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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.11.1993
Aktenzeichen: C-71/92
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 59
EWG-Vertrag Art. 36
EWG-Vertrag Art. 90 Abs. 2
EWG-Vertrag Art. 223
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus den Richtlinien 71/305 und 77/62 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau- bzw. Lieferaufträge, wenn er

° Rechtsgeschäfte der Verwaltung mit Privaten betreffend Sachen und Rechte, deren Handel durch Gesetz geregelt ist, oder über Erzeugnisse, die überwacht werden, einem Monopol unterfallen oder verboten sind, vom Geltungsbereich der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Aufträge ausschließt, obwohl ein solcher Ausschluß nicht zu den Ausnahmen gehört, die die Richtlinie 77/62 abschließend und ausdrücklich zulässt, und obwohl diese Lieferungen keine Besonderheiten aufweisen, aufgrund deren die sie betreffenden Aufträge völlig von der Regelung über die öffentlichen Aufträge ausgenommen sind;

° Aufträge, für die das Gesetz eine ausdrückliche Ausnahme vorsieht, vom Geltungsbereich der innerstaatlichen Regelung über die öffentlichen Aufträge ausnimmt, obwohl die genannten Richtlinien die zulässigen Ausnahmen abschließend und ausdrücklich aufführen und die Umsetzung der Richtlinien den Erfordernissen der Klarheit und Genauigkeit entsprechen muß, die nicht durch eine Formulierung erfuellt werden, die den Eindruck erweckt, daß über die von den Richtlinien zugelassenen und von den innerstaatlichen Rechtsvorschriften übernommenen Ausnahmen hinaus weitere Ausnahmen eingeführt werden könnten;

° die freihändige Auftragsvergabe in anderen Fällen als denen erlaubt, die abschließend in den Richtlinien vorgesehen sind, oder die Inanspruchnahme des Verfahrens der freihändigen Vergabe weniger strengen Voraussetzungen unterwirft, als sie in den Richtlinien aufgestellt werden;

° bestimmte Formen des Nachweises der Rechtsfähigkeit der Bieter vorschreibt, die nicht zu denen gehören, die nach den Richtlinien verlangt werden können;

° die Unternehmen der anderen Mitgliedstaaten, die bestimmte in der Richtlinie 71/305 vorgesehene Mittel zum Beweis ihrer Rechts- und Leistungsfähigkeit wählen, Voraussetzungen unterwirft, die die Richtlinie nicht vorsieht;

° vorsieht, daß zur Klassifizierung der Unternehmen vorrangig die personellen, materiellen und finanziellen Mittel bewertet werden, über die die Unternehmen im Inland verfügen, obwohl die Richtlinie 71/305 die Einführung derartiger Kriterien nicht erlaubt;

° die von den Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Bescheinigungen der Fähigkeit der Unternehmen entgegen den Richtlinien nicht anerkennt;

° von der Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit nur die Unternehmen befreit, deren Fähigkeiten durch ihre Aufnahme in seine eigenen Klassifizierungslisten bescheinigt werden;

° der hinsichtlich der in Lieferaufträgen vorgesehenen technischen Merkmale die in der Richtlinie 77/62 festgelegte Reihenfolge der Normen nicht einhält.

2. Aus der Verweisung auf Artikel 2 der Richtlinie 71/304 zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge und bei öffentlichen Bauaufträgen, die an die Auftragnehmer über ihre Agenturen oder Zweigniederlassungen vergeben werden, mit der in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 71/305 die öffentlichen Bauaufträge definiert werden, für die diese Richtlinie gilt, ergibt sich, daß die Richtlinie 71/305 nicht für Aufträge bezueglich industrieller Installationen maschineller, elektrischer oder energiewirtschaftlicher Art, mit Ausnahme der Teile dieser Installationen, die als Hoch- oder Tiefbau anzusehen sind, und bezueglich Ausschachtungsarbeiten, Schachtabteufung, Baggerarbeiten und Abraumbeseitigung im Hinblick auf die Gewinnung von Mineralien (Bergbau) gilt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 17. NOVEMBER 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH SPANIEN. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - VERGABE OEFFENTLICHER BAU- UND LIEFERAUFTRAEGE. - RECHTSSACHE C-71/92.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 6. März 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission aufgrund von Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30 und 59 des Vertrages, aus der Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5) und aus der Richtlinie 77/62/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. 1977, L 13, S. 1) verstossen hat, daß es bestimmte Vorschriften, die einen Ausschluß der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Aufträge vorsehen, bestimmte Vorschriften, die eine freihändige Auftragsvergabe gestatten, und bestimmte Vorschriften über die Teilnahmebestimmungen und Eignungskriterien, über technische Normen und über Zuschlagskriterien beibehalten hat.

2 Die Richtlinien 71/305 und 77/62 wurden in Spanien durch das Real Decreto Legislativo 931/1986 vom 2. Mai 1986, mit dem das Gesetz über öffentliche Aufträge (Ley de Contratos del Estado, im Folgenden: LCE, BÖ Nr. 114 vom 13. Mai 1986, S. 16920) geändert wurde, und durch das Königliche Dekret 2528/1986 vom 28. November 1986, mit dem die Allgemeine Verordnung über öffentliche Aufträge (Reglamento General de Contratación del Estado, im folgenden: RGCE, BÖ Nr. 297 vom 12. Dezember 1986, S. 40546) geändert wurde, in das innerstaatliche Recht umgesetzt.

