets bedient,... gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen". Nach Buchstabe h diese Bestimmung können diese Verpflichtungen zu Ausgleichszahlungen führen.

34 Die Verordnung Nr. 2408/92 lässt es also zwar zu, Luftverkehrsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen solche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen, doch müssen diese Verpflichtungen im Voraus festgelegt sein, und die finanziellen Gegenleistungen müssen als der spezifische Ausgleich für diese Verpflichtungen bestimmbar sein.

35 Zum einen haben die unterschiedlich hohen Sicherheitsabgaben für regionale und innergemeinschaftliche Flüge mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die den autonomen Regionen zugute kommen können, eindeutig nichts zu tun. Die portugiesische Regierung beruft sich nämlich auf die Notwendigkeit, den autonomen Regionen Azoren und Madeira eine wirtschaftliche und soziale Hilfe zuteil werden zu lassen, beweist jedoch nicht, ja behauptet noch nicht einmal, dass sie den Luftfahrtunternehmen, die diese Regionen bedienen, irgendeine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt habe; vor allem bestreitet sie nicht, dass der gewährte Vorteil nicht auf Flüge nach den autonomen Regionen beschränkt ist, deren Situation ihn vielleicht rechtfertigen würde, sondern anderen regionalen Flügen zugute kommt oder kommen kann, die in einer durch Ministerialerlass festgelegten Liste, die nach nicht festliegenden Kriterien geändert werden kann, enthalten sind.

36 Zum anderen tut die portugiesische Regierung im Rahmen ihres Vorbringens nicht dar, dass die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, die in einer Sicherheitsabgabe liegt, die für regionale Flüge etwa halb so hoch ist wie für innergemeinschaftliche Flüge, durch einen zwingenden Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt sei.

37 Schließlich ist der von der portugiesischen Regierung angeführte Umstand, dass eine Anwendung des für innergemeinschaftliche Flüge geltenden Abgabenbetrags auf regionale Flüge deren Gesamtpreis übermäßig erhöhen würde, für die Begründetheit der Vertragsverletzungsklage unerheblich, da eine Harmonisierung der Sätze der Flughafenabgaben nicht unbedingt eine Anhebung des niedrigsten Gebührensatzes erfordert.

38 Somit ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 verstoßen hat, indem sie zum einen mit Artikel 10 des Decreto regulamentar Nr. 38/91 eine für innergemeinschaftliche Flüge höhere Abfertigungsabgabe als für Inlandsfluege und zum anderen mit dem Decreto-lei Nr. 102/91 und den hierzu ergangenen Durchführungserlassen eine für innergemeinschaftliche Flüge höhere Sicherheitsabgabe als für bestimmte Inlandsfluege eingeführt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Portugiesischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Portugiesische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2408/92 verstoßen, indem sie zum einen mit Artikel 10 des Decreto regulamentar (Durchführungsverordnung) Nr. 38/91 vom 29. Juli 1991 eine für innergemeinschaftliche Flüge höhere Abfertigungsabgabe als für Inlandsfluege und zum anderen mit dem Decreto-lei (gesetzesvertretende Verordnung) Nr. 102/91 vom 8. März 1991 und den hierzu ergangenen Durchführungserlassen eine für innergemeinschaftliche Flüge höhere Sicherheitsabgabe als für bestimmte Inlandsfluege eingeführt hat.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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