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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: C-92/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung in der durch die Richtlinie 87/101/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 geänderten Fassung


Vorschriften:

Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung in der durch die Richtlinie 87/101/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 geänderten Fassung Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 27. Januar 2005. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Portugiesische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 75/439/EWG - Altölbeseitigung - Vorrang der Behandlung im Wege der Aufbereitung. - Rechtssache C-92/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-92/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage gemäß Artikel 226 EG, eingereicht am

28. Februar 2003

,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch A. Caeiros und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik , vertreten durch L. Fernandes und M. Lois als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch:

Republik Finnland , vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen und J. Kluka,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

28. Oktober 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beantragt mit ihrer Klage die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung (ABl. L 194, S. 23) in der durch die Richtlinie 87/101/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 (ABl. 1987, L 42, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen dafür erlassen hat, dass der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang eingeräumt wird, sofern die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge dies zulassen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2. Ziel der Richtlinie ist es, die Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen des Ableitens und der Behandlung von Altölen zu schützen. Artikel 3 der Richtlinie sieht vor:

(1) Sofern keine technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge entgegenstehen, treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang eingeräumt wird.

(2) Erfolgt aufgrund der in Absatz 1 genannten Sachzwänge keine Aufbereitung des Altöls, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jegliches Verbrennen von Altölen nach umweltfreundlichen Verfahren gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie erfolgen kann, soweit dieses Verbrennen technisch, wirtschaftlich und organisatorisch durchführbar ist.

(3) Erfolgt aufgrund der in den Absätzen 1 und 2 genannten Sachzwänge weder die Aufbereitung noch das Verbrennen von Altölen, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um ihre schadlose Vernichtung oder kontrollierte Lagerung oder Ablagerung zu gewährleisten.

3. Gemäß Artikel 2 der Richtlinie 87/101 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ihren Verpflichtungen aus dieser Richtlinie zum 1. Januar 1990 nachzukommen.

Nationales Recht

4. Die nationale Regelung über die Verwertung von Altölen besteht aus folgenden Rechtsakten:

- der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 88/91 vom 23. Februar 1991, die die Altöle betreffenden Tätigkeiten regelt;

- der Ministerialverordnung Nr. 240/92 vom 25. März 1992 über die Billigung der Verordnung über die Erteilung von Lizenzen für Tätigkeiten der Sammlung, der Lagerung, der Vorbehandlung, der Aufbereitung, der Rückgewinnung, der Verbrennung und der Verfeuerung von Altölen;

- der Ministerialverordnung Nr. 1028/92 vom 5. November 1992, durch die die Sicherheits und Identifizierungsnormen für die Beförderung von Altölen festgelegt werden;

- der gemeinsamen Entscheidung des Industrieministers und des Umweltministers vom 18. Mai 1993 über die Durchführung der Verordnung über die Erteilung von Lizenzen für die Behandlung von Altölen.

5. Mit Blick auf eine Änderung dieser Regelung haben die portugiesischen Behörden am 19. März 2001 ein Dokument mit dem Titel Neue nationale Strategie für die Verwertung von Altölen gebilligt.

Vorprozessuales Verfahren

6. Am 18. Juli 2000 forderte die Kommission die portugiesischen Behörden auf, ihr u. a. die Daten über die in den Jahren 1995 bis 1997 aufbereiteten Ölmengen zu übermitteln.

7. Am 4. Oktober 2000 antworteten die portugiesischen Behörden, dass der Prozess der Aufbereitung von Altölen noch nicht in Gang gesetzt worden sei, dass aber eine Analyse der technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Machbarkeit der Errichtung von Einheiten für die Aufbereitung dieser Öle im Gange sei. Am 7. Mai 2002 übermittelten diese Behörden der Kommission einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie in den Jahren 1998 bis 2000 sowie das Dokument Neue nationale Strategie für die Verwertung von Altölen.

8. Am 11. April 2001 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Portugiesische Republik, in dem sie feststellte, dass diese die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang eingeräumt werde, nicht erlassen und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie verstoßen habe, obwohl die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge den Erlass dieser Maßnahmen zugelassen hätten.

9. Am 18. Oktober 2001 antworteten die portugiesischen Behörden, dass ein Gesetzentwurf, der gerade ausgearbeitet werde, der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung den Vorrang einräume und dass die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer bereit seien, gemeinsam eine Aufbereitungsanlage zu errichten.

10. Die Kommission war durch diese Antwort nicht zufrieden gestellt und richtete am 24. Oktober 2001 an die Portugiesische Republik eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihre Auffassung bekräftigte, dass diese die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang eingeräumt werde, nicht erlassen habe, obwohl die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge dies zugelassen hätten. Am 20. Dezember 2001 richtete die Kommission an diesen Mitgliedstaat eine zusätzliche mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ausführte, dass der Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie trotz der abgegebenen Erklärungen fortbestehe.

