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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.1992
Aktenzeichen: C-83/91
Rechtsgebiete: EG, EWG, AktG


Vorschriften:

EG Art. 234
EWG Art. 177
AktG Art. 27
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen des in Artikel 177 EWG-Vetrag vorgesehenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten besitzt das vorlegende Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts verfügt, die besten Voraussetzungen, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß seines Urteils zu beurteilen. Wenn daher die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.

Jedoch obliegt es dem Gerichtshof, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom vorlegenden Gericht angerufen worden ist. Denn der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorabentscheidungsersuchen durchzuführen ist, verlangt, daß das vorlegende Gericht auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben.

2. Die Notwendigkeit, zu einer dem vorlegenden Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, macht es erforderlich, den rechtlichen Rahmen zu umreissen, in den sich die erbetene Auslegung einfügen soll. Unter diesem Gesichtspunkt kann es je nach der Gestaltung des Falles von Vorteil sein, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage an den Gerichtshof der Sachverhalt und die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt sind, so daß der Gerichtshof sich über alle Tatsachen- und Rechtsfragen unterrichten kann, auf die es bei der von ihm vorzunehmenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts möglicherweise ankommt.

3. Der Gerichtshof würde die Grenzen seiner Aufgabe überschreiten, wenn er beschließen würde, über eine Frage von hypothetischer Natur zu entscheiden, ohne über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu verfügen, deren er für eine sachgerechte Beantwortung der ihm gestellten Vorabentscheidungsfragen bedarf.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 16. JULI 1992. - WIENAND MEILICKE GEGEN ADV/ORGA F. A. MEYER AG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: LANDGERICHT HANNOVER - DEUTSCHLAND. - GESELLSCHAFTSRECHT - RICHTLINIE 77/91/EWG. - RECHTSSACHE C-83/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Landgericht Hannover hat mit Beschluß vom 15. Januar 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 1. März 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Zweiten Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (77/91/EWG; ABl. 1977, L 26, S. 1; im folgenden: Zweite Richtlinie), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Verfahren, in dem Herr Wienand Meilicke als Antragsteller der ADV/ORGA AG (im folgenden: Antragsgegnerin) gegenübersteht, deren Aktionär er ist und deren Vorstand es in der Hauptversammlung der Aktionäre vom 16. Februar 1990 abgelehnt hat, ihm bestimmte Auskünfte zu erteilen.

3 Es handelt sich um einen Rechtsstreit im Rahmen des deutschen Aktiengesetzes (AktG) in seiner Auslegung durch den Bundesgerichtshof.

4 Das Aktiengesetz unterwirft Kapitaleinlagen, die nicht Bareinlagen sind (im folgenden: Sacheinlagen), strengeren Bedingungen hinsichtlich der Offenlegung und der Wertprüfung, als sie für Bareinlagen gelten.

5 Die deutsche Rechtsprechung qualifiziert jedoch bestimmte Bareinlagen als "verdeckte Sacheinlagen". Dies gilt namentlich für Bareinlagen, denen ein Geschäft vorausgeht oder nachfolgt, durch das die betreffende Gesellschaft dem Zeichner einen Betrag zahlt, der es dieser Gesellschaft ermöglicht, eine von ihr gegenüber dem Zeichner eingegangene Verbindlichkeit zu tilgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine solche Einlage nicht als Bareinlage angesehen werden und ist demzufolge den für Sacheinlagen geltenden besonderen Vorschriften des § 27 AktG und des Artikels 10 der Zweiten Richtlinie unterworfen. Werden diese Bestimmungen nicht beachtet, so kommt der verdeckten Sacheinlage keine Erfuellungswirkung zu (vgl. insbesondere Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 1990, II ZR 164/88, DB 1990, 311; BGHZ 110, 47).

6 Diese Rechtsprechung wurde vom Antragsteller wiederholt kritisiert, insbesondere in seinem Buch Die "verschleierte" Sacheinlage; eine deutsche Fehlentwicklung (Schäffer Verlag, Stuttgart, 1989), das den vom Antragsteller gemäß Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen als Anlage beiliegt. Der Antragsteller vertritt die Ansicht, die betreffende Rechtsprechung stehe im Widerspruch zur Zweiten Richtlinie, insbesondere zu deren Artikel 11, der eine abschließende Regelung zur Verhinderung von Umgehungen der Vorschriften über Sacheinlagen enthalte.

