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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.12.1992
Aktenzeichen: C-79/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1371/84 vom 16.05.1984


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Verordnung Nr. 1371/84 vom 16.05.1984 Art. 5 Abs. 1 Nr. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Begriff "für die Milcherzeugung verwendete Flächen" in Artikel 5 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1371/84 und Artikel 7 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1546/88 über den im Rahmen der Abgabenregelung für Milch stattfindenden Übergang der nicht der Abgabe unterliegenden Referenzmengen im Fall der Übertragung eines Teils des Betriebs ist so zu verstehen, daß er auch die Hof-, Gebäude- und Wegeflächen des Betriebs erfasst, sofern sie unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 17. DEZEMBER 1992. - WALTER KNUEFER UND DIREKTOR DER LANDWIRTSCHAFTSKAMMER RHEINLAND GEGEN WALTER BUCHMANN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESVERWALTUNGSGERICHT - DEUTSCHLAND. - ZUSAETZLICHE ABGABE AUF MILCH. - RECHTSSACHE C-79/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 15. November 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11) und des Artikels 7 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 139, S. 12) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Walter Knüfer und dem Direktor der Landwirtschaftskammer Rheinland auf der einen und Walter Buchmann auf der anderen Seite über eine Referenzmenge nach der Zusatzabgabenregelung für Milch.

3 Walter Knüfer betrieb Milchwirtschaft auf einer Hofstelle, die seit dem vorigen Jahrhundert an seine Familie verpachtet war. Das Pachtverhältnis wurde zum 1. November 1986 gekündigt. Der Betrieb wurde am 5. November 1986 zurückgegeben. Am 14. Oktober 1986 übertrug der Eigentümer des Betriebs, der Vater von Walter Buchmann, dem letztgenannten mit Hofübergabevertrag den gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz. Dieser Übergang wurde mit Genehmigung des Vertrags durch das Landwirtschaftsgericht am 17. Dezember 1986 wirksam.

4 Walter Buchmann beantragte sodann bei der Landwirtschaftskammer Rheinland eine Bescheinigung, daß die Referenzmenge, die Herrn Knüfer für den fraglichen Betrieb zugeteilt worden war, auf ihn übergegangen sei, weil das Pachtverhältnis beendet worden sei und er den Betrieb übernommen habe. Diesem Antrag wurde nur zum Teil entsprochen, worauf Walter Buchmann gegen die teilweise Ablehnung seines Antrags Klage erhob.

5 Da das Bundesverwaltungsgericht, bei dem der Rechtsstreit in der Revision anhängig ist, der Ansicht ist, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erfasst der Begriff "für die Milcherzeugung verwendete Flächen" in Artikel 5 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 die Hof-, Gebäude- und Wegeflächen des Betriebs im Sinne der genannten Vorschrift?

6 Für den Fall, daß auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht die Verordnung Nr. 1371/84, sondern die Verordnung Nr. 1546/88 Anwendung finden sollte, ersucht das Bundesverwaltungsgericht den Gerichtshof in den Gründen des Vorlagebeschlusses darum, die vorgelegte Frage für den gleichlautenden Begriff in Artikel 7 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1546/88 zu beantworten.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Bericht des Berichterstatters verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) wird "im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Übertragung eines Betriebs in Erbfolge... die entsprechende Referenzmenge nach festzulegenden Modalitäten ganz oder teilweise auf den Käufer, Pächter oder Erben übertragen".

9 Die Durchführungsbestimmungen zu dieser Vorschrift wurden in Artikel 5 der Verordnung Nr. 1371/84 niedergelegt, nach dessen Absatz 1 Nr. 2 "im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Vererbung eines Teils des Betriebes... die entsprechende Referenzmenge nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen oder nach anderen von den Mitgliedstaaten aufgestellten objektiven Kriterien auf die den Betrieb übernehmenden Erzeuger aufgeteilt [wird]. Abgegebene Betriebsteile, deren für die Milcherzeugung genutzte Fläche unter einer von den Mitgliedstaaten zu bestimmenden Mindestfläche liegt, brauchen von diesen nicht berücksichtigt werden". Nach Artikel 5 Absatz 1 Nr. 3 gelten diese Bestimmungen "sinngemäß auch für andere Übergangsfälle, die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vergleichbare rechtliche Folgen für die Erzeuger mit sich bringen".