3 Die Kommission war der Auffassung, daß mehrere Vorschriften des LCE und der RGCE wie auch andere Vorschriften, die das Recht der öffentlichen Aufträge in Spanien betreffen und die in der geänderten Fassung der regionalen Regelung (Real Decreto Legislativo 781/1986 vom 18. April 1986, BÖ Nrn. 96 und 97 vom 22. und 23. April 1986), in dem Gesetz vom 24. November 1939 über die Organisation und den Schutz der inländischen Industrie (Jefatura del Estado, BÖ vom 15. Dezember 1939, im folgenden: Gesetz vom 24. November 1939) und in dem Königlichen Dekret 946/1978 vom 14. April 1978 über das Verfahren zur Bewertung und Kontrolle von pharmazeutischen Leistungen (BÖ Nr. 108 vom 8. Mai 1978, im folgenden: Königliches Dekret 946/1978) enthalten sind, den Artikeln 30 und 59 EWG-Vertrag und/oder den Richtlinien 71/305 oder 77/62 widersprechen. Sie leitete daher gegen das Königreich Spanien das Verfahren gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag ein und erhob die vorliegende Klage.

4 Im Verlauf des Verfahrens hat die Kommission die Klage zurückgenommen, soweit sie gegen das Gesetz vom 24. November 1939 und gegen Artikel 11 des Königlichen Dekrets 946/1978 gerichtet war, da diese Vorschriften aufgehoben worden sind.

5 Die innerstaatlichen Bestimmungen, über die der Gerichtshof demnach zu entscheiden hat, sind folgende:

° Artikel 2 Nummer 3 LCE und Artikel 2 Nummer 3 RGCE, die bestimmte Geschäfte der Verwaltung mit Dritten von der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Lieferaufträge und daher von der Anwendung der Richtlinie 77/62 ausschließen,

° Artikel 2 Nummer 8 LCE und Artikel 2 Nummer 8 RGCE, die die "Aufträge, für die das Gesetz eine ausdrückliche Ausnahme vorsieht", von der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Bau- und Lieferaufträge und daher von der Anwendung der beiden Richtlinien ausschließen,

° Artikel 29bis Absatz 1 Nummern 1 und 3 LCE und Artikel 93ter RGCE, die bestimmte Aufträge von der in der Richtlinie 71/305 geregelten Pflicht zur Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft freistellen,

° verschiedene Vorschriften der nationalen Rechtsvorschriften über die freihändige Auftragsvergabe, die gegen die beiden Richtlinien verstossen sollen, nämlich Artikel 37 Absatz 1 Nummern 1, 2, 7 und 8 und Artikel 87 Absatz 4 Nummern 1, 2 und 5 LCE, Artikel 117 und 247 RGCE und Artikel 120 der regionalen Regelung in der geänderten Fassung,

° bestimmte Vorschriften der nationalen Rechtsvorschriften, die die Eignungskriterien und die Teilnahmebestimmungen für die Unternehmen an dem Vergabeverfahren angeblich unter Verstoß gegen die Bestimmungen der beiden Richtlinien und der Artikel 30 und 59 EWG-Vertrag festlegen, nämlich Artikel 24 Absatz 1 Nummer 1, Artikel 25 Absatz 1 Nummern 1 und 3, Artikel 284 Absatz 5, Artikel 287 Absatz 2, Artikel 312 Absatz 2, Artikel 320 Absatz 3 Nummer 5 und Artikel 341 RGCE,

° und schließlich Artikel 244 RGCE, der bestimmte Regelungen im technischen Bereich aufstellt, die Artikel 7 der Richtlinie 77/62 widersprechen sollen.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zu Artikel 2 Nummer 3 LCE und Artikel 2 Nummer 3 RGCE

7 Die Kommission ist der Auffassung, daß Artikel 2 Nummmer 3 LCE und Artikel 2 Nummer 3 RGCE in zweifacher Weise dadurch gegen die Richtlinie 77/62 verstießen, daß sie die "Rechtsgeschäfte der Verwaltung mit Privatpersonen betreffend Sachen und Rechte, deren Handel durch Gesetz geregelt ist [mediatizado], oder über Erzeugnisse, die überwacht werden [intervenidos], die einem Monopol unterfallen [estancados] oder verboten sind [prohibidos]", von den nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Aufträge ausschließen. Zum einen seien diese Vorschriften so allgemein und ihr Wortlaut so ungenau, daß dadurch Rechtsunsicherheit hervorgerufen und den Anforderungen an eine korrekte Umsetzung nicht genügt werde. Zum anderen schlössen sie öffentliche Lieferaufträge von der Anwendung der Richtlinie aus, was diese nicht zulasse.

