Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.10.1994
Aktenzeichen: C-76/93 P
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 12 Abs. 1 des Anhangs
EWG/EAG BeamtStat Art. 62
EWG/EAG BeamtStat Art. 64
EWG/EAG BeamtStat Art. 65
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Anstellungsbehörde überschreitet nicht die Grenzen des Ermessens, das ihr bezueglich der Modalitäten der Zahlung der Dienstbezuege der in Drittländern diensttuenden Beamten durch Artikel 12 Absatz 1 des Anhangs X des Statuts eingeräumt wird, indem sie eine Besoldungspraxis verfolgt, nach der der Teil der Dienstbezuege, der auf Antrag der Betroffenen in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Landes der dienstlichen Verwendung ausgezahlt wird, auf 80 % begrenzt wird, nach der aber auch die Möglichkeit vorbehalten wird, in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen Anträgen auf Erhöhung dieses Anteils stattzugeben.

Denn im Gegensatz zu ihren in der Gemeinschaft diensttuenden Kollegen, für die die Vermutung gilt, daß sie ihre gesamten Dienstbezuege am Ort ihrer dienstlichen Verwendung ausgeben, haben die in Drittländern diensttuenden Beamten aufgrund der für sie geltenden Regelung in Anhang X des Statuts am Dienstort weder Wohnkosten noch Krankheitskosten zu tragen, so daß sie, wenn sie die Auszahlung ihres gesamten Gehalts unter Anwendung eines vorteilhaften, an hohe, das Niveau von Belgien oder Luxemburg übersteigende Lebenshaltungskosten gebundenen Berichtigungsköffizienten erreichen könnten, ohne dafür irgendeine Rechtfertigung erbringen zu müssen, ohne Grund begünstigt würden, was gegen den Grundsatz der Gleichheit der Dienstbezuege der Beamten verstieße, dessen Einhaltung das System der Berichtigungsköffizienten gerade gewährleisten soll.

Durch die Anwendung einer solchen, objektiv gerechtfertigten Besoldungspolitik verstösst die Kommission weder gegen Artikel 62 des Statuts, noch nimmt sie den betroffenen Beamten dadurch einen Teil ihrer Dienstbezuege.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 20. OKTOBER 1994. - PIERA SCARAMUZZA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSMITTEL - BEAMTE - VERWENDUNG IN EINEM DRITTLAND - DIENSTBEZUEGE - ZAHLUNG IN DER WAEHRUNG DES LANDES DER DIENSTLICHEN VERWENDUNG. - RECHTSSACHE C-76/93 P.

Entscheidungsgründe:

1 Piera Scaramuzza hat mit Rechtsmittelschrift, die am 17. März 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EWG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 15. Dezember 1992 in der Rechtssache T-75/91 (Scaramuzza/Kommission, Slg. 1992, II-2557) eingelegt, mit dem das Gericht erster Instanz ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission, mit der ihr Antrag auf Auszahlung ihrer gesamten Dienstbezuege in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Landes der dienstlichen Verwendung zurückgewiesen worden war, abgewiesen hat.

Das Urteil des Gerichts

2 Aus dem Urteil des Gerichts geht hervor, daß die Rechtsmittelführerin Beamtin der Besoldungsgruppe B 3 ist. Sie wurde am 4. Januar 1988 der Ständigen Vertretung der Kommission in Oslo und dann mit Wirkung zum 17. Juni 1991 dem Büro der Kommission in New York zugewiesen. Aufgrund der besonderen Gehaltsregelung für in einem Drittland diensttuende Beamte zahlte die Kommission ihr nur 80 % ihres Gehalts in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Ortes ihrer dienstlichen Verwendung aus. Die Rechtsmittelführerin beantragte die Auszahlung ihrer gesamten Dienstbezuege in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Ortes ihrer dienstlichen Verwendung mit Wirkung von ihrem Dienstantritt an. Die Kommission wies diesen Antrag zurück. Die am 23. April 1991 eingelegte Beschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen. Die Rechtsmittelführerin hat beim Gericht eine Klage auf Aufhebung der beiden Zurückweisungsentscheidungen erhoben.

3 Die Gehaltsregelung für in einem Drittland diensttuende Beamte findet sich im Anhang X des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut). Dieser Anhang, der dem Statut durch die Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 3019/87 des Rates vom 5. Oktober 1987 über Sondervorschriften für Beamte der Europäischen Gemeinschaften, die in einem Drittland Dienst tun (ABl. L 286, S. 3), angefügt wurde, bestimmt in seinem Artikel 11:

"Die Dienstbezuege einschließlich der in Artikel 10 erwähnten Zulagen werden in belgischen Franken in Belgien ausgezahlt. Auf die Dienstbezuege und die Zulagen wird der für die Dienstbezuege der in Belgien diensttuenden Beamten geltende Berichtigungsköffizient angewandt."