11. Am 7. März 2002 antworteten die portugiesischen Behörden auf diese mit Gründen versehene Stellungnahmen und unterstrichen, dass die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge, die eine Behandlung von Altölen, bei denen der Aufbereitung der Vorrang eingeräumt werde, nicht zugelassen hätten, fortbestünde.

12. In dieser Antwort erklärten die portugiesischen Behörden außerdem, dass der Grund, aus dem die nationalen Rechtsvorschriften über Altöle nicht sofort durch die Errichtung einer Aufbereitungsanlage im Inland umgesetzt worden seien, darin bestehe, dass die Verordnung Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30, S. 1) den zuständigen Behörden nicht erlaube, die Ausfuhr von Abfällen, die für Verwertungsmaßnahmen zur Energiegewinnung bestimmt seien, zu verhindern.

13. Die Kommission ist der Auffassung, dass der Vorrang für die Behandlung im Wege der Aufbereitung von Altölen in Portugal noch nicht geschaffen worden sei, und hat beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

14. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. September 2003 ist die Republik Finnland als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Portugiesischen Republik zugelassen worden.

Zur Klage

Vorbringen der Beteiligten

15. Die Kommission macht geltend, durch keine der von den portugiesischen Behörden angesprochenen Gesetzes und Verordnungsvorschriften werde der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung der Vorrang eingeräumt.

16. Zu der die Verordnung Nr. 259/93 betreffenden Argumentation der Portugiesischen Republik erklärt die Kommission, die Vorschriften dieser Verordnung erlaubten den zuständigen Behörden, die Ausfuhr von Altölen, die für Maßnahmen zur Energiegewinnung bestimmt seien, zu verhindern. Die portugiesischen Behörden hätten seit langem mit Gründen versehene Einwände gegen die Verbringung von Altölen in andere Mitgliedstaaten zur energetischen Verwertung erheben können, wenn sie innerhalb der durch die Richtlinie festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen dafür ergriffen hätten, dass in Portugal der Vorrang für die Behandlung von Altöl im Wege der Aufbereitung geschaffen worden wäre, wie es Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie vorsehe.

17. Die Kommission fügt hinzu, wenn durch die portugiesischen Rechtsvorschriften ein solcher Vorrang geschaffen worden wäre, so hätten die Einwände gegenüber Ausfuhrvorgängen darauf gestützt werden können, dass mit der Verbringung der Altöle deren Verbrennung bezweckt werde. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe nämlich vorgesehen, dass die Behörden am Versandort mit Gründen versehene Einwände gegen die Verbringung von Abfällen insbesondere in andere Mitgliedstaaten aus einem der in Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 259/93 genannten Gründe erheben könnten. Sie folgert daraus, dass diese Verordnung nicht als ein Hindernis für die Einführung des durch die Richtlinie vorgeschriebenen Vorrangs für die Aufbereitung angeführt werden könne.

18. Die Kommission stellt fest, dass die portugiesischen Behörden zwölf Jahre nach Ablauf der in Artikel 2 der Richtlinie 87/101 festgelegten Umsetzungsfrist noch nicht die erforderlichen Maßnahmen dafür ergriffen hätten, dass der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung tatsächlich der Vorrang eingeräumt werde. Im vorliegenden Fall hätten die rechtlichen und praktischen Mängel, insbesondere auf dem Gebiet der Kontrolle des Bestimmungsorts von Altölen und der Sammlung von Altölen in Portugal entscheidend dazu beigetragen, dass die Voraussetzungen, die es zuließen, dieser Behandlung den Vorrang einzuräumen, nicht vorlägen, und insbesondere verhindert, dass auf dem Gebiet dieses Mitgliedstaats zumindest eine Anlage zur Aufbereitung dieser Öle errichtet worden sei.

19. Schließlich vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Veröffentlichung des Dokuments mit dem Titel Neue nationale Strategie für die Verwertung von Altölen unerheblich sei. Das Gleiche gelte für die anderen von den portugiesischen Behörden angekündigten Initiativen.

20. Die portugiesische Regierung macht geltend, das Fehlen von Rechtsvorschriften reiche für den Nachweis nicht aus, dass ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie vorliege, denn theoretisch sei es nicht notwendigerweise Sache der nationalen Gesetzgebung, das in dieser Vorschrift angesprochene Ziel zu konkretisieren. Die nationale Regelung definiere aber die für die Aufbereitung von Altölen geltenden Bedingungen mit Formulierungen, durch die die Erreichung der Ziele der Richtlinie nicht gefährdet werde.