8 Zur Begründung der Vereinbarkeit der beanstandeten Vorschriften mit der Richtlinie 77/62 macht die spanische Regierung zunächst geltend, daß Artikel 2 Nummer 3 LCE und die entsprechende Vorschrift des RGCE Verweisungsvorschriften seien, die nur angewandt werden und konkrete Rechtsfolgen nur auslösen könnten in bezug auf Rechtsvorschriften, auf die sie sich bezögen. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Kommission könnten diese Vorschriften insoweit die Rechtssicherheit erhöhen, als sie die von der Anwendung ausgeschlossenen Aufträge abschließend aufzählten und verlangten, daß der Ausschluß durch Gesetz geregelt werde.

9 Dem ist nicht zu folgen.

10 Aus der neunten Begründungserwägung der Richtlinie 77/62 ergibt sich, daß

"Ausnahmefälle vorgesehen werden [müssen], in denen die Maßnahmen zur Koordinierung der Verfahren nicht unbedingt anzuwenden sind", daß "diese Fälle... jedoch ausdrücklich zu beschränken" sind.

Daher sind die einzig zulässigen Ausnahmen von der Anwendung der Richtlinie 77/62 diejenigen, die dort abschließend und ausdrücklich aufgeführt sind.

11 Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 3 der Richtlinie 77/62, die die öffentlichen Lieferaufträge nennen, auf die sie nicht anwendbar ist, erfassen nicht Aufträge über die in Artikel 2 Nummer 3 LCE und Artikel 2 Nummer 3 RGCE genannten Erzeugnisse. Wie die Kommission im übrigen zu Recht ausgeführt hat, wird im Unterschied zu den beanstandeten Bestimmungen der spanischen Vorschriften keine der von der Richtlinie zugelassenen Ausnahmen unter Bezugnahme auf die Art und den rechtlichen Status des betreffenden Erzeugnisses definiert.

12 Unter diesen Umständen können diese Vorschriften nicht als ordnungsgemässe Umsetzung der Richtlinie 77/62 in innerstaatliches Recht gelten. Diese Feststellung wird durch die Tatsache bestätigt, daß die spanische Regierung, ohne bestimmte Gesetze anzuführen, darauf hingewiesen hat, daß nach den strittigen Vorschriften Aufträge über Erzeugnisse wie Medikamente, Briefmarken, Stempelpapier, Tabak, elektrische Energie und Gas nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über die öffentlichen Aufträge fallen.

13 Die spanische Regierung meint zweitens, daß die beanstandeten Vorschriften im Hinblick auf andere Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere im Hinblick auf die Artikel 36, 90 Absatz 2 und 223 EWG-Vertrag gerechtfertigt seien.

14 Auch dem ist nicht zu folgen.

15 Es trifft zu, daß die auf den Handel mit bestimmten Erzeugnissen anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften, die gemäß den genannten Vorschriften des EWG -Vertrags mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, auch bei der Vergabe öffentlicher Lieferaufträge beachtet werden müssen. Damit lässt sich jedoch nicht rechtfertigen, daß die Anwendung der Bestimmungen über die Vergabe der Aufträge von vornherein und allgemein für diese Erzeugnisse ausgeschlossen wird.

16 Die spanische Regierung meint drittens, daß der Ausschluß der in Artikel 2 Nummer 3 LCE und der entsprechenden Vorschrift der RGCE vorgesehenen Aufträge gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/62 gerechtfertigt sei, wonach die öffentlichen Auftraggeber die Lieferaufträge ohne Duchführung der in Artikel 4 Absätze 1 und 2 vorgesehenen offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben können,

"wenn der Gegenstand der Lieferung wegen seiner technischen oder künstlerischen Besonderheiten auf Grund des Schutzes des Ausschließlichkeitsrechts nur von einem bestimmten Unternehmer hergestellt oder geliefert werden kann".

17 Hierzu genügt die Feststellung, daß die unter diese Bestimmung fallenden Aufträge auch dann, wenn sie nicht nach den offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben werden müssen, nicht von der Anwendung der Richtlinie ausgeschlossen sind, sondern nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 3 der Richtlinie weiterhin den Bestimmungen des Artikels 7 über die gemeinsamen Vorschriften auf technischem Gebiet unterliegen.

18 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Rüge der Kommission hinsichtlich des Artikels 2 Nummer 3 LCE und des Artikels 2 Nummer 3 RGCE begründet ist.

Zu Artikel 2 Nummer 8 LCE und Artikel 2 Nummer 8 RGCE

19 Die Kommission ist der Auffassung, daß Artikel 2 Nummer 8 LCE und Artikel 2 Nummer 8 RGCE, der die "Aufträge, für die das Gesetz eine ausdrückliche Ausnahme vorsieht", von der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Aufträge ausschließt, einen weiteren allgemeinen Ausschluß darstelle, der sowohl der Richtlinie 71/305 als auch der Richtlinie 77/62 widerspreche.

20 Die spanische Regierung meint demgegenüber, daß die beanstandeten Vorschriften einfache Verweisungsnormen seien, die als solche dem Gemeinschaftsrecht nicht widersprächen.