4 Artikel 12 des Anhangs X bestimmt:

"Auf Antrag des Beamten kann die Anstellungsbehörde beschließen, die Dienstbezuege ganz oder teilweise in der Währung des Landes der dienstlichen Verwendung auszuzahlen. In diesem Fall wird der für den Dienstort geltende Berichtigungsköffizient auf die Dienstbezuege angewandt, die zu dem betreffenden Wechselkurs umzurechnen sind.

In ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen kann die Anstellungsbehörde nach geeigneten Modalitäten zur Aufrechterhaltung der Kaufkraft die Dienstbezuege ganz oder teilweise in einer anderen Währung als der Währung des Dienstortes auszahlen."

5 Die Kommission erließ auf der Grundlage von Artikel 1 Absatz 3 des Anhangs X des Statuts "interne Richtlinien zur Festlegung der Zahlungsmodalitäten nach Artikel 12 des Anhangs X des Beamtenstatuts" (im folgenden: interne Richtlinien). Artikel 1 dieser Richtlinien hat folgenden Wortlaut:

"In Anwendung des Artikels 12 des Anhangs X des Statuts zahlt die Anstellungsbehörde dem Beamten auf dessen Antrag einen Teil seiner Dienstbezuege, und zwar höchstens 80 % seiner Nettodienstbezuege, in der Währung des Landes seiner dienstlichen Verwendung aus.

In ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen kann die Anstellungsbehörde einen über diesen Prozentsatz von 80 % hinausgehenden Teil der Dienstbezuege in der Währung des Landes der dienstlichen Verwendung auszahlen."

6 Die Rechtsmittelführerin hat zur Begründung ihrer Klage beim Gericht zwei Klagegründe geltend gemacht.

7 Der erste war darauf gestützt, daß die Kommission beim Erlaß von Artikel 1 ihrer internen Richtlinien gegen Artikel 12 Absatz 1 des Anhangs X des Statuts verstossen habe. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin sieht Artikel 12 keine Beschränkung hinsichtlich der Auszahlung der Dienstbezuege in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Ortes der dienstlichen Verwendung vor und überträgt der Anstellungsbehörde insoweit kein Ermessen.

8 Das Gericht hat diesen ersten Klagegrund mit der Feststellung zurückgewiesen, daß Artikel 12 Absatz 1 des Anhangs X der Kommission bei der Entscheidung, in welchem Umfang den Anträgen der Beamten nach dieser Vorschrift stattgegeben werden solle, einen Beurteilungsspielraum einräume (Randnr. 18 des Urteils) und daß nichts die Anstellungsbehörde im Grundsatz daran hindere, durch eine interne Entscheidung allgemeiner Natur Regeln für die Ausübung des ihr durch das Statut übertragenen Ermessens aufzustellen (Randnr. 20). Ausserdem habe die Kommission entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin dieses Ermessen nicht mißbraucht, da Artikel 1 der internen Richtlinien nicht verhindere, daß die Dienstbezuege "ganz" in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Landes der dienstlichen Verwendung ausgezahlt würden, sondern lediglich den Beamten verpflichte, seinen Antrag ordnungsgemäß zu begründen, wenn dieser auf mehr als 80 % seiner Dienstbezuege gerichtet sei (Randnr. 23).

9 Das Gericht hat auch den zweiten Klagegrund der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, der aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Beamten, insbesondere der in der Gemeinschaft und der in einem Drittland diensttuenden Beamten, unter dem Aspekt der Gleichwertigkeit der Kaufkraft an den verschiedenen Dienstorten hergeleitet wurde. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin, daß diese Gleichbehandlung nur über die Artikel 64 und 65 des Statuts sichergestellt werden könne, wonach die gesamten Dienstbezuege automatisch in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Ortes der dienstlichen Verwendung gezahlt würden, wie dies bei den in der Gemeinschaft diensttuenden Beamten der Fall sei, hat das Gericht die Ansicht vertreten, daß sich die Lage der in einem Drittland diensttuenden Beamten von der Lage dieser Beamten insbesondere hinsichtlich der Ausgaben, die im Land der dienstlichen Verwendung entstehen könnten, unterscheide.