21. Die gesammelten Altölmengen, insbesondere solche von guter Qualität, lägen unterhalb der Schwelle der wirtschaftlichen Rentabilität. Darüber hinaus sei es unmöglich, die Ausfuhr von Altölen zur energetischen Verwertung zu untersagen, was potenzielle Investoren davon abhalte, in eine Aufbereitungsanlage im Inland zu investieren, da sie nicht die Gewähr hätten, dass die gesammelten Altöle in diese Anlage verbracht würden.

22. Was die Frage der Ausfuhr an Altölen angeht, macht die portugiesische Regierung geltend, die Eingriffsmöglichkeiten der zuständigen Behörden nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 259/93 stellten kein Instrument dar, mit dem die Ausfuhr von Altölen, die zur energetischen Verwertung bestimmt seien, verhindert werden könne, auch wenn es auf nationaler Ebene eine ausreichende Aufbereitungskapazität gebe. Diese Vorschrift erlaube den Mitgliedstaaten nämlich nicht, Beschränkungen für Ausfuhren von Altölen zur energetischen Verwertung als Maßnahmen zum Schutz einer nationalen Altölaufbereitungsindustrie zu rechtfertigen.

23. Abgesehen von den finanziellen, technischen und gesetzlichen Sachzwängen belege die Dimension des portugiesischen Marktes die Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung der Wiederaufbereitung von Altölen in Anbetracht der Mindestreferenzschwellenwerte, die für die Rentabilität eines derartigen Verfahrens zugrunde gelegt worden seien, aufgetreten seien. Die portugiesische Regierung habe wirkliche Anstrengungen unternommen, um die wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Sachzwänge, mit denen sie fertig werden müsse, um den Vorrang der Behandlung dieser Art von Abfällen im Wege der Aufbereitung herzustellen, auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

24. Der Gleichgewichtszustand für eine Aufbereitungsanlage hänge von den Kosten der Lieferung der Altöle ab, die sich weitgehend nach der örtlichen Konjunktur, dem Marktpreis für Rohöl und der verwendeten Aufbereitungstechnologie richteten. Außer wenn es relevante Märkte für die sich aus der Aufbereitung ergebenden Basisöle gebe, könnten aber große Anlagen den starken Schwankungen des Rohölpreises besser standhalten und langfristig eine ausreichende wirtschaftliche Rentabilität behalten.

25. Obwohl die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge die Wirtschaftsteilnehmer des Sektors davon abgehalten hätten, Aufbereitungsanlagen für Altöle zu errichten, seien die nationalen Behörden entschlossen, eine Art der Verwertung dieses Abfalls zu schaffen, bei der der Aufbereitung tatsächlich der Vorrang eingeräumt werde.

26. Die finnische Regierung vertritt in ihrer Streithilfe zur Unterstützung der Anträge der Portugiesischen Republik die Auffassung, dass bei der Beurteilung der Machbarkeit und der Rentabilität der Aufbereitung aus wirtschaftlicher Sicht insbesondere die Menge an hergestelltem Altöl, die Transportentfernungen, die Produktionskosten sowie die Marktbedingungen zu berücksichtigen seien. Demzufolge seien die Bedingungen einer Aufbereitung Fall für Fall in dem betroffenen Mitgliedstaat zu untersuchen. Die Marktsituation sei nämlich einer der Faktoren, durch die die Bedingungen der Aufbereitung beeinflusst würden.

27. Der Preis des Basisöls habe stark geschwankt. Eine derartige Schwankung der Preise erhöhe die Risiken, die mit Investitionen im Sektor der Altölaufbereitung verbunden seien. Dieses Risiko werde durch eine fallende Tendenz beim Verbrauch von Schmierstoffen verstärkt, wobei dieser Rückgang darauf beruhe, dass heutzutage synthetische Schmierstoffe verwendet würden, da sie von höherer Qualität seien.

28. Falls durch nationale Rechtsvorschriften ein zwingendes Aufbereitungsgebot eingeführt werde und es in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Aufbereitungsanlage gebe, müssten die Altöle in einen anderen Staat verbracht werden, um dort aufbereitet zu werden. In einem solchen Fall würden weder die übermäßigen Aufwendungen des Exporteurs für den Transport und die Aufbereitung noch der Umstand berücksichtigt, dass die Verbringung aufgrund von deren Auswirkungen auf die Umwelt unannehmbar sein könne.

Beurteilung durch den Gerichtshof

29. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 1999 in der Rechtssache C102/97 (Kommission/Deutschland, Slg. 1999, I5051, Randnr. 35) entschieden hat, eines der Hauptziele der Richtlinie darin bestand, der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang einzuräumen. Dieses Ziel, das in der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie 87/101 genannt ist, beruht darauf, dass die Aufbereitung wegen der damit verbundenen Energieeinsparung die rationellste Altölnutzung ist.