21 Dem ist nicht zu folgen.

22 Wie der Gerichtshof in Randnummer 10 des vorliegenden Urteils festgestellt hat, sind zum einen die einzig zulässigen Ausnahmen von der Anwendung der Richtlinie 77/62 diejenigen, die dort abschließend und ausdrücklich aufgeführt sind. Diese Feststellung gilt gleichermassen für die Richtlinie 71/305, deren siebte Begründungserwägung mit der neunten Begründungserwägung der Richtlinie 77/62 wortgleich ist.

23 Zum anderen ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-131/88, Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I-825, Randnr. 6), daß die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendig eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift erfordert. Je nach dem Inhalt der Richtlinie kann hierzu ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie mit hinreichender Klarheit und Genauigkeit gewährleistet, um ° soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll ° die Begünstigten in die Lage zu versetzen, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen. Diese Erfordernisse der Klarheit und Bestimmtheit gelten erst recht, wenn es sich wie im vorliegenden Fall darum handelt, Ausnahmen und Abweichungen von einer Regelung, die in einer Richtlinie vorgesehen ist, in innerstaatliches Recht umzusetzen.

24 Wie die Kommission ausgeführt hat, ohne daß ihr die spanische Regierung entgegengetreten ist, wurden im übrigen alle in den Richtlinien 71/305 und 77/62 abschließend und ausdrücklich genannten Ausnahmen in die ausdrücklichen und besonderen Vorschriften des LCE und der RGCE übernommen. Wenn daher vorgesehen wird, daß weitere Ausnahmen durch andere Gesetze eingeführt werden können, so führt dies zu einer nicht eindeutigen Rechtslage, die es den betreffenden Personen nicht erlaubt, ihre Rechte und Pflichten genau zu kennen.

25 Unter diesen Umständen stellt die in Artikel 2 Nummer 8 LCE und Artikel 2 Nummer 8 RGCE unter Verweis auf andere, nicht näher bezeichnete Gesetze ausgeprochene allgemeine Ausnahme keine Umsetzung in innerstaatliches Recht dar, die den Erfordernissen der Eindeutigkeit und Bestimmtheit des Rechtszustands, auf den die Richtlinien abzielen, voll gerecht wird (vgl. insbesondere Urteil vom 6. Mai 1980 in der Rechtssache 102/79, Kommission/Belgien, Slg. 1980, 1473, Randnr. 11).

26 Hieraus ergibt sich, daß die Rüge der Kommission auch hinsichtlich dieser Vorschriften begründet ist.

Zu Artikel 29bis Absatz 1 Nummern 1 und 3 LCE und Artikel 93ter RGCE

27 Die Kommission meint, daß die Richtlinie 71/305 keine Ausnahme von der Art enthalte, wie sie in Artikel 29bis Absatz 1 Nummern 1 und 3 RGCE und in Artikel 93ter RGCE vorgesehen sei, mit denen die Aufträge "bezueglich industrieller Installationen maschineller, elektrischer oder energiewirtschaftlicher Art, mit Ausnahme der Teile dieser Installationen, die als Hoch- oder Tiefbau anzusehen sind", und "bezueglich Ausschachtungsarbeiten, Schachtabteufung, Baggerarbeiten und Abraumbeseitigung im Hinblick auf die Gewinnung von Mineralien (Bergbau)" von der in Artikel 12 der Richtlinie 71/305 geregelten Pflicht zur Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften freigestellt würden. Angesichts des abschließenden Charakters der vorgesehenen Ausnahmen widersprächen die nationalen Rechtsvorschriften daher der Richtlinie 71/305.

28 Die spanische Regierung widerspricht der Auffassung, daß die fraglichen Aufträge in den Anwendungsbereich der Richtlinie 71/305 fielen. Sie macht hierzu insbesondere geltend, daß diese Aufträge keine "öffentlichen Bauaufträge" im Sinne des Artikels 1 Buchstabe a der Richtlinie 71/305 seien.

29 Dem ist zu folgen.

30 Aus Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 71/305 ergibt sich nämlich, daß "öffentliche Bauaufträge" im Sinne dieser Richtlinie solche sind, die "eine der Tätigkeiten zum Gegenstand haben, die unter Artikel 2 der Richtlinie 71/304/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge und bei öffentlichen Bauaufträgen, die an die Auftragnehmer über ihre Agenturen oder Zweigniederlassungen vergeben werden [ABl. L 1985, S. 1], fallen". Gemäß ihrem Artikel 2 Absatz 2 gilt die Richtlinie vom 26. Juli 1971 folglich für die Arbeiten, die in den beanstandeten Bestimmungen der spanischen Rechtsvorschriften genannt werden, gerade nicht.

31 Die Kommission meint jedoch, daß der in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 71/305 enthaltene Verweis auf Artikel 2 der Richtlinie 71/304 so zu verstehen sei, daß er sich ausschließlich auf Absatz 1 dieser Vorschrift beziehe. Die Richtlinie 71/304, die den in Artikel 59 EWG-Vertrag genannten Grundsatz der Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs bestätige, dürfe auf keinen Fall den Anwendungsbereich der Richtlinie 71/305 einschränken, zumal Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 71/304 seit dem Ablauf der Übergangszeit wegen der vom Gerichtshof anerkannten unmittelbaren Anwendbarkeit des Artikels 59 EWG-Vertrag keine Wirkung mehr entfalte.