7 Der Antragsteller ist Inhaber einer Aktie der Antragsgegnerin. Nachdem diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, beschloß sie am 28. April 1989, ihr Kapital um 5 Millionen DM zu erhöhen. Die neuen Aktien wurden zu einem Kurs von 300 % ausgegeben, den die Commerzbank garantierte. Diese wurde letztlich Inhaber dieser Aktien.

8 In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 16. Februar 1990 stellte der Antragsteller dem Vorstand mehrere Fragen über die 1989 vorgenommene Kapitalerhöhung und die Verwendung der so erlangten fluessigen Geldmittel. Diese Fragen gingen im wesentlichen dahin, ob die Kapitaleinlage zur Verringerung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber der Commerzbank benutzt worden sind.

9 Der Antrag des Antragstellers war auf § 131 Absatz 1 Satz 1 AktG gestützt, wonach der Vorstand jedem Aktionär auf Verlangen Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben hat, soweit sie zur sachgemässen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. § 131 Absatz 3 legt fest, in welchen Fällen der Vorstand die Auskunft verweigern darf.

10 Der Antragsteller war der Ansicht, daß die Antworten des Vorstands auf die in der Hauptversammlung vom 16. Februar 1990 gestellten Fragen nicht zufriedenstellend gewesen seien und daß er somit nicht die Auskunft erhalten habe, auf die er nach § 131 AktG Anspruch gehabt habe. Er stellte deshalb gegen die Antragsgegnerin beim Landgericht Hannover einen Antrag nach § 132 AktG.

11 § 132 AktG sieht ein besonderes Verfahren für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs der Aktionäre vor. Nach Satz 1 dieser Vorschrift entscheidet über die Frage, ob der Vorstand die Auskunft zu geben hat, das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.

12 Im schriftlichen Verfahren vor dem Landgericht Hannover machte der Antragsteller geltend, die Antworten der Antragsgegnerin auf seine Fragen seien erforderlich, um die Richtigkeit von deren Jahresbilanz beurteilen zu können. Ergänzend trug er vor, diese Antworten müssten ihm die Überprüfung der Frage ermöglichen, ob die Kapitalerhöhung der Gesellschaft von 1989 eine verdeckte Sacheinlage darstelle und ob die nach dem deutschen Recht und der deutschen Rechtsprechung geltenden Voraussetzungen für eine solche Einlage vorgelegen hätten.

13 Die Antragsgegnerin machte im schriftlichen Verfahren vor dem vorlegenden Gericht geltend, die vom Antragsteller verlangten Auskünfte seien für die Beurteilung der Richtigkeit der Bilanz nicht erheblich und die Voraussetzungen für die Anwendung von § 131 AktG seien nicht erfuellt. Sie bestritt ferner im Hinblick auf die Kritik, die der Antragsteller als Autor verschiedener Veröffentlichungen selbst an der deutschen Rechtsprechung geuebt habe, das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers. Ausserdem vertrat sie die Ansicht, daß die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Rechtsprechung nicht vorlägen.

14 In der mündlichen Verhandlung vor dem vorlegenden Gericht nahmen die Parteien insbesondere zu dem angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 1990 und zur Zweckmässigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens Stellung. Was letztere angeht, so forderte das vorlegende Gericht die Parteien auf, sich eingehender zu äussern.

15 Die Antragsgegnerin trug hierzu zunächst erneut vor, daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur verdeckten Sacheinlage nicht vorlägen und daß deshalb keine Veranlassung bestehe, den Gerichtshof anzurufen. Sie machte sodann vorsorglich geltend, falls das Landgericht der Ansicht sein sollte, daß eine verdeckte Sacheinlage als gegeben angesehen werden könne und nur ihre Höhe unbekannt sei, sei zu prüfen, ob der Vorstand rechtswidrig gehandelt habe. Zur Begründung dafür trug die Antragsgegnerin vor, das Verhalten des Vorstands könne dann nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die deutsche Rechtsprechung der Zweiten Richtlinie widerspreche. In diesem Zusammenhang erklärte sie in Übereinstimmung mit dem Antragsteller, daß die Frage der Vereinbarkeit nach Artikel 177 EWG-Vertrag dem Gerichtshof vorgelegt werden sollte.