30. Zu der auf die Nichtbeachtung des Artikels 3 Absatz 1 der Richtlinie gestützten Rüge der Kommission ist von vornherein festzustellen, dass die bestehende nationale Regelung keine Rechtsnorm enthält, die, wie es diese Bestimmung vorschreibt, zum Ausdruck bringt, dass der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang eingeräumt wird.

31. Außerdem ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik selbst anerkannt hat, dass die zuständigen Behörden konkrete Aktionen mit dem Ziel unternehmen müssen, diesen Vorrang in zwingenden Rechtsvorschriften festzulegen. Die portugiesische Regierung hat in diesem Zusammenhang nämlich angegeben, dass es erforderlich sei, die nationale Regelung auf diesem Gebiet zu ändern, um die Voraussetzungen für die Einführung eines solchen Vorrangs zu schaffen, und dass das Dokument Neue nationale Strategie für die Verwertung von Altölen in dieser Absicht ausgearbeitet worden sei.

32. Wie der Gerichtshof in Randnummer 25 seines Urteils vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C424/02 (Kommission/Vereinigtes Königreich, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) entschieden hat, ist es zwar akzeptabel, dass die Mitgliedstaaten zunächst Studien durchführen und Berichte erstellen, um die Modalitäten der Altölbeseitigung zu bestimmen, es müssen aber diesen vorbereitenden Schritten doch konkrete auf die vorrangige Aufbereitung gerichtete Maßnahmen folgen, damit der Verpflichtung aus Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie nachgekommen wird.

33. Was das Vorbringen angeht, in Anbetracht der Regelungen in Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 259/93 sei es schwer gewesen, die Rentabilität von Altölaufbereitungsanlagen in Portugal sicherzustellen, genügt die Feststellung, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach denselben Regelungen befugt sind, Einwände gegen die Verbringung von Abfällen einschließlich Altölen zu erheben, die zur Verwertung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind.

34. Hätte die Portugiesische Republik nämlich - wie der Generalanwalt zu Recht in Nummer 52 seiner Schlussanträge festgestellt hat - den Vorrang der Altölaufbereitung in ihrem Hoheitsgebiet sichergestellt, wie Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie es ihr vorschrieb, so hätten die zuständigen Behörden aus diesem Grund Einwände gegen eine solche Verbringung dieser Abfälle in andere Mitgliedstaaten erheben können.

35. Was das von der Portugiesischen Republik geltend gemachte Argument angeht, die Errichtung von Aufbereitungsanlagen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats sei nicht rentabel und die Verpflichtungen der betroffenen Mitgliedstaaten müssten unter diesen Voraussetzungen und wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach Maßgabe der konkreten in diesen Staaten bestehenden Umstände angepasst werden, ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof in den Randnummern 35 und 43 seines bereits genannten Urteils Kommission/Deutschland entschieden hat, eines der Hauptziele der Richtlinie darin bestand, der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung Vorrang einzuräumen. Ginge man daher davon aus, dass die in einem Mitgliedstaat bestehende technische, wirtschaftliche und organisatorische Situation zwangsläufig Sachzwänge darstellt, die dem Erlass der in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen entgegenstehen, so liefe dies darauf hinaus, dass dieser Vorschrift jede praktische Wirksamkeit genommen würde, da die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung auf die Wahrung des Status quo beschränkt wäre und so durch diese Vorschrift keine wirkliche Verpflichtung auferlegt würde, die erforderlichen Maßnahmen zugunsten einer vorrangigen Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung zu ergreifen.

36. Darüber hinaus ist, was diesen Vorrang angeht, festzustellen, dass, wie der Gerichtshof in den Randnummern 38 und 39 des genannten Urteils Kommission/Deutschland unterstrichen hat, die Bezugnahme auf die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie Teil einer Vorschrift ist, die insgesamt die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung zum Ausdruck bringt, und dass der Gemeinschaftsgesetzgeber keine begrenzten Ausnahmen von einem normativen Grundsatz aufstellen, sondern den Geltungsbereich und den Inhalt einer positiven Verpflichtung festlegen wollte, die darin besteht, den Vorrang der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung zu gewährleisten.

37. Nach alledem ist die Klage der Kommission als begründet anzusehen.

38. Demzufolge ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung den Vorrang einzuräumen, wenn die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge dies zulassen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, die Portugiesische Republik zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Artikel 69 § 4 trägt die Republik Finnland ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung in der durch die Richtlinie 87/101/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 geänderten Fassung verstoßen, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, um der Behandlung von Altölen im Wege der Aufbereitung den Vorrang einzuräumen, wenn die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwänge dies zulassen.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Republik Finnland trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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