32 Dem ist nicht zu folgen.

33 Wie der Generalanwalt unter Nummer 27 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gilt zwar das im Vertrag ausgesprochene Verbot von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich für alle Bereiche des Gemeinschaftsrechts, doch ist es gleichwohl Sache des Rates, dieses Verbot, das sich unmittelbar aus dem Vertrag ergibt, durch Vorschriften zur Koordinierung oder Harmonisierung der innerstaatlichen Bestimmungen, die nicht gegen das Verbot verstossen, zu ergänzen und daher den Anwendungsbereich dieser Vorschriften zu bestimmen.

34 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Rüge der Kommission hinsichtlich des Artikels 29bis Absatz 1 Nummern 1 und 3 LCE und des Artikels 93ter RGCE zurückzuweisen ist.

Zu Artikel 37 Absatz 1 Nummern 1, 2, 7 und 8 und Artikel 87 Absatz 4 Nummern 1, 2 und 5 LCE, den Artikeln 117 und 247 RGCE sowie Artikel 120 der regionalen Regelung in der geänderten Fassung

35 Die Kommission ist der Meinung, daß verschiedene Bestimmungen der spanischen Regelung, die die freihändige Auftragsvergabe zulassen, nämlich für die öffentlichen Bauaufträge die Artikel 37 Absatz 1 Nummern 1, 2, 7 und 8 LCE und 117 Absatz 1 Nummern 1, 2, 7 und 8 RGCE und für die öffentlichen Lieferaufträge die Artikel 87 Absatz 4 Nummern 1, 2 und 5 LCE, 247 Absatz 4 Nummern 1, 2 und 5 RGCE sowie Artikel 120 Absatz 1 Nummern 1, 2 und 6 der regionalen Regelung in der geänderten Fassung, gegen Artikel 9 der Richtlinie 71/305 und gegen Artikel 6 der Richtlinie 77/62 verstießen, da die Fälle, auf die sie abstellten, nicht oder nicht genau den in den genannten Bestimmungen der beiden Richtlinien aufgeführten Fällen entsprächen.

36 Die Bestimmungen des Artikels 9 der Richtlinie 71/305 und des Artikels 6 der Richtlinie 77/62, die Ausnahmen von den Vorschriften zulassen, die die Wirksamkeit der durch den EWG-Vertrag im Bereich der öffentlichen Bauaufträge eingeräumten Rechte gewährleisten sollen, sind eng auszulegen (vgl. zu Artikel 9 der Richtlinie 71/305 das Urteil vom 10. März 1987 in der Rechtssache 199/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 1039, Randnr. 14). Aus denselben Gründen müssen diese Bestimmungen, die die Fälle festlegen, in denen die Aufträge freihändig vergeben werden können, als erschöpfend gelten.

37 Aus einem Vergleich der fraglichen Bestimmungen der spanischen Regelung und der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien der Gemeinschaft, den der Generalanwalt unter den Nummern 37 bis 59 seiner Schlussanträge vorgenommen hat, ergibt sich, daß die spanische Regelung die freihändige Auftragsvergabe in Fällen zulässt, die von den Richtlinien nicht vorgesehen sind, oder den Rückgriff auf das freihändige Vergabeverfahren von Voraussetzungen abhängig macht, die weniger streng als diejenigen sind, die sich aus den entsprechenden Vorschriften der Richtlinien ergeben.

38 Daher ist die Rüge der Kommission hinsichtlich der beanstandeten Bestimmungen der spanischen Rechtsvorschriften, die die freihändige Auftragsvergabe zulassen, begründet.

Zu den Artikeln 24 Absatz 1 Nummer 1 und 25 Absatz 1 Nummern 1 und 3 RGCE

39 Die Kommission meint, daß die in Artikel 25 Absatz 1 Nummern 1 und 3 RGCE genannten Voraussetzungen des Nachweises im Hinblick auf den Nachweis der Rechtsfähigkeit und der Fähigkeit des Bieters, Verträge abzuschließen und Verpflichtungen einzugehen, wie er in Artikel 24 Absatz 1 Nummer 1 RGCE verlangt werde, in den Bestimmungen der Richtlinien 71/305 und 77/62 nicht vorgesehen seien und daher den Ausschluß des Bieters, der diese Voraussetzungen nicht erfuelle, nicht rechtfertigen könnten. Zudem liefen diese Vorschriften, soweit sie auf Bauaufträge Anwendung fänden, auch Artikel 59 EWG-Vertrag zuwider, weil sie allein auf ausländische Unternehmen Anwendung fänden oder diesen zusätzlich zu den in ihrem Herkunftsland bestehenden Lasten weitere Lasten auferlegten, die durch kein öffentliches Interesse gerechtfertigt seien.

40 Diese Rüge bezieht sich in Wirklichkeit allein auf die Vorschriften des Artikels 25 Absatz 1 Nummern 1 und 3 RGCE, soweit diese bestimmte Arten des Nachweises für die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Bieter vorschreiben. Die Kommission hat in der Sitzung im übrigen ausdrücklich eingeräumt, daß sie die Vereinbarkeit des Erfordernisses der Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Bieters mit dem Gemeinschaftsrecht nicht in Frage stellt.

41 Zu dieser so näher bestimmten Rüge ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Februar 1982 in der Rechtssache 76/81 (Transporoute, Slg. 1982, 417, Randnr. 9) bereits festgestellt hat, daß die Richtlinie 71/305 es den Mitgliedstaaten nur im Rahmen der Beurteilung der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmer, von der in Artikel 25 der Richtlinie die Rede ist, gestattet, andere als die in der Richtlinie ausdrücklich genannten Nachweise zu fordern. Diese Feststellung gilt entsprechend für die Richtlinie 77/62, deren einschlägige Bestimmungen im wesentlichen den Bestimmungen der Richtlinie 71/305 entsprechen.

42 Zum einen sollen die insoweit in Artikel 25 Absatz 1 Nummern 1 und 3 RGCE vorgesehenen urkundlichen Nachweise nicht dem Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen dienen; zum anderen gehören sie zu den Nachweisen, deren Vorlage aufgrund der sonstigen einschlägigen Vorschriften der beiden Richtlinien verlangt werden kann.

43 Es ist daher festzustellen, daß die Rüge der Verletzung der Richtlinien 71/305 und 77/62 begründet ist und daß demnach nicht zu prüfen ist, ob die beanstandeten Vorschriften auch gegen Artikel 59 EWG-Vertrag verstossen.

Zu Artikel 284 Absatz 5 RGCE

44 Nach Auffassung der Kommission macht Artikel 284 Absatz 5 RGCE dadurch, daß von den Unternehmern der anderen Mitgliedstaaten, die ihre Eignung durch andere Beweismittel als durch die in der amtlichen Liste der anerkannten Unternehmer gemäß Artikel 28 Absatz 1 der Richtlinie 71/305 in Spanien erfolgte Klassifizierung nachweisen wollten, die Vorlage einer von dem Beratenden Ausschuß für das öffentliche Vergabewesen ausgestellten Bescheinigung darüber verlangt werde, daß sie nicht klassifiziert seien und daß ihre Klassifizierung nicht ausgesetzt oder aufgehoben worden sei, die Entscheidung des Unternehmers, sich dieser Beweismittel zu bedienen, von einer Voraussetzung abhängig, die in der Richtlinie 71/305 nicht vorgesehen sei und daher der Richtlinie zuwiderlaufe. Diese Voraussetzung widerspreche im übrigen auch Artikel 59 EWG-Vertrag, soweit sie den betreffenden ausländischen Unternehmern die Pflicht zur Erfuellung einer Verwaltungsformalität auferlege, durch die das Recht der Unternehmer, die Leistungsfähigkeit auf andere Weise als durch die Klassifizierung nachzuweisen, wirkungslos bleibe.

45 Zunächst lässt Artikel 28 der Richtlinie 71/305 in keiner Weise den Schluß zu, daß die Aufnahme in die amtliche Liste der anerkannten Unternehmer im Vergabestaat von Unternehmern verlangt werden kann, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Absatz 3 dieser Vorschrift verleiht im Gegenteil den in einem beliebigen Mitgliedstaat in eine solche Liste eingetragenen Unternehmen das Recht, diese Eintragung in den durch diese Vorschrift gezogenen Grenzen gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber eines anderen Mitgliestaates als alternatives Beweismittel dafür zu verwenden, daß sie die in den Artikeln 23 bis 26 der Richtlinie genannten Eignungskriterien erfuellen (vgl. Urteil Transporoute, a. a. O., Randnrn. 12 und 13, und Urteil vom 9. Juli 1987 in den Rechtssachen 27/86 bis 29/86, CEI, Slg. 1987, 3347, Randnr. 24). Die Unternehmen haben daher die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit entweder durch eine solche Aufnahme oder durch die in den Artikeln 23 bis 26 genannten Beweismittel und Urkunden nachzuweisen.

46 Des weiteren wird in der Richtlinie 71/305 die Entscheidung hierüber in keiner Weise von einer Voraussetzung abhängig gemacht, wie sie in Artikel 284 Absatz 5 RGCE vorgesehen ist; unter den Urkunden, deren Vorlage von den Unternehmen, die ihre Leistungsfähigkeit auf andere Weise als durch die Aufnahme in die amtliche Liste der anerkannten Unternehmer nachweisen wollen, verlangt werden kann, wird die Bescheinigung, auf die diese Vorschrift abstellt, nicht erwähnt.

47 Hieraus ergibt sich, daß die Rüge der Verletzung der Richtlinie 71/305 begründet ist und daß demnach nicht zu prüfen ist, ob die fragliche Vorschrift auch gegen Artikel 59 EWG-Vertrag verstösst.