16 Der Antragsteller machte seinerseits geltend, der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens könne tatsächlich eine verdeckte Sacheinlage im Sinne der deutschen Rechtsprechung erkennen lassen; auch seien die verlangten Auskünfte für diese Feststellung erforderlich. In Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin vertrat er jedoch die Ansicht, die Frage der Vereinbarkeit der deutschen Rechtsprechung mit der Zweiten Richtlinie sollte zum Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens gemacht werden; zu diesem Zweck legte er dem Landgericht Hannover sieben Vorschläge für Vorabentscheidungsfragen vor.

17 In seinem Vorlagebeschluß führt das Landgericht aus, die Voraussetzungen des § 131 AktG lägen dann vor, wenn die Grundsätze der von der deutschen Rechtsprechung und Rechtsliteratur entwickelten Lehre von der verdeckten Sacheinlage das Auskunftsbegehren des Antragstellers rechtfertigten. Es könnte unter Umständen sein, daß die Tilgung vor der Kapitalerhöhung begründeter Darlehensverbindlichkeiten der Antragsgegnerin mit Bareinlagemitteln des Darlehensgläubigers als Umgehung der aktienrechtlichen Vorschriften über den präventiven Kapitalaufbringungsschutz unwirksam wäre.

18 Das Landgericht sieht sich jedoch an einer Entscheidung über den Antrag gehindert, weil es Zweifel hat, ob das mit diesem verfolgte Ziel rechtmässig ist. Wenn nämlich die Lehre von der verdeckten Sacheinlage nicht mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit der Zweiten Richtlinie vereinbar sei, sei der Antrag zurückzuweisen. Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß die Antragsgegnerin diese Zweifel teilt und daß der Antragsteller geltend macht, daß die Unvereinbarkeit der fraglichen Lehre mit dem Gemeinschaftsrecht eindeutig feststehe und zur Abweisung seines Begehrens führen müsse.

19 Das Landgericht hält es daher zur Förderung der Rechtssicherheit für geboten, von seinem Vorlagerecht an den Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag Gebrauch zu machen und eine Vorabentscheidung über folgende Fragen einzuholen:

1) Ist es mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft vereinbar, die Tilgung vor einer Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft begründeter Darlehnsverbindlichkeiten der Gesellschaft mit Bareinlagemitteln des Darlehnsgläubigers grundsätzlich nach den Schutzvorschriften für das Sacheinlagegeschäft abzuwickeln?

Sowie im einzelnen:

2) Ist die 2. EG-Richtlinie zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, ABl. L 26, S. 1 vom 31.1.1977 direkt anwendbar in dem Sinne, daß der einzelne Bürger sich vor nationalen Gerichten darauf berufen kann und daß die nationalen Gerichte bei der Auslegung der nationalen Durchführungsgesetze (hier: Gesetz zur Durchführung der 2. Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978, Bundesgesetzblatt I 1978, S. 1959) den Wortlaut und die Ziele der Richtlinie berücksichtigen müssen?

3) Stellt die 2. EG-Richtlinie, insbesondere in ihren Artikeln 10, 11 und 27 Absatz 2, eine blosse Mindestnorm dar, die den Nationalstaaten gestattet, strengeres nationales Recht zu setzen oder anzuwenden, um die Umgehung der Wertprüfungs- und Offenlegungsvorschriften der Artikel 10 und 27 Absatz 2 durch Vornahme von Verkehrsgeschäften in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Bareinlage zu unterbinden

oder

stellt Artikel 11 der Richtlinie eine abschließende Regelung des Umgehungsschutzes für die Einhaltung der Sacheinlagevorschriften der Artikel 10 und 27 Absatz 2 der Richtlinie dar, die den Nationalstaaten verbietet, davon abweichendes strengeres oder milderes Recht zu setzen

oder

folgt aus den Zielen der Artikel 10 und 27 Absatz 2 der Richtlinie neben Artikel 11 ein für alle Mitgliedstaaten verbindlicher Umgehungsschutz für die Einhaltung der Sacheinlagevorschriften?