10 Nach Auffassung des Gerichts müssen die Modalitäten für die Auszahlung der Dienstbezuege der Unterschiedlichkeit dieser Situationen Rechnung tragen, um die Gleichwertigkeit der Kaufkraft der Beamten unabhängig von ihrem Dienstort zu gewährleisten. Es stehe aber fest, daß die in einem Drittland diensttuenden Beamten im Gegensatz zu den in der Gemeinschaft diensttuenden Beamten nach Anhang X des Statuts an ihrem Dienstort weder Wohnkosten noch Krankheitskosten zu bestreiten hätten. Infolgedessen stelle der Umstand, daß bei den in einem Drittland diensttuenden Beamten vermutet werde, daß sie nur 80 % ihrer Dienstbezuege im Land ihrer dienstlichen Verwendung ausgeben könnten, während für die in der Gemeinschaft diensttuenden Beamten die Vermutung gelte, daß sie ihre gesamten Dienstbezuege im Land ihrer dienstlichen Verwendung ausgäben, eine unterschiedliche Behandlung dar, die der unterschiedlichen Lage der beiden Beamtengruppen entspreche.

11 Zum letzten Argument der Rechtsmittelführerin, ihr werde unter Verstoß gegen die Artikel 62 bis 65 des Statuts, in denen der Anspruch des Beamten auf seine Dienstbezuege verankert sei, ein Teil dieser Bezuege entzogen, indem man ihr die Zahlung ihrer gesamten Dienstbezuege in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Ortes der dienstlichen Verwendung verweigere, hat das Gericht ausgeführt, daß der Rechtsmittelführerin nicht ein Teil ihrer Dienstbezuege rechtswidrig vorenthalten worden sei, da die Kommission gegen keine Vorschrift und keinen Rechtsgrundsatz verstossen habe.

12 Das Gericht hat damit die Klage abgewiesen.

Zum Rechtsmittel

13 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin, das Urteil des Gerichts sowie die Entscheidungen, mit denen ihre Beschwerde und ihr Antrag zurückgewiesen wurden, aufzuheben und die Kommission zur rückwirkenden Zahlung des Ergänzungsbetrags zu ihren Dienstbezuegen in der Währung und unter Anwendung des Berichtigungsköffizienten des Landes der dienstlichen Verwendung zuzueglich Verzugszinsen zu verurteilen.

14 Die Rechtsmittelführerin macht einen einzigen Rechtsmittelgrund geltend, der auf die Verletzung des für die europäischen Beamten in Artikel 62 des Statuts verankerten allgemeinen Rechtsgrundsatzes, nach dem ein Arbeitnehmer berechtigt sei, über sein Gehalt nach seinem Belieben zu verfügen, sowie auf die Verletzung des in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Achtung des Privatlebens gestützt wird. Das angefochtene Urteil habe der Kommission nämlich ein Ermessen zuerkannt, ohne auf die Argumentation der Rechtsmittelführerin einzugehen, daß ein solches Ermessen ihr Privatleben beeinträchtige, obwohl sie bereits bei der Einreichung ihres Antrags am 1. Oktober 1990 "einen Eingriff in die persönlichen Rechte und Wahlmöglichkeiten des Beamten bei der Verwendung dessen, was ihm nach dem Statut zusteht", gerügt und diese Haltung in der beim Gericht eingereichten Erwiderung bekräftigt habe.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

15 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit des Rechtsmittels mit der Behauptung, daß der einzige Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin zwei unterschiedliche Gründe enthalte, die als solche erstmals in der Rechtsmittelschrift geltend gemacht worden seien. Nach den Artikeln 113 § 2 und 116 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes könnten aber in der Klageschrift nicht enthaltene neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgebracht werden.

16 Der erste Rechtsmittelgrund ° Verletzung des in Artikel 62 des Statuts verankerten allgemeinen Grundsatzes, daß ein Arbeitnehmer nach seinem Belieben über sein Gehalt verfügen könne ° ist mit dem Generalanwalt (Randnr. 11 seiner Schlussanträge) dahin zu verstehen, daß damit der Sache nach der Kommission vorgeworfen wird, sie habe der Rechtsmittelführerin einen Teil ihrer Dienstbezuege genommen.

17 Da aus dem Urteil des Gerichts (Randnrn. 22 und 57) hervorgeht, daß die Rechtsmittelführerin tatsächlich einen solchen Klagegrund geltend gemacht hatte, ist die Einrede der Unzulässigkeit insoweit zurückzuweisen.