Zu Artikel 287 Absatz 2 RGCE

48 Nach Auffassung der Kommission widerspricht Artikel 287 Absatz 2 RGCE der Richtlinie 71/305 und Artikel 59 EWG-Vertrag insoweit, als er bestimmt, daß zum Zweck der Klassifizierung der Unternehmer in Spanien "vorrangig die personellen, materiellen und finanziellen Mittel bewertet [werden], über die die Unternehmen im Inland ständig verfügen".

49 Zum einen bestimmt Artikel 28 Absatz 4 der Richtlinie 71/305, daß für "die Aufnahme von Unternehmen der anderen Mitgliedstaaten in eine solche [amtliche] Liste [der anerkannten Unternehmer]... nur die für inländische Unternehmer vorgesehenen Nachweise und Erklärungen gefordert werden [können], in jedem Fall jedoch lediglich diejenigen, die in den Artikeln 23 bis 26 vorgesehen sind".

50 Zum anderen sehen diese Bestimmungen nicht die Vorlage von Nachweisen und Erklärungen über die in Artikel 287 Absatz 2 RGCE genannten Verhältnisse vor. Artikel 26 Buchstaben c und d der Richtlinie 71/305, auf den die spanische Regierung sich bezieht, erlaubt es zwar, Erklärungen zu verlangen, aus denen hervorgeht, über welche Ausstattung, welche Baugeräte und welche technische Ausrüstung der Unternehmer für die Ausführung des Bauvorhabens verfügen wird, und aus denen das jährliche Mittel der von dem Unternehmen in den letzten drei Jahren Beschäftigten und die Anzahl seiner Führungskräfte in den letzten drei Jahren ersichtlich ist; er trifft aber keine Unterscheidung danach, ob diese Verhältnisse im Inland des Vergabestaates bestehen oder nicht.

51 Daher ist die Rüge der Verletzung der Richtlinie 71/305 begründet; es ist nicht zu prüfen, ob Artikel 287 Absatz 2 RGCE gegen Artikel 59 EWG-Vertrag verstösst.

Zu den Artikeln 312 Absatz 2 und 320 Absatz 3 Nummer 5 RGCE

52 Zu Artikel 312 Absatz 2 RGCE genügt die Feststellung, daß die spanische Regierung der Aufassung nicht entgegentritt, daß diese Vorschrift, die die Beweiskraft der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Klassifizierungsbescheinigungen in Spanien regelt, nicht die Bestimmungen der Artikel 26 Buchstaben b und d der Richtlinie 71/305 berücksichtigt und daß sie daher Artikel 28 Absatz 3 Absatz 1 der Richtlinie 71/305 zuwiderläuft.

53 Dasselbe gilt für Artikel 320 Absatz 3 Nummer 5 RGCE, der vorsieht, daß der Nachweis für die technische Leistungsfähigkeit der Auftragnehmer durch die Gütebescheinigung einer mit der Qualitätsüberwachung betrauten spanischen Behörde oder amtlichen Stelle erbracht werden kann. Die spanische Regierung räumt ein, daß diese Vorschrift Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 77/62 zuwiderläuft, der zulässt, daß die Vorlage einer derartigen Bescheinigung von dem Interessenten verlangt wird, nicht aber, daß verlangt wird, daß die Bescheinigung von einer Stelle des Vergabestaats ausgestellt wird.

54 Unter diesen Umständen ist die Rüge bezueglich der Artikel 312 Absatz 2 und 320 Absatz 3 Nummer 5 RGCE begründet; folglich ist nicht zu prüfen, ob Artikel 320 Absatz 3 Nummer 5 auch Artikel 30 EWG-Vertrag zuwiderläuft, wie die Kommission meint.

Zu Artikel 341 RGCE

55 Die Kommission ist der Meinung, daß Artikel 341 RGCE, der die Regierung ermächtigt, die in Spanien klassifizierten Unternehmer bei der Ausschreibung von Bauaufträgen von einer vorläufigen Sicherheitsleistung zu befreien, mit den Bestimmungen der Richtlinie 71/305 und mit Artikel 59 EWG-Vertrag insoweit unvereinbar sei, als eine derartige Befreiung einen finanziellen Anreiz für die Klassifizierung darstelle und in der Praxis dazu führe, daß das Recht der Unternehmen, sich ohne Klassifizierung bewerben zu können, beschränkt werde.

56 Wie der Gerichtshof in Randnummer 45 dieses Urteils festgestellt hat, gewährt die Richtlinie 71/305 den Unternehmern das Recht, den Nachweis für ihre Fähigkeiten durch die in den Artikeln 23 bis 26 der Richtlinie genannten Beweismittel oder durch die Aufnahme in eine amtliche Liste der anerkannten Unternehmer, die nicht notwendig im Vergabestaat geführt werden muß, zu erbringen. Daher wird die Wahrnehmung dieses Rechts durch eine Vorschrift wie Artikel 341 RGCE behindert, die es nur zulässt, solche Unternehmer von einer vorläufigen Sicherheitsleistung zu befreien, die in eine derartige Liste aufgenommen worden sind.