3.1) Wenn die Artikel 10, 11 und 27 Absatz 2 der 2. EG-Richtlinie eine blosse Mindesnorm darstellen,

a) besteht dann ein Stand-Still-Gebot in dem Sinne, daß nur solches strengeres nationales Recht zugelassen ist, welches bei Erlaß der Richtlinie bereits existierte? Wenn ja,

aa) wird der Umfang des noch zulässigen strengeren nationalen Rechts und des nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erlassenen und deshalb nicht mehr zulässigen strengeren nationalen Rechts durch die nationalen Gerichte autonom festgestellt oder ist dies Teil der Auslegung des europäischen Rechts, welche dem EuGH obliegt?

bb) wenn der Umfang des dem Stand-Still-Gebot widersprechenden nationalen Rechts Teil der Auslegung des europäischen Rechts durch den EuGH ist, stellt es dann einen Verstoß gegen das Stand-Still-Gebot dar, wenn die Tilgung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber dem Zeichner einer Barkapitalerhöhung als unzulässige Umgehung der Sacheinlagevorschriften behandelt wird?

cc) wenn der Umfang des dem Stand-Still-Gebot widersprechenden nationalen Rechts durch die nationalen Gerichte festgelegt wird, welches ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob das durch Stand-Still-Gebot aufrecht erhaltene strengere nationale Recht fortbestehen darf oder nicht (z. B. Beginn der Beratungen über die Richtlinie, Verabschiedung durch das europäische Parlament oder Verabschiedung durch den Ministerrat) und

dd) bezieht sich das durch Stand-Still-Gebot aufrecht erhaltene strengere nationale Recht nur auf formelle Rechtsnormen (Gesetz, Verordnung) oder auch auf den Stand der Rechtsprechung und Literatur in dem nach cc maßgeblichen Zeitpunkt?

b) wenn Artikel 10, 11 und 27 Absatz 2 der 2. EG-Richtlinie Mindestnorm (mit oder ohne Stand-Still-Gebot) darstellen, darf strengeres nationales Recht nur durch formelle nationale Rechtsordnung oder trotz harmonisiertem Wortlaut der nationalen Durchführungsgesetze auch im Wege der Auslegung oder Analogie durch die nationalen Gerichte statuiert werden?

c) wenn Artikel 10, 11 und 27 Absatz 2 der 2. EG-Richtlinie Mindestnormen sind, aus Sicht welcher Zielgruppe bestimmt sich die Frage, ob eine nationale Schutznorm zulässiges strengeres oder unzulässiges milderes Recht ist? Gehören zu den durch Mindestnorm geschützten Interessen auch das Interesse der Gesellschaft und Dritter auf Rechtssicherheit für Rechtsgeschäfte, die in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Bareinlage zwischen Zeichner und Gesellschaft vorgenommen werden (hier: die Tilgung einer Forderung des Zeichners gegen die Gesellschaft)?

3.2) Wenn Artikel 11 eine abschließende Regelung des Umgehungsschutzes darstellt, bedeutet dies, daß es den Nationalstaaten verwehrt ist, eine Barkapitalerhöhung oder ein Verkehrsgeschäft nur deshalb als nicht ordnungsgemäß anzusehen und mit zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen zu belegen, weil die Gesellschaft eine in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Barkapitalerhöhung bestehende Schuld getilgt hat, ohne die Offenlegungs- und Wertprüfungsvorschriften des Artikels 10 der Richtlinie einzuhalten? Bedeutet dies insbesondere, daß es den Nationalstaaten verwehrt ist, eine Offenlegung und Wertprüfung gemäß Artikel 10, 27 Absatz 2 der Richtlinie zu verlangen, wenn das Verkehrsgeschäft (hier: Rückzahlung von Schulden) ein laufendes Geschäft im Sinne von Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie darstellt und nach Ablauf der Frist erfolgt, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie festgesetzt worden ist?