18 Was den zweiten Rechtsmittelgrund ° Verletzung des in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten allgemeinen Grundsatzes der Achtung des Privatlebens ° anbelangt, so trifft es zwar zu, daß sich die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht nicht ausdrücklich auf die erste dieser Bestimmungen berufen hat. Aus Randnummer 27 des angefochtenen Urteils ergibt sich jedoch, daß sie vorgetragen hat, es würde "eine unannehmbare und gegen Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verstossende Einmischung in das Privatleben eines Beamten darstellen", wenn man von ihr einen Nachweis über Art oder Struktur ihrer Ausgaben verlangte. Da sich die Rechtsmittelführerin vor dem Gerichtshof erneut auf den Schutz ihres Privatlebens sowie auf Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung beruft und da Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ebenfalls das Recht auf Achtung des Privatlebens betrifft, ist in der besonderen Bezugnahme auf die Bestimmungen dieses Artikels 8 nur die Weiterentwicklung eines bereits vor dem Gericht vorgetragenen Arguments zu sehen.

19 Daraus ergibt sich, daß die Einrede der Unzulässigkeit auch insoweit zurückzuweisen ist.

Zum Vorwurf der Verletzung von Artikel 62 des Statuts

20 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, daß in Artikel 62 des Statuts ("Der Beamte hat... allein aufgrund seiner Ernennung Anspruch auf die Dienstbezuege, die seiner Besoldungsgruppe und seiner Dienstaltersstufe entsprechen. Der Beamte kann auf diesen Anspruch nicht verzichten...") der allgemeine Rechtsgrundsatz niedergelegt sei, daß die Arbeitnehmer nach ihrem Belieben über ihr Gehalt verfügen könnten. Das Gericht habe aber einen Rechtsfehler begangen, indem es angenommen habe, daß die Beschränkung dieser Freiheit, die sich aus der Vermutung ergebe, daß nur 80 % der Dienstbezuege der in einem Drittland diensttuenden Beamten im Land der dienstlichen Verwendung ausgegeben werden könnten, deshalb gerechtfertigt sei, weil diese Beamten eine besondere Zulage erhielten, die zur Deckung ihrer gesamten Wohn- und Krankheitskosten bestimmt sei. Das Gericht habe deshalb den irrigen Standpunkt eingenommen, daß der Rechtsmittelführerin nicht rechtswidrig ein Teil ihrer Dienstbezuege vorenthalten worden sei.

21 Nach Ansicht des Gerichtshofes sind die Überlegungen, mit denen das Gericht die Rechtmässigkeit der streitigen Besoldungspraxis anerkannt hat, nicht zu beanstanden.

22 Wie das Gericht dargelegt hat, besteht zwischen der Lage der in der Gemeinschaft diensttuenden Beamten und der Lage der in Drittländern diensttuenden Beamten ein tatsächlicher Unterschied, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Während die erstgenannten Beamten ihre gesamten Wohnkosten und in der Regel 20 % ihrer Krankheitskosten tragen müssen, tragen die in einem Drittland diensttuenden Beamten weder Wohn- noch Krankheitskosten, da sie aufgrund der Bestimmungen in Anhang X Anspruch auf vollständige Deckung der Krankheitskosten haben und da ihnen das Gemeinschaftsorgan entweder eine angemessene Wohnung zur Verfügung stellt oder die Hotelkosten erstattet.

23 Da, wie das Gericht zu Recht ausgeführt hat (Randnr. 47 des angefochtenen Urteils), die Ratio legis des Systems darin besteht, daß der Berichtigungsköffizient nur auf die Beträge anzuwenden ist, die am Ort der dienstlichen Verwendung ausgegeben werden können, ist es folgerichtig, diesen Koeffizienten nicht von Amts wegen auf den Teil der Dienstbezuege des in einem Drittland diensttuenden Beamten anzuwenden, der dem auf Wohnung und Gesundheitsfürsorge entfallenden Teil der Dienstbezuege des in der Gemeinschaft diensttuenden Beamten entspricht, weil der in einem Drittland diensttuende Beamte im Gegensatz zu dem letztgenannten solche Ausgaben am Ort seiner dienstlichen Verwendung nicht haben kann.

24 Die Anwendung von Berichtigungsköffizienten soll die Erhaltung der Kaufkraft der Beamten, die in anderen Ländern als Belgien und Luxemburg Dienst tun, gewährleisten. Soweit es sich um Länder, im vorliegenden Fall Drittländer, handelt, in denen die Lebenshaltungskosten höher sind als in Belgien oder Luxemburg, wird durch die Anwendung des Berichtigungsköffizienten im Ergebnis das Nominalgehalt in belgischen Franken vor dem Umtausch in die Währung des betreffenden Drittlandes erhöht.