57 Die spanische Regierung macht dagegen geltend, daß die Funktion der vorläufigen Sicherheitsleistung mit der Funktion des Erfordernisses der Klassifizierung, welches die ordnungsgemässe Abwicklung der geschlossenen Verträge sicherstellen solle, vergleichbar sei, so daß diese Befreiung nicht auf diejenigen Unternehmer erstreckt werden könne, die den Nachweis ihrer Fähigkeiten anders als durch die Klassifizierung erbracht hätten.

58 Dem ist nicht zu folgen.

59 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, bietet Artikel 23 Absatz 1 Buchstaben d und g der Richtlinie 71/305, der den Ausschluß eines Unternehmers von der Teilnahme am Vergabeverfahren zulässt, der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat oder der sich in erheblichem Masse falscher Erklärungen hinsichtlich der geforderten Eignungskriterien schuldig gemacht hat, dem öffentlichen Auftraggeber ausreichende Möglichkeiten, um die ordnungsgemässe Abwicklung der geschlossenen Verträge mit derselben Wirksamkeit wie durch die Klassifizierung oder die Drohung mit deren Aussetzung zu gewährleisten. Es ist daher nicht erforderlich, den Vorteil dieser Befreiung denjenigen Unternehmern vorzubehalten, die den Nachweis ihrer Fähigkeiten durch die Klassifizierung in Spanien erbringen.

60 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Rüge der Kommission hinsichtlich des Artikels 341 RGCE begründet ist und daß daher nicht zu prüfen ist, ob diese Vorschrift auch Artikel 59 EWG-Vertrag widerspricht.

Zu Artikel 244 RGCE

61 Die spanische Regierung hat eingeräumt, daß mit dieser Vorschrift die in Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 77/62 geregelte Reihenfolge der Normen, auf die bei der Festlegung der technischen Merkmale im Bereich der öffentlichen Lieferaufträge Bezug zu nehmen ist, nicht korrekt in das innerstaatliche Recht umgesetzt wurde. Daß diese Richtlinie, wie die spanische Regierung vorgebracht hat, durch die Richtlinie 88/295/EWG des Rates vom 22. März 1988 zur Änderung der Richtlinie 77/62/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge und zur Behebung einiger Vorschriften der Richtlinie 80/767/EWG (ABl. L 127, S. 1) wesentlich geändert wurde und daß dem spanischen Königreich mit dieser Richtlinie vom 22. März 1988 für deren Durchführung eine zusätzliche Frist gewährt wurde, kann die eingeräumte Pflichtverletzung nicht rechtfertigen. Auf jeden Fall ist die für die Umsetzung der Richtlinie 88/295 in das spanische Recht vorgesehene Frist seit dem 1. März 1992 abgelaufen.

62 Ferner schreibt Artikel 244 Absatz 2 RGCE den Zusatz "oder gleichwertiger Art" nur für die Angabe von Warenzeichen, Lizenzen oder Typen vor, während Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 77/62 diesen Zusatz auch vorschreibt, wenn die technischen Merkmale Erzeugnisse einer bestimmten Herkunft oder Produktion bezeichnen.

63 Unter diesen Umständen ist die Rüge der Kommission bezueglich des Artikels 244 RGCE begründet.

64 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß mit Ausnahme des Gesetzes vom 24. November 1939, des Artikels 11 des Königlichen Dekrets 946/1978, des Artikels 29bis Absatz 1 Nummern 1 und 3 LCE sowie der Artikel 24 Absatz 1 Nummer 1 und 93ter RGCE gemäß den Anträgen der Kommission festzustellen ist, daß das Königreich Spanien gegen die Richtlinien 71/305 und 77/62 verstossen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

65 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Richtlinien 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und 77/62/EWG vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge verstossen,

° daß es bestimmte Vorschriften, die eine Ausnahme von der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Aufträge begründen, nämlich Artikel 2 Nummern 3 und 8 des Gesetzes über öffentliche Aufträge und Artikel 2 Nummern 3 und 8 der Allgemeinen Verordnung über öffentliche Aufträge beibehalten hat;

° daß es bestimmte Vorschriften, die eine freihändige Auftragsvergabe gestatten, nämlich Artikel 37 Absatz 1 Nummern 1, 2, 7 und 8 und Artikel 87 Absatz 4 Nummern 1, 2 und 5 des Gesetzes über öffentliche Aufträge, Artikel 117 und Artikel 247 der Allgemeinen Verordnung über öffentliche Aufträge sowie Artikel 120 der regionalen Regelung in der geänderten Fassung beibehalten hat;

° daß es bestimmte Vorschriften über die Teilnahmebestimmungen und die Eignungskriterien, nämlich Artikel 25 Absatz 1 Nummern 1 und 3, Artikel 284 Absatz 5, Artikel 287 Absatz 2, Artikel 312 Absatz 2, Artikel 320 Absatz 3 Nummer 5 und Artikel 341 der Allgemeinen Verordnung über öffentliche Aufträge beibehalten hat;

° daß es bestimmte Vorschriften über technische Normen, nämlich Artikel 244 der Allgemeinen Verordnung über öffentliche Aufträge, beibehalten hat.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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