3.3) Wenn Artikel 10, 11 und 27 Absatz 2 keine durch strengeres nationales Recht übersteigbare Mindestnorm darstellen, Artikel 11 aber auch keine abschließende Regelung des Umgehungsschutzes darstellt, sondern wenn aus den Zielen der Richtlinie für alle Mitgliedstaaten die Pflicht abzuleiten ist, gegen die Umgehung der Prüfungs- und Offenlegungspflicht für Sacheinlagen durch Aufspaltung in eine Bareinlage und ein Verkehrsgeschäft vorzugehen, sind dann die Rechtsgrundsätze zum Umgehungsschutz unmittelbar und einheitlich aus dem europäischen Recht, insbesondere aus den Zielen der Richtlinie, herzuleiten, oder sind diese Rechtsgrundsätze in jedem Mitgliedstaat dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaates zu entnehmen?

4) Stellt eine Kapitalerhöhung durch Tilgung einer Forderung des Zeichners gegen die Gesellschaft

a) zwingend eine Barkapitalerhöhung dar?

b) zwingend eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen, die nicht Bareinlagen sind, i. S. d. Artikels 27 Absatz 1 der 2. EG-Richtlinie dar?

c) oder besteht ein Wahlrecht, eine solche Einlage entweder als Barkapitalerhöhung oder als Sachkapitalerhöhung zu behandeln? Steht dieses etwaige Wahlrecht der Hauptversammlung der Aktionäre nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie oder den Mitgliedstaaten zu?

d) oder steht den Mitgliedstaaten die Befugnis zu, die Abgrenzung zwischen Bareinlagen und solchen Einlagen, die nicht Bareinlagen sind, autonom nach Gutdünken vorzunehmen?

5) Zu Artikel 7 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie:

5.1) Ist Artikel 7 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie dahin auszulegen, daß die Einlage durch Verzicht auf eine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung bei finanzieller Notlage der Gesellschaft ganz oder teilweise unzulässig ist oder gestattet Artikel 7 Satz 1 die Einlage zum Nominalwert ungeachtet der Bonität der Gesellschaft?

5.2) Wenn Artikel 7 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie die Einlage einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung ohne Prüfung der Bonität der Gesellschaft zum Nominalwert gestattet,

a) ist dann die Beurteilung der Einlagefähigkeit von Forderungsverzichten eine Frage der Anwendung des europäischen Richtlinienrechts, welche der Auslegung durch den EuGH entzogen ist,

b) oder ist Artikel 7 Satz 1 Mindestnorm, die den Mitgliedstaaten gestattet, durch strengeres nationales Recht zusätzliche Anforderungen an die Einlagefähigkeit zu stellen

c) oder ist Artikel 7 Satz 1 insoweit eine abschließende Regelung der Einlagefähigkeit?

5.3) Sofern gemäß 5.2. b die Einlagefähigkeit von Forderungen gegen die Gesellschaft durch Artikel 7 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie nicht abschließend geregelt ist, sondern es sich um eine Mindestnorm handelt, die es gestattet, daß strengeres nationales Recht zusätzliche Anforderungen an die Einlagefähigkeit stellt, so wird dem EuGH wiederum die Frage vorgelegt,

a) ob und unter welchen Bedingungen ein Stand-Still-Gebot besteht und ob die Einführung der Prüfung der Bonität bei der Einlage einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung einen Verstoß gegen das Stand-Still-Gebot darstellt (s. o. Frage 3.1. a, aa bis dd)

b) ob nationales strengeres Recht eine ausdrückliche formelle Rechtsnorm voraussetzt oder auch durch strengere Interpretation des Durchführungsgesetzes (hier: § 27 Absatz 2 Satz 1 AktG) herbeigeführt werden darf?

und

c) aus Sicht welcher Zielgruppe sich die Frage bestimmt, ob die zusätzlichen Anforderungen an die Einlagefähigkeit zulässiges strengeres oder unzulässiges milderes Recht sind?

5.4) Wenn gemäß 5.2. c Artikel 7 Satz 1 eine abschließende Regelung der Einlagefähigkeit darstellt, ist der "wirtschaftliche feststellbare Wert" einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung

a) aus Sicht der Gesellschaft und folglich ungeachtet der Bonität der Gesellschaft oder

b) aus Sicht des Gläubigers und folglich unter Berücksichtigung von Wertminderungen, welche sich aus Bonitätsmängeln der Gesellschaft ergeben, zu ermitteln?

6) Wenn Artikel 7, 10, 11 und 27 Absatz 2 der Richtlinie dahin auszulegen sind, daß ein EG-einheitlicher Umgehungsschutz angeordnet ist, der es verbietet, eine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung des Zeichners in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Bareinlage ohne Einhaltung der Offenlegungs- und Wertprüfungsvorschriften des Artikels 10 zurückzuzahlen, so wird die Antwort des EuGH dazu erbeten, ob folgende Modalitäten eine unzulässige Umgehung der Sacheinlagevorschriften darstellen:

a) Muß die Höhe der Bareinlage mit der Höhe der zurückgezahlten Forderung identisch sein oder ist die Unzulässigkeit bereits dann gegeben, wenn teilweise Identität besteht?

b) Muß eine subjektive Verknüpfung zwischen Bareinlage und Verkehrsgeschäft (hier: Forderungstilgung) bestehen oder genügt ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang? Wenn eine subjektive Verknüpfung erforderlich ist, besteht bei zeitlichem Zusammenhang eine Vermutung für die subjektive Verknüpfung? Wie groß muß der zeitliche Zusammenhang sein?

c) Wenn nur eine subjektive Verknüpfung eine unzulässige Umgehung darstellt, erfordert die subjektive Verknüpfung dann eine Absicht, die Sacheinlagevorschriften zu vermeiden, oder genügt das Wissen, daß die Sacheinlagevorschriften angewendet werden könnten, oder ist die Kenntnis der Offenlegungs- und Wertprüfungsvorschriften für Sacheinlagen bei Kenntnis des subjektiven Zusammenhangs zwischen Bareinlage und Schuldtilgung gar nicht erforderlich? Ist eine subjektive Verknüpfung nur schädlich, wenn das eine Geschäft im Sinne einer Bedingung mit dem anderen steht und fällt, oder genügt, daß der Abschluß des einen Motiv für den Abschluß des anderen Geschäfts ist? Muß ein beidseitiges Motiv vorliegen, oder genügt es, wenn für einen der Beteiligten das eine Geschäft Motiv für den Abschluß des anderen Geschäfts ist?

d) Liegt eine unzulässige Umgehung auch dann vor, wenn ein Kreditinstitut nach § 186 Absatz 5 AktG die neuen Aktien aus einer Barkapitalerhöhung mit der Verpflichtung übernimmt, sie den Altaktionären zum Bezug anzubieten, und welche Auswirkung hat es auf die Zulässigkeit der Umgehung der Sacheinlagevorschriften, ob und in welcher Höhe das die Barkapitalerhöhung zeichnende Kreditinstitut selbst Altaktionär ist und ob im Zeitpunkt der Zeichnung durch das Kreditinstitut die rasche Plazierung auf dem Kapitalmarkt unproblematisch erscheint oder ob das Kreditinstitut die Plazierung garantiert hat?

e) Welche Auswirkung hat es auf die Zulässigkeit der Umgehung der Sacheinlagevorschriften, daß die Bank trotz Rückzahlung ihrer Forderungen aus der von ihr eingezahlten Bareinlage ihre Kreditlinien offenhält? Kommt es dabei darauf an, ob und wann die offen gehaltene Kreditlinie später tatsächlich in Anspruch genommen wird, oder darauf, ob und wann aus Sicht des Zeitpunkts der Barkapitalerhöhung eine Inanspruchnahme der Kreditlinien zu erwarten war?

7) Ist es mit der in Artikel 25 Absatz 1 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie vorgeschriebenen Kompetenz der Hauptversammlung zur Vornahme von Kapitalerhöhungen vereinbar, daß eine von der Hauptversammlung beschlossene und isoliert ordnungsgemäß eingezahlte Barkapitalerhöhung deshalb für unwirksam oder unzulässig angesehen oder behandelt wird, weil zwischen Vorstand und Zeichner in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Barkapitalerhöhung ein Verkehrsgeschäft (hier: eine Darlehenstilgung) vereinbart wird, durch welche die Bareinlage ganz oder teilweise wieder an den Zeichner zurückfließt? Kommt es für das Vorliegen eines unzulässigen Umgehungstatbestandes darauf an, ob der Hauptversammlung bei Beschluß der Barkapitalerhöhung eine entsprechende Vereinbarung zwischen Vorstand und Zeichner bekannt war oder ob ihr diese hätte bekannt sein müssen?

8) Wenn die Umgehung der Wertprüfungs- und Offenlegungsvorschriften des Artikels 10 durch Aufspaltung in eine Bareinlage und ein Erwerbsgeschäft unzulässig ist und wenn Artikel 7 Satz 1 der 2. EG-Richtlinie dahin auszulegen ist, daß die Einlage durch Verzicht auf eine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung bei finanzieller Notlage der Gesellschaft unzulässig ist (s. o. 5.1), folgt dann aus der fehlenden Einlagefähigkeit der Forderung die Zulässigkeit der Tilgung der notleidenden Gesellschaft trotz sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Bareinlage oder ist die Forderungstilgung, da sie nicht einmal als registerrechtlich geprüfte Sacheinlage zulässig ist, dann erst recht ohne eine solche unzulässig?

20 Wegen weiterer Einzelheiten der fraglichen gemeinschaftsrechtlichen Regelung, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

21 Im Hinblick auf die Umstände, unter denen das vorlegende Gericht die Vorabentscheidungsfragen gestellt hat, sind einige Grundsätze für die Befugnisse des Gerichtshofes aus Artikel 177 EWG-Vertrag in Erinnerung zu rufen und zu konkretisieren.

22 Nach ständiger Rechtsprechung (erstmals Urteil vom 1. Dezember 1965 in der Rechtssache 16/65, Schwarze, Slg. 1965, 1152, und letztmals Urteil vom 25. Juni 1992 in der Rechtssache 147/92, Ferrer Laderer, Slg. 1992, I-4097, Randnr. 6) ist das in Artikel 177 EWG-Vertrag vorgesehene Verfahren ein Instrument für die Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten.

23 Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung (erstmals Urteil vom 29. November 1978 in der Rechtssache 83/78, Pigs Marketing Board, Slg. 1978, 2347, Randnr. 25, und letztmals Urteil vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-186/90, Durighello, Slg. 1991, I-5773, Randnr. 8) besitzt im Rahmen dieser Zusammenarbeit das vorlegende Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts verfügt, die besten Voraussetzungen, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtssache die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß seines Urteils zu beurteilen.

24 Wenn daher die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-231/89, Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I-4003, Randnr. 20).

25 Jedoch hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Dezember 1981 in der Rechtssache 244/80 (Foglia, Slg. 1981, 3045, Randnr. 21) ausgeführt, daß es ihm obliege, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem vorlegenden Gericht angerufen worden ist. Denn der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorabentscheidungsersuchen durchzuführen ist, verlangt, daß das vorlegende Gericht auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteil Foglia, a. a. O., Randnrn. 18 und 20, und Urteil vom 3. Februar 1983 in der Rechtssache 149/82, Robards/Insurance Officer, Slg. 1983, 171, Randnr. 19).

26 Wie der Gerichtshof schon bei früherer Gelegenheit dargelegt hat, macht es die Notwendigkeit, zu einer dem vorlegenden Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, erforderlich, den rechtlichen Rahmen zu umreissen, in den sich die erbetene Auslegung einfügen soll. Unter diesem Gesichtspunkt kann es je nach der Gestaltung des Falles von Vorteil sein, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage an den Gerichtshof der Sachverhalt und die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt sind, so daß der Gerichtshof sich über alle Tatsachen- und Rechtsfragen unterrichten kann, auf die es bei der von ihm vorzunehmenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts möglicherweise ankommt (Urteil vom 10. März 1981 in den verbundenen Rechtssachen 36/80 und 71/80, Irish Creamery Milk Suppliers Association, Slg. 1981, 735, Randnr. 6). Denn ohne solche Angaben ist der Gerichtshof möglicherweise ausserstande, eine sachgerechte Auslegung vorzunehmen (Urteil vom 3. Februar 1977 in der Rechtssache 52/76, Benedetti, Slg. 1977, 163, Randnrn. 20 bis 22, und Urteil vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor GmbH, Slg. 1983, 2633, Randnr. 36).

27 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist zunächst zu bemerken, daß der konkrete Rahmen des Rechtsstreits, der Anlaß zu dem Vorabentscheidungsersuchen gegeben hat, durch die §§ 131 und 132 AktG umrissen ist. Diese Vorschriften betreffen den Anspruch des Aktionärs auf Auskunft des Vorstands.

28 Die Vorabentscheidungsfragen beziehen sich nicht unmittelbar auf diesen Anspruch, sondern werfen im wesentlichen die Frage auf, ob die Lehre von der verdeckten Sacheinlage, wie sie sich insbesondere aus dem angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 1990 ergibt, mit der Zweiten Richtlinie vereinbar ist. Das vorlegende Gericht hält eine Antwort auf diese Fragen für erforderlich, um über das vom Antragsteller vorgebrachte Auskunftsbegehren entscheiden zu können. Das Gericht führt hierzu ergänzend aus, daß dieses Begehren zurückzuweisen wäre, wenn sich die Lehre von der verdeckten Sacheinlage, wie sie durch die deutsche Rechtsprechung umschrieben worden sei, als mit der Zweiten Richtlinie unvereinbar erweisen sollte.

29 Wie sich jedoch aus den Akten ergibt, steht nicht fest, ob die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Lehre im Ausgangsverfahren erfuellt sind. Denn die Antragsgegnerin hat sowohl im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht als auch in ihren vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen bestritten, daß die deutsche Rechtsprechung auf die Transaktionen zwischen ihr und der Commerzbank anwendbar sei. Das vorlegende Gericht selbst äussert sich hierzu im Konditional, indem es ausführt, daß es sein könnte, daß die Einlage der Commerzbank mit der fraglichen Rechtsprechung unvereinbar wäre.

30 Demnach ist die Frage der Vereinbarkeit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage mit der Zweiten Richtlinie hypothetischer Natur.

31 Ferner ist zu bemerken, daß der hypothetische Charakter der Frage, die dem Gerichtshof zur Stellungnahme vorliegt, dadurch bestätigt wird, daß in den Akten nicht die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben sind, anhand deren geklärt werden könnte, in welchem Zusammenhang die Kapitalerhöhung der Antragsgegnerin stattgefunden hat, und die es ermöglichen würden, den Bezug zwischen der Einlage der Commerzbank und der Lehre von der verdeckten Sacheinlage, wie sie sich aus der deutschen Rechtsprechung ergibt, herzustellen. Die Vorabentscheidungsfragen betreffen aber gerade die Vereinbarkeit dieser Lehre mit der Zweiten Richtlinie und bringen daher zahlreiche Probleme zur Sprache, deren Lösung weitgehend von den Umständen abhängt, unter denen die Kapitalerhöhungen stattgefunden haben.

32 Der Gerichtshof ist daher vor die Aufgabe gestellt, über eine Frage von hypothetischer Natur zu entscheiden, ohne über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu verfügen, deren er für eine sachgerechte Beantwortung der ihm gestellten Fragen bedarf.

33 Somit würde der Gerichtshof die Grenzen seiner Aufgabe überschreiten, wenn er beschließen würde, die ihm gestellten Vorabentscheidungsfragen zu beantworten.

34 Nach alledem besteht keine Veranlassung, über die Fragen des Landgerichts Hannover zu entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Landgericht Hannover mit Beschluß vom 15. Januar 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Es besteht keine Veranlassung, über die Fragen des Landgerichts Hannover zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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