10 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 15) festgestellt hat, bringt die Rückgewähr eines verpachteten Betriebs nach Ablauf des Pachtverhältnisses Rechtsfolgen mit sich, die im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1371/84 denen der Übertragung dieses Betriebs bei der Begründung des Pachtverhältnisses vergleichbar sind; denn mit beiden Vorgängen ist ein Wechsel des Besitzes an den fraglichen Produktionseinheiten im Rahmen der durch den Pachtvertrag begründeten vertraglichen Beziehungen verbunden.

11 Die Bestimmungen des Artikels 5 Absatz 1 Nrn. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1371/84 wurden wörtlich in Artikel 7 Absatz 1 Nrn. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1546/88 übernommen, die die Verordnung Nr. 1371/84 mit Wirkung vom 4. Juni 1988 ersetzt hat. Die Auslegung, die der Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens vornimmt, gilt daher für die genannten Bestimmungen dieser beiden aufeinanderfolgenden Verordnungen.

12 Wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt, steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, für die Aufteilung der Referenzmengen von Betrieben, die nur zum Teil übertragen werden, eigene Kriterien aufzustellen, sofern es sich um objektive Kriterien handelt, und sie können auch vorsehen, daß abgegebene Betriebsteile, deren für die Milcherzeugung genutzte Fläche unter einer zu bestimmenden Mindestfläche liegt, nicht berücksichtigt werden. Soweit von diesen Möglichkeiten jedoch kein Gebrauch gemacht worden ist, sind die betreffenden Bestimmungen nach den bereits im Urteil vom 6. Dezember 1991 in der Rechtssache C-121/90 (Posthumus, Slg. 1991, I-5833, Randnr. 9) entwickelten Grundsätzen so anzuwenden, daß die Referenzmengen streng nach dem Verhältnis der verschiedenen für die Milcherzeugung genutzten Flächen des Betriebs aufzuteilen sind, ohne daß nach der Art der Nutzung dieser Flächen unterschieden werden könnte.

13 Zum Zwecke der Aufteilung der Referenzmengen sind alle Flächen des Betriebs zu berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen, einschließlich der Hof-, Gebäude- und Wegeflächen des Betriebs, sofern sie unmittelbar oder mittelbar zur Milcherzeugung des Betriebs beitragen.

14 Diese sich aus dem Wortlaut der Regelung ergebende Auslegung entspricht auch deren Zweck. Die betreffenden Bestimmungen verlangen nämlich, unbeschadet von durch die Mitgliedstaaten ausdrücklich festgelegten Abweichungen, daß zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der Wirksamkeit der Regelung klare und genaue Regeln aufgestellt werden, deren Anwendung durch die nationalen Behörden keinerlei Ermessensausübung voraussetzt (vgl. hierzu Urteil vom 6. Dezember 1991 in der Rechtssache C-121/90, Posthumus, a. a. O., Randnr. 10).

15 Deshalb ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, daß der Begriff "für die Milcherzeugung verwendete Flächen" in Artikel 5 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1371/84 und Artikel 7 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1546/88 so zu verstehen ist, daß er auch die Hof-, Gebäude- und Wegeflächen des Betriebs erfasst, sofern sie unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 15. November 1990 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Der Begriff "für die Milcherzeugung verwendete Flächen" in Artikel 5 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 und Artikel 7 Absatz 1 Nr. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 ist so zu verstehen, daß er auch die Hof-, Gebäude- und Wegeflächen des Betriebs erfasst, sofern sie unmittelbar oder mittelbar zu dessen Milcherzeugung beitragen.

Ende der Entscheidung

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