25 Würde der Berichtigungsköffizient trotz des Umstands, daß die in einem Drittland diensttuenden Beamten von einem erheblichen Teil ihrer Aufenthaltskosten entlastet werden, auf das gesamte Gehalt dieser Beamten in belgischen Franken angewandt, so verstieße dies gegen den Grundsatz der Gleichheit der Dienstbezuege der Beamten, denn dann erhielten die in einem Drittland diensttuenden Beamten tatsächlich ein höheres Gehalt als ihre in der Gemeinschaft diensttuenden Kollegen.

26 Das Gericht hat auch in überzeugender Weise dargelegt (Randnr. 48 des angefochtenen Urteils), daß die Festsetzung des Teils der Dienstbezuege, den ein in der Gemeinschaft diensttuender Beamter am Ort seiner dienstlichen Verwendung für Wohnung und Gesundheitsfürsorge ausgeben kann, auf 20 % sachgerecht ist. Denn zum einen bezieht sich dieser Satz auf den Prozentsatz von 15 bis 20 % der Dienstbezuege der in einem Drittland diensttuenden Beamten, der vor dem Inkrafttreten des Anhangs X dem Beitrag entsprach, den die Beamten ihrem Gemeinschaftsorgan für die Zurverfügungstellung einer Wohnung zu zahlen hatten. Zum anderen entspricht der Satz von 20 % der Bedeutung des Faktors "Wohnkosten" in der gewichteten Struktur des Verbrauchs der Beamten und damit dem Gewicht, das dem Faktor Wohnkosten bei der Berechnung der Berichtigungsköffizienten für bestimmte Dienstorte beigemessen wird.

27 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die vom Gericht vertretene Auffassung, daß die objektiv gerechtfertigte Besoldungspraxis der Kommission bezueglich der in einem Drittland diensttuenden Beamten nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 62 des Statuts verstosse und daher der Rechtsmittelführerin nicht einen Teil ihrer Dienstbezuege genommen habe, nicht rechtsfehlerhaft ist.

28 Demgemäß ist der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführerin zurückzuweisen.

Zum Vorwurf des Verstosses gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens

29 Die Rechtsmittelführerin beruft sich auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und trägt vor, daß sie in ihrer Eigenschaft als Beamtin Anspruch auf Achtung ihres Privatlebens habe. Der Umstand, daß der Beamte gemäß Artikel 1 der internen Richtlinien einen mit Gründen versehenen Antrag einreichen müsse, um mehr als 80 % der Dienstbezuege in der Währung des Landes der dienstlichen Verwendung zu erhalten, stelle für ihn aber eine Einmischung in sein Privatleben dar und entspreche keinem zwingenden gesellschaftlichen Erfordernis im Sinne von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Gericht habe mit der Abweisung der Klage ein Verfahren der Kommission gebilligt, das gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens der Beamten verstosse.

30 Das Gericht hat zwar keine ausdrückliche Begründung für die Zurückweisung dieses Klagegrundes gegeben, doch geht aus dem Urteil hervor, daß dieser Klagegrund nicht gesondert vorgetragen wurde, sondern von dem Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit der Kaufkraft (Randnr. 27 des Urteils) umfasst war und gemeinsam mit diesem entschieden wurde.

31 Zwar hätte das Gericht sein Urteil in diesem Punkt genauer begründen können, zumal nach ständiger Rechtsprechung die Grundrechte wie das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, das sich aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (vgl. insbesondere Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, 2925, Randnr. 41).

32 Es ist jedoch festzustellen, daß sich die Rechtsmittelführerin darauf beschränkt hat, Artikel 1 der internen Richtlinien zu beanstanden, soweit er als Voraussetzung für die Auszahlung von mehr als 80 % der Dienstbezuege in der Währung des Landes der dienstlichen Verwendung einen ordnungsgemäß begründeten Antrag vorschreibt. Sie hat nicht dargelegt, daß sie eine derart genaue Begründung hätte geben müssen, daß es zu einer Verletzung ihres Grundrechts auf Achtung des Privatlebens gekommen wäre.

33 Unter diesen Umständen kann man dem Gericht nicht vorwerfen ° was die Rechtsmittelführerin im übrigen auch nicht tut °, daß es einen eigenständigen Klagegrund ohne ausdrückliche Begründung zurückgewiesen habe.

34 Da der Rechtsmittelgrund, der aus einem Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens hergeleitet wird, demnach ebenfalls zurückgewiesen werden muß, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst. Nach Artikel 122 Absatz 2 der Verfahrensordnung findet diese Bestimmung jedoch dann keine Anwendung, wenn ein Beamter oder ein sonstiger Bediensteter eines Organs ein Rechtsmittel einlegt. Im Rahmen eines solchen Verfahrens ist daher Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung anzuwenden, wonach die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist. Da im vorliegenden Fall die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2) Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück